Beim Gabel-Setup denken die meisten an den richtigen Luftdruck oder das Drehen der Knöpfe an ihrer Federgabel. Diverse Gabeln bieten aber noch eine zusätzliche Möglichkeit, die nicht vergessen werden sollte: Die Einstellung der Luftkammergröße.
Die Luftfeder
Eine Luftfeder ist an und für sich eine ziemlich einfache Geschichte: Wird Luft in einem geschlossenen Behälter komprimiert, so steigt der Luftdruck. Je höher der Druck, desto mehr Kraft braucht es, um die Luft weiter zu verdichten – man denke an einen Rennradreifen mit 11 Bar versus einen Mountainbikereifen mit 2 Bar Luftdruck. Anders als bei einer Stahlfeder nimmt die Federhärte bei Kompression aber nicht gleichmäßig zu, bei doppelter Kraft federt die Luftfeder nicht unbedingt doppelt so weit ein. Am Anfang des Federwegs sind Luftfedern tendenziell etwas weicher, am Ende des Federwegs tendenziell härter als eine Stahlfeder, deren Härte gleichmäßig zugenommen hat – ein Verhalten, das als Progression bezeichnet wird. Und jetzt kommt’s: Wie stark eure Federgabel verhärtet, ob sie eher ein Stahlfeder-ähnliches, lineares Verhalten, oder eine deutlich ausgeprägte Progression aufweist – genau das könnt ihr nach euren Vorlieben verändern.
Die Anpassung der Luftkammergröße – und dadurch die Anpassung der Federkennlinie – ist die einzige Aufgabe von Rock Shox‘ sogenannten Bottomless Tokens. Dabei handelt es sich um einfache Plastikzylinder, die sich in die Luftkammer der Federgabel schrauben lassen – mehr Token in der Luftkammer bedeutet weniger Luft = bedeutet weniger Luftkammer-Volumen. Federweg und Federhärte sind davon unbeeinflusst, es ändert sich allein die Kennlinie – also der Verlauf der Federhärte!
Warum ändert die Luftkammergröße die Progression der Federgabel?
Stark idealisiert sagt die Physik: Druck x Volumen sind konstant. Das heißt beispielsweise: Halbieren wir das Volumen, verdoppelt sich der Druck in der Federgabel, was einer doppelten Federhärte entsprechen würde. Mit den Token ändern wir jetzt das Verhältnis von Federweg zu Verringerung der Luftkammergröße. Ohne Token ist die Luftkammer z.B. 5″ lang, mit einigen Token nur noch 4″ lang. Wenn wir nun jeweils 2″ weit einfedern, haben wir im einen Fall das Volumen um 40 %, im anderen um 50 % reduziert, weshalb die Gabel mit der kleineren Luftkammer stärker verhärten wird. Wir erinnern uns: Eine größere Volumenreduktion bedeutet eine größere Zunahme der Federhärte.
Weniger abstrakt bedeutet das: Eine größere Luftkammer resultiert in einem eher linearen Federverhalten, eine kleinere Luftkammer in einem progressiveren Federverhalten. Das macht auch der Grenzfall deutlich: Wenn unsere Luftkammer nur genau so lang wäre wie der Federweg, dann müsste die Luft am Ende auf ein Volumen von 0 komprimiert werden – was einer äußerst harten Feder entspräche. Mal abgesehen davon, dass die Luft dabei sehr heiß würde, wäre das die ultimative Progression: Selbst bei ganz geringem Luftdruck müsste die enthaltene Luft sehr stark komprimiert werden. Die Gabel wäre am Anfang des Federwegs super weich, am Ende äußerst hart.
Federkennlinie und Fahrverhalten
Wie wirkt sich nun aber die, durch die Luftkammergröße beeinflusste, Federkennlinie auf das Fahrverhalten aus? Unterschiedliche Federkennlinien bedeuten in unterschiedlichen Bereichen des Federwegs unterschiedliche Charakteristika. Wir brauchen, um Durchschläge zu vermeiden, am Ende des Federwegs eine gewisse Federhärte. Die verschiedenen Kennlinien bilden jetzt verschiedene Wege dorthin: Linear, also mit gleichmäßig zunehmender Federhärte, oder progressiv, also mit zunächst weicher, dann aber schnell härter werdender Federung. Wegen der größeren Progression ist im zweiten Fall aber auch klar: Für dieselbe Härte am Ende des Federwegs ist anfangs weniger Luftdruck nötig.
