Rennbericht: Singletrail Schnitzeljagd Sölden 2021
Vorher: Julian und ich sind gerade wieder von der Alpspitze unten (sehr empfehlenswerte Wanderung übrigens). Tobi von MTB-News.de: „Willst du mit deinem Bruder die MTB Schnitzeljagd in Sölden fahren?“ (Die Jungs von MTB-News.de kennen scheinbar niemanden, der Fahrradfahren kann). Ich frage Julian, ob er schon mal auf einem Fully gesessen hat. Nee. Ich auch nicht. Machen wir, oder? Yes, let’s go. Was ist das eigentlich für eine Veranstaltung, die Schnitzeljagd?
Die nächsten 2 Wochen: Ich schaue mir panisch YouTube-MTB-Fahrtechnik-Videos an und setze die Tipps auf meinem Rennrad auf dem Weg durch die Münchner Innenstadt um. Meine Drops werden besser, an hupende Autos bin ich jetzt gewöhnt. Ich bin nur etwas unsicher, ob mein Training sinnvoll ist. Eigentlich bin ich Turnerin und Bergsteigerin. Das Gleiche gilt für Julian – der übt aber ebenfalls fleißig auf dem Rennrad. An einem Tag schreibt Tobi: „Hey Adina, vielleicht fahren wir doch noch mal zusammen vor dem Rennen auf dem Mountainbike?“ (Zufall, oder hat er mein „Training“ gesehen?). Bei der gemeinsamen Tour stelle ich mich eigentlich ganz gut an. Zumindest gelingen einige wenige Meter Wheelie auf dem Hinterrad. Dafür fallen mir die Kurven noch schwer.

T minus 7 Tage: Ich stehe auf dem Großglockner – schon wieder die falsche Sportart. Aber ich habe auch kein eigenes Mountainbike. Am Abend vor der Schnitzeljagd kommen wir in Sölden an. Wir haben so weit alles bis auf Räder. Wir suchen die Menschen von Scott, die wohl noch im Stau stehen. Darf man morgen auch zu Fuß starten? Jemand kommt in unser Hotel: „Seid ihr von Scott?“ „Ja … ne … ja klar!“ „Hä?“ „Ja, wir sind von Scott.“ „Cool! Bekommen wir Bikes von euch?“ „Ja, machen wir morgen.“ „Nice!“. Zusammen schauen Juli und ich auf die Trailmap für morgen. Ist der Start an der Mittel- oder Bergstation? Nach einigem Hin und Her einigen wir uns auf Mittelstation. Wenn man die Karte umdreht, sieht man die andere Seite vom Tal. Man könnte meinen, wir hätten studiert.
Die Jagd: Die Überraschung kommt gleich zu Beginn: Der Rennstart war doch an der Bergstation, was unsere Vorbereitung ganz gut zusammenfasst. Der Le-Mans-Start am Gipfel ist uns etwas suspekt, wir stellen uns ganz hinten hin und machen uns gemütlich auf den Weg, als sich das Feld lichtet. Insider-Tipp: Wer ganz vorne mitmischen will, läuft beim Countdown schon bei 1 los. Nach den ersten fünf Minuten auf der steilen Schotterpiste in Richtung Tal stellen wir fest, dass unsere Testräder echt nice sind (mehr Infos: Scott Ransom-Test). Mit unseren eigenen Bikes hätten wir hier wohl kein Land gesehen.


An der Mittelstation angekommen, setzen wir unseren Plan in die Tat um: Wir starten gleich den schwarzen Nene-Trail, solange wir noch fit sind. Wir wissen nicht so ganz genau, was uns erwartet, und sind auf dem Trail schon gut damit gefordert, unsere Vorderräder korrekt durch / über/ zwischen die großen Steine zu lenken. Mich legt es in den ersten 10 min direkt zweimal auf den Bauch, danach fahre ich etwas defensiver. Und mit defensiv meine ich, dass ich bei steilen und steinigen Stellen absteige. Das ist etwa ein Drittel des Trails. Julian kommt bis jetzt ohne Sturz klar und schiebt auch manchmal.
Die Stimmung auf dem Trail ist trotz laufender Uhr angenehm gemeinschaftlich, trotzdem zeigen sich zwei Typen in Weltraum-Style-Shirts amüsiert, dass unsere ersten Meter auf Fullys gleich dieser S3-Trail ist. Eine Steigerung von leichten zu schweren Trails wäre im Nachhinein besser gewesen, aber die Checkpoints sind eben, wo sie sind.
Unsere erste Mission ist die von Continental. Dort muss man in Reifensäcke steigen und darin zehn Meter sackhüpfen. Das fällt uns bedeutend leichter als der S3-Trail eben: Wir hüpfen ganz locker hin und zurück. Nach dem Sackhüpfen scheint der schnellste Weg zu sein, die Räder über zwei Zäune zum Trail zu tragen. Auch hier helfen sich gegnerische Teams. Nach dem zweiten Checkpoint auf dem Nene-Trail hätte es die Möglichkeit gegeben, die paar Meter wieder hochzuschieben und auf der Forststraße ins Tal zu rollen. Wir entscheiden uns für den Trail, was soll schon passieren? Die Lernkurve ist für uns auf jeden Fall sehr steil, bereits der untere Teil vom Nene-Trail läuft bedeutend besser als der obere. Julians großartige Erkenntnisse: 1. Den dunklen Spuren von anderen Bikern nachfahren und 2. es gibt nicht zu viel Rücklage. Wenn das bloß die YouTube-Fahrtechnik-Trainer oder auch Tobi mal nicht erfahren.

