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Dreh-Momente am Dienstag
Dämpfung – was ist das eigentlich?

An modernen Mountainbikes finden sich ziemlich ausgetüftelte Fahrwerke mit jeder Menge Einstelloptionen. Bei der Diskussion darüber werden die Effekte von Federung und Dämpfung gern vermischt, weshalb es diesen Dienstag darum gehen soll: Was ist eigentlich Dämpfung – und was nicht?

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Bevor jemand fragt: Hier geht es heute nur um Federung und Dämpfung von Reifen und Fahrwerk – die Dämpfung im Sitzpolster, den Griffen und eurer Internet-Leitung wird hier nicht behandelt!

# Vielfältige Fahrsituationen treten beim Biken auf - kein Wunder, dass die richtige Dämpfung für jede Situation schwer zu erreichen ist.

Wortgebrauch

„Dämpfung“ – mit dem Begriff verbinden wir eine Verringerung, ein Abklingen, aber auch mal die Stimmung auf der Party: „Irgendwie gedämpft.“ Der Begriff scheint sich wie eine dicke Decke über etwas legen zu können, woraufhin das drunter… naja, eben gedämpft wird. In der Mountainbike-Welt kommen außerdem die vielen Drehknöpfe in den Sinn, die sich an Federgabel und Dämpfer (<– schon wieder! Dämpfung!) finden. Fangen wir deshalb vorne an.

Der Dämpfer im Mountainbike, das ist eigentlich ein Federbein, in dem neben einer Feder ein Stoßdämpfer – physikalisch korrekt sogar ein Schwingungsdämpfer – integriert ist. Einen reinen „Dämpfer“ im Sinne von „Schwingungs-Dämpfer“ haben wir am Mountainbike nur dann in der Hand, wenn wir zum Beispiel die Charger- oder FIT-Kartusche aus der Federgabel demontieren. Überhaupt ist die Sache an der Federgabel viel leichter zu erklären als am Federbein.

# Links die Luftfeder, rechts die Dämpfungseinheit - drei Einstellräder erlauben hier die Beeinflussung der verschiedenen Öffnungen, durch die Öl bei jeder Bewegung der Federgabel strömen muss.

Von Federn und Dämpfern

In fast allen modernen Federgabeln findet sich im einen Standrohr die Federung und im anderen die Dämpfung. Meistens sitzt links die Federung – entweder eine Luftkammer, die aufgepumpt werden kann, wodurch sich eine Luftfeder ergibt, oder schlicht eine Spiralfeder, wenn es sich um eine Stahlfeder handelt. Für diese Federung gilt: Die Kraft, die zum Eintauchen der Gabel benötigt wird, hängt vom Weg ab. Je weiter die Gabel eintauchen soll, desto mehr Kraft wird benötigt. Bei einer Stahlfeder ist der Zusammenhang linear (doppelter Weg braucht doppelte Kraft), bei einer Luftfeder nicht, aber in beiden Fällen besteht ein untrennbarer Zusammenhang zwischen Weg und Kraft.

Wer seine Federgabel einmal der Dämpfungskartusche beraubt und damit fahren geht, der wird folgendes erleben:

  1. Beim Ausfedern schlägt die ungedämpfte Gabel am Ende des Federwegs unsanft an.
  2. Nach einem Schlag schaukelt die ungedämpfte Gabel, bevor sie sich wieder im Sag beruhigt.
  3. Nach einem Schlag schlägt die ungedämpfte Gabel auch ziemlich heftig zurück; das Rad kann sogar den Bodenkontakt verlieren.
# Auch Reifen dämpfen, allerdings weniger als die Öldämpfer in der Federung - deshalb springen Fat- und Plusreifen tendenziell bei gleichem Federweg mehr.

