Noch nie war es so leicht, auf einem Mountainbike langsam zu werden – moderne Scheibenbremsen besitzen teils eine brachiale Power, an die sich Anfänger erst gewöhnen müssen. Was viele aber vergessen: Neben komplexen Hydraulik-Systemen, der Kolbenanzahl oder dem Hebelverhältnis spielen die Bremsbeläge eine riesige Rolle bei der Brems-Performance. Wir geben wichtige Service-Infos, räumen ein paar alte Mythen auf und erklären euch, welche Beläge was machen! Viel Spaß mit dem Bremsbeläge-Ratgeber.
Mountainbike-Bremsbeläge: Unterschiede und Bremskraft
Was ist besser: Sinter oder organische Beläge?
Im Prinzip gibt es zwei große Klassen von Scheibenbremsbelägen: metallische und organische. Metallische Beläge (auch Sinter-Beläge genannt) bestehen aus gesintertem Metall-Granulat, das fest verpresst wird. Organische Beläge hingegen nutzen Stoffe aus der organischen Chemie, die mit einem Bindemittel – meist Kunstharz – gebunden und verpresst werden.
- Metallische Beläge/Sinter-Beläge sind härter, wesentlich verschleißärmer und überhitzen nicht so schnell. Allerdings leiten sie die Wärme stärker an die Bremszange ab – unserer Erfahrung nach dauert es daher wesentlich länger, bis man eine negative Bremswirkung durch Erhitzung bemerkt. Dafür braucht das System aber länger, um wieder abzukühlen. Wenn die Bremse auf einer langen Abfahrt also einmal heiß ist, wird man Probleme haben, sie ohne Stopp wieder abzukühlen. Metallische Beläge sollen besser bei Nässe sein, quietschen dafür aber wesentlich stärker. Sie eignen sich daher, wenn man viel Wert auf einen geringen Verschleiß legt und oft lange Abfahrten mit schleifender Bremse fährt.
- Organische Beläge sind weicher, erhitzen sich schneller und verschleißen bei hohen Temperaturen auch zügiger. Bremst man allerdings eher punktuell und gibt den Belägen immer wieder die Chance, kurz abzukühlen, ist die Überhitzung auf langen Abfahrten erträglich. Hält man sich nicht daran, können die Beläge im schlimmsten Fall verglasen. Zudem neigen organische Beläge nicht zum Quietschen und sorgen oft für eine bessere Dosierbarkeit der Bremspower.
Wie lange halten Bremsbeläge am MTB?
Scheibenbremsbeläge können je nach Fahrweise und Wetterlage monatelang halten – bei vielen steilen, schlammigen Abfahrten hingegen aber nur wenige Tage. Es empfiehlt sich daher, die Beläge regelmäßig zu checken – bei den meisten modernen MTB-Bremsen sind diese gut von oben sichtbar. Bei Shimano fangen die Beläge an der Verschleißgrenze an, Geräusche zu machen – beim Ausbau wird im Belag ein Verschleißindikator sichtbar. SRAM hingegen gibt an, dass Trägerplatte und Belag zusammen dürfen nicht unter 3 mm messen dürfen.
Bevor der Belag bis auf die Metall-Platte runtergebremst ist, wird normalerweise die kleine Spreizfeder, welche die Beläge von der Scheibe wegdrückt, in die Scheibe gezogen. Das macht sich durch sehr laute Schleif- und Klirrgeräusche bemerkbar und ist die letztmögliche Warnung, dass man die Fahrt sofort beenden oder die Beläge wechseln sollte. Besser ist, man lässt es nicht so weit kommen, da bereits hier Schäden auftreten können. Bremst man den Belag bis auf die Trägerplatte runter, wird die Scheibe und vielleicht sogar der Bremskolben beschädigt.
Auch Bremsscheiben haben übrigens ein Verschleißlimit: Shimano und SRAM-Scheiben dürfen von 1,8 mm auf 1,5 mm bzw. 1,55 mm heruntergebremst werden. Die 220 mm-Scheiben von SRAM, sowie Modelle von Magura, TRP und Trickstuff sind etwas dicker. Häufig ist die Minimal-Dicke auf der Scheibe aufgedruckt.
Bremsbeläge der Scheibenbremse wechseln
Natürlich gibt es hier kleinere Unterschiede je nach Hersteller – im Prinzip ist der Wechsel jedoch kein Hexenwerk und verläuft meist sehr ähnlich ab. Sind eure alten Beläge verschlissen, empfiehlt es sich auf jeden Fall, das Rad auszubauen – auch wenn der Wechsel bei vielen modernen Bremsen mittlerweile ohne Ausbau möglich ist. Eure alten Beläge sind jedoch wesentlich dünner als die neuen, weshalb ihr die Bremskolben wieder ganz zurückdrücken müsst. Tauscht ihr neuwertige Beläge aus, könnt ihr diesen Schritt tatsächlich überspringen.
