Steckbrief: Merida Ninety-Six RC 9000
Einsatzbereich | Cross-Country |
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Federweg | 100 mm/100 mm |
Laufradgröße | 29ʺ |
Rahmenmaterial | Carbon |
Gewicht (o. Pedale) | 10,6 kg |
Rahmengrößen | S, M, L, XL (im Test: M) |
Website | www.merida-bikes.com |
Im November 2020 war es endlich so weit: Nach einigen Jahren im Schatten seiner eigenen Erfolge wurde das komplett überarbeitete Merida Ninety-Six vorgestellt. Ob Gunn-Rita Dahle-Flesjaa, Jose Antonio Hermida oder Ralph Näf – sie alle siegten auf dem Merida Ninety-Six. Der Vorgänger war seit 2015 auf dem Markt und der Vorvorgänger Ninety-Nine – damals in 2012 noch mit 26″-Laufrädern – das leichteste Serien-Bike, das ich je gefahren bin. Seither hat sich viel getan, so viel ist sicher.

Die Strecken sind rauer und das Tempo dennoch höher geworden. Doch die Cross Country Bikes haben mit erst größeren Rädern und dann neuen Geometrien nachgezogen. Statt schlanken 8,95 kg im Jahr 2012 bringt das 2021er Top-Modell laut Hersteller 10,29 kg auf die Waage. Unsere Messung stoppt gar erst bei 10,59 kg (Größe M, ohne Pedale). Das Gewicht verdeutlicht schön, was in den letzten Jahren passiert ist – und das neu vorgestellte Merida Ninety-Six reiht sich dabei nahtlos in die Gruppe der „modernen“ XC Race-Bikes ein. Die Lenkwinkel sind aktuell flacher und die Rahmen länger als je zuvor. Eine vom Lenker aus absenkbare Sattelstütze gehört zum guten Ton und 29″-Laufräder sind definitiv der Standard. Die einzige Gemeinsamkeit zu früheren Zeiten bleiben da um die 100 mm Federweg (wobei sich auch das gerade ändert …) und vor allem der Anspruch, jedes Watt der Beine in Vortrieb umzusetzen. Schließlich geht es um die Zeit. Um den Sieg!
Das 2021er Modell des Merida Ninety-Six kommt in zwei Ausstattungsoptionen: Als teures Ninety-Six RC 9000 für 8.849 € und als günstigeres Ninety-Six RC XT für 4.649 €. Ein Rahmenset bietet Merida nicht an. In unserem Test fährt das Top-Modell vor, das nicht nur beim Gewicht klar den Weg in Richtung Rennstrecke zeigt.

Im Detail
Genau so muss sich ein XC Race-Bike anfühlen: Als ich es aus dem Karton hebe, spüre ich nur wenig. Das Merida Ninety-Six RC 9000 liegt ohne Pedale und mit Teleskopsattelstütze knapp über 10,5 kg. Damit fällt es ein gutes halbes Kilo schwerer aus als ein Trek Supercaliber (zum Artikel: Trek Supercaliber Test) oder auch das Specialized Epic S-Works, doch der Wert kann sich grundsätzlich sehen lassen.
Wie kommt das Rad auf den Wert? Merida hat konsequent Diät gehalten. Abgesehen von den standardmäßigen 100 mm Federweg und den 29″-Laufrädern hat man daher beim Ninety-Six so ziemlich an allen Schrauben gedreht, um den Nachfolger schneller als den Vorgänger zu machen. Der Carbon-Rahmen hat als auffälligstes Merkmal sein Gelenk am Ausfallende verloren. Dem Stil des Wettbewerbs folgend stellt Merida hier auf ein P-Flex Pivot genanntes Design um. Bei diesem ermöglichen die Sitzstreben genügend elastische Verformung, dass der Hinterbau um seinen Drehpunkt leicht über dem großen Kettenblatt einfedern kann. Das spart Gewicht, bringt Steifigkeit und ist inzwischen Stand der Technik im Federwegsbereich bis gut 120 mm.

