Die Singletrail Schnitzeljagd Sölden ist seit Jahren ein fester Bestandteil im Terminkalender des Teams von MTB-News.de und so möchte ich euch auch in diesem Jahr von meinen Erfahrungen berichten. Doch in welcher Form? Nach unserer literarisch unterhaltsamen Aufarbeitung als Tragödie im letzten Jahr und dem Beziehungsdrama von Maxi und Tina im Jahr zuvor fehlte mir ein wenig die Idee, wie ich diesen Rennbericht angehen sollte. Doch wie jedes Rennen seine eigenen Regeln hat, war nur wenige Minuten nach dem Start der Schnitzeljagd 2016 klar, dass es auch in diesem Jahr wieder etwas zu erzählen gibt. Warum? Lest selbst.
Rennbericht: Singletrail Schnitzeljagd Sölden 2016
Das Konzept der Singletrail Schnitzeljagd in Sölden ist relativ simpel: Man startet zu zweit im Team und hat die Aufgabe, auf Zeit eine Reihe von Checkpoints und Hütten anzusteuern. Die Wahl der Wege ist dabei freigestellt. Die Besonderheit besteht jedoch darin, dass man die Position der Wegmarken erst eine halbe Stunde vor dem Start ausgehändigt bekommt. Nach der großartigen Erfahrung im Vorjahr war klar, dass ich wieder am Start sein würde – zumal ich mir von der Erfahrung aus dem Vorjahr einen gewissen „Wettbewerbsvorteil“ erwartet habe. Doch in welchem Team? Das erfolgreiche Bruder-Team aus dem Vorjahr war terminlich leider nicht möglich und so fragte ich kurzerhand Freund und IBC-User Hanne.86, mit dem ich bereits bei den 24 h von Finale Ligure am Start gewesen bin. Nun also gemeinsam zur Schnitzeljagd.
Mit am Start: Mein Alutech ICB 2.0 sowie das neue Votec VE Enduro, das die Redaktion gerade noch rechtzeitig für den Ausflug ins Ötztal erreicht. Wie im Vorjahr setzen wir so auf zwei relativ ungleiche Bikes, doch was ist überhaupt das richtige Bike für die Schnitzeljagd in Sölden? Neben feinen Downhill-Abfahrten gilt es, Traversen auf 2.000 m Höhe zu treten und einen knackigen Anstieg von über 500 Höhenmetern zu meistern. Und wer nicht für jeden Checkpoint erneut mit dem Lift auf den Berg fahren will, kommt nicht um einige kleinere Gegenanstiege herum. Ein Allrounder mit leichtem Fokus auf die Abfahrten ist also gefordert, denn die Trails in Sölden sind nicht zu ohne. Um die 130 mm am Hinterbau des ICB 2.0 zu ergänzen, setze ich auf die neuen e.thirteen TRSr / + Reifen, die mit großem Volumen und weichem Gummi die nötige Sicherheit geben sollen – Tubeless selbstverständlich. Das Votec bleibt entsprechend der Serienausstattung auf Schläuchen – was uns später noch zum Verhängnis werden soll …
Am frühen Samstagmorgen ist davon jedoch noch nichts zu ahnen. Mit einer der ersten Gondeln fahren wir auf den Gipfel des Gaislachkogels – immerhin etwas mehr als 3.000 m über dem Meer. Die Sonne strahlt und nur am Horizont zeigen sich ein paar Wolken. Passend für das Rennen haben zwei warme Tage die letzten Schneereste auf der Strecke abgetaut und durch intensiven Baggereinsatz ist die Abfahrt vom Gipfel für das Rennen möglich. Nach dem langen Winter wurde zuvor aufgrund einer bestehenden Lawinenwarnung am Gipfel und ernstzunehmender Schäden an der Wirtschaftsstraße davon ausgegangen, dass der Start anders als in den Vorjahren von der Mittelstation gut 800 Meter tiefer stattfinden müsse. Doch die Sonne ist mit uns und nach kurzer Taktikbesprechung und dem obligatorischen Gipfel-Selfie gibt Organisator Holger Meyer das Rennen frei.