- Um die Kolben zurückzudrücken, lasst ihr die alten Beläge am besten drin. Nehmt einen großen Schraubenzieher, Reifenheber oder etwas Ähnliches, setzt ihn mittig an einem Belag an und drückt vorsichtig hebelnd den oder die dahinterliegenden Kolben in die Bremszange, bis der Belag bündig auf der Bremszange aufliegt. Das wiederholt ihr auf der anderen Seite. Wollt ihr die alten Beläge noch behalten, müsst ihr das Ganze ohne Belag direkt auf den Kolben machen – seid dabei jedoch sehr vorsichtig, diese nicht zu verkanten oder zu verkratzen. Hierfür gibt es auch Spezialwerkzeuge, die das Risiko einer Beschädigung der Kolben nochmals minimieren können.
- Um die Beläge auszubauen, müsst ihr den Splint oder die Schraube lösen, die diese auf der Oberseite festhält. Viele Schrauben haben auf der Rad-Seite einen kleinen Sicherungsring, den ihr herausdrücken oder -ziehen müsst, um die Schraube zu entfernen. Gibt es nur einen Splint, könnt ihr das umgebogene Ende mit einer Zange gerade biegen – dann lässt er sich leicht herausziehen. Nun könnt ihr die Beläge einfach nach oben oder unten entnehmen.
- Steckt die neuen Beläge auf die mitgelieferte Spreizfeder – achtet dabei darauf, dass diese auf der Rückplatte anliegt und nicht in die Bremszone kommt – baut alles in umgekehrter Reihenfolge wieder zusammen und setzt das Laufrad wieder ein. Nun müsst ihr ein paar Mal am Bremshebel pumpen, bis die Beläge wieder nah genug an der Scheibe liegen. Achtet darauf, dass die Scheibe mittig in der Bremszange positioniert ist und die Kolben auf beiden Seite gleich weit heraus wandern. Schleift die Bremse, dann löst die beiden Schrauben, die den Bremssattel mit dem Bike verbinden, richtet diesen neu aus und fixiert die Schrauben wieder fest.
Wie Scheibenbremsen einbremsen?
Um die optimale Bremspower zu erhalten, sollten die Beläge unter kontrollierten Bedingungen auf die Scheibe eingebremst werden. Dabei übertragen sich Partikel vom Belag auf die Scheibe und optimieren so die Reibfläche – außerdem gasen die Bindemittel bei organischen Belägen erst dann richtig aus. Die Empfehlungen der Hersteller unterscheiden sich hier etwas: Magura empfiehlt beispielsweise, etwa 30 Mal von 25–30 km/h bis kurz vor den Stillstand zu bremsen – nur dann werden die Beläge heiß genug, damit es zum Partikelaustausch kommt. Einen Stoppie machen sollte man übrigens nicht – dabei können sich Material-Anhäufungen auf der Scheibe sammeln, was später zu Geräuschentwicklung und ungleichmäßiger Bremspower führen kann. In der Regel merkt man recht deutlich, wann es genug ist – nämlich wenn sich die Bremswirkung nicht mehr spürbar verbessert.
Manche World Cup-Mechaniker schwören darauf, die Bremsbeläge vorher mit Wasser zu benetzen, das dann beim Einbremsen verdampft. Dies soll den Prozess beschleunigen und zu einem besseren Ergebnis führen. Ihr solltet unter keinen Umständen mit frischen organischen Belägen in eine super krasse Abfahrt starten und die Beläge sofort heftig überhitzen – so können sie verglasen. Dabei verhärten in der Regel Bindemittel im Belag und bilden eine glatte, glänzende Oberfläche, die keine guten Reibwerte aufweist.
Bremsbeläge verglast – was tun?
Einen verglasten Belag erkennt ihr an der eher geschlossenen, glänzenden Oberfläche – zudem an abnehmender Bremspower und eventuell an einer quietschenden Bremse. Ist nur die oberste Schicht betroffen, könnt ihr den Belag ausbauen, etwas mittelraues Schleifpapier (Körnung ≈ 100) auf eine glatte Oberfläche legen und den Belag vorsichtig und ohne viel Druck kreuz und quer drüberziehen, bis die Oberfläche wieder matt ist. Achtet hier darauf, den Belag gleichmäßig aufzulegen, um die Oberfläche nicht schief abzuschleifen. Anschließend den Staub vorsichtig abpusten und den Belag einbauen sowie erneut einbremsen.
Bremsbeläge verölt – reinigen oder wegwerfen?
