Mein Telefon klingelt. Mit meinen Kindern bin ich im „Strandbad“, einem 100 Jahre alten Freibad in der Nähe von Wien. Am anderen Ende ist Wolfi Eysholdt von Evoc. Er fragt mich: „Sitzt du?“
Ich setze mich mal besser.
„Willst mit uns nach Peru kommen?“
Wow. Das hat gesessen!
Zwei vorbereitungsintensive Wochen später sitzen wir gemeinsam im Flieger nach Cusco. Ich bin sehr aufgeregt. Ich war noch nie in Südamerika. Wie wird die Crew sein? Über-coole Freerider und abgehobene Filmer? Wie werde ich mit der Höhe klarkommen? Werde ich als Fotograf performen?

Kaum in Cusco angekommen, macht sich ein Lächeln breit und die Sorgen werden von den spannenden Eindrücken des Landes überlagert. Alte Bauwerke der Inkas und Conquistadoren, viel traditionelle Bekleidung der Einwohner und die Landschaft lassen uns die Reisestrapazen schnell vergessen. Etwas strapaziert uns allerdings die dünne Luft – die alte Hauptstadt der Inkas liegt bereits auf 3.500 m.

Nach einer kleinen Reiseführer-bewaffneten Sightseeingtour mit treffen wir auf unsere Crew bei Haku Expeditions, dem peruanischen Veranstalter für epische Mountainbike Trips. In den nächsten zwei Wochen werden vor der Linse sein: die Kanadier Kurt Sorge, 3- facher Rampage Gewinner, Geoff Gully Gulevich, Spruch- und Freeride-Maschine und Wolfi Eysholdt, deutscher Ex-Downhill Pro und Evoc Marketing-Man.
Hinter den Linsen verstecken sich der kanadische Filmer Matt Brooks, der Drohnen-Virtuosen „Popin“ Juan Alfonso Reece aus Ecuador und ich, der Wahl-Innsbrucker Manfred Stromberg.
Als wir nach einer grandiosen Abfahrt ins „nur“ auf 2800 m gelegene Sacred Valley in unserem Hotel ankommen, ist der Schreck groß. Es fehlen zwei Taschen! Mein Laptop ist weg und alle meine Ladegräte und Speichermedien! Eine Suche am Shuttleplatz bleibt erfolglos. Die Taschen müssen aus dem Kofferraum des Shuttles geklaut worden sein, während wir darin auf unsere erste Abfahrt angestoßen haben.
Den Abend verbringe ich damit, mit zusammengeliehenen Kabeln und Speichermedien meine Arbeitsfähigkeit wieder herzustellen. Am nächsten Morgen will ich Anzeige bei der Polizei machen. Beim Frühstück eröffnet mir der Hoteldirektor, dass die Taschen wieder aufgetaucht und bereits auf dem Weg zu uns seien. Über einen Facebook-Post mit den Evoc-Taschen haben sie über die lokale Bike-Szene wieder zu uns gefunden. Nichts fehlt. Ich glaube, Inka-Götter hatten ihre Finger im Spiel …
Die nächsten Tage versuchen wir uns bestmöglich zu akklimatisieren. Jeden Tag geht es etwas höher hinauf. Beim Start in die teils 4600 m hohen Trails fühle ich mich dennoch wie betrunken vor Luftnot.

Im Sol y Luna Waisenhaus, das vom gleichnamigen Hotel und Spenden finanziert wird, spielen und toben Kurt und Gully mit den Kindern und unsere Kameras haben kurzfristig neue Fotografen. Der Besuch rührt und erfreut uns gleichermaßen.

Dann wird es ernst: Wir starten ins Camp. Werden die Lines, die sich Kurt und Gully mit Hilfe von Satellitenbildern rausgesucht und von Bill und Nic von Haku Expeditions gescoutet wurden, überhaupt funktionieren? Wie kommen wir mit der Höhe klar? Im Vorfeld haben wir die Signale von Höhenkrankheit und den Umgang damit genau besprochen: langsam machen, viel trinken und auf Signale wie Kopfschmerzen achten. Ehrlich zu sich selbst sein – es kann auch die Fittesten erwischen.



