Kurz vor der Eurobike lieferten wir euch den ersten Teil unserer zweiteiligen „Ride With The Pros“-Reihe vom Fox-Camp in Leogang. Nun ist die Zeit gekommen, um euch zu zeigen, welche Erfahrungen auf den World Cup-Boliden von Bryceland und Co. zu machen waren. Welche Vorlieben die Fahrer beim Setup ihrer Bikes haben, was die Pro-Bikes so besonders macht und wie sie sich untereinander unterscheiden erfahrt ihr in diesem Artikel.
Im ersten Teil dieser Serie behandelten wir die Thematik rund um das Engagement von Fox im DH-World Cup. Mit dem RAD-Programm betreibt der kalifornische Fahrwerkshersteller Entwicklungsarbeit im aktiven Renngeschehen. Ausgehend von ersten Test- und Einführungs-Camps in der Off-Season über die Entwicklung von individuell auf die Sportler zugeschnittenen Setups bis hin zur harten Praxiserprobung im Renneinsatz arbeitet Fox intensiv mit seinen Team-Fahrern zusammen. So sind die Mechaniker von Fox bei jedem World Cup nahezu rund um die Uhr damit beschäftigt, die vorabgestimmten Fahrwerke der Team-Fahrer vor Ort im Detail auf den jeweiligen Strecken-Charakter sowie den sich ändernden Strecken-Zustand anzupassen. In Leogang sah das folgendermaßen aus:
Das Setup
Der World Cup in Leogang stellte die Tuner der Fahrwerk-Support-Teams dieses Jahr vor eine beachtliche Aufgabe. Da sich die Strecke in ihrem Charakter sowie der Beschaffenheit deutlich von den vorausgegangenen World Cup-Tracks unterschied, bildeten sich vor den Service-Trucks lange Schlangen, da jeder sein Fahrwerk einem Setup-Wechsel unterziehen wollte.
Das Problem für die Fahrern war die Mischung aus vielen Sprüngen und den extremen Bremswellen, die sich im harten Boden über das Rennwochenende hinweg einfuhren, berichtete uns Fox Programm Manager Mark Fitzsimmons. Beim Service der Federelemente bemerkten die Tuner, dass viele Fahrer ihre Fahrwerke deutlich langsamer eingestellt hatten als bei den Rennen zuvor. Auf Nachfrage begründeten die Profis das mit der Erklärung, dass sie bei sehr schneller Zugstufen-Dämpfung schlicht und ergreifen an allen Sprüngen zu viel „Popp“ erfahren würden, was sich zu hoch in die Luft heben würde. Ergebnis wären teils unsanfte Landungen im Flat sowie Zeitverlust durch zu lange Flugphasen.
Mit dieser Einstellung wurde jedoch gravierender Traktionsverlust auf den zahlreichen Waschbrettern (Bremswellen) in Kauf genommen, da das Fahrwerk nicht mehr in der Lage war dem Untergrund ausreichend schnell zu folgen. Während die Tuner versuchten Setups zu erarbeiten, die einen bestmöglichen Kompromiss für beide Problemfelder darstellen sollten, führte die andere Hälfte des Service-Teams mit den Fahrern Praxistests durch. Letzten Endes stellte sich heraus, dass der Zeitverlust bei Flugphasen dem Traktionsnachteil überlegen war. In diesem Wissen passten die Fahrer ihre Fahrweise an und versuchten besagte Bremswellenteppiche möglichst unberührt zu lassen, in dem sie diese zu überspringen versuchten. Spätestens am Samstagmorgen hatten alle Fahrer ihr Fahrwerke darauf ausgerichtet, zum Leide des Komforts, wie ich am eigenen Leib feststellen musste.
Das Ergebnis war ein spürbar langsameres Fahrwerk als üblich. Auch die Low-Speed-Druckstufe wurde deutlich erhöht, wohingegen die High-Speed-Druckstufe nahezu unverändert blieb. So zumindest die Informationen, die an uns weitergegeben werden durften.
