Rocky Mountain Altitude im Test: Das neue Altitude hatte schon seinen ersten Enduro World Series-Sieg im Sack, bevor es überhaupt offiziell vorgestellt wurde. In seiner neusten Inkarnation bietet das Arbeitsgerät von Jesse Melamed und Co. 170/160 mm Federweg, wahlweise 27,5″ oder 29″-Laufräder, einen leichten Carbon-Rahmen und das bekannte, vielfältig einstellbare Ride9-System der Kanadier.
Steckbrief: Rocky Mountain Altitude
Einsatzbereich | Enduro |
---|---|
Federweg | 170 mm/160 mm |
Laufradgröße | 27,5ʺ, 29ʺ |
Rahmenmaterial | Carbon |
Gewicht (o. Pedale) | 14,6 kg |
Rahmengrößen | S, M, L, XL (im Test: L) |
Website | www.bikes.com |
Dank des hauseigenen EWS-Rennteams ist Rocky Mountain zwar stark im Enduro-Sport involviert – die Wurzeln der Kanadier liegen allerdings im Spaß-orientierten Freeride-Segment. So ist auch das neue Altitude zwar als reinrassiges Race-Enduro konzipiert, soll aber auch bei lockeren Ausfahrten der passende Begleiter sein. Je nach Größe ist das Enduro-Bike mit 27,5″ oder 29″-Laufrädern erhältlich. Wir haben die 29″-Version in der Carbon 90 Rally Edition für knapp unter 10.000 € getestet. Dafür bietet das Rocky Mountain Altitude 170 mm an der Front, 160 mm am Heck, einen extrem schicken und schlanken Carbon-Rahmen und eine sehr vielseitige Einstellbarkeit.
Video: Rocky Mountain Altitude
Rahmen und Hinterbau
Rein optisch ähnelt das im letzten Jahr vorgestellte Rocky Mountain Altitude 2021 seinem Vorgänger (Rocky Mountain Altitude Carbon 90-Test) extrem – und auch technisch gibt es einige Gemeinsamkeiten. Carbon-Hauptrahmen und -Hinterbau fallen für ein Race-Enduro äußerst schlank und dynamisch aus. Am Heck setzt Rocky weiterhin auf den weitverbreiteten Viergelenker-Hinterbau. Der Dämpfer sitzt schräg unter dem Oberrohr und lässt so viel Platz im Hauptrahmen – beispielsweise für eine Trinkflasche. Am hinteren Dämpferauge sitzen die Ride9-Flipchips – zwei Plättchen, die sich ineinander verschachtelt umpositionieren lassen, was insgesamt 9 mögliche Einstellungen ergibt. Die Änderungen wirken sich auf die Geometrie, aber auch die Progression des Hinterbaus aus. Zusätzlich lässt sich am Heck die Länge des Hinterbaus justieren.
Auch die vordere Dämpferaufnahme ist erwähnenswert – diese besteht nämlich aus Aluminium und ist im Oberrohr verschraubt. So will Rocky Mountain zukünftig auf eventuelle Trends reagieren und schnell Änderungen umsetzen. Ansonsten ist der Rahmen natürlich mit den üblichen Gummi-Schonern bedeckt: Unterrohr und Kettenstrebe sind mit sehr ausgefeilten und groß ausfallenden Überzügen versehen. Ein weiterer verhindert Dreckansammlungen an der Brücke zwischen den Kettenstreben. Die Kabel verlaufen äußerst unauffällig in Röhren im Rahmen-Inneren und betreten diese durch hochwertig wirkende, geschraubte Eingänge.
Geometrie
Dank Ride9-System mit ganzen 9 Einstellungen ist es gar nicht so leicht, die Geometrie des Rocky Mountain Altitudes auf eine Bildschirmseite zu bekommen. Die von uns getestete 29″-Version ist in den Größen M, L und XL erhältlich und bietet Reach-Werte von 455 mm bis zu gewaltigen 510 mm. Der Lenkwinkel schwankt zwischen 64,5° und 65,5°, der Sitzwinkel entsprechen zwischen 75,4° und 76,5° und die Tretlager-Absenkung zwischen moderaten 19 mm und ordentlichen 34 mm. Natürlich lassen sich auch die Kettenstreben anpassen – hier hat man die Wahl zwischen 448 und 438 mm.