Das bedeutet: Wir haben die Wahl. Wer will, stellt seine Gabel sehr progressiv ein. Die Gabel ist dann anfangs sensibler, reagiert also bereits auf leichtere Schläge und gibt schnell Federweg frei. Bei gröberen Schlägen verhärtet sie dann. Die Gabel wird eher nicht durchschlagen, sondern nur sehr hart werden. Eine sensiblere Gabel, die dennoch nicht durchschlägt – das klingt toll. Übertreibt man es aber, bedeutet das auch: Die Gabel nutzt irgendwann den Federweg nicht mehr, weil sie bereits ein Stück vor dem Durchschlag so weit verhärtet, dass sie nicht mehr weiter einfedert. In diesem Fall verschenkt man Federweg und sollte überlegen, den Druck weiter abzusenken oder doch nicht so viele Token zu verbauen.
Weniger Token bedeuten dagegen ein größeres Luftkammervolumen und ein lineareres Verhalten. Die Gabel wird von Anfang an konstant härter, ist also auch am Anfang des Federwegs nicht ganz so feinfühlig. Dafür steilt die Kennlinie am Ende des Federwegs nicht so sehr auf, der ganze Federweg wird eher ausgenutzt. Die Risiken von zu wenig Token sind dagegen Durchschläge und verschenkte Sensibilität bei kleinen Schlägen.
Wie viele Token für wen?
Diese Frage lässt nicht pauschal beantworten, denn individuelle Vorlieben und der persönliche Fahrstil sowie das Gelände entscheiden am Ende, was sich am besten anfühlt. Dennoch ist die Tendenz, dass aggressivere, sportlichere Fahrer mehr Token wählen als der Durchschnittspilot. Kein Wunder: Kleine Schläge sind für alle vorhanden, aber wer schneller und härter fährt, der erzeugt ausgeprägtere Lastspitzen in Steinfeldern oder bei Drops – und will auch dann keinen Durchschlag. Genau dabei hilft die zusätzliche Progression durch eine verkleinerte Luftkammer. Wer also trotz korrektem Negativfederweg Durchschläge hat, weil die Gabel durch den Federweg rauscht, der sollte unbedingt eine Reduktion des Luftkammervolumens probieren.
Ein gesamtes Setup ist aber mehr als nur der Luftdruck und die Luftkammergröße. Zwar beeinflussen die Token die Dämpfung nicht, aber: Es lassen sich mit Dämpfung und Federhärte teilweise ähnliche Fahreigenschaften beeinflussen. So gibt es Fahrer, die lieber mit weniger Dämpfung „auf der Luft“ fahren, also eine linearere Kennlinie wählen, um beispielsweise an kleinen Wurzeln Gegendruck aufbauen zu können und sich abzudrücken. Alternativ könnte man aber auch einer progressiven Kennlinie mit etwas mehr Highspeed-Dämpfung dazu verhelfen, diese kleine Wurzel nicht ganz zu schlucken, sondern Gegendruck aufzubauen – ganz nach Vorliebe eben.
Wie finde ich mein Luftkammersetting?
Der einzige Weg zum optimalen Setup heißt: Ausprobieren! Dabei geht ihr am besten so vor:
- Macht eine Referenzfahrt mit eurem aktuellen Setup auf einer Strecke, die ihr mehrmals hintereinander fahren könnt.
- Messt euren Sag. Anschließend das Luftkammervolumen maximieren, sprich alle Token entfernen, und hinterher denselben Sag (nicht denselben Luftdruck) einstellen.
- Probefahrt mit maximaler Luftkammergröße, anschließend Umbau auf minimale Luftkammergröße (maximale Token-Anzahl), erneut denselben Sag einstellen.