Vorwort zum Test
Da das Presse Camp auf Montag nach dem Finale gelegt wurde, waren auf der Rennstrecke die Abbauarbeiten von Schutzzäunen, Werbebannern und zahlreichen anderen Dingen in vollem Gange. Um die Helfer auf der Strecke nicht zu gefährden, mussten manche Sektionen der Strecke in Schrittgeschwindigkeit durchrollt werden. Ein simulierter Rennlauf über die gesamte Streckenlänge war daher nicht möglich. Um dennoch vergleichbare Zeiten zu erhalten, fuhr ich die Strecke mit Helmkamera sektionsweise ab, woraus sich in der Analyse feststellen ließ, mit welchen Rädern ich effektiv am besten zurecht kam.
Da die Zeit stark begrenzt war, ließen sich lediglich zwei Abfahrten pro Bike realisieren. Um den anwesenden Pressevertretern die bestmöglichen Bedingungen zu schaffen um die Vorlieben der Pros zu erfahren, blieben die Räder nach dem Rennlauf am Sonntag unangetastet. Weder Cockpit noch Federelemente wurden angetastet, interessanter hätte der Test also nicht ausfallen können. Lediglich die Pedale und die Seite der Bremsen durften nach eigenem Gusto gewählt werden, wobei die Wahl in meinem Fall, ganz der Wahl aller vertretenen Pros, auf Klickpedale fiel.
Wie sich im Test herausstellen sollte, fiel es mir schwer, mich an zwei der getesteten Bikes innerhalb der kurzen Zeit zu gewöhnen, während zwei andere hingegen nahezu auf Anhieb passten. Mein Hauptaugenmerk möchte ich in diesem Artikel daher auf die beiden Bikes legen, die mir nach dieser unvergesslichen Erfahrung im Gedächtnis einbrannten. Leider war auch nicht allen Teams, Mechanikern und Team-Fahrer ein einheitlich umfangreicher Informationsumfang zu entlocken, weshalb auch hier der Inhalt unterschiedlich informativ ausfällt.
GT Fury 650 Proto – Gee Atherton
Das Bike
Der frisch gebackene Weltmeister Gee Atherton sitzt seit Anfang des Jahres auf einem Vorserienmodell des neuen GT Fury in der 650b-Version. Auf der Eurobike wurde dieses Modell für das kommende Jahr als Serienbike vorgestellt. Wie man den Geometrie-Daten entnehmen kann, wurde die Geometrie des neuen Modells überarbeitet. So weist das 650b Fury bei gleichem Lenkwinkel einen 12 mm längeren Radstand auf. Die Länge des Hauptrahmens soll nach Aussage von Athertons Mechaniker Polish Pete unangetastet geblieben sein, womit sich der Reach dem Vorgängermodell entsprechend auf 464 mm belaufen dürfte. Länger geworden ist hingegen der Hinterbau, der sich neuerdings mit 442 mm bemisst. Auch das Innenlager ist durch die größeren Laufräder nach oben gewandert und sitzt nun 3 mm über den Radachsen.
Der 1,85 m große und knapp 85 kg schwere Gee setzt auf einen Large-Rahmen. Das Setup seines Fury fällt extrem aus: Während die Federhärte des Dämpfer zu Gees Gewicht passt und knapp 30% freigibt, fällt das Setup seiner Gabel extrem straff aus. Für Gee bedeutet das nach eigener Aussage Sicherheit, wenn er es mit Höchstgeschwindigkeit in schwer einsehbares und raues Gelände fliegen lässt. Die straffe Gabel würde hoch im Federweg bleiben und somit einen flachen Lenkwinkel sowie eine hohe Front generieren. Wie Gee sagt, würde man so auch bei heftigen Einschlägen immer hinter dem Lenker bleiben – lästige Überschlagsgefühle würden dadurch eliminiert. Dass so ein Setup enorm kraftraubend ist liegt auf der Hand – denn um in Kurven eine untersteuernde Front zu vermeiden, muss man sein Oberkörpergewicht mit vollem Einsatz auf den Lenker stützen. Gee wäre das nur aufgrund seiner enormen Oberkörperfitness möglich.
Gee war einer der wenigen, die in Leogang trotz eingangs beschriebener Setup-Problematik auf ein sehr schnelles Fahrwerk setzten. Laut seinem Mechaniker Pete, sei es dem schnellen Briten wichtiger, dass das Fahrwerk schnellst möglich Federweg rückgewinnen und somit immer hoch im Federweg stehen würde. Er könne so trotz seines extrem straffen Setups viel Traktion generieren, da das Fahrwerk bei kleinen Schlägen wie Bremswellen lediglich im „Beginning Stroke“ arbeiten würde. In Leogang fuhr Gee sogar das härteste Gabel-Setup der bis dahin verstrichenen Saison. Der Dämpfer hingegen war ähnlich eingestellt, wie bei den Rennen zuvor.
