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Schaltungsspezial 2021 – Teil 5
Ergebnisse, Tipps & Tricks

In vier ausführlichen Artikeln habe ich die Geschichte und den Markt von Mountainbike-Schaltungen aufgearbeitet, acht aktuelle Modelle auf dem Prüfstand verglichen und einen Blick auf die verfügbaren Alternativen geworfen. Zum Abschluss unseres Schaltungsspezials fassen wir daher noch einmal die wichtigsten Ergebnisse zusammen und diskutieren einige Tipps & Tricks.

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# Die wesentlichen Bestandteile des Antriebs am Mountainbike, hier am Beispiel einer SRAM XX1 Eagle - nicht abgebildet sind Pedale, Schaltzug und Außenhülle; außerdem ist der Umwerfer (hier von der Shimano XTR entliehen) kaum noch an einem neuen Mountainbike zu finden.

Schaltungsspezial: Ergebnisse, Tipps & Tricks

Wir haben in unserer Analyse ausschließlich Kettenschaltungen mit einem Schaltwerk und ohne Umwerfer betrachtet. Wenn wir die Neuerscheinungen der letzten Jahre zusammenfassen, gibt das ziemlich genau den aktuellen Stand auf dem Markt wieder. Alternativen muss man suchen (Beitrag mit der Übersicht der wichtigsten Alternativen), und daher war diese Vereinfachung in Ordnung. Aus der Marktanalyse in Teil 2 und dem vergleichenden Prüfstandstest in Teil 3 ergeben sich drei einfache Wahrheiten für Kettenschaltungen im Jahr 2021:

  1. Es gibt mehr als nur Shimano und SRAM – doch die beiden Firmen sind mit ihren breiten Portfolios vom akzeptabel bepreisten Einsteigermodell bis zum (vor allem wenn elektrisch) sehr teuren Topmodell nach wie vor die erste Wahl; gerade auch wegen der Ersatzteilversorgung (zumindest, wenn lieferbar)
  2. Alle aktuellen Schaltungen arbeiten mit penibler Einstellung und im Neuzustand auf einem hohen Niveau und schalten auf wenige Sekundenbruchteile genau gleich schnell; Unterschiede gibt es jedoch dabei, wie „glatt“ der Schaltvorgang abläuft
  3. Mehr Geld bringt weniger Gewicht und teilweise andere Funktion, z.B. hydraulische oder elektrische Aktuation, oder die Möglichkeit, mehrere Gänge in einem Schwung zu schalten – nicht aber eine messbare Verbesserung des Schaltverhaltens

Für den Stammtisch sind das durchweg bittere Ergebnisse. Ein klarer Sieg von SRAM über Shimano – oder andersrum – hätte gut gepflegte Glaubenssätze bestätigt und Nahrung für weitere leidenschaftliche Debatten gegeben. Wichtiger noch wäre es gewesen, zu beweisen, dass teurere Schaltungen besser sind. Also schneller und genauer und was auch immer. Doch das sind sie nicht. Zumindest nicht, wenn man Schaltpräzision und Schaltgeschwindigkeit als Gütekriterien heranzieht. Stattdessen sind die schnellsten Schaltungen im Test die günstigsten Modelle von SRAM und Shimano. Und es kommt noch schlimmer: Rotor ist auf Gruppenebene leichter und TRP spannt die Kette stärker. Dafür benötigt der TRP-Trigger enorm viel Kraft, während die leichtgängigen SRAM AXS-Schalter mit ihren kurzen Hebelwegen meiner Meinung nach noch nicht der Weisheit letzter Schluss zu sein scheinen. Die gute Nachricht ist jedoch für alle, die sich nicht fest für ein Lager entschieden haben: Es gibt heute Alternativen zu den beiden Marktführern und die sind auch noch ähnlich gut.