- Probefahrt mit minimaler Luftkammergröße. Jetzt solltet ihr ein gutes Gefühl dafür haben, wie sich die Luftkammergröße auswirkt.
- Abhängig davon, was sich für euch besser angefühlt hat, könnt ihr jetzt eine passende Anzahl Token auswählen, und euer Setup verfeinern: Den Druck oder die Dämpfung korrigieren. Tendenziell müsst ihr mit weniger Token mehr Zugstufendämpfung fahren, weil ihr auch einen höheren Luftdruck fahren werdet.
Wen es interessiert: Die meisten Enduro-Rennfahrer vom Schlag eines Herrn Barel fahren 3 oder 4 Token bei 160 mm Federweg. Ich persönlich fühlte mich mit 1 oder 2 Token am wohlsten, und so habe ich schon viele unterschiedliche Vorlieben von keinem bis zur maximalen Anzahl an Token gehört – jede davon kann, in Kombination mit dem richtigen Luftdruck und passend zur Fahrweise, absolut sinnvoll sein.
Wie ändere ich die Luftkammergröße?
Rock Shox hat mit seinen Token (rot für 35 mm Gabeln wie die Pike und Boxxer, schwarz für 32 mm Gabeln wie RS-1, Revelation und Bluto) ein sehr schönes System dafür entwickelt. Die Montage- und Demontage ist einfach, und auch der aktuelle „Füllstand“ lässt sich exakt ermitteln. Formula verwendet beispielsweise Ballistol, also eine Flüssigkeit, die einfach in die Luftkammer gefüllt wird. Das Problem: Wie viel Öl in der Luftkammer ist lässt sich schwer sagen, das vollständige Entfernen der Flüssigkeit stellt ebenfalls eine Herausforderung dar. Auch Fox ermöglicht bei der 36 die Anpassung durch Spacer, gleiches gilt für die SR Suntour Auron. Das Prozedere ist bei Token-basierten Systemen meistens ähnlich und wurde hier am Beispiel der Pike vorgestellt.
Video
Neben unserer Foto-Story gibt es auch von Rock Shox ein How-To-Video, in dem der Einbau von Token gezeigt wird – man benötigt tatsächlich nur eine 24 mm Nuss, einen 3 mm und einen 6 mm Inbus, und es kann los gehen.
Zusammenfassung
Durch die Verwendung von Token lässt sich die Federkennlinie vieler Federgabeln ändern. Mehr Token bedeuten eine besser Feinfühligkeit und verringertes Durchschlagrisiko, mit weniger Token ergibt sich dagegen ein lineareres Verhalten und eine größere Federwegsausnutzung. Wir können nur empfehlen, die Veränderung auszuprobieren – die Unterschiede sind deutlich und der Umbau einfach.
- Redaktion: Stefanus Stahl
- Bilder: Victor Lucas, Stefanus Stahl
MTB-News.de 2015
195 Kommentare
» Alle Kommentare im ForumEntschuldige, du kamst einfach eingangs echt unfreundlich rüber. Schwamm drüber.
Also ich bin mit meiner alten CTD gerne über Forstwege und leichte Trails mit der T-Einstellung gefahren und wenn es dann grober wurde, ging es auf D runter. Das empfand ich immer als richtig und angenehm. So hatte ich das von der Pike auch erwartet, aber scheinbar soll sie dafür wohl gar nicht konstruiert sein. Ich frage mich dann halt, was ich mit halboffen soll und noch mehr, wann ich überhaupt geschlossen fahren soll. Denn das ist ja nicht mal ein Lockout. Für mich ist das halt große Umgewöhnung und den Sinn erkenne ich dabei für MICH noch nicht so richtig.
Klingt für mich nach Gewöhnung...
Nicht alle Möglichkeiten die eine Gabel bietet müssen für dich auch sinnvoll sein...
