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Shimano XTR M9100 12fach-Schaltung im ersten Test
12 Gänge in leise

Schon länger fragte man sich: Wann zieht der Schaltungsriese nach? Seit zwei Jahren ist der amerikanische Mitbewerber SRAM mit der 12fach-Schaltung Eagle auf dem Markt, vor wenigen Wochen dann stellten die Japaner mit der neuen Shimano XTR M9100 ihre eigene Interpretation der perfekten 12fach-Schaltung vor. Und wo XTR draufsteht, kann man seit Jahrzehnten technische Perfektion erwarten – auch beim neuen Modell? Wir konnten die Schaltung an drei langen Biketagen im slowenischen Kransjka Gora fahren – hier ist unser Test. Ein separater Test über die neue XTR Vierkolben-Bremse findet sich hier.

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Shimano XTR M9100 – kurz & knapp

# Shimano XTR M9100 Schaltung-31
Diashow: 12 Gänge in leise
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Gewichte

Neue Shimano XTR M9100Alte Shimano XTR M9000SRAM XX1 EagleSRAM GX Eagle
1x Kurbel511 g598 g465 g610 - 662 g
2x Kurbel Marathon592 g649 g--
Schaltwerk237 g221 g264 g290 g
Kassette359 g (10-51 Zähne)330 g (11-40 Zähne)355 g450 g
Kassette 10-45349 g--
Kette242 g247 g250 g270 g
Schalthebel121 g102 g122 g122 g
Naben369 g432 g--
Umwerfer88 g102 g- -

Im Detail

Bereits in der XTR-Pressemitteilung hatten wir die Eckdaten der Schaltung vorgestellt – einige genauere Informationen möchten wir in diesem Test zusammenfassen. Auffälligstes Merkmal ist die brandneue XTR Kassette: Anders als die aus einem Stück Werkzeugstahl gefräste SRAM-Variante mit einem aus 50er-Ritzel aus Aluminium verfügt die Shimano-Kassette nicht nur über zusätzlichen Zahn beim größten Ritzel, sondern besteht auch aus drei verschiedenen Materialien: Die drei größten Ritzel sind aus Aluminium gefertigt, gefolgt von fünf mittleren Ritzeln aus Titan. Während die genannten aus einem via Alu-Spider verbundenen Block bestehen, werden die restlichen drei Ritzel aus Stahl zum Schluss auf den Freilaufkörper aufgesetzt. Besonderheit hier: Das letzte 10er-Ritzel liegt nur auf dem vorletzten Ritzel auf und nicht auf dem Freilaufkörper.

# Die neue Shimano XTR besteht aus einem Ritzelblock mit Alu-Spider und zusätzlich vier Stahlritzeln, die auf den Freilaufkörper aufgesetzt werden.
# Die ersten beiden Ritzel werden …
# … wie gehabt aufgesetzt, ebenso das dritte (12t)
# Die Besonderheit liegt im kleinsten Ritzel, welches nur noch im vorletzten Ritzel verankert wird.

Shimano unterteilt die neue XTR-Schaltung in mehrere Varianten, die sich durch geringe Anpassungen voneinander unterscheiden: Die reguläre 12-fach-Schaltung soll ideal für Enduro und Marathon sein, bei denen es oft lange steil bergauf geht. Mit der 10-45er Kassette gibt es zusätzlich auch eine XC-Version, die ein 45er- statt dem 51er-Riesenritzel bietet und außerdem kleinere Gangsprünge aufweist.

Die neue XTR-Kurbel besteht auch weiterhin aus Aluminium: Auf Nachfrage erklärt man uns, dass man bei Shimano zwar nicht zuletzt durch die enorme Erfahrung im Anglerbedarf viel von Carbon-Verarbeitung versteht – man aber auch bei der Edelkurbel angesichts der Stabilitäts-, Verarbeitungs- und Fahreigenschaften weiterhin auf Aluminium vertrauen würde. Die neuen Kurbelarme werden übrigens nicht mehr hohlgeschmiedet, sondern bestehen wie die Rennradschwester Dura Ace aus zwei kaltgeschmiedeten Teilen, die zusammengeklebt werden.

# Schickes Design von Kurbel und Kettenblatt: Die neue XTR-Kurbel, die in zwei verschiedenen Breiten kommt, weiß zu gefallen
# Erkennbar an den leicht erhabenen Kanten: Die XTR wird wie die Dura Ace-Kurbel nun ebenfalls kaltgeschmiedet und geklebt
# Schluss mit Klemmung - Auch für die Shimano XTR reicht jetzt ein 8er Innensechskant zur Befestigung der Kurbel. Die entsprechende Platte, dank der man die Kurbel auch einfach wieder herausschrauben kann, ist eingeklebt

Was die Befestigung der Kettenblätter angeht, vertraut Shimano ausschließlich auf eine Direct Mount-Aufnahme. Dies hat unter anderem den Vorteil, dass man für die 2×12-Marathon-Variante keine gänzlich andere Kurbel benötigt, sondern lediglich den 2x-Direct Mount-Spider am Kurbelarm montieren muss. Die 2×12- und die Enduro-Kurbel verfügen über einen breiteren Q-Faktor, der mit Spacern ausgleichbar ist. Montiert und demontiert werden alle XTR-Kurbeln nun mit einem 8 mm-Inbus-Schlüssel.