Damit steht fest: Federung allein hilft nicht viel, Dämpfung muss her. Während die Federkraft wegabhängig ist, ist die Dämpfungskraft geschwindigkeitsabhängig. Auch hier ist das eindrücklichste, einmal eine Kartusche auszubauen oder die Luft komplett aus der Gabel zu lassen, um Dämpfung ohne gleichzeitige Federung zu erleben. Geschwindigkeitabhängig heißt konkret für die viskose Dämpfung, wie sie in der Mountainbike-Welt genutzt wird: Ohne Geschwindigkeit keine Kraft, und: Je mehr Geschwindigkeit, desto mehr Kraft. Dieser Zusammenhang ist – zumindest näherungsweise – linear, zumindest so lange, wie kein Shimstack oder ähnliches genutzt wird, um eine nicht-linear geschwindigkeitsabhängige Dämpfungskraft zu erreichen.


Hier gut visualisiert: Die Druckstufen-Dämpfung ändert bei ausreichend langer Belastung nichts daran, wie weit man einfedert – sondern nur, wie schnell. Da viele Schläge aber nicht lange dauern, reduziert eine Dämpfung dennoch den genutzten Federweg und hilft so, ein Absacken zu vermeiden. Bild: Evo Bike Shop.

Im Alltag lässt sich diese viskose Dämpfung gut im Schwimmbad oder beim Paddeln erleben. Langsam lässt sich das Paddel problemlos durchs Wasser ziehen – einer schnellen Bewegung werden aber große Kräfte entgegengesetzt. Beim Mountainbike ist das ähnlich: Egal, was ihr an der Dämpfung auch einstellt, der Negativfederweg wird immer der gleiche sein. Der einzige Unterschied ist, wie schnell oder langsam ihr genau diesen Negativfederweg erreicht. (Eine Ausnahme stellt das hydraulische Lock-Out dar, bei dem einfach der komplette Öl-Fluss blockiert wird – dies ist aber keine Dämpfung!)

# Hellblau zu sehen: Die ungedämpfte Schwingung - Dunkelrot dagegen die (leicht) gedämpfte Schwingung, die mit jedem "Wippen" weniger wird. Die orange Linie zeigt das Abklingen der Schwingung.

In einem Schwingungsdämpfer am Mountainbike wird ein Kolben durch Öl bewegt oder Öl durch Öffnungen gedrückt – die Größe der Öffnung bestimmt neben der Geschwindigkeit das Maß der Dämpfung und lässt sich häufig über einen Drehknopf einstellen. Fest steht aber immer: Keine Bewegung der Gabel, keine Dämpfungskraft. Das gilt beispielweise auch im Umkehrpunkt, nach dem Einfedern, vor dem Ausfedern. Hier ruht die Federgabel (natürlich nur sehr kurz!) und folglich wirken keine Dämpfungskräfte. Das gilt auch im (sehr ruhig gefahrenen) Wheelie, beim (gehaltenen) Stoppie und in diversen anderen Situationen.

Die Dämpfung wirkt sowohl dem Einfedern als auch dem Ausfedern entgegen, die Kräfte drehen sich also während des Federvorgangs um. Durch Rückschlagventile kann erreicht werden, dass das Öl beim Ausfedern einen anderen Weg nehmen muss (Rebound, Zugstufen-Dämpfung), als beim Einfedern (Compression, Druckstufen-Dämpfung). Hierdurch lassen sich Zug- und Druckstufendämpfung weitestgehend unabhängig voneinander einstellen.

# Etwa wie die rote Linie sollte sich ein Hinterbau nach einer Bordsteinkante verhalten - ein einziges, spürbares Schwingen, bevor wieder Ruhe im System ist.

Zusätzlich gibt es in hochwertigen Federelementen Einstellmöglichkeiten für unterschiedliche Geschwindigkeitsbereiche: Hier spricht man von Highspeed- und Lowspeed-Druckstufe beziehungsweise Zugstufe. Tatsächlich sind diese Einstellungen nicht 100 % trennscharf, aber das sind die verschiedenen Anforderungen auf dem Mountainbike auch nicht.

Praxis

Dämpfung entschleunigt Bewegung – der Federgabel geht es wie bei der Wassergymnastik: Langsame Bewegungen werden quasi ungehindert ermöglicht, schnelle dagegen stark gebremst. Das ist einerseits erwünscht: Ein schaukelndes Fahrverhalten wünscht sich niemand; und nach dem Ausfedern soll die Federgabel nicht schnell zurück schwingen, sondern sich gemächlich in der Ursprungsposition wieder finden. Andererseits is zu viel Dämpfung aber auch nicht wünschenswert, schließlich muss sich das Rad häufig schnell bewegen können, um etwa über einen großen Stein hinweg zu federn. Deshalb versuchen Konstrukteure durch Bauformen, die komplexer sind als ein Kolben, der sich durch Öl bewegt, für jede Situation die richtige Dämpfungskraft zu erzeugen.

Um das ganze konkreter zu machen, haben wir hier einige lebensnahe Beispiele dafür, was sich mit Dämpfung erreichen lässt, und was nicht.

Was Dämpfung kann

# Beim Stoppie steht man wortwörtlich nahe am unteren Ende des Federwegs - die Krafteinwirkung ist so langsam und lang, dass die Dämpfung nicht mehr einem Einsinken der Gabel entgegenwirkt. Bleibt nur noch die Federhärte - und die ist in der Regel nicht speziell für diese Fahrsituation abgestimmt.

Was Dämpfung nicht kann

# Steiles, langsames Gelände - hier kann die Dämpfung ein Einsacken kaum vermeiden, einfach weil die weit nach vorn verlagerte Schwerpunktlage konstant auf die Gabel drückt, wodurch keine Dämpfungseffekte mehr entstehen.

Dämpfung (weitere)

Neben den beschriebenen, rein geschwindigkeitsabhängigen Schwingungsdämpfern gibt es auch wegabhängige Dämpfungen: Manitou setzt bei seiner Hydraulic Bottom-Out Control auf ein Ventil, das erst kurz vor Ende des Federwegs durch einen „Taster“ bei einem bestimmten Federweg aktiviert wird und eingestellt werden kann.

# Wen es interessiert: die mathematische Beschreibung - die Dämpfungskonstante Delta bestimmt, mit wie wenigen Schwingungen sich die Kurve an die Horizontale anlegt.

Auch ohne Kolben, die durch Öl bewegt werden, gibt es Dämpfung. Unterschiedliche Materialien haben eine unterschiedliche Eigendämpfung: Während ein Gewicht an einer Stahlfeder tatsächlich sehr lang auf- und abfedert, klingt die durch das gleiche Gewicht angeregte Schwingung wesentlich schneller ab. Mancher Schaumstoff unterbindet Schwingungen sogar gänzlich und das Gewicht bewegt sich ohne zu Schwingen in die neue Position. Genau diese Materialdämpfung findet sich in Reifen, Sattel und Griffen. Schwalbe verteilte vor einigen Jahren zur Einführung von VertStar und TrailStar (das waren noch Zeiten!) verschiedene Gummikugeln. Während die einen sprangen wie Flummies, blieben die anderen Stumpf auf dem Boden liegen wie Knete (auch im Schwalbe Hausbesuchsvideo ab Minute 4:30 zu sehen). Soll heißen: Auch der Reifen ist eine Feder-Dämpfer-Einheit: eine Luftfeder gepaart mit einer etwas zähen Gummihülle, die verhindert, dass der Reifen zu sehr verspringt.

# Hier zu sehen: Der aperiodische Grenzfall - Bei sehr starker Dämpfung bleibt die Schwingung ganz aus: Blau wieder die ungedämpfte Schwingung, Rot und orange die stark gedämpfte.

Fazit

Dämpfung ist nicht Federung – und doch sind die beiden in der Praxis fast untrennbar miteinander verbunden. Es ist wichtig, festzustellen, dass Dämpfung erst bei Bewegung auftritt; und ein Drehen an den Reglern in manchen Fahrsituationen deshalb einfach nutzlos ist. Ganz wichtig auch: Viel hilft nicht immer viel – zu viel Dämpfung erstickt den Fahrspaß genau so, wie zu wenig Dämpfung! Alles klar? Oder seht ihr nur noch Wellenlinien?

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