Weiteres Gewicht spart der vollständig aus Kohlefaser gefertigte, kompakte Umlenkhebel sowie ein insgesamt optimierter Rahmenbau. Im Top-Modell verwendet Merida CF5 III-Kohlefasern, die gegenüber den einfacheren Carbon-Rahmen insgesamt 150 g Gewicht einsparen helfen sollen. Um noch weiter Gewicht zu sparen, kommt der Rahmen ohne Führungsröhrchen für die innen verlegten Leitungen daher. Die Mechaniker werden stöhnen, doch Gewicht zieht im XC World Cup nach wie vor.
Zahlt sich dieser Aufwand aus? Im Ergebnis wird der Rahmen in Größe M mit 1.695 g (ohne Dämpfer) angegeben. Damit liegt er gut im Rennen und kann mit den leichtesten Rädern wie dem Orbea Oiz OMX (1.740 g) oder auch dem Scott Spark RC (1.870 g) soweit mithalten. Dennoch geht es heute im Cross Country um mehr als niedriges Gewicht. Merida hat daher auch die Progression des Hinterbaus erhöht und verspricht, das Ansprechverhalten verbessert zu haben. Und auch an die praktischen Details ist gedacht worden: Die meisten Schrauben am Hinterbau können einheitlich mit einem Torx T30-Schlüssel angezogen werden und die Muttern sind so ausgeführt, dass man nicht gegenhalten muss. Und – man glaubt es kaum – trotz allen Leichtbaus verbaut Merida ein klassisches BSA-Innenlager.



Besonderes Augenmerk hat Merida auf die Zugverlegung gelegt. Wie erwähnt verlaufen die Züge intern. Dabei treten sie direkt neben dem Vorbau in eine Kunststoff-Abdeckung des Steuersatzes ein und werden innen am Lager vorbei in den Rahmen geführt. An den Bögen vor dem Lenker ändert das nichts, doch ab dem Steuerrohr sind die Züge und Leitungen maximal unauffällig geführt und können nirgendwo den Lack zerkratzen. Vor dem Innenlager treten Bremsleitung und Schaltzug wieder aus, um dann erneut in der Kettenstrebe zu verschwinden. Eine kleine Klemmung soll hier Klappern vermeiden, was insgesamt gut gelingt. Zumindest klappert bei unseren Testfahrten nichts. Ebenfalls gut gegen Klappern und Lackschäden ist der aufgeklebte Kettenstrebenschutz. Der fällt dünn und gewichtsoptimiert aus, deckt aber zumindest die wichtigsten Stellen soweit ab.
Weiterhin gibt es eine minimalistische Kettenführung. Während quasi kein Enduro mehr mit einer solchen ausgestattet ist, ist die Botschaft im XC klar: einen Abwurf der Kette kann man sich nicht erlauben und im Zweifelsfall endet der in einem schweren Sturz. Die 20 g der Kettenführung werden daher gerne in Kauf genommen. Was dem Rahmen hingegen fehlt, ist ein Anschlagschutz im Steuersatz. So lässt sich der Lenker frei drehen, wodurch im Falle eines Crashes die Brems- oder Schalthebel im Oberrohr einschlagen können. Ich persönlich habe so schon einen XC-Rahmen zerstört …




Dem Einsatzbereich entsprechend bietet das Merida Ninety-Six Platz für zwei Flaschenhalter. Der am Sitzrohr hat jedoch leider einen Lochabstand von 39 mm, weshalb ein Adapter für einen normalen Flaschenhalter nötig wird. Zusätzlich gibt es eine Zubehör-Aufnahme vorne unter dem Oberrohr, die ebenfalls mit besagten 39 mm Lochabstand daher kommt. Weitere praktische Ablagen oder Taschen, zum Beispiel im Unterrohr, oder auch am Rahmen montiertes Werkzeug bietet Merida nicht an. Hier muss im Zweifelsfall die gute, alte Satteltasche herhalten.
Was bleibt am Ende? Die Optik. Das Merida Ninety-Six RC 9000 sieht mit seiner flachen Front (kein einziger Spacer ist am Testrad verbaut) schon im Stand schnell aus. Die Formsprache wird von klaren Linien definiert und ist gefällig. Gleichzeitig sprechen die großvolumigen Carbon-Felgen sowie die breiten Reifen die Sprache des neuen Cross Country. Der Lack hüllt sich dabei in ein dezentes, aber hochwertig wirkendes Grau. Doch auch wer es bunter mag, findet bei Merida seine Option. Fast schon Yeti’esk wird der Rahmen auch in Türkis angeboten.