Zur Kernfrage wird damit, wie wichtig einem eine spezifische Eigenschaft, z.B. niedriges Gewicht, ist. Außerdem gibt es naturgemäß erhebliche Unterschiede, was die Ersatzteilverfügbarkeit angeht. Hier ist gegen Shimano und SRAM kein Kraut gewachsen – zumindest, wenn sie liefern können, hat fast jeder Fahrradhändler passende Teile parat. Hinzu kommt, dass beide Firmen ein vollständiges Produktportfolio von der Einsteigergruppe bis hin zum teuren und sehr teuren Topmodell anbieten. Doch gibt es eine Empfehlung für den ein oder anderen Hersteller? Getragen von den klar besseren Preisen und der vergleichbaren Funktion hat Shimano in unserem Vergleichstest die Nase vorn. Doch ist es so einfach?

# Gewohnter Anblick: Mit der Einführung der 1x10 Antriebe und später 1x11 hat SRAM nicht nur den Umwerfer abgesägt, sondern auch Kettenführungen weitestgehend obsolet gemacht - im nächsten Schritt ist mit der Einführung der AXS Funktechnologie der Schaltzug eliminiert worden
# Die Kettenschaltung kommt heute in aller Regel ohne Umwerfer an der Kurbel aber dafür mit vielen Gängen an einer großen Kassette am Hinterrad daher - je nachdem, auf welchem Ritzel die Kette liegt, ergeben sich verschiedene Übersetzungen

SRAM oder Shimano?

Ich werde im privaten Umfeld häufig angesprochen, ob ich Shimano oder SRAM empfehle. Oder vielmehr andersrum: SRAM oder Shimano. Seit der Einführung der 1x-Antriebe haben die Amerikaner, was Schaltungen angeht, klar den Markt an- und Shimano als alte Nummer 1 vorgeführt. Ob das erste 11- oder 12-fach-Angebot: SRAM hatte jeweils die Nase vorn. Und das nicht zu knapp. Im Ergebnis wurden Marktanteile erobert und das Image geprägt, Innovationsführer zu sein. Zumindest für Schaltungen. Was habe ich also geantwortet? An meinen Bikes waren häufig SRAM 11- oder 12-fach-Antriebe verbaut, sodass an sich die Antwort klar zu sein schien. Doch Shimano hat mittlerweile mächtig aufgeholt und befindet sich auf einem erstklassigen Level – dazu kommt an meinen Testrädern die einfachere Einstellung und für mich etwas bessere Zuverlässigkeit. Aus diesem Grund habe ich immer geantwortet: SRAM ist innovativer und die 12-fach-Antriebe sind genau das, was wir brauchen. Doch sobald es die von Shimano gibt, würde ich diese in Japan kaufen.

In 2019 wurde ich dann bestätigt: Im Rahmen des Orbea Oiz Dauer-Tests konnte ich unter anderem bei den 24h von Finale Ligure zum ersten Mal länger und im Renneinsatz die neue Shimano XTR 12-fach-Gruppe fahren (Shimano XTR 12-fach Test). Ich war begeistert. SRAMs Eagle lässt sicher kaum etwas zu wünschen übrig, aber die XTR ist für mich besser. Wie wir spätestens auf dem Prüfstand gesehen haben, ist das rein von der Schaltgeschwindigkeit her eine Entscheidung der persönlichen Vorliebe. Mir gefallen Optik, Haptik und der Fakt, dass die aktuellste XTR nicht elektrisch ist.

Aus ähnlichen, aber mit anderen Präferenzen getroffenen Empfehlungen kommen andere Kollegen in der Redaktion zu einer klaren Empfehlung pro SRAM. Das ist eigentlich genial, denn objektiv schlechte Entscheidungen kann man heute nicht mehr treffen.

