Scott Scale 2017: in Albstadt das erste Mal gesichtet, wurde uns diese Woche in der Lenzerheide das neue Racebike vom Scott-Odlo Team rund um Nino Schurter und Jenny Rissveds vorgestellt. Nach drei Jahren Entwicklungszeit mit dem Ziel, für die olympische Saison Rio 2016 rechtzeitig ein neues Bike für den Rennfahrer zu haben, kann sich das Ergebnis sehen lassen. Gleich drei unterschiedliche Rahmenvarianten spendierten die Schweizer ihrem Edelhardtail, dessen Rahmen in der leichtesten Ausführung unter 850 Gramm wiegt und mit Boost-Hinterbau kommt.
Scott Scale 2017: Kurz und knapp
- Rahmenmaterial: Carbon aus drei verschiedene Fasertypen (HMX-SL, HMX und HMF)
- Rahmengewicht: 849 Gramm (HMX-SL), 966 g (HMX) und 1099 g (HMF) in Größe M
- Laufradgrößen: 29″, 27,5″ und 650B Plus
- Lenkwinkel: 69,5° (29″) und 66,5° (650B Plus)
- 148 x 12 mm Boost Hinterbau
- Innenverlegte Züge
- Scale RC: Maximale Performance, nur 1fach Antrieb
Scott Scale 2017 – im Detail
Scale RC
Zum ersten Mal in der Geschichte des Scales wird es drei grundsätzliche verschiedene Rahmenvarianten je Laufradgröße geben. Hinter dem Namen Scale RC verstecken sich fortan alle Modelle, die bedingungslos für den Wettkampf eng mit dem Scott Odlo Team entwickelt wurden. Um das Optimum herauszuholen wurden drei verschiedene Carbonfasern verwendet, um den Belastungen in den unterschiedlichen Regionen innerhalb des Rahmens bei möglichst geringen Gewicht standzuhalten. Die von Scott HMX-SL Faserkombination besteht dabei aus einer hochfesten, sehr steifen und ausgewogenen Faser, die im Durchschnitt der beiden extremeren Fasern liegt. Alle RC-Modelle weisen außerdem keine Umwerferaufnahme auf und setzen auf den neuen Boost-Standard. Dies ermöglichte den Ingenieuren laut Scott, einen extrem steifen und trotzdem leichten Tretlagerbereich durch einen fasergerechteren Aufbau mit weniger starken Radien zu konstruieren. Zum ersten Mal wurde bei Scott ein FEA-Programm (Ansys Composites) verwendet, um iterativ ein ideales Layup der Fasern zu finden.
Dabei soll auf jedes kleine Detail ein Auge gelegt worden sein, um ein Rahmengewicht inkl. kompletter Hardware von 849 Gramm in Größe M zu erreichen. Hauptpriorität lag dabei auf einem möglichst geringem Gewicht bei, im Vergleich zum Vorgänger, gleich hoher Steifigkeit.
Ohne diese beiden Gesichtspunkte in irgendeiner Weise zu vernachlässigen, soll auch der Komfort nicht zu kurz gekommen sein. Dabei unterscheiden sich zwei Punkte: Komfort im Sitzen und im Stehen. Das hochgesteckte Ziel soll durch die Unterteilung des Rahmens in zwei Hälften gelungen sein. Während der untere Teil, bestehend aus Steuerrohr, Unterrohr, Tretlagerbereich und Kettenstreben, maßgeblich für die Steifigkeit verantwortlich sein soll, soll der obere restliche Part des Rahmens für einen ausreichenden Komfort sorgen.
Wie es von anderen Herstellern bereits bekannt ist, sorgt eine Verformung des Sitz- und Sattelrohrs für Komfort im Sitzen, mit dazu flexenden Sitzstreben. Im Stehen soll der Komfort durch eine leichte vertikale Verwindung der Kettenstrebe und einem Beulen der Sitzstrebe realisiert worden sein. Dabei sollen sich die Sitzstreben weg vom Reifen biegen, was durch eine leichte Vorbiegung gewährleistet werden soll. Dadurch soll sich die Reifenfreiheit vergrößern.
Eine veränderte Anordnung des Bremssattels soll die Verwindung der Sitzstrebe begünstigen. So stützt sich beim neuen Scale der Bremssattel direkt an der Steckachse ab und nicht mehr zwischen Sitz- und Kettenstrebe. Ein weiterer Nebeneffekt ist die Gewichtsreduktion, da Kräfte direkt von der Steckachse aufgenommen werden können und den Rahmen nicht beanspruchen. Im Bereich der Ausfallenden soll so alleine ca. 60 Gramm eingespart worden sein.
Eine simple und gleichzeitig clevere Lösung fanden die Ingenieure von Scott bei der Zugverlegung. Durch den runden Übergang im Tretlager sollen sich Züge einfach vom Hinterbau bis zum Steuerrohrbereich verlegen lassen. Die großen Öffnungen vereinfachen dabei die Montage und ermöglichen es den Zug mit einer Standard-Zange zuverlässig zu packen. Dabei wurde an alle Eventualitäten gedacht, sei es Di2, Variostütze, 1fach oder 2fach Aufbauten, Scott bietet für jede Möglichkeit die passende Abschlusskappe für die Öffnungen im Steuerrohr an.
Um das Gewicht so gering wie möglich zu halten, aber ein Klappern der Züge im Rahmen zu verhindern, wird auf diese eine dünne Schaumschicht aufgesprüht – simpel, aber effektiv.