Geometrie
Das Modelljahr 2020/2021 dürfe das Jahr sein, in dem die Cross Country-Geometrien den größten Evolutionsschritt gemacht haben. Passend für Olympia haben die meisten XC-Räder eine Überarbeitung erfahren und dabei insbesondere bei der Geometrie aufgedreht. Das Merida Ninety-Six RC spielt hier trendgemäß mit, ohne jedoch besonders auffällig zu werden.
Mit einem Reach von 453 mm in Größe M überragt es das optisch doch sehr ähnliche Orbea Oiz OMX 100 klar (-18 mm) und auch das neue Scott Spark (-13 mm) oder das Specialized Epic S-Works (-8 mm) lässt es nicht unwesentlich hinter sich. Gleichzeitig ist der Stack niedriger. Mit 585 mm fällt das Merida wirklich tief aus und unterbietet alle Konkurrenten um einige Millimeter. Das Scott Spark RC beispielsweise baut hier 17,5 mm höher.

Weniger weit geht man bei den Taiwanesen in Bezug auf die Winkel. Der Lenkwinkel liegt bei 68,5° und damit klar unter dem Wert des Vorgängermodells. Doch ein Specialized Epic ist nochmals einen vollen Grad flacher; das neue Scott Spark sogar noch mehr. Mit 76,5° setzt Merida dafür auf einen der steilsten effektiven Sitzwinkel.
Kettenstrebenlänge (435 mm) und Tretlagerabsenkung (45 mm) liegen ziemlich exakt im Trend und auch der Radstand von 1.146 mm überrascht uns im Hinblick auf den Wettbewerb nicht mehr. Vielmehr ist das Merida Ninety-Six im Jahr 2021 mit einer im besten Sinne zeitgemäßen Geometrie am Start, die den eingangs beschriebenen schweren Strecken Rechnung trägt – und dennoch vortriebsstark und agil sein sollte.
Rahmengröße | S | M | L | XL |
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Laufradgröße | 29″ | 29″ | 29″ | 29″ |
Reach | 433 mm | 453 mm | 473 mm | 493 mm |
Stack | 585 mm | 585 mm | 595 mm | 604 mm |
STR | 1,35 | 1,29 | 1,26 | 1,23 |
Lenkwinkel | 68,5° | 68,5° | 68,5° | 68,5° |
Sitzwinkel, effektiv | 76,5° | 76,5° | 76° | 76° |
Oberrohr | 576 mm | 696 mm | 619 mm | 643 mm |
Steuerrohr | 95 mm | 95 mm | 105 mm | 115 mm |
Sitzrohr | 400 mm | 440 mm | 470 mm | 500 mm |
Überstandshöhe | 730 mm | 731 mm | 736 mm | 738 mm |
Kettenstreben | 435 mm | 435 mm | 435 mm | 435 mm |
Radstand | 1.126 mm | 1.146 mm | 1.169 mm | 1.193 mm |
Tretlagerabsenkung | 45 mm | 45 mm | 45 mm | 45 mm |
Einbauhöhe Gabel | 503 mm | 503 mm | 503 mm | 503 mm |
Federweg (hinten) | 100 mm | 100 mm | 100 mm | 100 mm |
Federweg (vorn) | 100 mm | 100 mm | 100 mm | 100 mm |
Merida bietet das Ninety-Six RC in insgesamt vier Rahmengrößen an, die alle mit 100 mm Federweg an Front und Heck auf die Strecke gehen. Neben der von uns gefahrenen 100 mm-Version bietet Merida das Rad auch in Ausführungen mit 120 mm Gabel an. Für meine Körpergröße von 176 cm empfiehlt Merida gerade noch den M-Rahmen; ich liege hart an der Grenze zu L. Doch da ich eigentlich immer M fahre und außerdem keinen Langholzlaster besteigen will, kommt das Rad in Größe M in den Test.
Ausstattung