So fuhr Gee sein Fury in Leogang
- Grundeinstellung Fahrwerk: vorne enorm straff und sehr schnell; hinten deutlich weicher (passend zum Fahrergewicht) aber ebenfalls schnell
- Luftdruck Gabel: ca. 80 psi (neues Luftkammersystem – siehe Artikel 1)
- Federhärte Dämpfer: 450 Lbs
- Vorbaulänge: 50 mm
- Lenkwinkel: 63°
- Mit oder ohne Schläuchen? Tubeless, also ohne
- Luftdruck in den Reifen: 1,65 Bar vorne; 1,79 Bar hinten
Der Praxistest
Auf den ersten Metern fühle ich mich noch recht wohl auf Gees Fury. Zwar macht sich die enorm straffe Gabel schnell bemerkt, doch solange es geradeaus geht, habe ich alles im Griff. Während der Hinterbau förmlich am Boden klebt und alles wegbügelt, was sich mir in den Weg stellt, muss ich an der Front aktiv arbeiten, um die Gabel im Zaun zu halten. Allzu oft versetzt es mir bei größeren Schlägen das Vorderrad, da die Gabel den Schlag kaum aufnimmt, sondern geradewegs an mich durchgibt. Es erfordert enorm viel Kraft mein Körpergewicht aktiv über den Lenker zu bringen, um so viel Druck aufs Vorderrad zu bringen, dass die Gabel dem Untergrund folgt und nicht bei jedem größeren Schlag das Bike nach oben hebt. Es dauert nicht lang und diese kraftraubende Prozedur fordert ihren Tribut. Nach weniger als 1 Minute Fahrzeit muss ich erschöpft anhalten, ich vermag es nicht mehr den Lenker noch länger zu halten.
Nach einer kurzen Pause setzte ich die Fahrt fort. In zahlreichen Anliegern bekommt ich zu spüren, was Gee zu Anfang über seine Fahrweise sagte. Es bedarf extrem viel Kraft den Oberkörper in Anliegern über dem Lenker zu halten, um ausreichend Druck und Traktion am Vorderrad zu generieren. Kraft die ich nicht habe. Schnell verfalle ich eine passive Haltung wodurch sich meinen Körperschwerpunkt nach hinten verlagert. So ist es mir nicht mehr möglich Druck auf dem Vorderrad zu halten. Immer wieder rutscht mir das Vorderrad weg und ich bin nur noch damit beschäftigt mich auf dem Rad zu halten. An einen flüssigen Race-Run über die volle Distanz einer Rennstrecke wäre mit diesem Setup und meiner physischen Grundlage nicht zu denken. Ich muss einsehen, dass Gee Bike nichts für mich ist, so gut mir die Geometrie des Rahmen und die Hinterbau-Performance auch gefällt.
Trek Session 650b Proto – Brook MacDonald
Das Bike
Wie Gee ist auch Brook seit Anfang der Saison auf einem neuen Bike unterwegs. Schon in seiner neuseeländischen Heimat testete Trek in der Offseason mit seinen Team-Fahrern das brandneue Session 9.9 auf Basis von 27,5″-Laufrädern. Seit dieser Zeit ist Brook auf dem 650b Session in Größe „medium“ unterwegs und hoch zufrieden. Auch Fox war in diese Test-Phase involviert und erarbeitete schon früh das richtige Setup für Brook speziellen und überaus kraftvollen Fahrstil. So ähnelt sein Setup dem von Gee, wenngleich seine Gabel lange nicht so straff ausfällt wie die des GT-Fahrers. Dennoch wirkt die Balance zwischen Front und Heck unausgeglichen und so fällt der Dämpfer deutlich weicher aus als die Gabel.