Um Fertigungstoleranzen möglichst gering zu halten, werden sämtliche Carbonbauteile beim Spark während dem Ausbacken mit Innendruck beansprucht. So soll gewährleistet werden, dass die einzelnen Lagen sauber und glatt miteinander verbunden werden. An komplizierten Stellen wie dem Tretlager- oder Steuerrohrbereich, sorgen teilbare Plastikeinsätze, dass überall eine gleichmäßige Pressung der Carbonfaserlagen herrscht. Insgesamt wird der Rahmen aus 5 einzelnen Teilen klebend zusammengefügt. Je Rahmen kommen ca. 150 Layer zum Einsatz.
Last but not east bekommt jeder Rahmen nach dem Ausbacken ein eigenes Design. Um auch das letzte Gewicht herauszukitzeln, wurde bei den RC-Modellen mit Decals und einem Klarlack gearbeitet. Das soll rund 45 Gramm am ganzen Rahmen einsparen. Aus diesem Grund kommen die RC-Modelle und die hochwertigen Scale Modelle sämtlichst ohne Komplettlackierung daher.
Scale
Wie bereits am Anfang erwähnt, unterteilt Scott das Scale fortan in drei Modelle. Neben dem ausführlich beschriebenen RC-Modellen, die für den Renneinsatz und ohne Umwerferaufnahme entwickelt wurden, ermöglichen die Scale Rahmen die Aufnahme von Direct Mount-Umwerfern von Shimano. Das sollte besonders für Marathonfahrer interessant sein. Die technischen Veränderungen sind dabei die gleichen – lediglich in den Vorzug der besten Carbonfasern kommen die Käufer nicht. Im Endeffekt wird der Rahmen dadurch 966 Gramm wiegen, Stabilität und Steifigkeit sollen aber auf gleichem Niveau liegen.
Scale Plus
Komplett anders und doch ähnlich kommt das Scale Plus daher. Der flache 66,5° Lenkwinkel und die fetten Reifen machen klar, wohin die Reise gehen soll – raus auf die Trails und Spaß haben. Natürlich darf hier eine Variostütze nicht fehlen, welche sich im Übrigen auch bei allen anderen Scale Versionen verbauen lässt, beim Scale Plus in 2 Modellen aber standardmäßig verbaut ist. Für die schnelle Feierabendrunde und die Hometrails sollte das Bike damit definitiv eine gute Wahl darstellen. Aus Preisgründen wird es das Scale Plus vorerst lediglich als Aluminiumversion geben.
Modellübersicht
Für alle Kundenwünsche sollte Scott das passende Bike im Programm haben. Alle Modellvarianten des Scales könnt ihr hier betrachten – mit dabei ebenfalls 7 Frauenmodelle, die unter dem Modellnamen Contessa laufen.
Scale RC
Scale
Scale Plus
Contessa Scale RC, Scale und Scale Plus
Geometrie
Ganz nach dem aktuellen Trend wurde der Hauptrahmen länger, der Lenkwinkel leicht flacher und der Hinterbau kürzer. Größte Neuerung ist wohl das deutlich kleinere Steuerrohrhöhe, wodurch sich tiefere Cockpits fahren lassen. Dies sei einer der Hauptgründe, warum Nino Schurter mittlerweile auf 29″ Bikes gewechselt ist. Beim 29″ RC Modell beträgt der Lenkwinkel 69,5°, die Kettenstreben 425 mm und der Reach 422,3 mm.
Scale RC
Scale
Scale Plus
Contessa
Scott Scale 2017: Erster Test
Neben dem Scott Spark 2017 konnten wir auch das Scott Scale einem ersten Test unterziehen. Hier boten sich die Lenzerheider World Cup Strecke und die Trails der Umgebung natürlich bestens an. Wer die Strecke selbst einmal gefahren ist, wird bestätigen, dass sie durch viele kleine Anstiege und Bodenunebenheiten recht kraftraubend ist.
Der Vergleich zu anderen Hardtails fällt natürlich immer ein wenig schwer, doch zeigte sich das getestete Scale RC World Cup in der 29″ Version als sehr agil und antriebsstark. Der Komfort ging bei diesem Setup ebenfalls in Ordnung – mit einem Reifendruck von 1,5 bar vorn sowie hinten 1,6 bar. Im Sitzen fiel es leicht, durch Verändern des Körperschwerpunkts das Vorder- oder Hinterrad anzuheben, um besser über Hindernisse zu kommen. Die Traktion am Hinterrad punktete dabei vor allem durch die kurzen Kettenstreben und die montierten Rocket Rons.
Im Downhill wirkte das Rad ebenfalls recht ausgeglichen und erlaubte eine hohe Geschwindigkeit, ohne Unsicherheiten zu vermitteln – allerdings immer mit dem üblichen Verhalten eines wendigen Racebikes. Der Komfort des Bikes hinterließ keinen bleibenden Eindruck, doch im Vergleich zur Konkurrenz und zum Vorgänger muss sich das neue Scale RC nicht verstecken. Unangenehme Schläge wurden trotz der recht unangenehmen World Cup Strecke nicht wahrgenommen.
Scott Scale 2017 – Fazit
Es ist wieder das leichteste Hardtail auf dem Markt – damit lässt sich die Vorstellung des neuen Scale RC am besten zusammenfassen. Ansonsten ist es ein zeitgemäßes Hardtail, das durch clevere Detaillösungen gefällt. Im Wettkampf werden Rennfahrer die Antrittssteifigkeit und die ausgewogene Geometrie zu schätzen wissen. Mit insgesamt 25 Modellen sollte für jeden oder jede Fahrer(in) das richtige Bike dabei sein.
Weitere Informationen
Website: www.scott-sports.com
Text & Redaktion: Thomas Fritsch | MTB-News.de 2016
Bilder: Scott, Thomas Fritsch
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