9000 klingt nach viel, da wird alles drin sein. So könnte man als Unwissende*r wohl die Namensgebung des Merida Ninety-Six RC 9000 interpretieren. Oder es ging schlicht um den gerundeten Preis, denn für stolze 8.849 € kommt es mit einer den Erwartungen entsprechenden Ausstattung daher. Schnell wird klar, dass es dabei neben dem Gewicht auch um die Funktion gegangen ist. Willkommen im Jahr 2021, wo ein XC-Top-Modell eben nicht mit Samthandschuhen über den Trail getragen werden muss.
Das Fahrwerk stammt aus dem Hause Fox und ist ein alter Bekannter im Cross Country: Die Fox 32 Float SC mit 100 mm Federweg und 44 mm Nachlauf kontrolliert das Vorderrad, während die 100 mm Federweg am Hinterbau durch einen Fox Float DPS-Dämpfer in Zaum gehalten werden. Beide sind gemeinsam über einen RockShox TwistLoc-Drehgriff vom Lenker aus zu blockieren – ein Feature, auf das nicht nur eingefleischte Marathonisti schwören.
Die Schaltung kommt, das Fox-Fahrwerk legte es bereits nahe, von Shimano. Dem Preis und Segment entsprechend arbeitet hier die 12-fach Shimano XTR, des niedrigeren Gewichts wegen jedoch in Kombination mit einer RaceFace Next SL-Kurbel (34 Zähne, 175 mm Kurbelarme; maximal verträgt der Rahmen 38 Zähne am Kettenblatt). Verzögert wird passend ebenfalls mit einer Shimano XTR 2-Kolbenbremse, wobei am Vorderrad für mehr Standfestigkeit und Bremskraft eine 180er-Scheibe montiert ist, während am Hinterrad ein Flatmount-Bremssattel zum Einsatz kommt.
Beim Laufradsatz verbaut Merida beim Ninety-Nine RC 9000 den leichten DT Swiss XRC 1501 Spline One mit 30 mm Innenbreite. Der drückt nicht nur das Gewicht, sondern sorgt auch dafür, dass die Maxxis Rekon Race Reifen mit ihren 2,25″ Breite (TR EXO 120 TPI Karkasse) richtig voluminös dastehen.
Während einige Anbauteile wie Lenker und Vorbau mit gelabelten Merida-Produkten spezifiziert sind, kommt die Teleskopsattelstütze von Fox. Die Fox Transfer mit 30,9 mm Durchmesser bietet in Größe S 125 mm Verstellweg. Die Größen M und L bieten 150 mm und in XL kommt die Stütze mit 175 mm daher.
Rahmen | NINETY-SIX RC CF5 III |
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Rahmengrößen | S, M, L, XL |
Farbe | METALLIC TEAL (BLACK/GOLD) |
Gabel | Fox Factory 32 Float SC |
Dämpfer | Fox Factory Float |
Kurbel | Race Face Next SL |
Schaltwerk | Shimano XTR 12-fach Shadow+ |
Schalthebel | Shimano SL-MT800-IL / Shimano XTR |
Bremsen | Shimano XTR |
Bremsscheiben | Shimano RT-MT900 (180 / 160 mm) |
Lenker | MERIDA TEAM CC 740 mm |
Steuersatz | MERIDA-8151 1-1/8"-1.5" cartridge bearing set |
Vorbau | MERIDA TEAM CC II |
Innenlager | BB, BSA 73mm– Ø30mm, Ext. Seal |
Spacer | Plastic 10mm*1, 5mm*2 |
Griffe | Rock Shox TwistLoc grip |
Kassette | Shimano XTR 12-fach (10-51 t) |
Laufradsatz | DT SWISS XRC 1501 SPLINE ONE |
Achse | MERIDA EXPERT TR |
Reifen | Maxxis Rekon Race |
Kette | Shimano XTR 12-fach |
Sattelstütze | Fox Transfer |
Sattel | SCRATCH M5 PAS |
Sattelklemme | MERIDA EXPERT |
Gewicht (Herstellerangabe) | 10,29 kg |
Zul. Gesamtgewicht | 110 kg |