Strategisch klug haben wir unsere Bikes auf der Innenseite der Strecke nah am Startbogen platziert und so geht es nach kurzem Sprint in der Spitzengruppe auf die Schussabfahrt. Das Tempo steigt, Hanne düst vor mir auf dem Votec mit dem satt liegenden Fahrwerk dem Tal entgegen. Der Abstand wächst, denn ich will es mit meinem kurzhubigen Bike nicht übertreiben. Dennoch erreichen wir gut 70 km/h. Aber das wäre zu einfach. Um es spannender zu machen, lässt der Schwalbe Hans Dampf am Hinterrad unsere Top 20-Platzierung platzen. Während wir vor den Augen der Eventfilmer in aller Eile den Schaden reparieren und den Ersatzschlauch einziehen, düst das Feld an uns vorbei. Doch der Blick zum Berg zeigt: der Strom der Biker will nicht abreißen. 200 Teams sind in diesem Jahr bei der Schnitzeljagd an den Start gegangen und so reihen wir uns gut fünf Minuten später in der Mitte des Feldes ein.
An der Mittelstation entscheiden wir uns, nach links abzubiegen und den ersten Checkpoint an der Rettenbachalm anzusteuern. Als der erste Stempel im Schnitzelpass eingetragen ist, geht die schnelle Hatz weiter. Wir wollen Positionen gut machen und die flowigen Trailabschnitte zur Gampe Thaja voll auskosten. Doch nur wenige Meter später meldet sich Hanne erneut mit einem platten Schwalbe Hans Dampf zurück – erneut am Hinterrad. Was ist da los? Wir ziehen in aller Eile den zweiten Ersatzschlauch ein; ab jetzt gibt es keine Reserve mehr. Als der Reifen aufgepumpt ist und wir die Pumpe abschrauben bleibt der Ventileinsatz in der Pumpe stecken, die Luft entweicht erneut. Alle Versuche, das Ventil aus der Pumpe zu lösen, scheitern. So montieren wir den Reifen ohne Schlauch und Hanne darf auf der Felge zur Gampe Thaja fahren. Was wir brauchen ist eine Zange und diese finden wir tatsächlich bei der ersten Challenge (Danke, Lukas!). Das Ventil eingeschraubt, aufgepumpt und … wieder platt! Erneut hat sich der Kern gelöst und das Spiel beginnt von vorne. In der Zwischenzeit dämmert uns beiden, dass wir das mit dem Wettkampfgeist heute besser sein lassen sollten. Die körperliche Fitness hätte es wohl ohnehin kaum zugelassen und als wir mit der Pumpe zweier Mitstreiter wieder ins Renngeschehen eingreifen, erreichen die späteren Sieger bereits die Hälfte des Gegenanstiegs auf der anderen Talseite. Doch die Schnitzeljagd ist ohnehin kein Rennen im klassischen Sinn.
Bei der nächsten Challenge gabeln wir Ricky auf, deren Team-Partner mit angeschlagener Gesundheit aus dem Rennen aussteigen muss. Gemeinsam rauschen wir über den Leiterberg-Trail dem Tal entgegen. Die Luft bleibt im Reifen, der Flow steigt und ebenso das Tempo. Nach dem desaströsen Start haben wir unseren Rhythmus gefunden und nehmen zu dritt wenig später den steilen Anstieg zur Stallwies Alm in Angriff. Zunächst auf Asphalt und dann auf Schotter geht es unter der inzwischen hoch am Himmel stehenden Sonne den Berg hinauf. Der Schweiß läuft und immer wieder kommen uns Mountainbiker entgegen, die die Challenge und den anschließenden Checkpoint bereits absolviert haben und die Forstpiste dem Trail vorziehen. Kann man machen, ist dann halt scheiße. Zumal es zumindest zweifelhaft ist, dass man über den direkt verlaufenden Trail wirklich langsamer ist. Als wir endlich die Alm erreicht und die Challenge absolviert haben, machen wir eine kurze Pause und stärken uns. Leichter Regen setzt ein, doch die Trails sind trotz der zuletzt ergiebigen Niederschläge in einem perfekten Zustand. So erreichen wir nur kurze Zeit später wieder die Gaislachkogelbahn – 50 % der Schnitzeljagd haben wir absolviert und ich meine zumindest, ein klares Bild davon zu haben, wo wir die restlichen 50 % finden.