Verölte Bremsbeläge müssen entsorgt werden. Traurig, aber wahr – die Beläge haben so feine Poren, dass auch Bremsenreiniger oder Ähnliches keine Chance haben, Öl und andere Verschmutzungen auszuwaschen oder auszubrennen. Deshalb sollte man beispielsweise beim Ölen der Kette oder Federgabel – insbesondere mit Sprühölen – extrem vorsichtig sein.
Darf ich verschiedene Belag-Sorten mit derselben Scheibe fahren?
Das hängt vom Hersteller ab. Bietet dieser lediglich organische Beläge an, ist es in der Regel kein Problem – man muss den Belag jedoch jedes Mal wieder neu auf die Scheibe einbremsen. Shimano rät dasselbe beim Wechsel zwischen ihren zwei Belag-Sorten. SRAM und Hayes hingegen raten davon ab, eine Scheibe, die bereits mit Sinter-Belägen in Kontakt kam, mit organischen Belägen zu fahren und umgekehrt. Die Beläge hinterlassen nämlich Rückstände, die zwar gut mit dem ursprünglichen Belag harmonieren, nicht jedoch mit einem anderen. Daher sollte man in diesem Fall mit der Belag-Sorte auch die Scheibe wechseln.
Kann man verschiedene Belag-Sorten mischen?
Diese Info ist vermutlich nur für die ganz krassen Rennfahrer unter euch spannend: Manche Profi-Teams fahren tatsächlich auf einer Seite der Bremszange einen metallischen und auf der anderen Seite einen organischen Bremsbelag. Davon erhofft man sich das Beste aus beiden Welten: gleichmäßige Bremspower auf langen Abfahrten bei Regen und bei Sonne! Ob’s hilft? Die meisten Hersteller raten auf Nachfrage dazu, lieber die für die jeweiligen Bedingungen optimalen Beläge zu wählen.
Brembelagstypen nach Hersteller
Formula
Mit den Cura-Modellen – hier unser Formula Cura 4 Test – haben die Italiener weiterhin ein heißes Eisen im Bremsenfeuer, für das ihr zwischen zwei Belägen wählen könnt:
- Organisch Die schwarzen Beläge bestehen aus einer Stahl-Trägerplatte mit organischem Bremsmaterial und sollen leise, gut dosierbar und stark unter regulären Bedingungen sein.
- Sinter-Metall Die kupferfarbene Alu-Trägerplatte verrät, dass es sich um metallische Beläge handelt. Diese weisen eine höhere Lebensdauer und bessere Standfestigkeit bei hohen Temperaturen auf, neigen jedoch eher zum Quietschen.
Hayes
Seit einigen Jahren mischt der Traditions-Hersteller Hayes wieder vorne im MTB-Bremsen-Geschäft mit – hier unser Hayes Dominion 4 Test mit Vergleich zwischen den Bremsbelägen. Die US-Amerikaner bieten hier zwei Optionen an – überraschenderweise ist keine davon organisch:
- T100 Sintered Dabei handelt es sich um metallische Bremsbeläge, die von Hayes für maximale Bremspower in nassen und extremen Bedingungen empfohlen werden – „high speed & high heat“.
- T106 Semi-Metallic Die semi-metallischen Beläge reduzieren die Geräuschentwicklung beim Bremsen und weisen eine besser Modulation sowie eine konstant hohe Bremskraft auf.
Magura
Magura setzt komplett auf organische Beläge – diese gibt es jedoch in insgesamt vier Versionen, die alle etwas unterschiedliche Stärken und Schwächen aufweisen. Bei Vier-Kolben-Bremsen (mehr hier: Magura MT7 Test) hat man zudem die Wahl zwischen vier einzelnen Belägen oder zwei doppelten. Letztere sind durch die einfachere Herstellung etwas günstiger, können jedoch nur mit ausgebautem Rad getauscht werden.
- Race Für Downhill- und XC-Racer, die maximale Verzögerung wollen. Dafür steigt der Verschleiß etwas.
- Performance Der Alleskönner für alle, die lange Touren ohne Probleme fahren wollen.
- Comfort Der Einsteiger-Belag mit möglichst guter Dosierbarkeit und langer Lebensdauer. Nicht ganz so bissig in trockenen oder nassen Bedingungen.
- Sport Starker Belag mit langer Lebensdauer und kurzer Einbremszeit – ideal für E-Biker
Shimano
Als einer der führenden Hersteller für Fahrrad-Bremsen (Details: Shimano XTR Bremsen Test, Shimano XT Bremsen Test) hat Shimano eine riesige Anzahl verschiedener Bremsbeläge, die nicht einfach zu durchblicken ist. Im Prinzip bieten die Japaner jedoch die beiden Standard-Belagmischungen metallisch und organisch (Kunststoff oder Resin genannt) an. Bei höherpreisigen Brems-Modellen gibt es zudem Beläge mit über den Bremskörper hinaus stehenden Kühlrippen („Ice-Tech“), die für eine verbesserte Temperatur-Beständigkeit sorgen sollen. Gewichtsfetischisten können zu Belägen mit Titan-Trägerplatte greifen, die nochmal ein paar Gramm sparen.