Gruppen kombinieren und sparen

Und es muss definitiv nicht immer das Topmodell sein. So lohnt sich definitiv ein Blick nach unten ins Portfolio: Wer mit stärkerer Budgetorientierung unterwegs sein will (z.B. weil er gerne mal Schaltwerke abreißt oder mit 8.000 Watt Ketten und Kassetten zertritt), findet am Beispiel von Shimano mit der SLX M7100 12-fach-Schaltung eine spannende Alternative. Sie ist durch die Bank etwas schwerer, bietet von Haus aus etwas weniger Optionen hinsichtlich der Kettenblattgröße und hat den einfacheren Schalthebel. Gleichzeitig sollte die Haltbarkeit durch die einfachere Kassette leicht verbessert sein (mehr Stahlritzel, weniger Aluminiumritzel, keine Titanritzel). Das Praktische ist jedoch: Der Gruppenzusammenhang ist bei Shimano und auch bei SRAM weitestgehend aufgehoben. Zwischen den Komponenten kann fast beliebig gemixt werden. Das wollen wir einmal am Beispiel von Shimano durchspielen.

# Was unterscheidet die Top-Gruppe vom Einsteigermodell? - Die Shimano XTR spart gegenüber der Deore einiges an Gewicht (274 g an der Kurbel, 221 g an der Kassette) - der Preis der einzelnen Komponenten ist jedoch in der Regel auch etwa 4x so hoch

Von der Deore bis zur XTR verwendet Shimano dieselben Technologien, die Differenzierung findet im Detail vor allem über das Material statt. Wer die beste Preis-Leistung bei Shimano realisieren will, sollte daher eine SLX+ in Betracht ziehen. Warum?

# Je nachdem, wie tief man bei Shimano in die Tasche greift, bekommt man identische Zahnprofile in verschiedenen Materialien und entsprechend mit verschiedenen Gewichten - an der XTR gibt es Ritzel aus Stahl, Titan und Aluminium

Analog kann bei SRAM gemixt werden, doch ist zu beachten, dass die SRAM NX Eagle einen konventionellen HG-Freilaufkörper verwendet und die 10-52er Kassetten nicht von allen Schaltwerken bedient werden können. Mit kleinen Einschränkungen kann man auch zwischen SRAM und Shimano mixen. Was hier geht und welche Einschränkungen zu machen sind, kann niemand besser als das Forum klären. Themen dazu gibt es diverse, ein guter Startpunkt ist der Tech Talk für Schaltungen.

Und wie steht es um die Haltbarkeit?

Das große Thema, das in den Kommentaren zum Prüfstandstest immer wieder genannt worden ist, ist die Haltbarkeit. Wichtiger noch als Gewicht und Schaltgeschwindigkeit oder auch Hebelkräfte sind für viele von uns die Betriebskosten einer Schaltung: Wie oft muss ich die Verschleißteile, vor allem Kette und Kassette, ersetzen? Wir haben uns im Rahmen dieser Serie bewusst dagegen entschieden, die Haltbarkeit zu testen. Der Grund ist einfach: So einfach lässt sie sich gar nicht testen. Zumindest nicht, wenn auf die Haltbarkeit des Schaltwerks abgezielt wird.

Uns ist kein Test bekannt, der genau das zuverlässig darstellen würde. Noch hätten wir die Ausrüstung, um diesen durchzuführen. Wir wären sehr interessiert an den Ergebnissen, doch zunächst müsste wohl der Zyklus definiert werden:

Im Anschluss wäre dann der Testaufbau zu definieren und zu automatisieren, um entsprechende Testläufe zu fahren. Dazu käme dann noch – wie auch gefordert – die Kombinatorik aus verschiedenen Kassetten von Drittanbietern zumindest mit SRAM und Shimano zu testen. Wie gesagt: Das wäre spannend, aber Aufwand und Nutzen stehen in meinen Augen in keinem guten Verhältnis.