Langsam machen war dann auch ganz schnell die Devise, als wir uns von dem auf 4400 m hoch gelegenen Örtchen zu unserem Camp aufmachen. Wo wir sonst lustig plaudernd hochtreten würden, wird schnaufend geschoben. Die ganze Ausrüstung wird zum Glück von Pferden und Lamas zu unserem Camp getragen.

Immer tiefer tauchen wir ein in die fantastische Landschaft. Blendend weiße Gletscher hängen auf trockene Berghänge hinunter, über allem thront der 6.384 m hohe Ausangate. Wir schlagen unser Camp auf 4.700 m über einem kleinen See auf. Unser Expeditionsteam baut die Zelte auf, die Jungs versuchen die ersten Lines. In unserem Ess-Zelt werden die großartigsten Leckereien von unseren Guides serviert. Unglaublich!


Die Nacht ist unruhig, die Höhe und die Kälte sorgen nicht gerade für einen erholsamen Schlaf. Als ich noch vor Sonnenaufgang aus meinem Zelt krieche, ist alles gefroren. Der Tee aus Koka-Blättern lässt uns langsam auftauen und auch besser mit der Höhe zurechtkommen. Die Jungs lassen sich nicht bremsen und schieben ihre Räder schon im Dämmerungslicht zu den ersten fetten Lines auf den schwarzen und gelben Hängen.


Zwei Nächte verbringen wir in diesem Camp, das fast auf dem höchsten Berg Europas liegen könnte. In dieser Zeit wachst das Team weiter zusammen. Alle achten aufeinander, fragen nach und geben offenes Feedback zum eigenen Befinden. Alle sind gestoked, hier sein zu dürfen.

Nach einer Nacht Erholung in Cusco geht es in die zweite Runde Extrem-Camping. Jetzt liegt das Camp noch mal 100 m höher auf 4.800. Hallo Mont Blanc. Blutrote Erde an Hängen von 5000ern erwarten uns. Kurt und Gully sind on fire! Das ist ihre Mission!
Wir haben mitgedacht und diesmal Holz für ein Lagerfeuer gekauft. Die Runde ist ausgelassen, aber bald dann doch ausgefroren. Jeder verzieht sich schon früh in sein Einzelzimmer aus dünnem Zeltstoff und dickem Schlafsack. Am nächsten Morgen dann die Überraschung: wo ist die rote Erde hin? Alles weiß! Eine dicke Schneeschicht bedeckt alles. Doch die Sonne ist stark so nah am Äquator. Die Jungs steigen im Schnee auf. Bis sie es zum Grat auf 5200 m geschafft haben, ist der Schnee geschmolzen. Doch als wenn sie mit dem Snowboard im Powder unterwegs wären, brennen sie die rote Erde hinunter,


Vollgepumpt mit Adrenalin machen sie sich ein weiteres Mal auf, um eine weitere Big Mountain Line zu wagen. Schritt für Schritt kämpfen sie sich mühsam den Berg hinauf. Die Sonne verdunkelt. Als Gully seine Line auf dem Grat erreicht hat, startet ein Schneesturm. Blitze und Donner durchfahren die dunklen Wolken. Nervöse Kommentare krächzen durch die Funkgeräte. Als sich Gully und Wolfi in die Abfahrt stürzen, kann meine Kamera sie im Schneetreiben kaum mehr ausmachen.

Binnen 15 Minuten ist wieder alles weiß. Kurt zieht eine Line in den Hang, die einem Snowboarder zur Ehre gereichen würde.
Wolfi ist nach den zwei Aufstiegen die senkrechte rote Wand rauf ziemlich platt. Bei ihm setzt die fehlende Regeneration auf der Höhe zu. Am kommenden Tag schleppte er sich förmlich den Berg hinauf und verzichtete auf die ganz fetten Lines. Zu groß ist das Risiko eines Crashs, wenn man nicht 100 % on ist. Kurt und Gully beeindrucken mich mit ihrer unfassbaren Fitness. Auch nach den härtesten Anstiegen sind sie on fire. Echte Freeride-Maschinen!