Welchen Belag man vor sich hat, erkennt man an den Piktogrammen auf der Verpackung: M steht für Metallisch, R für Kunststoff, Ti für die optionale Titan-Trägerplatte und 3, 4 oder 5 Sterne geben Auskunft über die Bremspower.
- Metal Diese Beläge sind laut Shimano am besten für Sand und Schlamm geeignet und sollen dank hochfestem Bremsmaterial für eine lange Lebensdauer bei gleichzeitig hoher Performance unter Extrembedingungen sorgen
- Kunststoff/Resin Die weichere Belagmischung sorgt für eine bessere Dosierbarkeit sowie weniger Geräuschentwicklung und soll bei trockenen und feuchten Bedingungen gut funktionieren.
SRAM
SRAM ist neben Shimano der zweite Big Player im MTB-Bremsen-Markt (Details: SRAM G2 Test, SRAM Code Test, SRAM Guide Test), bietet jedoch ein deutlich übersichtlicheres Portfolio. Die US-Amerikaner verfügen mittlerweile über drei Belag-Mischungen, die standardmäßig mit Stahl-Trägerplatte kommen – Gewichtsfetischisten haben jedoch auch hier die Option auf Alu-Trägerplatten.
- Sinter-Metall Haben die Beläge eine kupferfarbene Trägerplatte, dann handelt es sich um klassische Sinter-Metall-Beläge. Diese sind übrigens ab Werk in allen Code-Modellen verbaut – bis auf wenige Ausnahmen.
- Organisch Alle Beläge mit schwarzer Trägerplatte verfügen über ein organisches Bremsmaterial. Sie sind standardmäßig in G2- und Level-Modellen verbaut.
- Power Die Power-Bremsbeläge setzen auch auf ein organisches Material, haben eine graue Trägerplatte und bieten durch die weichere Mischung ein bisschen mehr Biss zu Beginn der Bremsung. Die Endpower soll jedoch denen der organischen Beläge entsprechen. Sie sind nur für Level- und G2-Bremsen erhältlich.
Trickstuff
Trickstuff bietet nicht nur Beläge für ihre eigene Auswahl an Bremsen (Trickstuff Maxima Test, Trickstuff Diretissima Test) an, sondern auch für Bremsen anderer Hersteller. Alle Beläge basieren auf organischen Materialien – hier unterscheiden die Freiburger zwischen drei Mischungen. Der starke Power-Belag ist zudem noch mit verschiedenen Trägerplatten erhältlich.
- Power Die leistungsstärksten Beläge von Trickstuff bieten die meiste Power, Fading-Stabilität (Druckpunktwandern) und Dosierbarkeit – dafür macht man Abstriche beim Verschleiß. Neben der normalen Version gibt es zwei Modelle mit anderen Trägerplatten, aber demselben Belag:
- Power+ Hier wird die Trägerplatte vernickelt, was zu besserem Wärmemanagement führen soll.
- Power A Hier kommt eine Alu-Trägerplatte zum Einsatz, was Gewicht spart, aber zu Abstrichen im Wärmemanagement auf langen Abfahrten führt.
- Standard Der Standard-Belag ist kostengünstiger und soll wesentlich weniger verschleißen als das Power-Modell, bei nur geringen Abstrichen in Sachen Fading-Resistenz und Bremskraft.
- Eco Die kostengünstigsten Beläge von Trickstuff bieten die geringste Bremspower bei mäßigem Verschleiß und solider Temperatur-Beständigkeit.
TRP
Hinter TRP steht der Bremsenriese Tektro, der unter diesem Namen hochwertige Bremsen für Performance-orientierte Mountainbiker anbietet – hier unser TRP DH-R Evo-Test. TRP unterscheidet bei den Belag-Sorten übersichtlich und leicht verständlich nach Farbe:
- Blau Dabei handelt es sich um organische Beläge für maximale Bremspower und wenig Geräuschentwicklung im Trockenen.
- Rot Diese Beläge sind semi-metallisch, also ein Mix aus metallischen und organischen Partikeln, und sollen ein guter Kompromiss für E-Biker und Vielfahrer sein.
- Kupfer Hier kommt ein metallischer Belag zum Einsatz, der sich am besten für harte lange Abfahrten eignet – auch unter widrigen und feuchten Bedingungen.
Mit welcher Sorte Bremsbeläge habt ihr die besten Erfahrungen gemacht?