Nahezu unversehrt im Tal angekommen machen wir uns an den Gegenanstieg – 700 Höhenmeter bei gefühlten 40° C. Unser unspezifisches Training macht sich komplett bezahlt und wir ziehen an einigen anderen, schiebenden Jägern vorbei. Hin und wieder erschrecke ich kurz darüber, wie viel fitter manche sind, die uns überholen. Bis sich die scheinbaren Sportskanonen dann als E-Bike-Touristen entpuppen. Bergauf holen wir die Weltraummenschen wieder ein und erzählen, dass wir für MTB-News.de da sind. Die sind sehr unsicher, ob sie das glauben wollen. Wir sind also inkognito unterwegs.

Oben angekommen gibt’s zunächst eine Apfelschorle. Die Scott-Challenge bedeutet, einen Parcours auf einem Kinderrad zu fahren. Entweder fährt einer und die Challenge ist erledigt, oder man fährt ein Team-internes Rennen. Wir sind beide total unkompetitive Charaktere und entscheiden uns für das Rennen (fürs Protokoll: Ich habe gewonnen).


Der rote Kleble-Alm-Trail abwärts ist etwas weniger steil und hat mehr Wurzeln als Steine. Das läuft schon deutlich besser und wir sammeln keine weiteren Stürze, dafür Fahrspaß. Der Checkpoint lässt auf sich warten, haben wir ihn verpasst? Ah, da ist die 4 – puh! Aber hätte davor nicht die 3 sein müssen? Egal, weiter. Im Tal angekommen hat Julian einen ordentlichen Sturz – auf der Teerstraße im Dorf. Wie ist das passiert? Das hätte er auf dem Rennrad eigentlich trainieren können! Mit Delle am Schienbein geht’s weiter: Pflaster drauf und mit der Gondel wieder hoch, dann per Harbe-Line-Flowtrail zum Bitburger-Stand.
Dort gibts ein gratis 0,0 % Radler, nachdem ich ca. 50 Versuche gebraucht habe, um zwei Kronkorken ins Ziel zu schnipsen. Julian braucht 5 – offenbar nicht mein Talent.
Die Flowtrails – oder auch Achterbahnen – scheinen anfangs eine schöne Abwechslung zu sein: weniger stressig als Trails, aber mit der Zeit etwas eintönig. Vielleicht verstehen wir die aber auch nur nicht. Die Umsetzung der auf YouTube erlernten Kurventechnik funktioniert mittelmäßig, wirkliche Sprünge traue ich mir als Anfängerin auch noch nicht zu. Weiter, weiter, langsam wird es spät, der Sessellift macht um 16 Uhr die letzte Fahrt. Wir suchen den Lift, fahren dazu den blauen Rettenbachtrail bergauf und finden ihn dann mit Ach und Krach und mehrfachem Nachfragen. Dafür sind die zehn Minuten im Lift angenehm entspannend.

Oben angekommen muss man bei Endura vom Rad direkt auf einen Palettenstapel steigen, das Rad über den Kopf halten und „Enduraaa!“ schreien. Kein Problem. Das Mittagessen danach wird uns Checkpoint 8 kosten, aber Essen hat jetzt Prio. Ein letztes Mal Routenplanung, einen Checkpoint auf der Ollweiten Line einsammeln, dann richtig abbiegen auf den Rettenbachtrail (diesmal bergab) und über den Leiterberg Trail zum Deuter-Stand. Die waren schon am Abbauen, wir durften trotzdem noch den Riesenrucksack (leider nicht mehr aufgepumpt) im Kreis tragen und haben den Stempel eingesammelt.



Kurz nach 5 sind wir dann auch fast alleine im Wald und sammeln noch weitere Trail-Übungsstunden und Checkpoints ein. Auf unserer letzten Abfahrt, dem Leiterberg Trail, steigere ich mich noch mal deutlich und fahre Stellen runter, die ich heute Mittag noch geschoben hätte. Mit gut zehn Minuten Verspätung und einem Checkpoint zu wenig kommen wir ins Ziel. Wir reden uns Zufriedenheit ein, schließlich waren wir heute Morgen noch blutige, beziehungsweise mutige Anfänger. Unser Ehrgeiz wäre aber auch mit vollständig abgehakten Checkpoints einverstanden gewesen.