Technische Daten
Alle technischen Daten, Details und Standards des Merida Ninety-Six RC 9000 findet ihr in der folgenden Tabelle zum Ausklappen.
Was? | Antwort |
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Kinematik | Abgestützter Eingelenker mit Flex-Drehpunkt zwischen Ausfallende und Sitzstrebe und horizontal positioniertem Dämpfer unter dem Oberrohr; MERIDA P-Flex |
Verschiedene Lager-Größen | Vier |
Gesamtzahl Lager im Hinterbau | Sechs |
Lagerbezeichungen | 3803-2RS / 3802-2RS / 6801-2RS / 6800-2RS |
Hinterbau Einbaumaß | 12 x 148 mm |
Maximale Reifenfreiheit Hinterbau | max. 29" x 2,3" |
Dämpfermaß | 190 x 42,5 mm |
Trunnion-Mount? | nein |
Dämpferhardware erstes Auge | D= 10mm, B= 30mm (Rahmenseitig) |
Dämpferhardware zweites Auge | D= 10mm, B= 20mm (Hinterbauseitig) |
Freigabe für Stahlfederdämpfer | nein |
Freigabe für Luftdämpfer | ja |
Empfohlener Dämpfer-SAG | 20-25% |
Steuerrohr-Durchmesser | oben/unten: vollintegrierte Lager, D = 52 mm |
Maximale Gabelfreigabe | Axle-to-Crown: 531 mm; FW = 120 mm |
Tretlager | BSA 73mm |
Kettenführungsaufnahme | Custom (im Hauptdrehpunkt) |
Umwerferaufnahme | keine |
Schaltauge | SRAM UDH |
Optimiert auf welches Kettenblatt | 34T, maximal 38T |
Bremsaufnahme | FM 160 mm / FM 180 mm (mit Adapter) |
Maximale Bremsscheibengröße | max. 180 mm |
Sattelrohrdurchmesser | 30,9 mm |
Sattelklemmendurchmesser | 34,9 mm |
Maximale Stützen-Einstecktiefe | zylindrischer Bereich: S= 220mm / M= 250mm / L= 280mm / XL= 310mm |
Kompatibel mit Stealth-Variostützen? | Ja |
Messung Sitzwinkel | Auf höhe Steuerrohr Oberkante: S/M =76,5°; L/XL =76° (für die RC-Variante) |
Flaschenhalteraufnahme | Ja, zwei (Unterrohr 64 mm / Sitzrohr 39 mm mit Adapter auf 64 mm) |
Andere Extras, Werkzeugfächer | Kabeleingänge im Steuersatz (MERIDA WIREPORT); Lenker-Remote für Dämpfer möglich; Tool-Mount (39mm) auf der Unterseite des Oberrohrs; Hinterbau-Schrauben alle T30 und Bolzen mit Verdrehsicherung (MERIDA NON-SLIP TIGTHENING) |
Gewicht Rahmen | 1,695 kg (in M, lackiert, Hinterbau montiert, ohne alle Anbauteile) |
Gesamtgewicht Bike | 10,29kg (in M) |
Auf dem Trail
Als es mit dem Merida Ninety-Six RC 9000 für die ersten Testfahrten auf die Trails gehen kann, liegt noch fast überall Schnee. Nach einem milden März zeigen sich der April und auch der Mai von ihrer schlechten Seite. Das bedeutet, dass wir oft im Matsch spielen und nur selten wirklich auf staubigen Pisten unterwegs sind. Wir alle wissen, dass es im „Sommer“ 2021 nicht wirklich besser geworden ist. Eigentlich waren auch Rennen geplant. Dennoch haben wir dem Merida ordentlich die Sporen geben können und es auch für unseren umfangreichen Kinderanhänger-Vergleichstest zweckentfremdet. Unser Setup war dabei grundsätzlich wie folgt:
Der Fox Float DPS Dämpfer ist auf ca. 22 % Sag eingestellt, wofür in meinem Fall ein Druck von gut 120 psi fällig wird. Die Zugstufe fahre ich relativ weit offen und lande bei 4 von 14 Klicks, gezählt von der ganz offenen Stellung. An der Gabel setze ich auf ein ähnlich straffes Setup und gebe 83 psi Druck vor. Dazu stelle ich die Zugstufe auf 11 von 19 Klicks (gezählt von ganz offen). Die Druckstufe („Open Mode Adjust“) fahre ich 5 von 21 Klicks geschlossen. Beim Reifendruck wähle ich 1,4 Bar vorne und 1,6 Bar hinten. Das Rad rollt vom Hersteller aus auf extrem leichten Schläuchen, sodass ich vorerst keinen Umbau auf Tubeless vorgenommen habe.

Da Merida das Testrad mit maximal tiefer Front geliefert hat – hier finden sich keine Spacer –, beschränken sich die weiteren Anpassungen auf Lenker und Sattel. Ersterer misst 740 mm und während manche das wohl für zu schmal erachten werden, empfinde ich es als angenehmen Kompromiss im Cross Country. Zumindest für Rahmengröße M. Etwas weniger zufrieden bin ich hingegen zunächst mit der Sitzposition. Bereits im ersten langen Anstieg zeigt sich, dass in Verbindung mit dem 70 mm langen Vorbau der Sattel ganz nach vorne gerückt werden muss, damit ich eine hinreichend kompakte, vorwärtsorientierte Sitzposition einnehmen kann. So geht es im direkten Vergleich mit dem Ghost Lector FS auf die ersten intensiven Testfahrten am Schliersee.
Bereits vom Parkplatz weg begeistert das Merida Ninety-Six mit seiner Spritzigkeit – dem geringen Gewicht sei Dank. Es fühlt sich genauso schnell an, wie ich es von einem Cross Country-Bike erwarte und dieser Eindruck bestätigt sich im folgenden Anstieg. Die Übersetzung mit 34er-Blatt an der Shimano XTR-Schaltung erweist sich als relativ lang, doch mit geblocktem Fahrwerk zieht das Merida in beeindruckender Art und Weise bergan. Eine tiefe Front wirkt einfach.

Auch, als der Anstieg auf Schotter wechselt und steiler wird, kann die tiefe Front weiter überzeugen. Ich deaktiviere jedoch den Lock Out, um mehr Traktion zu bekommen. Während die Fox 32 SC ruhig ihre Arbeit verrichtet, sackt der Hinterbau im mittleren Federwegsbereich nun etwas zu sehr durch. Das zusätzliche Gewicht auf dem Hinterrad macht sich jetzt negativ bemerkbar. Das erzeugt zwar zusammen mit dem feinen Ansprechverhalten viel Traktion und ist im Sitzen auch soweit akzeptabel, da es technischen Anstiegen etwas den Schrecken nimmt. Doch vor allem im Stehen und bei hohen Leistungen wäre etwas mehr Ruhe im Fahrwerk und etwas weniger Federwegsnutzung wünschenswert.
So empfiehlt sich die Verwendung des Lock Outs, zumindest auf glatten Streckenabschnitten. Über den SRAM TwistLoc-Drehgriff können Dämpfer und Gabel gleichzeitig blockiert werden. Für mich unintuitiv ist jedoch, dass der Lock Out über den Knopf an der Klemme aktiviert wird – und so teils unbeabsichtigt und mit minimaler Kraft betätigt greift. Zur Entriegelung ist dann ein Dreh am Griff erforderlich. Für mich sollte es genau andersrum sein. So hat es auch RockShox bei den hauseigenen Federelementen vorgesehen. Doch wer wie Merida außerhalb des Baukastens bei der Konkurrenz einkauft, muss diesen Preis zahlen.
Am Ende des Tages erhöhe ich etwas den Druck im Dämpfer und fahre ihn ohne Volumenspacer. Das verschlechtert etwas die Federwegsnutzung, bringt aber den gewünschten steileren Verlauf im mittleren Federwegsbereich. So wird das Rad effektiv bergauf schneller und bergab nur unwesentlich langsamer.