Rahmengröße |
M
|
L
|
XL
|
---|---|---|---|
Laufradgröße | 29″ | 29″ | 29″ |
Reach | 455 mm | 480 mm | 510 mm |
Stack | 620 mm | 634 mm | 647 mm |
STR | 1,36 | 1,32 | 1,27 |
Lenkwinkel | 64,5°65,5° | 64,5°65,5° | 64,5°65,5° |
Sitzwinkel, effektiv | 75,4°76,5° | 75,4°76,5° | 75,4°76,5° |
Oberrohr | 610 mm | 638 mm | 671 mm |
Steuerrohr | 95 mm | 110 mm | 125 mm |
Sitzrohr | 420 mm | 445 mm | 480 mm |
Kettenstreben | 438 mm448 mm | 438 mm448 mm | 438 mm448 mm |
Radstand | 1.217 mm1.227 mm | 1.249 mm1.259 mm | 1.285 mm1.295 mm |
Tretlagerabsenkung | 34 mm19 mm | 34 mm19 mm | 34 mm19 mm |
Gabel-Offset | 44 mm | 44 mm | 44 mm |
Federweg (hinten) | 160 mm | 160 mm | 160 mm |
Federweg (vorn) | 170 mm | 170 mm | 170 mm |
Ausstattung
- Federgabel Fox 38 Factory (170 mm)
- Dämpfer Fox X2 Factory (160 mm)
- Antrieb Shimano XTR
- Bremsen Shimano XTR
- Laufräder Race Face Turbine R
- Reifen Schwalbe Magic Mary Super Traily / Schwalbe Big Betty Super Gravity
- Cockpit Race Face Next R (780 mm) / Race Face Turbine R (40 mm)
- Sattelstütze Race Face Turbine R (175 mm)
Auf dem Trail
Schon rein optisch macht das Rocky Mountain Altitude mit seinen schlanken und fließenden Rohrformen einiges her und schreit förmlich nach Geschwindigkeit bergauf und bergab. In Kombinationen mit den Rennerfolgen des EWS-Teams waren die Erwartungen bei uns ziemlich hochgesteckt.
Auf dem Weg zum Gipfel kann das Altitude diese im Großen und Ganzen auch erfüllen: Man sitzt angenehm entspannt und zentral im Rad und kann wirklich effizient vor sich hinkurbeln. Der Mix aus geringem Gesamtgewicht, angenehm steilem Sitzwinkel und sehr treteffizientem, kaum wippenden Hinterbau motiviert, auch größere Trail-Touren an Bord des Rockys abzuspulen. Im Wiegetritt knickt das Heck natürlich etwas ein, insgesamt bietet es auch hier jedoch ausreichend Gegenhalt, um auch sehr steile Abschnitte ohne Probleme hochzutreten.
Biegt man in die Abfahrt ein, merkt man erst einmal gar nicht so viel davon, dass die Kanadier dem Rad seit unserem letzten Enduro-Vergleichstest große Laufräder und 1 cm mehr Federweg spendiert haben. Zu Beginn sind wir das Rad so gefahren, wie es an uns ausgeliefert wurde: mit kurzen Kettenstreben und den Ride9-Chips im flachsten und progressivsten Setting. Damit kann das Rocky nicht ganz mit der Plüschigkeit und Laufruhe der Test-Konkurrenten mithalten.
Der in dieser Einstellung super progressive Hinterbau macht für unseren Geschmack zu früh zu und geht spürbar zulasten des Komforts – aber auch Grip und Kontrolle schwinden. Gerade bei heftigen Schlägen hat man das Gefühl, gegen eine Progressions-Wand zu fahren und den Federweg nicht effizient zu nutzen. Andererseits nimmt das Altitude Kurven fast so elegant und spielerisch wie das Lapierre Spicy und zeigt sich auf smootheren Untergründen als äußerst verspielt und spaßig.
Nach einigen Abfahrten haben wir das Altitude also umgebaut auf lange Kettenstreben und in ein lineareres Ride9-Setting. Und tatsächlich zeigen die Änderungen sofort Wirkung. Der Hinterbau bietet immer noch einiges an Progression und ist nicht übermäßig plüschig, fühlt sich jedoch beherrschbarer an, sodass man auch in ruppigem Gelände attackieren kann. Ein Sofa ist das Carbon-Bike weiß Gott nicht – wer richtig schnell fahren will, muss den Lenker fest anpacken. Auf Vergleichsfahrten mit dem Trek Slash zeigt sich: Man kann mit beiden Rädern schnell fahren, aber auf dem Rocky braucht es dafür spürbar mehr Körpereinsatz.
In Sachen Laufruhe bringt der längere Radstand tatsächlich etwas – in einer Liga mit Specialized, Megatower und Co. spielt das Rocky Mountain allerdings nicht. Auch in der linearen Einstellung hatten wir in harten Kompression das Gefühl, dass die spät und hart einsetzende Progression uns die Fersen nach unten zieht – fast so, als wäre der Fox X2-Dämpfer komplett zu mit Volumenspacern. Der Blick ins Innere verrät jedoch – es waren nur 2 von maximal 5 Spacern verbaut. Wer ein paar Gramm Mehrgewicht ertragen kann und sich etwas mehr Komfort und Grip wünscht, der könnte unserer Einschätzung nach gut mit einem Stahlfederdämpfer beraten sein.
Im Vergleich
Das Giant Reign 29 kommt dem Rocky Mountain Altitude mit seinem sehr direkten Fahrverhalten am nächsten. Die Bikes sind die leichtesten im Test und geben sich auch im Uphill ein Kopf-an-Kopf-Rennen: Beide sind angenehm und effizient zu treten. Bergab sind beide nichts für Komfort-Liebhaber – in einem Renn-Szenario würden wir jedoch eher zum Rocky Mountain greifen, das mit seinen 160 mm Federweg einfach mehr Reserven bietet als das straffe Giant. Letzteres setzt zudem schon auf einen Coil-Dämpfer – das Rocky Mountain bietet hier noch etwas zusätzliches Optimierungs-Potenzial.
Einen ähnlichen Allround-Ansatz wie das Rocky Mountain bietet das Trek Slash. Es kann mit seinem etwas zu flachen Sitzwinkel bergauf nicht mit dem kanadischen Flitzer mithalten. Auf dem Trail hingegen bietet das Trek wesentlich mehr Komfort an Front und Heck. Während wir beim Altitude etwas tüfteln mussten, um ein zufriedenstellendes Setting zu erreichen, hieß es beim Slash: draufsetzen, wohlfühlen!
Service
Wie gut lässt sich ein Service am Rocky Mountain Altitude durchführen? Findet man problemlos alle relevanten Informationen? Wie sind die Garantie- und Crash Replacement-Bestimmungen des Herstellers? Und welche Details hinsichtlich der Servicebarkeit sind besonders gut oder schlecht gelöst? Das haben wir mit unserer Service-Checkliste überprüft:
Service Checkliste – Rocky Mountain Altitude V2Das Ergebnis: Das Rocky Mountain Altitude sammelt hier 11 von 15 möglichen Punkten. Das ist ein gutes Ergebnis.
Das ist uns aufgefallen
- Ride9-System An sich ist Anpassbarkeit ja keine schlechte Sache. Ob es jetzt 9 Positionen braucht, kann man allerdings diskutieren. Wenn man schon so viele Optionen bietet, dann würden wir uns auch eine detaillierte Anleitung mit Erklärungen zu jeder Position wünschen, was leider nicht gegeben ist. Außerdem ist der Wechsel mit so vielen Kleinteilen nicht ganz stressfrei und erfordert im Idealfall mehr als das Paar Hände, mit dem wir geboren werden.
- Flipchip an der Kettenstrebe Auch dieser ist eigentlich ein gutes Feature – benötigt jedoch insgesamt vier Inbus-Schlüssel zum Tausch.
- Geräuschkulisse Optisch bietet das Rocky nichts als schickes Understatement. In Sachen Geräuschkulisse hingegen ist es sehr aufdringlich – es klappert! Daran sind sicherlich auch die Shimano-Bremsen schuld, aber die Kette machte sich beim Test trotz großem Schoner ebenfalls bemerkbar und nach nur ein paar Tagen knarzte der Steuersatz unüberhörbar.
- Stahl oder Luft? Mit dem Fox Float X-Luftdämpfer hätten wir uns teilweise etwas mehr Komfort und etwas mehr Gegenhalt früher im Federweg gewünscht statt der spät einsetzenden Progression. Wir konnten es nicht testen, könnten uns aber gut vorstellen, dass ein Stahlfederdämpfer dies liefert.
- Trailduro Nein, nicht noch eine neue Wortkreation! Mit seinem eher direkten Fahrverhalten erinnerte uns das Rocky Mountain etwas an ein Trailbike mit Federwegs-Reserven und nicht ganz so sehr an ein Race-Enduro.
Fazit – Rocky Mountain Altitude
Auch mit mehr Federweg hat das Rocky Mountain Altitude seinen Charakter beibehalten: Mit seinem straffen Chassis ist es prädestiniert für technische Trails, die nach einer präzisen Linie verlangen. In Highspeed-Segmenten kann man die Bremse offen lassen – der Toleranzbereich für Fehler fühlt sich hier jedoch im Vergleich mit anderen Enduro-Race-Bikes spürbar schmaler an. Dafür profitieren Touren-orientierte Fahrer vom geringen Gewicht, den exzellenten Pedalier-Eigenschaften und der hohen Einstellbarkeit.
Racer könnten mit einem lineareren Stahlfeder-Dämpfer, der von den Teamfahrern auch häufig eingesetzt wird, glücklicher werden.
Pro / Contra
Pro
- gute Uphill-Eigenschaften
- poppiges, wendiges Chassis
- hohe Einstellbarkeit
Contra
- sehr progressives, straffes Heck
- hoher Preis
Was haltet ihr von Rockys schickem Carbon-Enduro?
Testablauf
Alle Bikes in unserem Enduro Race-Test wurden im direkten Vergleich auf denselben Strecken unter nahezu identischen Bedingungen gegeneinander getestet. Dabei waren Tester verschiedener Könnerstufen auf den unterschiedlichen Bikes unterwegs. Die Kandidaten im Vergleichstest mussten sich nicht nur bei Shuttle-Sessions gegeneinander beweisen, sondern wurden auch aus eigener Kraft auf typischen Hometrail-Touren bergauf und bergab gefahren. Um die Vergleichbarkeit der Modelle zu gewährleisten, wurden alle Modelle mit einheitlichen Reifen von Schwalbe ausgestattet und die Lenker auf 780 mm gekürzt. Darüber hinaus konnte jeder Tester kleinere Veränderungen vornehmen, um das jeweilige Bike optimal an die individuellen Bedürfnisse anzupassen.
Hier haben wir das Rocky Mountain Altitude getestet
- Bikepark Großer Feldberg / Taunus Der Wheels over Frankfurt Radsport e.V. betreibt seit einigen Jahren zwei legale Downhill-Strecken im nahe der Main-Metropole gelegenen Taunus. Diese bieten einen Mix aus wurzeligen, natürlichen Segmenten und gebauten Anlieger-Kurven, Sprüngen und Steinfeldern. Alle Infos gibt’s hier: www.woffm.de
- Heidelberg Direkt am Stadtrand Heidelbergs befindet sich die Trainingsstrecke des örtlichen MTB-Vereins. Diese bietet einen guten Mix aus langsamen, eher engen Passagen und ruppigem Geballer mit dem ein oder anderen Huck to Flat. Nach unten hin wird der Boden immer gröber und gerölliger, was dem Fahrwerk einiges an Arbeit aufbrummt. Wer hier fahren möchte, muss allerdings ein Tagesticket lösen – alle Infos gibt es auf der Website des HD-Freeride e. V.
- Bad Kreuznach, Rheinland Pfalz Abwechslungsreiche und flowige Trails auf meist trockenem, teils steinigem Boden.
- Fahrstil
- sauber, hohes Grundtempo
- Ich fahre hauptsächlich
- Enduro
- Vorlieben beim Fahrwerk
- vorne straffer als hinten, schneller Rebound, nicht zu viel Dämpfung
- Vorlieben bei der Geometrie
- geräumiger Reach, keine zu kurzen Kettenstreben, flacher Lenkwinkel
- Fahrstil
- aktiv und jederzeit bereit abzuziehen
- Ich fahre hauptsächlich
- Downhill, Enduro
- Vorlieben beim Fahrwerk
- straff und progressiv
- Vorlieben bei der Geometrie
- nicht zu lange Kettenstreben, hohe Front, nicht zu tiefes Tretlager
- Fahrstil
- verspielt
- Ich fahre hauptsächlich
- Downhill, Enduro
- Vorlieben beim Fahrwerk
- unauffällig, eher progressiv, wenig Druckstufe
- Vorlieben bei der Geometrie
- ausgewogen, nicht zu lang, Lenkwinkel nicht zu flach
- Fahrstil
- Räder auf dem Boden, saubere Linienwahl
- Ich fahre hauptsächlich
- Trail, Enduro
- Vorlieben beim Fahrwerk
- relativ straff mit viel Dämpfung, Heck eher langsam
- Vorlieben bei der Geometrie
- mittellanges Oberrohr, hoher Stack, lange Kettenstreben, flacher Lenkwinkel
Hier findest du alle weiteren Artikel unseres Enduro-Vergleichstest 2021:
- 7 Enduro Bikes im Vergleichstest: Der beste Race-Bolide des Jahres – unser Fazit!
- Propain Tyee CF im Test: Tyee-Curry mit extra Scharf!
- Lapierre Spicy im Test: Der Kurven-König
- Santa Cruz Megatower im Test: Der Chef im Enduro-Ring?
- Giant Reign 29 im Test: Weniger ist mehr?
- Trek Slash im Test: Looks like a Klassiker
- Specialized Enduro im Test: Der weiße Riese
- Rocky Mountain Altitude im Test: Das Trailduro für Kilometerfresser
- 7 schnelle Enduros im Vergleichstest: Welches Bike ist die Nummer 1?
95 Kommentare