Nach einer weiteren kalten Nacht und mehr frischem Schnee spielen Kurt und Gully mit einem lokalen Jungen Fußball. Dann folgt eine kleine Show mit Wheelies und Bunnyhops. Kurt schiebt ihn anschließend auf seinem Rad über den Parkplatz. Er strahlt dabei genauso wie der kleine Junge. Die Jungs haben ihr Herz wirklich am rechten Fleck.

Wir steigen zum „Rainbow Mountain“ auf. Dieser Bergrücken auf 5.000 m ist mit seinen farbigen Streifen ein einzigartiges Naturdenkmal. Natürlich werden hier keine Fahrspuren in den Berg gefräst. Kurt haut stattdessen eine Abfahrt ins Red Valley raus, die mir hinter der Kamera den Mund weit offen stehen lässt. Der Speed und die Sicherheit, die er in diesem supersteilen Gelände zeigt, sind unfassbar. Er gehört einfach zu den weltbesten Big Mountain Freeridern!

Kurt braucht Stunden, den Berg zu umrunden und ins Camp zurückzukehren – daran sieht man den Effort, solche Lines zu fahren. Kurt ist immer noch voller „Stoke“ und erzählt uns von seinen Treffen mit einem Einheimischen auf einem Pferd, der sich schon sehr gewundert hat, aber der auch ziemlich beeindruckt von Kurts Ritt war.

Im Camp wird der Running Gag „Be a man!“ , der seit Tagen durchs Camp geistert, final auf Spanisch übersetzt: se hombre! Das ist das Motto unserer Reise. Doch die wilden Freerider und coolen Film-Dudes haben sich auf unserer Reise als äußerst offenherzig, hilfsbereit, großzügig und achtsam erwiesen.

Mit Wolfi hänge ich noch einen Besuch der Inka-Stadt und Weltkulturerbe Macchu Picchu dran. Wir sind uns einig, dass diese Reise „a trip of a lifetime“ war. Hier stimmt wirklich alles: die beeindruckendste Landschaft, spannende Trails, neue Kultur, weltoffene Menschen, ein bisschen Drama und das besten von allem: die Menschen, mit denen diese Reise verbunden bleiben wird.

Das wird mir sicher so lange bleiben wie Gully sein neues Tattoo bleiben wird: ein Alpaca, das „Se hombre!“ sagt.





- Hier gehts zum entstandenen Film: watch.outsideonline.com
- Teile der Reise können gebucht werden: www.hakuexpeditions.com
- Hier gehts zur Organisation, die das Waisenhaus betreibt: www.asociacionsolyluna.com
- manfredstromberg.com
9 Kommentare
» Alle Kommentare im ForumDer Link zum Reiseunternehmen ist falsch; deshalb funktioniert er nicht, bitte ändert das
https://hakuexpeditions.com/
Location is schon toll, weckt gleich die Sehnsucht nach den Bergen😍
Coole Bilder, wow. Klasse Exotik-Location, ja.
Mehr Respekt hätte ich allerdings vor den Teilnehmern, wenn die den Trip selbst organisiert hätten und nicht Planung und Durchführung einem lokalen Reiseveranstalter gegen Geld überlassen hätten.
Ist halt wie Bali- oder Malediven-Pauschalurlaub mit schönen Bildern.
Ein toller Fototrip, den genau 99,98% der User hier nicht machen werden.
Sage ich bewusst so, als ehem. selbstorganisierender Backpacker auf dem Altiplano.
Das Land und die Kultur sind aber auf jeden Fall einen Besuch wert und eine unvergessliche persönliche Bereicherung für jeden! Sowas nimmt einem niemand mehr.
Wir laden dich ein, jeden Artikel bei uns im Forum zu kommentieren und diskutieren. Schau dir die bisherige Diskussion an oder kommentiere einfach im folgenden Formular: