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Nukeproof Mega AM 275 Pro – Test
Wie viel All Mountain steckt wirklich in ihm?

Der britische MTB-Hersteller Nukeproof ist längst nicht mehr nur für seine Gravity-Bikes bekannt, auch das All Mountain-/Enduro-Bike Mega erfreut sich seit einiger Zeit eines starken Absatzes. Dennoch waren die bisherigen Mega-Modelle nicht gerade unumstritten, denn vor allem die Hinterbaufunktion des Mega wurde immer wieder kritisiert. Vergangen Herbst präsentierte Nukeproof dann eine Evolutionsstufe des Mega, eine 27,5″-Version mit optimiertem Fahrwerk und modernerer Geometrie. Und obwohl das Bike nach wie vor die Bezeichnung „AM“ im Namen trägt, soll es mittlerweile zu einem potenten Enduro-Geschoss gemausert haben. Wir haben das 2014er Mega AM 275 Pro einem typisch MTB-News.de schonungslosem Test unterzogen. 
Nukeproof Mega AM-1
# Nukeproof Mega AM 275 Pro – 15,4 kg Gesamtgewicht und 3.754 Euro Anschaffungspreis.

Nukeproof Mega AM 275 Pro – der erste Kontakt

Schon der Griff in den Karton um das Rad aus seiner Verpackung zu heben überrascht: Für ein Bike dessen Name das Kürzel AM (All Mountain) enthält, scheint das Gewicht erstaunlich hoch zu sein. Nachdem das Bike fertig montiert ist, wandert es geradewegs auf die Waage. Siehe da – der Verdacht bestätigt sich: 15,2 kg Gesamtgewicht ohne Pedale – das ist eine Menge, insbesondere unter Anbetracht des Anschaffungspreises von satten 3.754 Euro.

Nimmt man das Bike genauer unter die Lupe, so erklärt sich das hohe Gewicht schnell: Knapp 2.000 Gramm bringt allein der Laufradsatz (ohne Reifen usw.) auf die Waage. Hinzu kommen ebenfalls verhältnismäßig schwere Anbauteile wie die Nukeproof Lenker-Vorbau-Kombi oder die Truvativ Descendant Kurbeln. Auch der Rahmen scheint kein Leichtgewicht zu sein. Alles in allem wirkt das Nukeproof etwas altbacken, umso interessanter sollte der Praxistest werden.


# Klassische Nukeproof-Optik

Kurz und knapp


# Nicht gerade leicht – Descendant Kurbeln aus dem Hause SRAM.

# Auch der eher simpel konstruierte Rahmen scheint kein Leichtgewicht zu sein.

Das Bike im Einsatz

Basics

Das erste Aufsitzen weckt direkt positive Emotionen: Ich fühle mich so richtig wohl auf dem Nukeproof in Rahmengröße „Large“. Die Sitzposition ist angenehm aufrecht und vermittelt den Eindruck, als könne man mit dem Bike stundenlang radeln, ohne Beschwerden in Rücken, Schultern oder anderen Körperteilen zu erleiden. Auch der Sitzwinkel passt bei meiner Schrittlänge von 88 cm (Körpergröße 1,81 m) ziemlich vortrefflich, und so fällt das Lot vor meiner Kniescheibe punktgenau durch die Pedalachse. Der 60 mm lange Vorbau ergänzt den eher kompakten Hauptrahmen gut. Die Gesamtlänge scheint zu passen – doch die Betonung liegt auf scheint. Wie sich schon bei der ersten Ausfahrt herausstellt, will das Nukeproof im Gelände relativ stark über das Heck gefahren werden. Da der Hinterbau mit 445 mm Länge selbst für ein 27,5″-Enduro-Bike recht lang ausfällt, erweist sich der nicht all zu lange Hauptrahmen schnell als sinnvoll.