An der Mittelstation lassen wir daher den kleinen Hinweispfeil links liegen und nutzen die Schotterpiste, um möglichst schnell die Gaislach Alm zu erreichen. Doch wo im Vorjahr die letzte Challenge auf uns wartete, findet sich in diesem Jahr … nichts! Unschlüssig konsultieren wir die Schnitzelpässe, die eine so präzise Navigation wie eine Ansichtskarte erlauben. Der Anblick muss Mitleid erregt haben, denn zwei Wanderer sprechen uns an und sagen uns, dass vorhin schon fünf Biker vorbeigekommen wären und weisen uns die Richtung, in die sie verschwunden sind. Wir danken, folgen und erreichen nach nur wenigen hundert Metern die letzte Challenge. Ich lasse mich mit verbundenen Augen von Hanne um einige Stühle herumnavigieren und schon geht es weiter zum letzten Checkpoint. Über den technisch teils anspruchsvollen und schnellen Nene-Trail erreichen wir diesen ohne weitere Auffälligkeiten. Irgendetwas fühlt sich im Fahrwerk seltsam an, doch nachdem ich meinen FOX Float DPS-Dämpfer wieder in den offenen Modus versetzt habe, läuft mein ICB 2.0 wieder genau so wie erwartet. Es wird Zeit, dass wir das Ziel erreichen – das angekündigte Gewitter lässt noch immer auf sich warten und die Sonne brät uns mittlerweile seit über vier Stunden.
Als gelungener Abschluss ist nur noch der untere, schnelle Teil der Teäre Line zu absolvieren, der uns direkt auf dem Pumptrack gegenüber dem Hotel Bäckelarwirt ausspuckt. Wir überholen noch ein Team und stilsicher geht es auf dem Hinterrad ins Ziel. Geschafft. Nach den technischen Problemen am Anfang haben wir mit leicht angepasstem Tempo die mal wieder grandiose Schnitzeljagd 2016 in Sölden absolviert. Letzten Endes sind wir mit einer Zeit von 3:38:52.5 h auf dem 42. Platz gelandet – knappe 1:19:17.2 h hinter dem Sieger-Team. Doch diese Platzierung sagt nichts über den Spaßfaktor der Schnitzeljagd aus. Erstklassige Trails mit unterhaltsamen Challenges auf der Suche nach Checkpoints im Team zu einer spannenden Tour zu kombinieren, kommt einem optimalen Tag auf dem Bike schon sehr nah. Wenn es dann zum Abschluss auch noch ein leckeres Schnitzel gibt, bleibt wohl kaum ein Wunsch unerfüllt. Im Anschluss fängt es an zu schütten – der Sommer 2016 lässt grüßen. Ob ich im nächsten Jahr wieder mit dabei sein werde, fragt mich Hanne. Ich kann nur ja sagen und die Schnitzeljagd als ein Rennen ohne den Ernst eines Rennens empfehlen.
Strava
Video: Schnitzeljagd Sölden 2016
Weitere Informationen
Website: http://bikerepublic.soelden.com/schnitzeljagd
Text & Redaktion: Tobias Stahl | MTB-News.de 2016
Fotos: Christoph Bayer, Tobias Stahl, Johannes Merg, Lukas Grüner