Ab einem Autobahndreieck irgendwo im Süd-Osten von Ungarn kennt sich das Navi nicht mehr so recht aus und wir folgen den Schildern über eine komplett neue Autobahn (eine Woche vorher eröffnet). Plötzlich wurde das entspannte Dahingleiten von einer Grenze unterbrochen: Grenzkontrolle, vor uns ca. 10 Autos. Nun heißt es erstmal Warten und vor allem Wundern, warum es denn mitten in der EU auf einmal eine Grenzkontrolle gibt. Später finden wir heraus, dass Rumänien nicht mehr zum Schengen-Raum gehört.
Um die Ecke kommen mehrere Grenzbeamte, einer davon ist ganz offensichtlich der Sheriff oder zumindest fühlt er sich als solcher. Die eine Hand rückt das Gemächt in die richtige Position, die andere stützt sich lässig auf dem Revolver ab – Sheriff halt! Wir geben ihm unsere Personalausweise und bekommen diese mit folgendem Kommentar auf deutsch zurück: „Konstantin, Nico 2 Personen?“ „Ja“ – durchgewunken und eingereist. Wir folgen der neuen Autobahn weiter, bis wir die erste Stadt erreichen. Das Navi spielt erneut etwas verrückt: Die existente Autobahn kennt es nicht, aber eine Straße die nicht existiert, sollen wir fahren. Logisch?! Naja zumindest nicht für uns Westeuropäer.
Unser erster Schlafplatz liegt 200 m neben der Bundesstraße, von der man nichts hört. Kurz nach Einbruch der Dunkelheit taucht ein Mann auf mit seinem Gewehr umhängend und den Patronen im Gürtel. „Problem?“ „No Problem!“ „No Problem, ok“ und damit war auch unsere zweite Begegnung mit einem Rumänen sehr entspannt. Wildcampen auf einer Kreuzung zweier Forstwege scheint hier schon mal keinen zu stören. We like!

In Sibiu bzw. Hermannstadt angekommen beziehen wir das Hostel, gehen zum Kartengeschäft und besorgen erstmal Wanderkarten. Kartenstudium, „Schau, da geht eine Straße/Forstweg bis fast zum Talschluss, von dort aus kann man mindestens 3-4 Touren machen.“ Morgen nur schnell Essen für 5 Tage kaufen, reinfahren, Wildnis und Biken! Cool. Der Abend mit Europareisenden, Amerikanern und Australiern wirft bei uns die Frage auf: Warum fährt man ausgerechnet nach Rumänien? Wegen einer Stadt, die seit 2007 Weltkulturerbe ist? Hm… oder doch der ganzheitliche Anspruch, von dem auf der Uni immer so viel erzählt wird. Man weiß es nicht!
Aus der Stadt in die Einsamkeit, zurück zu den Touristen auf der europaweit berühmten Trans- Făgăraș-Straße. Hier oben wollen wir also die nächste Woche Biken. Interessantes Gelände, der Geograph würde sagen: hohe Relieffenergie hier. Da wir bereits am Vorabend beschlossen haben, dass wir das Ganze von der Südseite angehen wollen, heißt es wieder Autofahren. Zum Glück sind die Rumänen auf Bergstraßen eher passiv, was ihr Überholverhalten angeht.

Nach vier Stunden und beachtlichen 12 km wird die Straße auch für unseren Ford Mondeo unfahrbar. Also zuerst mal zum Bach, die Getränke einkühlen und Holz für das Feuer besorgen.




Am nächsten Tag steht unsere erste Radtour auf dem Programm: 100 hm Radfahren, 1300 hm Tragen zum höchsten Punkt Rumäniens. Auf dem Weg dürfen wir das erste Mal Bekanntschaft mit rumänischen Schäfern und ihren „zu klein geratenen“ Bärenjägern machen. Die Hütetechnik dieser speziell ausgebildeten Hunde beeindruckte uns, bis die Angst kam. Geplant war über ein Tal aufzusteigen und über ein anderes abzufahren, da uns auf der Karte der Aufstieg „wegloser“ vorkam als der für die Abfahrt bestimmte Weg.




Am Gipfel angekommen, werden wir empfangen wie in den Alpen. In brockigem Englisch werden wir gefragt, was wir denn mit unseren Fahrrädern hier oben im alpinen Gelände wollen. Es gibt hier doch keinen Radweg. Aufgrund der fortgeschrittenen Tageszeit und der ungewissen Abfahrtsroute geht es nach kurzer Pause auch direkt weiter. Auf dem Weg liegt noch Rumäniens Dritthöchster, den wir per kurzem Klettersteig erklimmen und beobachtet von ungläubigen Zuschauern abfahren.