Brook betont, dass er sein Fahrwerk gern etwas softer fahren würde, insbesondere in dieser Saison nach seiner Schulterverletzung vom Vorjahr. Er habe es allerdings gern, wenn die Gabel ab dem „Mid Stroke“ deutlich straffer werden würde, das würde ihm ein direktes Feedback vom Untergrund vermitteln, auch wenn das auf Kosten der Kraft in Händen und Armen gehen würde. Je weiter die Gabel in den Federweg eintaucht, desto straffer solle sie sein, damit sie bei richtig harten und unerwarteten Impacts nicht wegsacken würde. Wie genau die Progression seiner Gabel ausfällt konnten wir nicht in Erfahrungen bringen, doch fährt Brook von allen vier getesteten Bikes die straffeste High-Speed-Druckstufen-Einstellung.
Auf der anderen Seite fällt das Zugstufen-Setup an Brooks Session von allen vier Testbikes am langsamsten aus, was genau der von Mark Fitzsimmons beschrieben Strecken-Charakteristik geschuldet wäre, so Brook. Er fügt hinzu, dass er sich beim Setup ganz auf die Mechaniker des Race-Supports verlassen würde. Lediglich das Fahrgefühl würde er ihnen möglichst detailliert schildern, den Rest aber den Experten überlassen. Mit dieser Vorgehensweise sei er bisher gut gefahren.
Dass er den Dämpfer im Vergleich zur Gabel deutlich weicher fahre, sei seinem Fahrstil geschuldet. Er würde es lieben sein Session über den Hinterbau fahren zu können, weshalb er gern tief und relativ weit hinten im Rad stehen würde. Um dennoch ausreichend Druck am Vorderrad zu generieren setzt Brook auf eine tiefe Front. Anders als bei den anderen Bikes ist sind die Gabelbrücken nicht bis Anschlag nach oben gezogen und der Lenker hat einen erstaunlich geringen Rise von 20 mm. Für Brook der Idealzustand.
Die Fahreindrücke
Obwohl Brooks Trek-Fahrwerk ein gutes Stück weicher ausfällt als das des GTs von Gee, verhielt sich das Bike vom Fahrverhalten ziemlich ähnlich. Zwar waren die Belastungen auf Hände und Arme längst nicht so extrem wie am Atherton-GT, doch die straffe Front machte mir in Armen und Oberkörper physisch schnell zu schaffen und sorgte für rasche Ermüdung. In Kurven wirkte sich das mit teils starkem Untersteuern aus. Doch nicht nur die unausgewogene Balance des Fahrwerks machte mir Probleme und sorgte für eine hecklastig-passive Fahrposition, auch der kurze Rahmen wollte mir einfach nicht so recht passen.
Innerhalb der beiden Abfahrten war es mir nicht möglich, mich an die Dimensionen des Rahmen zu gewöhnen und so stand ich passiv über dem Hinterrad. Die Folge: weniger ich als vielmehr das Bike gab die Linienwahl vor und so landete ich einige Male abseits der Ideallinie und teilweise gar abseits der Strecke. Zwar erwies sich der Hinterbau als überaus schluckfreudig und lag satt und traktionsstark auf der Strecke, doch leider konnte ich diesen Pluspunkt aufgrund der eigenwilligen Front nicht ausspielen. Wie schon dem Bike von Gee war ich auch Brooks Trek nicht gewachsen.
Saracen Myst 650b Proto – Sam Dale
Das Bike
Mit 1,83 m ist Sam Dale nahezu gleich groß wie ich, doch der muskelbepackte Madison-Saracen Team-Fahrer bringt mit 100 kg Lebendgewicht rund 25 kg mehr als ich auf die Waage. Da wundert es nicht, dass das Fahrwerks-Setup des sympathischen Briten unter mir extrem straff ausfällt. Überaus angenehm empfinde ich jedoch seine Rahmengröße. Sam ist seit einiger Zeit auf einem XL-Prototyp-Rahmen des neuen Saracen Myst 650b unterwegs. Über die genauen Maße des Rahmens schweigt sich das Team aus, doch wie in der Seitenansicht zu erkennen ist, fallen Radstand un Lenkwinkel deutlich extremer aus, als bei den anderen Test-Bikes.