CTD habe ich immer so empfunden, dass die mittlere Stellung wirklich nur eine leichte Verstärkung der Druckstufe darstellt. Gerade am Dämpfer war mir die Stellung aber zu schwach um das Fahrwerk richtig ruhig zu bekommen. Ansonsten bin ich eher ein Freund von weit geöffneter Dämpfung und entsprechend war der mittlere Modus für mich völlig überflüssig.
Um nochmal zurück zur Pike zu kommen. Der mittlere Modus ist dort deutlich härter als bei CTD. In meinen Augen ist das was für lange Asphalt Anstiege. Im Gegensatz zum geschlossenen Modus hat die Dämpfung noch die Möglichkeit etwas nach zu geben. Wenn ich den geschlossenen Modus nutze, dann habe ich das Gefühl, dass die Gabel angehoben wird und gerade am Berg will ich den Effekt nicht noch verstärken, weil ich dann noch weiter im Hinterbau "versinke".
Ich persönlich habe mit dem offenen Modus (ein paar Klicks geschlossen) den für mich perfekten Kompromiss aus Uphill und Downhill gefunden und nur aus "Spaß am Schrauben" gehe ich auf Asphalt nicht in den mittleren Modus. Ich habe nicht das Gefühl das ich damit schneller oder kraftsparender unterwegs bin.
Für mich ist die Pike bei Miniustemperaturen selbst im komplett offenen Modus ziemlich überdämpft und ich würde im Leben nicht auf die Idee kommen an der Druckstufe rum zu drehen. Eine sinnvolle Bewertung der Druckstufe solltest du auf den Frühling verschieben und dann kannst du dir auch nochmal Gedanken um Token machen...
Natürlich hast du Recht, die Bezeichnung war verwirrend und die Funktion nicht der Brüller.
Die FIT4 funktioniert bestens und wird jetzt überall gelobt.
Ob das Lob auch so wäre, hätte man den Namen beibehalten?
Ist auch egal, ich hatte nie eine CTD.
Danke duc-mo, das ist ja bisher die Quintessenz, die ich aus der Geschichte gezogen habe und bestätigt ja meine Grundgedanken. FALLS die Pike im offenen Modus dauerhaft so gut funktionieren sollte, dass ich nicht mal mehr wie früher hin und herschalten muss, sie aber trotzdem beim Pedalieren nicht wippt oder ich beim Sprinten bergauf das Gefühl habe, dass sie mich offen bremst, wäre sie CTD überlegen. Soweit muss es aber auch erstmal kommen.
Ich lese jetzt viel und check es immer noch nicht ganz. Es gibt meines Erachtens zwei "Problemfälle" die oft in einem Topf landen.
Mir geht es konkret um den Durchschlagschutz.
Wenn es doch eine Luftkammer gibt, dann sollte die darin enthaltene Menge der Luft bei maximal möglicher Kompression doch exakt den maximalem Federweg entsprechen. Im Diagramm sieht man ja gut, dass sowohl bei "linearem" als auch bei durch Spacer progessiv eingestellte Setup der maximal nötige Endruck für einen Durchschlag unerreichbar gleich ist... Oder? (sorry bin kein Techniker und lese hier auch noch auf dem Smartphone) Das wäre zumindest aus meiner Leiensicht sinnvoll.
Damit verstehe ich es so, dass über die Spacer das Ansprechverhalten an die individuellen Bedürfnisse angepasst werden kann.
Der Durchschlagschutz müsste aber davon unabhängig und immer gegeben sein so lange ein bestimmter Druck in der Kammer vorliegt., oder?
Wenn also mein Markierungsgummi nach jeder Tour am Ende klebt ist es eigentlich Latte. Es bedeutet lediglich, dass ich in der Lage bin das Material auch voll zu nutzen.
Mehr Federweg hat im Vergleich nur den Charme auch größere Hindernisse platt zu bügeln bzw zusätzlich gibt er über den längeren Weg etwas mehr Abstimmungsmöglichkeit.
Für die Landung zB nach einem Sprung spielen aber weder Federweg noch Progression eine Rolle. (Abgesehen vielleicht von der etwas härteren Materialbeanspruchung wenn man die maximal mögliche Kompression immer ausreizt).
Ist das so richtig?
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