# Kein integrierter Spider, sondern eine Direct Mount-Aufnahme an der XTR
# Mithilfe dieses Vorspannrings kann etwaiges Spiel eingestellt werden
# Superclean: Die Kurbel mit Direct Mount-Kettenblatt

Unauffälligstes, aber gleichzeitig interessantestes Teil der neuen Shimano XTR ist die neue Nabe. Nicht nur wegen des neuen Freilaufkörpers, sondern primär wegen der „Scylence“ genannten Freilauf-Technologie (Aufbau hier im Video): Der neue Freilauf verfügt nicht über Sperrklinken, sondern greift via Zahnscheiben in einem minimalen Einrastwinkel von 7.6° ineinander. Diese allerdings summen im Freilauf nicht fröhlich auf dem Trail mit, sondern werden mithilfe von Federn wieder auseinandergedrückt, was eine völlig geräuschlose Nabe ergibt. Wie sich das auf dem Trail bemerkbar macht, lest ihr weiter unten.

# Ruhe im Karton: Die "Scylence" genannte Technik sorgt für absolut geräuschlose Entkopplung

Die neue Kassettenaufnahme war laut Shimano alternativlos – andernfalls hätte man die neue Kassette nicht wie geplant verbauen können. Wie bereits angekündigt, wird als bislang einziger externer Hersteller DT Swiss die neue Aufnahme anbieten, die Scylence-Technologie allerdings wird es abseits von Shimano allerdings nicht geben. Zukünftig soll übrigens nicht nur die Edelnabe mit der neuen Aufnahme versehen werden, auch günstigere Shimano-Varianten sollen von der 12fach-Aufnahme profitieren. Bonus bei DT Swiss: Auch für ältere DT Swiss-Naben kann die neue 12fach-Aufnahme nachgerüstet werden.

# Die neue Kassettenaufnahme an der Shimano XTR. Diese soll auch zukünftig für günstigere Naben der Japaner verfügbar sein
# Das Gegenstück: Der Kassettenblock greift an beiden Seiten in die Aufnahme

Die XTR Shifter haben sich konstruktionell nur wenig verändert, verfügen aber über ein kleines, sinnvolles Detail: In den Shimano XTR-Shiftern sind geriffelte Gummipads integriert, welche noch kontrollierteres Schalten ermöglichen sollen. Zu guter Letzt hat sich auch etwas am Schaltwerk getan: Das Plastik der Pulleys ist absichtlich etwas flexibler, um ein geschmeidigeres Schalten zu ermöglichen und Schaltgeräusche so leise wie möglich zu halten. Außerdem verfügt die neue Clutch über eine stärkere Federkraft – zusätzlich kann man diese einfach via Inbus nachstellen, sollte sie einmal zu gering sein. Für die 2fach-Marathon-Variante ist das Schaltwerk minimal anders gestaltet, das 1fach-Schaltwerk soll hier aber grundsätzlich ebenso gut funktionieren.

# Schick und funktionell: Der Shifter mit Gummi-Einsatz
# Die Clutch ist laut Shimano nochmals straffer …
# … und der untere Pulley größer geworden
# Product Coordinator Henry Bosch erklärte uns die neue Schaltung
# Auch bei der Shimano XTR kann man den idealen Abstand messen: mit diesem Aufdruck
# Formschöner Alu-Spider auf der Rückseite der Kassette

Auf dem Trail

Was zuerst auffällt, ist, dass nichts auffällt: Wenn man einen schön lauten, Passanten-auf-sich-aufmerksam-machenden Knatterfreilauf gewohnt ist, ist die Stille auf einmal sehr ungewohnt. Unauffällig rollt man mit der restlichen Gruppe dahin und hört ausschließlich das Auftreffen der Reifen auf den Boden. Man muss sich erst eine Weile daran gewöhnen; insbesondere für mich als Inhaber eines privaten Newmen-Laufradsatzes, der sicher mit zu den lautesten auf dem Markt gehört, ist der Nicht-Sound des Scylence-Freilaufs fast befremdlich. Nach kurzer Zeit allerdings beginnt die Sache Spaß zu machen: Dadurch, dass lediglich das Geräusch der Reifen zu hören ist, nimmt man wechselnde Untergründe tatsächlich anders wahr und konzentriert sich instinktiv auch mit dem Gehör auf die Reifen. Wer es einmal ausprobieren will, sollte sich an Aaron Gwin orientieren und vor einer Abfahrt einfach mal die Kette entfernen.