Genug der Bergauftheorie – der Trail senkt sich am Gipfel des Rohnbergs endlich in die Ebene und das Merida dreht auf. Die Spritzigkeit überzeugt, das Handling ist agil und scharf. Langeweile kommt hier keine auf. Das Rad suggeriert direkt, dass es gerne um Kurven geschmissen wird und verwinkelte Kurse mag. Der abgeflachte Lenkwinkel sorgt dafür, dass trotz der tiefen Front erstaunlich viel Sicherheit geboten wird. Der Druck auf dem Vorderrad stimmt und ermöglicht es, den Maxxis Recon Race-Reifen viel Traktion abzugewinnen. Die zeigen sich auf den meisten Untergründen traktionsstark und gut kontrollierbar. Nur in tiefen, losen oder matschigen Böden können sie mit viel Volumen und flachem Profil nichts mehr ausrichten.
Die gute Balance des Fahrwerks bestätigt sich auch, wenn es schneller, steiler und vor allem wurzeliger bergab geht. Dass der Hinterbau viel Traktion bietet (Stichwort gutes Ansprechverhalten und etwas flache Kennlinie im mittleren Federwegsbereich), kommt ihm jetzt entgegen. Die tiefe Front kostet etwas an Überwindung (ich denke dann immer an das Cockpit von Nino Schurter und sag mir: „hab dich nicht so, es geht noch viel tiefer!“) und die Fox 32 kann nicht verbergen, dass sie eine dünne XC-Gabel ist. Dennoch ist das mögliche Tempo überzeugend und die breiten, steifen Laufräder helfen zusammen mit dem steifen Rahmen dabei, die gewählte Linie auch unter starken Schlägen zu halten.

Klar ist: Wenn bergab in gerader Linie geballert werden soll, gibt es viele besser geeignete Räder. Doch in Anbetracht des Einsatzbereiches und der Klettereigenschaften kann das Ninety-Six bei kundiger Hand am Lenker dennoch gut überzeugen. So zeigt es sich am Ende des Tests als ausgewogenes Race Bike mit Talent für längere Strecken (gute Sitzposition) und erhöhten Speed bergab. Damit bleibt es seinem eigentlichen Einsatzbereich treu (XC) und versucht gar nicht erst, das bessere Trail Bike zu sein. Oder sich als Down Country zu definieren. Vielmehr setzt es auf klassische Tugenden mit einer lohnenden Erweiterung hinein ins Gröbere und mit Reserven für anspruchsvollere Strecken.
Zum Abschluss ein Wort zur Ausstattung: Am Top-Modell setzt Merida durchweg auf bewährte, leichte und zumeist hochwertige Komponenten. Die Shimano XTR-Schaltung macht einen hervorragenden Job und zeigt sich einmal mehr als derzeit (zumindest in meinen Augen) beste Schaltung auf dem Markt. Auch die Shimano XTR-Scheibenbremse kann überzeugen – auch dank der größeren 180 mm-Scheibe an der Front. Dass der Flatmount-Bremssattel am Hinterrad weniger Bremsleistung bietet, ist insofern kein Problem, als das Radlast und Profil häufig ohnehin nicht mehr Möglichkeiten bieten würden. Erfreulicherweise blieben wir im Test von wandernden Druckpunkten verschont. Die einzige wahrnehmbare Schwäche leistete sich die Fox Transfer-Sattelstütze: Sie war teilweise etwas zögerlich beim Ausfahren oder wollte nicht in die höchste Position rücken, sodass ich am Sattel nachziehen musste.