Weniger sinnvoll ist der 60-mm-Vorbau: Was im Sitzen noch gut passte, zeigt sich im Stehen als suboptimal. Der lange Vorbau hindert genau das, wonach der Rahmen verlangt, eine hecklastige Fahrweise. Das Körpergewicht will weit nach hinten gebracht werden, um das Rad agil durchs Gelände manövrieren zu können. Im Laufe des Tests wich der serienmäßig verbaute Vorbau erst einer 50-mm- und der wiederum einer 40-mm-Version.

Auch beim Setup der Federelemente sind mehrere Durchgänge von Nöten. Schnell stellt sich heraus, dass Hinterbau und Gabel kaum miteinander harmonieren. Während sich der Hinterbau in Kombination mit Monarch Plus Dämpfer (ohne Luftkammer-Spacer) überaus progressiv verhält, fällt die Pike im ausgelieferten Zustand nahezu linear aus. Erst nachdem zwei Tokens (Luftkammer-Spacer) in die Luftkammer der Gabel eingesetzt sind, spielen Hinterbau und Gabel harmonischer, wenngleich auch nicht ideal zusammen. So eingestellt konnte es endlich ans Eingemachte gehen.


# Ein kürzerer Vorbau begünstigt die hecklastige Fahrposition…

# …nach der der Rahmen mit seinem langen Hinterbau verlangt. 

Trail und Uphill

Trotz kurzem 40-mm-Vorbau und hohem Lenker präsentiert sich das Mega AM im Uphill überaus souverän. Selbst in steilen Anstiegen muss das Oberkörpergewicht nur minimal nach vorn verlagert werden, um das Vorderrad am Boden zu halten – ein langer Hinterbau und ein steiler Sitzwinkel machen es möglich. Fast schon stutzig macht mich der effiziente Vortrieb des sonst eher behäbigen Bikes: Unter starker Last fühlt es sich fast so an, als würde der Kettenzug den Hinterbau aus der Federung ziehen. Auf ebener Strecke eine tolle Sache, im Gelände stellt sich das jedoch schnell als Nachteil heraus, denn auf Singletrail-Uphills ist der Hinterbau nahezu inaktiv, wodurch das Hinterrad stark an Traktion einbüßen muss und die eingespeiste Tretenergie nur schlecht am Boden ankommt.

Nach dem ich den SAG Stück für Stück erhöhe und ihn bei rund 30% einpendeln lasse, verringert sich dieser Effekt. Der Hinterbau verhält sich in dieser Einstellung annähernd antriebsneutral, glänzte aber dennoch nicht durch Traktion im Gelände. Immerhin ist die Sitzposition überaus passend, sodass sich auch lange Anstiege problemlos meistern lassen. Schnelle Sprints auf abwechslungsreichen Auf-Und-Ab-Trails sind jedoch nicht die Stärke des Nukeproof. Das hohe Gesamtgewicht und die schweren Laufräder machen das Bike träge und knackige Sprints zum Kraftakt. Darüber hinaus limitiert der 1×10-Antrieb die Uphill-Kompatibiliät erheblich. Wer lange steile Aufstiege meistern will, muss richtig Dampf in den Beinen haben, anderenfalls wird die Tour zur Tortour. Ein 1×10-Antrieb dürfte wohl nur auf kurzen gehaltenen Local-Spots so richtig Sinn machen, geht es mit dem Rad jedoch mal etwas höher hinauf, so kommt man schnell an seine physischen Grenzen.


# Zeit um dem Hobel im Gelände so richtig die Sporen zu geben. 

Downhill

Wie schon erwähnt war es ein langer Weg, bis ich dem Hinterbau endlich seine optimale Leistung entlocken konnte. Optimal bezieht sich jedoch nicht auf einen allgemeinen Zustand, denn im Vergleich zu so manch anderen modernen Enduros scheint das Mega AM schlicht und ergreifend das Nachsehen zu haben. Der Hinterbau benötigt sehr viel SAG (ca. 30%), um voll aktiv arbeiten zu können. Durch seine hohe Progression nutzt man die zur Verfügung gestellten 160 mm Federweg jedoch nur selten aus. Es bedarf schon richtig harten Schlägen oder stark verpatzen Landungen, um dem Dämpfer den vollen Hub abzuverlangen. Für ein Rad das die Bezeichnung All Mountain trägt ist diese Eigenschaft nur schwer nachzuvollziehen – einem Park-Bike würde dieser Charakter deutlich besser stehen.