# Erste Fahrt! Kurz sammeln …
# … und hoch geht es. Als Aufwärmübung sollen heute 650 Höhenmeter ausreichen

Kommen wir zur Schaltung: Hier lässt Shimano wie erwartet nichts anbrennen und präsentiert eine perfekte Schaltung auf gewohnt gutem XTR-Niveau. In Aktion ist die Schaltung nicht nur sehr leise und präzise, die Gänge lassen sich dank der neuen „Hyperglide“-Konstruktion auch im kurzem Uphill oder dem schnellen Antritt unter Last vollkommen problemfrei hoch- wie auch herunterschalten. Auch aggressive und absichtlich provozierte, richtig eklige Schaltvorgänge machen der XTR nichts aus, im Gegenteil: die Kette schiebt ebenso sanft und leise rüber wie bei entspannten Schaltvorgängen in der Ebene. Beeindruckend. Auch bei SRAMs 1x-Schaltungen kann man unter Last präzise schalten, allerdings klappt das aus Erfahrung nicht immer gar so geräuschfrei wie beim Konkurrenten aus Japan. Diese präzisen Schaltvorgänge führen dazu, dass ich auch drei Tagen keinen Schaltungsfehler geschweige denn eine verlorene Kette zu beklagen habe.

# Am Dreiländereck startet unser erster Trail
# Egal ob sanfte Karrenwege oder ausgesetzte Alpintrails – die XTR liefert
# Mit der XTR im Soča Valley

Bleiben wir kurz beim Vergleich mit den Amerikanern: Die XTR-Schaltvorgänge an sich sind ebenso präzise, aber weniger „crisp“ als bei SRAM. Statt wie beim Konkurrenten sehr straight direkt aufs nächste Ritzel zu schießen, wirkt der Schaltvorgang bei Shimano zwar auch schnell, aber insgesamt etwas sanfter und leiser. Dieser sanftere Schaltvorgang, der sich vom knackigen Schalten einer SRAM-Schaltung spürbar unterscheidet, ist laut Shimano Absicht und soll ebenso wie die geräuschlose Nabe zu einem leisen Fahrgefühl beitragen. Lediglich der letzte Schwung auf das große Kletter-Ritzel geschieht bei SRAM gefühlt etwas schneller; gefühlt benötigt der Shimano XTR-Shifter auch minimal mehr Druck. Die Ergonomie der Shifter gefällt, hier setzen die Japaner auf eine etwas weniger organische und mehr technische Haptik. Alles kommt optisch recht kantig daher, was allerdings natürlich auf den Fahrbetrieb keinerlei Einfluss hat.

# IKS4236

Nachtrag, 05. Juli 2018:

Ich bin gestern im Vergleich nochmal die konkurrierende SRAM Eagle auf den Hometrails gefahren. Tatsächlich sind die Unterschiede deutlich spürbar, wenngleich teilweise schwierig in Worte zu fassen:

Das ist uns aufgefallen

Fazit – Shimano XTR M9100 Schaltung

Präzise Schaltvorgänge, technisch perfekt: Die neue Shimano XTR M9100 Gruppe überzeugt im ersten Test. Auch wenn die neue Schaltung etwas spät auf den Markt kommt, lohnt sich ein Blick auf die Finessen der neuen Technik: Die geräuschlose Scylence-Technologie bietet ein tolles Fahrgefühl, die Schaltperformance lässt keine Wünsche offen. Wie sich die Schaltung im Dauerbetrieb schlägt, werden wir sobald wie möglich testen.

Pro / Contra

Pro

  • Perfekte Schaltvorgänge
  • Leise Gangwechsel
  • Geräuschlose "Scylence"-Nabe
  • Sehr hohe Bandbreite mit 510 %

Contra

  • Scylence-Technologie nur bei Shimano-Naben verfügbar
  • Mit DT Swiss aktuell nur ein exklusiver Partner für 12fach-Aufnahme

Testablauf

Die Schaltung wurde im Rahmen des dreitätigen Shimano Mediacamps in Kransjka Gora/Slowenien getestet. Hierbei musste sich die neue XTR auf flowigen, steinigen bis sehr steilen Trails zwischen 700 und 1000 Tiefenmetern beweisen. Die Kosten für das Mediacamp wurden von Shimano getragen.

Tester-Profil: Johannes Herden
Körpergröße 193 cm
Schrittlänge 92 cm
Oberkörperlänge 61 cm
Armlänge 59 cm
Gewicht 103 kg
Egal ob mit dem Enduro auf den Hometrails, dem Dirtrad im Skatepark oder auf dem Rennrad in der Langdistanz: Hannes ist in fast allen Bike-Kategorien zuhause. Am liebsten aber geht’s für ihn bergab durch den Wald!
Fahrstil
verspielt und sauber
Ich fahre hauptsächlich
Enduro, Trails, Pumptrack/Park/Street
Vorlieben beim Fahrwerk
Progressiv, nicht zu soft, schnelle Zugstufe
Vorlieben bei der Geometrie
Eher kürzerer Hinterbau, Lenkwinkel nicht extrem flach, die Front darf gern etwas höher

Was haltet ihr von der neuen Shimano XTR-Gruppe: Eine Eagle-Alternative für euch?

Fotos: Johannes Herden, Shimano/Irmo Keizer
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