Fazit – Als Anfänger bei der Schnitzeljagd
Die Natur-Trails in Sölden haben uns wirklich begeistert, von der blauen Stufe „ebener Singletrail mit ein paar Wurzeln“ bis zur schwarzen Stufe „senkrechte Absturzpiste aus Steinen“ war alles dabei. Damit konnten wir den Großteil fahren, es gibt aber auch noch gute Herausforderungen, die ich dieses Mal nur zu Fuß neben dem Fahrrad überwinden konnte. Die Flowtrails haben uns beide nicht komplett überzeugt – dort ist man nicht gezwungen, an sein Limit zu gehen, sondern kommt überall ohne Risiko und Adrenalin runter-geflowt.
Insgesamt war es absolut kein Fehler, als MTB-Neuling bei der Singletrail Schnitzeljagd durch Sölden aufzutauchen. Wir hatten großen Spaß, waren sportlich gefordert und konnten eine neue Sportart kennenlernen. Die MTB-Welt ist lässig und sympathisch, die Jagd war eher ein Miteinander als ein Gegeneinander, was den Spaßfaktor nochmals erhöht. Die Schnitzeljagd innerhalb der Zeit zu beenden, hat leider nicht geklappt, obwohl wir hoch motiviert waren. Vielleicht hätten wir trainieren sollen. Allerdings ging das etwa einem Drittel aller Teams so, was uns glauben lässt, dass unsere Leistung doch passabel war – und damit wäre auch schon das Ziel für nächstes Jahr definiert. Grundsätzlich könnte man die Schnitzeljagd – als Anfänger – natürlich auch weniger ambitioniert angehen. Das war für uns allerdings keine Option. Und das Beste kommt zum Schluss: Zu guter Letzt gab's anstatt Siegertreppchen noch eine Standpumpe bei der Tombola für Julian.

Über die Singletrail Schnitzeljagd durch Sölden
Die Singletrail Schnitzeljagd durch Sölden hat 2021 bereits zum 13. Mal stattgefunden. Das Event startet mit einem Le-Mans-Start auf dem Gaislachkogel hoch über Sölden und zieht sich durch den gesamten Bike-Park Sölden und über alle Trails der Bike Republic. Die Routenwahl ist dabei jedem Team freigestellt – wichtig ist nur, dass alle Checkpoints auf den Trails und die verschiedenen Missionen auf den Hütten wie im Schnitzelpass angesteuert werden. Die Uhr läuft dabei mit, doch statt der schnellsten Zeit gewinnt am Ende das Team, das am nächsten an der mittleren Zeit aller Ankunftszeiten liegt. Nach dem Rennen gibt es ein großes Schnitzelessen aller Teilnehmer*innen, um gemeinsam den Tag ausklingen zu lassen. Zusammen mit der Knödeljagd in Wolkenstein und der Hörnli Trailjagd in Arosa bildet die Singletrail Schnitzeljagd die kulinarische Trilogie, veranstaltet von die Rasenmäher.
Wer von euch war dieses Jahr auch in Sölden am Start – und wer sind die Jungs in den Weltraum-Outfits?
11 Kommentare
» Alle Kommentare im Forum@JohSch Hmm… klar sind die Stationen von Firmen gesponsert aber ich kenne keine andere Veranstaltung, bei der man so wahrscheinlich mit Preisen im Wert höher als die Anmeldung nach Hause geht.
Warst du bei diversen Veranstaltungen dabei, dass du die Entwicklung so siehst? Die Firmen sind meiner Erfahrung nach sehr entspannt unterwegs. Wir haben gestern in Arosa nicht Endura gerufen und haben trotzdem den Stempel bekommen. Dafür hatten wir einen sehr lässigen Tag auf den Trails 🚀
Ja.
Toller Bericht! Ohne MTB-Erfahrung direkt mal die schwarze Line runterzufahren ist in gleichen Teilen mutig und wahnsinnig. 😄 Die Schnitzeljagd in Sölden steht auch noch auf meiner Bucketlist, vielleicht/hoffentlich nächstes Jahr…
Toller Bericht und Respekt natürlich! War mit meinen Söhnen kürzlich bei miesem Wetter in Sölden und die Lines waren trotzdem der Hammer plus die Super Bike-Infrastruktur überall im Ort!!! Flowtrails brauchen Geschwindigkeit, dann ist es fordernd… Fahren bestimmt bald wieder dorthin! 👍🏻
Sehr schöner Bericht und eben gerade gut weil es mal aus einer anderen Sicht kommt!
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