Sein Fahrwerk beschreibt Dale selbst für sein Gewicht als relativ straff, dafür aber zwischen Front und Heck durchaus ausgewogen abgestimmt. Im Vergleich zu allen anderen Fox-Athleten fährt Sam seine 40 Float mit dem höchsten Luftdruck, wie uns Mark Fitzsimmons verrät, seine Druckstufen-Einstellungen würden hingegen ziemlich neutral (mittig) ausfallen. Auch Sam spricht das Problem mit den Flugphasen an, da er die meisten Sprüngen hoffnungslos überschießen würde. Daher habe er sich gerade in Leogang für ein verhältnismäßig verhaltenes Dämpfungs-Setup entschieden, welches ihm keinen zusätzlichen „Popp“ bescheren solle. Einzig die Low-Speed-Druckstufe habe er etwas weiter geschlossen als üblich, um das Fahrwerk in Anliegern und bei Absprüngen hoch im Federweg zu halten und unangenehmes Wegsacken zu vermeiden.
So fuhr Sam sein Myst in Leogang
- Rahmengröße: XL [Prototyp]
- Laufradgröße: 27,5″
- Fahrwerksvorlieben: sehr straff, langsamer als üblich (in der Regel sehr schnell), ausgeglichen zwischen Front und Heck
- Mit oder ohne Schlauch: Schlauchlos
- Luftdruck in den Reifen: 1,86 Bar vorne; 2,0 Bar hinten
Der Praxistest
Es Bedarf nicht einmal den Weg vom Parkplatz zur Gondel und schon fühle ich mich auf dem Myst von Sam wie auf meinem eigenen Bike. Cockpit-Höhe, Lenkerneigung, Bremshebel-Stellung – all das passt mir auf Anhieb, was mir von Anfang an viel Sicherheit vermittelt. Auch die Abmessungen des XL-Rahmens passen mir wie angegossen, lediglich das Fahrwerk fühlt sich unter meinem Gewicht an wie ein straff abgestimmtes XC-Bike.
Schon auf den ersten Metern folgt die Überraschung: Obwohl das Bike so dermaßen straff abgestimmt ist, stehe ich entspannt und mittig über dem Myst und treffe selbstbewusst meine Linien. Von Ermüdung keine Spur, obwohl das Fahrwerk viele Schläge geradewegs an mich weiterreicht. Schnell bemerke ich, dass der linke Zeigefinder den Lenker voll umschließt und nicht am Hebel der Vorderradbremse anliegt. Das kommt nur vor, wenn mir ein Rad soviel Sicherheit vermittelt dass ich es guten Gewissen krachen lassen kann.
Doch all zu lang sollte dieser Zustand nicht anhalten. Im ersten garstigen Steinfeld muss ich spüren, das ein unpassend hartes Fahrwerk seine Nachteile hat. Während ich zuvor noch über alles hinweg rollte, verschlägt es mir im Steinfeld prompt das Vorderrad, weil ich die harten Schläge schlichtweg nicht zu halten vermag. Abgedrängt von der Idealline muss ich massiv abbremsen um mich neu auszurichten – massiver Zeitverlust ist die Folge. Im weiteren Verlauf gelingt es mir jedoch gut das Myst zu bändigen. Gerade auf den Leoganger Verbingungsstücken zwischen den Waldsektionen komme ich mir mit dem Saracen extrem schnell vor, was die Landungen im Flat bei jedem einzelnen Sprung bestätigen.
Santa Cruz V10c – Josh Bryceland
Das Bike
Eigentlich hätte Joshs V10c ja bekanntlich unfahrbar sein müssen, stand es doch immer noch auf mickrigen 26″-Laufrädern. Dass solch ein Bike von anno dazumal am Vortag noch zum Sieg fahren konnte, dürfte vielen Marketingstrategen wohl Schweißperlen auf die Stirn treiben. Spaß beiseite: Josh ging in Leogang noch auf seinem bewährten 26″-V10c an den Start, doch finden sich an seinem Boliden allerlei Sonderwünsche wieder.
So verkürzt Josh den Reach seines XL-Rahmen via exzentrischem Chris King Steuersatz, der von seinen Team-Kollegen Steve und Greg hingegen zum strecken der Länge genutzt wird. Der Reach des Bikes beläuft sich so auf knappe 440 mm. Der Lenkwinkel fällt mit 63,5° auch nicht gerade spektakulär aus. In Kombination mit der Hinterbaulänge von 444 mm beläuft sich der Radstand von Joshs Bike auf 1.231 mm. Diese Abmessungen fuhren am Tag zuvor den Sieg ein.