Das ist uns aufgefallen
- Geometrie – Old school trifft new kids Wir haben viel über Down Country gesprochen und was das eigentlich ist, wenn schon im World Cup teilweise konsequent mit 120 mm Federweg gefahren werden und die Strecken oft ausgenommen technisch daher kommen. Merida bleibt beim RC 9000 bei sportlich-straffen 100 mm Federweg. Auch die Sitzposition fühlt sich relativ klassisch an, der Sattel hätte für mich definitiv noch ein kleines Stück weiter vorne sein können. Doch die bewährte und langstreckentaugliche Sitzposition sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass man bei Merida die Hausaufgaben gemacht hat. 453 mm Reach und 68,5° Lenkwinkel sprechen die Sprache der (XC-)Abfahrt und helfen dabei, auch in technischen Sektionen Tempo zu machen.
- Optik Gerade, klare Linien mit schön gemachten Details – von der Optik her kann das Merida Ninety-Six RC 9000 voll überzeugen. In dezentem Grau gehalten markiert es den unscheinbaren aber pfeilschnellen XC-Boliden, der nicht durch grelle Farben auf sich aufmerksam machen muss. Mir persönlich hätte wohl die (Yeti-like) türkise Ausführung noch ein wenig besser gefallen. Doch das ist zum Glück Geschmackssache.
- Wie tief magst du es? XC-Bikes definieren sich über eine tiefe Front für gutes Kletterverhalten. Doch nicht jeder mag es so tief wie ein Nino Schurter, sodass wir gerne mit dem ein oder anderen Spacer gearbeitet hätten. An unserem Testrad war die Gabel auf das minimale Maß abgesägt und der Vorbau ohne Spacer montiert. Da bleibt wenig anderes übrig, als so tief es geht zu gehen.
- Klebt er noch oder löst er sich schon? Ketteneinschläge fängt Merida wirkungsvoll mit einem Kettenstrebenschutz auf. Leider erweist sich dieser wie so oft als nicht besonders haltbar und löst sich an unserem Test-Bike langsam aber sicher ab. Nicht direkt ein Problem, aber an einem fast 9.000 € teuren Rad, das in der zweiten Redaktion zum Testen ist, nicht das, was wir erwarten würden.
- Integrierte Zugverlegung Merida treibt einigen Aufwand, um die Züge in den Rahmen und aus dem Blick zu schaffen. Der Leitungseingang über dem Steuersatz mit Führung innen an der Lagerschale vorbei ist jedoch noch nicht ausgereift. Nach Ende des Tests zeigen sich weitreichende Abschürfungen an der Bremsleitung, dem Schaltzug und dem Lock Out-Zug. Grund hierfür ist, dass die Leitungen im Rahmen fest geklemmt sind (und dankenswerterweise auch nicht klappern), dafür aber beim Lenken am oberen Ausgang sich relativ bewegen müssen. Zu Funktionsbeeinträchtigungen ist es im Test zwar nicht gekommen, doch in Anbetracht des begrenzten Vorteils (die Leitungen laufen immer noch in Schlaufen vor dem Lenker) irgendwie noch nicht der Weisheit letzter Schluss.


Fazit – Merida Ninety-Six RC 9000
Das Merida Ninety-Six RC 9000 fühlt sich beim ersten Aufsitzen direkt nach einem klassischen Renngerät an. Die Sitzposition stimmt und ist der Ausgangspunkt, um mit der zeitgemäßen Geometrie Tempo zu machen. Bergauf klettert es mit sehr tiefer Front und traktionsstarkem Hinterbau willig. Leider wippt der Hinterbau etwas zu sehr und leistet sich einen kleinen Durchsacker im mittleren Federwegsbereich. Bergab können Geometrie und Fahrwerk überzeugen, solange es nicht zu technisch wird. Wird es wilder und schneller, erfordern die tiefe Front und der knappe Federweg eine kundige Hand am Lenker. Die Ausstattung am Topmodell ist wie zu erwarten durchweg hochwertig und leicht, wird jedoch auch mit einem stolzen Preis erkauft.

Pro / Contra
Stärken
- rennorientierte Geometrie mit ausgewogener Sitzposition und sehr guter Balance
- traktionsstarker Hinterbau
- hochwertige Ausstattung
Schwächen
- leicht wippender Hinterbau mit kleinem Durchhänger im mittleren Federwegsbereich
- integrierte Leitungsführung scheuert am Steuersatz
- hoher Preis

Klassisch kompakt oder lang und gestreckt – worauf schwörst du im XC?
Testablauf
Das Merida Ninety-Six RC 9000 wurde uns für die Dauer des Tests kostenlos von Merida zur Verfügung gestellt.
Hier haben wir das Merida Ninety-Six getestet
- Karwendel
- Bayerische Voralpen (Schliersee, Tegernsee)
- Chiemgau
- Hegau-Bodensee-Raum
- Isar-Trails
- Fahrstil
- Beide Räder am Boden und Vollgas: Attacke bergauf, sauber bergab
- Ich fahre hauptsächlich
- Trail, Enduro
- Vorlieben beim Fahrwerk
- Gabel straff, Hinterbau effizient
- Vorlieben bei der Geometrie
- Mittellang und flach
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25 Kommentare
» Alle Kommentare im ForumNimmst halt gleich ein Gravelbike 😛 Wobei ich auf der Abfahrt vom Karwendelhaus durchaus gerne getauscht hätte 😉
thema gewicht.
M mit dämpfer 2,2xxg
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