Auf dem ersten Hochplateau angekommen führt uns das weglose Gelände über eine flowige Wiese, auf der wir abrupt angehalten werden und uns kurz darauf von Hunden der Kategorie Wolf zähnefletschend eingekreist befinden. Nach einigen Minuten wirft der Schäfer aus der nahegelegenen Hütte einen Blick auf uns, pfeift und verschwand wieder. Wir sind immer noch umzingelt. Nach einigen Minuten bewegt sich der Leitwolf – ach, es sind ja Hunde – vorwärts und wir folgen ihm mit der kläffenden Meute im Rücken. Der Rest der „Abfahrt“ ist eine Mischung aus Viehgangeln, Weg und Fahrrad tragen. Erschöpft kamen wir in der Dämmerung am Auto an.
An den folgenden Tagen müssen wir feststellen, dass die Rumänen zwar fleißig Steine anmalen können, aber ein Wegenetz zu den zahlreichen Wegmarkierungen leider nicht existiert. Dennoch bleiben wir 3 Nächte dort, bis unsere Vorräte (es war nicht das Essen…) zu Ende gingen. Wir nutzen den Schlechtwettertag mit starken Gewittern, um Richtung Osten zu fahren und unser Glück in der Region um Brasov zu versuchen.
Brasov stellt sich als Glücksgriff heraus: wir bekommen gutes Kartenmaterial sowie Tipps von Einheimischen und fahren weiter nach Sinaia. Auf der Karte suchen wir uns ein „entlegenes“ Tal, in dem wir wieder im Auto schlafen können. Dort angekommen wird uns klar: hier gibt es viel mehr Touristen als im Făgăraș. Wir finden zwischen den Campermassen ein stilles Örtchen in Waldrandnähe. Rumänisches Campen besteht hier aus Generator, Flutlicht und Zaun. Wir sind verstört. Kaum ist es dunkel, wissen wir warum – der Bär rennt zwischen den Zelten Richtung Waldrand. Nächste Aufgabe natürlich – fotografiere den Bären. Check!


Vorsichtshalber entschließen wir uns, nur mit halb geöffneter Heckklappe zu schlafen. Die Dämmerung bricht gerade über das idyllische Tal herein, da wachen wir durch ein schmatzendes Summen auf – wir denken zuerst an die Nachbarn. Doch dann sehen wir den Bären durch die offene Heckklappe, wie er sich mit seinen Jungen an unserem leeren Topf vergnügt. Als eines der Jungen in den Kofferraum klettern will, kommt dann bei uns leichte Hektik auf. Gerade noch rechtzeitig schaffen wir es, die Heckklappe zu schließen Durch Blitzen, Hupen und Pfeifen unserer rumänischen Nachbarn schaffen wir es, die Bären zu verjagen.

Am nächsten Morgen werden wir direkt und auch etwas aufdringlich angesprochen, ob wir denn ein Shuttle bräuchten. Billiger und schneller soll es sein. Wir sind demgegenüber doch etwas skeptisch. 10 min später sitzen wir dann doch im Shuttlefahrzeug mit zwei Rumänen. Auf dem Hochplateau erschwert der Nebel ganz gravierend die Orientierung, sodass wir direkt die Abfahrt suchen und unsere Gipfelpläne auf den nächsten Tag verschieben. Endlich Fahrradfahren und Fahrspaß auf technischen bis flowigen Trails! So gefühlt war es das erste Mal Radfahren auf der Reise nach gut einer Woche.






Die kommende Nacht verbringen wir auf Grund der bärigen Erfahrung in der Nacht zuvor auf dem Hochplateau und planen unsere nächste Tour dort. Unsere Pläne von Ruhe, Abgeschiedenheit und Entspannung werden bereits beim Zubereiten des Essens durchkreuzt, es steht schon wieder ein halbes Rudel Hunde um unser Auto. Dieses Mal sitzen wir jedoch drin mit Film und heißer Suppe. Nehmt das, ihr wilden Tiere!



Ein weiterer der 10 Gipfel über 2500 m Höhe sollte am nächsten Tag von der Liste gestrichen werden, im Idealfall mit dem Vermerk: Schöne Trails, grandiose Landschaft, super Tag. Tatsächlich kommt es genau so, inklusive einem entspannten Mittagsschlaf am Gipfel und einem Bad im Bergbach.









Nachdem wir zwei richtig gute Trails entdeckt haben, ist es an der Zeit für uns, auch den Bikepark zu erkunden. Jedoch stürzt Konstantin bereits in der ersten Abfahrt auf der Hälfte, sodass er nicht mal den gesamten Park erkunden kann. Eine moderne Gondel bringt die Biker die 400 hm hinauf; hinunter geht es auf einem vielseitigen schnellen Kurs. Es gibt viele offene Sektionen, Sprünge und dazu auch gute Chickenways. Auf der zweiten Abfahrt erhöhe ich das Tempo, mehr ist ja bekanntlich immer besser. Fast! Auf der dritten Abfahrt bekomme ich einen Anlieger nicht mehr und die Fichte dahinter beschließt, mein Tempo abzubauen. Schmerzhaft stellen wir beide am Auto fest „Tja, da hat uns der Bär doch noch erlegt“. (Der Trail trägt den Namen „Happy Bear Trail“).
Bevor wir uns auf den Heimweg machen, verbringen wir nochmal einen Abend in Brasov. Eine junge, authentische und teilweise recht hippe Kleinstadt in der Nähe zu einem tollen Bikerevier. Die Region sei jedem empfohlen, der mal abseits der Alpen biken gehen möchte, dabei aber nicht unbedingt um die halbe Welt Reisen will.