Auf Seiten des Fahrwerks kommt an Ratboys Bike der neue RAD Dämpfer zum Einsatz, dessen Setup die kinematisch bedingte Progression des Hinterbaus herausnehmen soll. Der VPP-Hinterbau des V10c sei zwar am Anfang des Federwegs enorm weich und würde erst spät eine starke Progression aufbauen, in der Praxis führe das aber dazu, dass der Dämpfer im oberen und mittleren Federwegsbereich recht viel Federweg freigeben würde, gegen Ende aber stark verhärten würde, so die Erklärung des Fox-Technikers. Um in Kurven mehr Kontrolle zu erhalten, habe man den Dämpfer der Syndicate Team-Fahrer darauf ausgelegt, hoch im Federweg zu stehen und erst bei harten, tiefen Schlägen den gesamten Federweg zu nutzen.
Überraschenderweise fährt Josh im Vergleich zu den anderen Test-Bikes den geringsten Luftdruck in seiner 40 und auch die Druckstufendämpfung fällt im Vergleich deutlich softer aus. Dennoch fühlt sich die Gabel im Stand relativ straff an, ganz im Gegensatz zum soften Hinterbau, den Josh mit 215 mm Federweg fährt.
Fakten zum Rad
- Rahmengröße: XL
- Laufradgröße: 26″
- Reach: 440 mm (exzentrischer Steuersatz)
- Sitzrohrlänge: 475 mm
- Hinterbaulänge: 444 mm
- Radstand: 1.231 mm
- Lenkwinkel: 63,5°
So fuhr Ratboy sein V10c in Leogang
- Reifen: Maxxis Minion DHR II
- Reifendruck: 2,07 Bar vorne, 2,21 Bar hinten
Die Fahreindrücke
Obwohl sich das Fahrwerk beim Parkplatztest noch etwas unausgewogen anfühlte, erweist sich auf der Strecke genau das Gegenteil. Gabel und Dämpfer passen ideal für mein Gewicht und arbeiten harmonisch zusammen. Zwar fällt das Heck VPP-typisch etwas softer aus, doch das stört nicht weiter. Das satte Fahrwerk folgt dem Untergrund ideal und so vermittelt das Bike auch in den zornigen Sektionen der Strecke sehr viel Sicherheit.
So richtig wohl fühle ich mich auf Ratboy Bike aber nicht. Zwar passen wie auch an Sams Bike Lenkerneigung, Cockpit-Höhe und Bremshebel-Einstellung wunderbar, aber irgendwie kann ich mich mit dem Fahrverhalten des V10 nicht so richtig anfreunden. Solange es geradeaus geht bügelt das Bike über alles hinweg, doch in Kurven tue ich mir schwer die richtige Körperposition zu finden was oft zu Unter- und Übersteuern führt. Hier und da verpasse ich so oft die Ideallinie, kann aber dennoch eine hohe Geschwindigkeit aufrechterhalten. Auch fühlt sich das Bike deutlich komfortabler an, als alle anderen vorher getesteten Räder.
Das Fazit
Der Test dieser vier außergewöhnlichen und grundverschiedenen Bikes lässt für mich nur ein Resümee zu:
die Suche nach DEM schnellsten Bike ist vergebens. Eine pauschale Aussage lässt sich nicht treffen. Jedes dieser Bikes hat seine Vor- und Nachteile, auch wenn diese bei manchen Bikes unterschiedlich stark proportioniert sind. Letzten Endes ist es aber die Kombination aus Fahrer und Bike, die ein stimmiges Gesamtkonzept ergeben muss. Nur wenn sich der Fahrer auf seinem Arbeitsgerät zu 100% wohl fühlt, kann er mit diesem punktgenau an sein persönliches Limit gehen. Dabei spielen Fahrstil, Körperbau und Trainingszustand die entscheidenden Rollen. Eins ist jedenfalls sicher, Profis die auf einem so hohem Niveau unterwegs sind und das machbare Limit in einer derart engen Grenzwanderung ausloten müssen, brauchen ein Bike das exakt auf ihre Ansprüche zugeschnitten ist.
Die Aussage, ein Profi könne wohl mit jedem Bike zum Sieg fahren, ist damit meiner Meinung nach widerlegt.
Interessant? Hier geht es zu Teil 1 des Artikels: Ride With The Pros – Leogang Teil 1: Was macht ein Pro-Bike so schnell?
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