Geht es über flowige Trails dahin, so wirkt der Hinterbau etwas undefiniert. Das Dämpfungs-Tune des Monarch Plus scheint nicht optimal zu passen, denn in Anliegern und anderen Fahrsituationen, wie beispielsweise Wellen wo es durch Pushen Schwung zu generieren gilt, sackt der Hinterbau schnell weg, um dann in der starken Endprogression zu verhärten. Wenigstens die Zugstufe passt und so kann das Hinterrad dem Untergrund sehr gut folgen.

Geht es jedoch heftiger zur Sache, so merkt man insbesondere in Kombination mit Flat-Pedalen schnell, das sich der Hinterbau schwer tut schnelle harte Schläge satt zu verarbeiten. Sofern man nicht weit hinter dem Rad hängt und sich zwischen Lenker und Pedalen kräftig verspannt, wird man von den Pedalen geschlagen. Oft hat man das Gefühl, als würde der Hinterbau an größeren Hindernissen wie beispielsweise Steinen oder Wurzelstöcken geradezu hängen bleiben. Glücklicherweise scheint die Geometrie des Bikes jedoch auf diese Eigenschaften ausgelegt zu sein, und so behält man dank langem Hinterbau und trotz hecklastiger Fahrposition ausreichend Druck auf dem Vorderrad, welches somit präzise den Lenkbewegungen des Fahrers folgen kann. Eins ist sicher, auf ruppigen Alpen-Trails ist das Mega AM nicht zu Hause, viel mehr scheint es auf künstlich angelegten, Bikepark ähnlichen Strecken beheimatet zu sein – wie sie beispielsweise in den zahlreichen Trail-Parks Großbritanniens zu finden sind.


# Sprungeinlagen sind für das Mega AM 27,5 kein Problem. – Zwar sackt der Hinterbau an großen Kickern etwas durch, Durchschläge bei heftigen Landungen sind jedoch die Seltenheit.

# In ruppigen Terrain zeigt das Bike Schwächen.
# Gebaute Flowtrails sind eindeutig sein angestammtes Einsatzgebiet.

Fazit

Das Mega AM 275 kann seine irischen Gene nur schwer verbergen. Der 1×10-Antrieb und die robuste Bauweise sind auf gebauten Strecken und bei widrigen Bedingungen sicherlich von Vorteil – in deutschen MTB-Revieren dürften die geringe Übersetzungsbandbreite und das hohe Gewicht wohl schnell die Freude am Fahren reduzieren. Mit dem hierzulande gültigen Verständnis der Bezeichnung All Mountain hat das Nukeproof wenig gemein, viel mehr handelt es sich um ein Spaßgerät für angelegte Bikepark-/Trailpark-Strecken. Sofern es bergab nicht all zu ruppig zur Sache geht, bereitet das Mega AM durchaus Freude. Leider gibt der Hinterbau jedoch etwas zu wenig Federweg frei, was bei harter Gangart zu Unruhe führt. Das Nukeproof Mega AM 275 kann alles ein bisschen aber nichts so richtig, und das, obwohl die Geometrie eigentlich recht gelungen ist. Für einen Preis von 3.754 Euro hat der Markt heutzutage schlicht und ergreifend Besseres zu bieten.

Pro:

Contra:


# Bei 3.754 Euro Anschaffungspreis will der Kauf in Anbetracht der Leistung wohl überlegt sein.

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Im Detail

Eckdaten:

Unser Test-Bike:

Geometrie:


# Die Geometrie des Nukeproof Mega AM 275 


Diese Fotos im Fotoalbum anschauen

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