Reisetipps
Kartenmaterial
In Sinaia sind die deutschen Buchhandlungen sehr zu empfehlen. Auch das Tourismus Büro gibt gute Auskunft über Agenturen.
www.welcometoromania.ro
Karpatenwilly
Viel unserer Vorab Planung aus Österreich haben wir mit Hilfe der Seite von Karpatenwilli gemacht. www.karpatenwilli.com
Bikepark Sinaia
www.dirtbike.ro
www.sinaia-ski.ro
Hostel
Anreise
Flughafen in Sibiu. Anfahrt von Innsbruck über Wien, Budapest nach Rumänien (neue Autobahn 2016 wahrscheinlich durchgehend bis Sibiu), sehr viel Infrastruktur in der Entstehung.
Mehr Fotostories von Alpinebiking findet ihr hier:
- Alpines Enduroparadies: Ein Wochenende rund ums Stilfser Joch
- Spotcheck Kitzbühel von AlpineBiking: Lange Trails mit Voralpenflair
- AlpineBiking macht Winterurlaub: Spotcheck Marseille – Flucht ins Enduro-Paradies
- Spot-Check Elferlifte: Trailtipp im Stubaital
- Spot-Check Sexten: Der ungeschliffene Trail-Diamant
- AlpineBiking in Bozen: Kulinarisches Winterrevier
- Spotcheck Innsbruck: Unterwegs auf dem brandneuen Arzler Alm Trail
- Rumänien: Alpines Abenteuer im Osten Europas
Information: MTB-News.de steht in keiner Weise in finanzieller Verbindung zu Verfasser, Fotograf oder Organisator des Berichts. Der Bericht wurde uns von Alpinebiking kostenfrei zur Verfügung gestellt. Für weitere Informationen zum Angebot findet ihr den Link zum Anbieter im Artikel.
21 Kommentare
» Alle Kommentare im ForumIch weiß nicht warum du diesen Hinweis mit so kindischem Sarkasmus ins lächerliche ziehst? Bei aller Schönheit der Tour und den geilen Bildern, der Kommentar war aber durchaus ernst gemeint!
Den Karpaten-Willi kenne ich leider nicht owohl ich schon viele male in Rumänien war. Auch war ich bisher nicht beim Grafen vorsprechen, war aber beim Endurofahren (mit Motor) bisher nicht erforderlich, ich denke zu laut?
Wie auch immer, Wasserbüffel gibt es nicht nur im TV und in Nord-Amerika, nein auch andernorts. Und sind diese in Begleitung ihrer Jungtiere ist mit denen nicht zu spaßen. Mit genügend Wortwitz wird man diese leider nicht vertreiben können, auch wird man ihnen nicht einreden können das sie gar nicht da sind! Da finde ich diese übrigens gefährlicher wie einen kleinen Bären. Sind ja schließlich keine Grizzlys in RUM, ist mir schon klar, dennoch möchte ich mit den kleinen süßen Bärlis auch nicht um mein Essen disskutieren. Genauso wenig ist mit den Hirtenhunden zu spaßen, obwohl ich mit Hirtenhunden in RUM noch keinen direkten Kontakt hatte, brauche ich aber auch nicht.
Und weil das immer so süß verharmlost wird, bei uns sind heuer schon wieder mehrere Todesopfer durch ganz normale Kuhlimuhs 😵
Informiert haben wir uns wie @Eisbein bereits gesagt hat. Wenn man in den Bergen und der Wildnis unterwegs ist bleibt grundsätzlich ein Restrisiko. Skifahren - Lawinen (trotz sorgfälltiger Planung möglich), Tirol - gemeine Almkuh und ihre Kälber, Rumänien - Bären, Wölfe und wolfsähnliche Hirtenhunde. Wenn man das Risiko der Natur ausschalten will, bleibt man zuhause und fällt die Treppe runter.
Na bei Euch is mir das schon irgendwie klar das ihr euch informiert habt ... ihr macht ja öfter so was. Aber mir gings eher darum das es textlich erwähnenswert wäre. Sonst fährt noch jemand hin, weil eben eure Bilder geil aussehen, und wir wissen ja das es genug Leute gibt die nicht nachdenken
Wie auch immer, coole Reise. Beim '(Motor) Enduro ist es ja kein Geheimniss mehr das es eine lohnenswerte Gegend ist, wenn es auch einen anderen Grund hat.
Hi, super Bericht

. 
Rumänien wäre für mich 2017 Anlauf zu einer Tour.
Ich fahre AM aber eher Richtung EN, in den Karpaten wird sich da schon etwas finden denke ich.
Für Infos wie Campen, Unterkünfte, Trails usw wäre ich dankbar
Gruß
Mike
Schreib mir oder @Eisbein einfach ne PN dann bekommst du gerne noch mehr Infos.
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