Unsere Bloggerin Theresia Schwenk war beim MTB 3 Nations Cup 2019 in Solingen am Start. In ihrem Rennbericht über ihren Saisoneinstand macht sie sich Gedanken über Frauen im Radsport und was wir Rennfahrer im Allgemeinen von anderen Nationen lernen können.
Angemeldet bin ich – also wird das C3-Rennen in Solingen mein erstes Rennen der Saison 2019 werden. Ein sehr guter Einstand, habe ich doch an Solingen und an die Strecke dort nur gute Erinnerungen. Zum einen macht es unheimlich viel Spaß, die Strecke zu fahren – was auch an der einwandfreien Organisation des Rennens liegt –, zum anderen konnte ich eben auf dieser Strecke im Jahr 2017 den Titel der Deutschen Hochschulmeisterin XCO gewinnen. Gute Voraussetzungen also, die Saison 2019 zu beginnen.
Die Vorfreude wächst, als ich einen Blick auf die Meldeliste werfe. Bereits zwei Wochen vor dem Rennen sind 22 Teilnehmerinnen gemeldet und es wäre das am besten besetzte C3-Rennen meiner Karriere, alleine der Glaube daran will sich nicht so recht einstellen. In Solingen angekommen, gehe ich immer noch davon aus, dass die Ankündigung eines so gut und zahlreich besetzten Starterfeldes wohl ein vorgezogener Aprilscherz sein soll. Aber ich täusche mich: Insgesamt 24 Teilnehmerinnen Elite, 13 Juniorinnen und 20 U17-Fahrerinnen stehen mit mir an der Startlinie und warten auf den Startschuss.
Der MTB 3 Nations Cup erfreut sich als internationale Rennserie großer Beliebtheit. Besonders fällt auf, dass die TeilnehmerInnen aus den Niederlanden in großer Anzahl vertreten sind. Die Antwort auf die Frage nach dem Warum erschließt sich mir auf dem Weg zu meinem Auto. Zum einen wird in vielen Ländern eine gänzlich andere Radkultur gelebt, als dies bei uns der Fall ist – so auch in den Niederlanden. Ein Rennwochenende ist nicht nur die „Jagd” nach einer guten Platzierung. Es ist auch Campingwochenende mit der ganzen Familie, bei dem auch der Kontakt zu befreundeten FahrernInnen und zu deren Familien gepflegt wird. Die Gemeinsamkeit steht im Vordergrund: es wird zusammen gekocht, gegessen und gelacht. Natürlich ist es am Ende des Wochenendes nicht egal, welche Platzierungen sich die Athleten erkämpft haben. Aber es hat nicht den alles dominierenden Stellenwert, den ich bei meinen deutschen Mitstreitern all die Jahre erlebt habe und bis heute immer wieder erlebe. Vielmehr stehen die Freude und die Leidenschaft für den Mountainbike-Sport im Vordergrund. Es wird sich mit- und auch füreinander gefreut und der verbissene Kampf um Platzierungen und Erfolge tritt dahinter zurück. Gerade aufgrund dieses Flairs macht mir das Rennen in Solingen immer wieder unheimlich viel Spaß.
Für ein Fahrerfeld dieser Größe verläuft der Start des Rennens verhältnismäßig ruhig. Auf den Einsatz von Ellenbogen wird weitestgehend verzichtet und es kommt zu keinen Stürzen. So richtet sich mein Fokus auf den Kampf um die Top 5 und ich merke ein weiteres Mal, wie viel Spaß es mir macht, Rennen zu fahren.
Die Strecke in Solingen bietet das komplette Repertoire eines XCO-Rennens: Enge Kurven, die unter der Belastung des Rennens erhöhte Anforderungen an das Gleichgewicht stellen, kleine Sprünge, das Steinfeld und ein Uphill, der den Puls bis an die Belastungsgrenze treibt. In der ersten von sieben Runden kann ich Platz 5 noch behaupten, werde dann aber bis auf Platz 7 durchgereicht. Ich merke, wie mein Körper den Wettkampfmodus annimmt, aber an den Steigungen fehlt mir noch der letzte Punch, um ein paar Radlängen zwischen mich und meine Konkurrentinnen aus den Niederlanden zu bringen.
Die letzte der sieben Runden wird dann nochmals richtig spannend. Immer noch auf Platz 7 liegend, fährt die Niederländerin Didi De Vries auf mich auf und setzt sich in meinem Windschatten fest. Mir ist sofort klar, dass es mir nicht gelingen wird, De Vries davonzufahren und dass sich der Kampf um Platz 7 im Zielsprint entscheiden wird. Auch der Versuch, an der letzten Steigung vor dem Ziel nochmals zu attackieren, schlägt fehl. De Vries bleibt an meinem Hinterrad und zieht aus dem Windschatten heraus den Zielsprint an. Die ersten Meter kann ich mitgehen, auf den letzten 50 Metern ist de Vries einfach stärker und gewinnt den Sprint und damit auch Platz 7 mit einer Radlänge Vorsprung.
Ein fairer Schlusssprint. Noch während wir uns auf dem Lenker liegend und nach Luft ringend abklatschen und uns für den fairen Sprint bedanken, sehen wir schon die ernsthaft besorgten Gesichter unserer Betreuer. Genauso schnell wie unsere Betreuer zur Stelle waren, genauso schnell kommt der Atem zurück und mir wird ein weiteres Mal bewusst, weshalb ich diesen Sport so liebe. Natürlich könnte man sagen, ich habe den Sprint verloren, aber das wäre nur die halbe Wahrheit. Denn ich habe unheimlich viel Motivation für die Saison 2019 aus diesem ersten Rennen mitgenommen.
Über die wettkampffreie Zeit hatte ich fast völlig vergessen, wie sehr ein XC-Rennen wehtun kann. Ich habe vergessen, wie es ist, wenn einem die Luft wegbleibt und man nach Atem ringt, wie die Beine brennen, wenn man am Berg das Letzte aus sich herausholt. Und ich habe vor allem vergessen, wie schön es, ist diesen Sport auf höchstem Niveau ausüben zu können.
Danke Solingen für ein tolles Rennen, eine Organisation, die keine Wünsche offen gelassen hat und einen Apfelkuchen nach dem Rennen, der alleine es schon Wert ist, im nächsten Jahr wiederzukommen – wir sehen uns im nächsten Jahr!
Mit welcher Einstellung fahrt ihr zu einem Rennen? Lieber den Fuß verrenken als Schwung verschenken oder zählt das gemütliche Zusammensein mit den Kontrahenten und Kumpels?
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