# Tagelanger Regen bei niedrigen Temperaturen verwandelte den Voralpenraum um den Jahreswechsel in eine Matschlandschaft …

Bekannt ist, dass Schaltwerke in den letzten Jahren nur bedingt haltbarer geworden sind. Ursächlich ist hier häufig die Kupplung, über die die Bewegung des Käfigs durch Kettenschlagen begrenzt oder zumindest reduziert wird. Shimano-Schaltwerke bieten hier den Vorteil, dass die Kupplung nachstellbar ist – dieses Feature fehlt bei SRAM. Ein weiteres Problem, das häufiger bei günstigen Schaltwerken beobachtet wird, ist der Verschleiß an den Bolzen. So kommt es im Parallelogramm des Schaltwerks zunehmend zu Spiel, was die Schaltpräzision zunächst einschränkt und ab einem bestimmten Grad vollständig zerstört. Bei ausgeschlagenen Bolzen ist dann häufig nur noch ein Austausch ratsam.

Einfacher zu erfassen sind die Haltbarkeit von Kette und Kassette. Zwar bleiben auch hier die Definitionen der „richtigen“ und „repräsentativen“ Umweltbedingungen (Beispiele: wie viel Anteil Streusalz, welcher Matsch, wie oft wird bei Staub geschmiert und wie wird die Kette gereinigt) als maßgeblicher Punkt, doch es gibt umfangreiche Vorarbeiten – gerade aus dem Rennradbereich, wo neben der Haltbarkeit der Kette auch der Reibungswiderstand beim Treten eine besondere Rolle spielt.

Einen nicht öffentlichen (also nur kostenpflichtig verfügbaren) Test von Kassetten liefern die Kollegen von der BIKE. Hier können einmal mehr die aus einem Block gefrästen, höherpreisigen SRAM-Kassetten überzeugen, während die genieteten, günstigen Modelle schlechter abschneiden. Dazwischen reihen sich die Kassetten von Shimano ein. Shimano differenziert wie beschrieben klar über das Material der Ritzel. Spannend ist jedoch, wie sich die neuen Shimano Linkglide-Komponenten schlagen werden. Sie sollen auf XT- und Deore-Level besonders robust sein, sind dafür aber auch außergewöhnlich schwer.

# Die neuen Shimano Linkglide-Komponenten sollen auf Langlebigkeit optimiert sein - dafür ist das Gewicht nach oben geschraubt worden

Eine empfehlenswerte und öffentlich lesbare Übersicht der wichtigsten Kettentests (Englisch) hat Cycling Tips veröffentlicht. Die Ergebnisse grob zusammengefasst: Die Hersteller machen einen guten Job darin, ihre Ketten auf ihre Kassetten hin zu optimieren. Insgesamt zeigt sich jedoch, dass Shimano-Ketten etwas effizienter sind, SRAM-Ketten jedoch haltbarer ausfallen. Die wichtigste Botschaft ist jedoch: Gründliche Pflege mit guter Schmierung und vor allem ein sauberer Antrieb sind die Schlüssel zu sowohl guter Funktion als auch entsprechender Haltbarkeit.

Alles eine Sache von Pflege und Einstellung

Der Hinweis auf penible Einstellung und Pflege markiert dann auch den Abschluss unserer Serie. Die hohe Effizienz der Kettenschaltung hängt in besonderem Maße davon ab, dass die Kette sauber und gut geschmiert ist. In gleichem Maße wird hier die Haltbarkeit bestimmt. Daher seien drei Beiträge empfohlen und der mahnende Zeigefinger gehoben, dass es gerade jetzt im Winter viel zu tun gibt, denn dreckig wird das Bike in jedem Fall!

# Erster Schritt - Einstellen des äußeren Anschlags

Schaltwerk montieren und einstellen

# Dann die Kette straff ziehen - und dabei sicher stellen, dass die Kette wirklich überall sauber aufliegt und nicht irgendwo abkürzt.

Kette montieren und kürzen

# … und dann abgewischt.

Antrieb reinigen und pflegen

Damit sind wir am Ende unseres großen Schaltungsspezials angekommen. Bis dahin: Kette rechts und vielen Dank für die klasse Diskussion!

Habt ihr weitere Tipps und Tricks? Ich freue mich darauf!


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