Riesige Kakteen, spitze Steine und üble Stürze bei den anderen Teilnehmern: auch heute lief es nicht ganz glatt – aber der Reihe nach… nachdem ich nach einem katastrophalen zweiten Tag das Teilnehmerfeld als Rennfahrer verlassen habe, hatte ich mich zu einem der Shuttlefahrer gesellt und mich als Fotograf von Stage zu Stage fahren lassen.

Am Ende des zweiten Renntages führte uns die Route des Andes Pacifico in der Pick Up-Kolonne gute zwei Stunden lang ins chilenische Küstengebirge. Ein Pass zwischen den Ausläufern der Anden und den ersten Erhebungen des Küstengebirges markierte einen faszinierenden Vegetationswechsel. Nach den fast schon tristen und kargen Wüstenlandschaften kamen wir endlich ins Grüne. Nicht nur die Dämmerung erschwerte uns die Sicht, auch war es der dichte Nebel, der vom Meer aus über die Berglandschaft hereinbrach. Viel konnten wir nicht mehr sehen, es ließ sich jedoch eine faszinierende Landschaft erahnen.

Gegen 22 Uhr traf der Konvoi endlich im neuen Basecamp ein. Erstmals hatten wir einen Campingplatz mit weichem Untergrund, nachdem die Zelte zuvor 2 Nächte auf hartem Kiesboden gestanden hatten. Mir kam das sehr gelegen, hatte ich doch noch den ersten Nächten mit mächtigen Rückenschmerzen zu kämpfen.

Das kaputte Bike musste vorerst warten, denn trotz später Stunden galt es zahlreiche Bilder zu bearbeiten und das Tagesgeschehen in Worte zu fassen. Als die Arbeit gegen Mitternacht erledigt war, war im Basecamp bereits Ruhe eingekehrt und so entschloss auch ich mich zur Nachtruhe – im Wissen um mein nach wie vor defektes Bike. Wie schön waren doch die Zeiten letztes Jahr, als sich bei der Trans-Provence noch die Mechaniker unseres Team-Sponsors Mavic abends um mein Bike gekümmert hatten.

Zwei Wochen vor dem Rennen hatte in der Nähe ein Waldbrand gewütet, weshalb am Folgetag eine geplante Stage gestrichen wurde –  der dritte Tag war also etwas entspannter. Wir mussten nicht schon um 6 Uhr frühstücken, sondern konnten satte zwei Stunden länger in den Federn bleiben. Die gewonnenen 2 Stunden am Morgen widmete ich allerdings meinem Bike und flickte es notdürftig zusammen. Das Rennen war vorbei und ich wollte aus Rücksicht auf meine Gesundheit nicht weiter am Rennen teilnehmen – nach wie vor hatte ich ab und an Krämpfe und Kopfschmerzen.

Durch Nebel geht es immer weiter bergauf
# Durch Nebel geht es immer weiter bergauf

Heute als drei Fotografen unterwegs - Maxi, Sven, Gary
# Heute im Dreimann-Team unterwegs: Die Fotografen, Sven, Gary und Maxi

Dennoch wollte ich mit dem Fahrerfeld mitfahren, um das ganze Geschehen fotodokumentarisch festhalten zu können. Mit den Pick-ups ging es weit hoch ins Gebirge – durch die anfangs noch nebelverhangenen Berge, die schlechtes Wetter verhießen. Ab einer gewissen Höhe durchbrachen wir dann aber die dichte Wolken-/Nebeldecke und hatten fantastisches Wetter. Der Ausblick war unglaublich und in der Ferne ließ sich Amerikas höchster Berg erblicken, der „Aconcagua“.

Phantastische Aussicht
# Fantastische Aussicht

Auch diese Stage bot herrliche Ausblicke und lief über einen terrassenartigen Trail, der sich an einer Steilklippe entlangschlängelte – einfach superschön. Mit Sven Martin und Gary Perkin machte ich mich vor den Rennfahrern auf den Weg, um unterwegs die Fahrer fotografieren zu können. Beim Anblick des Trails ärgerte ich mich doch ein wenig, vorzeitig das Rennen verlassen zu haben. So einen Trail bin ich in meinem Leben noch nicht gefahren – es war wie eine Bobbahn über 1000 hm. Einfach nur eine 1m in den Boden gefräste Sandrinne. Es war, als würde man schwimmend durch eine Bobbahn getragen werden. Unglaublich.

Stage 9
# Stage 9: Sven Martin lichtet Nate Hills ab. 

Was nach einem flowigen Trail klingt war allerdings alles andere als einfach und ich war froh diesen Trail nicht im Renntempo fahren zu müssen. Erstmals hatte ich meine schwere, umfangreiche Fotoausrüstung dabei, was die Abfahrt keineswegs erleichterte, ich hätte aber auch ohne Probleme gehabt, den Trail sauber durchzukommen. Es ging steil runter, durch eine enge Rinne – man konnte kaum lenken und so musste man zulassen, dass sich das Bike „schwimmend“ selbst seinen Weg durch die Rinne suchte.

Links und rechts konnte man die Flanken der Rinne nicht als Anlieger nutzen, da das Vorderrad sofort wieder in den Graben zurückrutschte.

Anlieger tragen die Fahrer bis ins Tal

Hier unter Renntempo sauber und unbeschadet durchzukommen war wahrlich eine Meisterleistung. Das machte sich auch bei den Fahrern bemerkbar: Leider gab es zum ersten Mal ernsthafte Verletzungen zu beklagen, sogar bei den Top-Athleten. Am Einstieg des Trails verletzte sich direkt der „Santa Cruz Nomads“- Teamfahrer Chris Johnston schwer: er ging über den Lenker, kugelte sich die Schulter aus und brach sich den Unterarm. Die Bergung verlief glücklicherweise relativ zügig, da die Motorrad-Marshalls direkt zur Stelle waren.

Nachdem alle Fahrer durch waren, machte ich mich selbst auf den Weg Richtung Tal. Ich wollte auf die anderen Fotografen aufschließen, die bereits einige hundert Höhenmeter unter mir waren, um gemeinsam mit ihnen zum nächsten Trail geshuttelt zu werden.

Als ich um eine der engen und kaum einsehbaren Kurven kam, wäre es fast zur Katastrophe gekommen. Vor mir lag Yeti Team-Fahrer Joey Schusler am Boden. Er hatte sich in einer engen Kurve inmitten fieser Dornbüsche, mit denen man nicht in Berührung kommen möchte, einen Ast einmal durch die Wade gerammt. Joey lag dort und wartete auf die Rettung – glücklicherweise wurde er bereits von ausreichend Fahrern betreut, die auch die Bergung organisierten.

Für die Fotografen-Crew ging es weiter zu nächsten Stage, die – es klingt fast schon kitschig – der ersten Stage in Sachen Landschaft in nichts nachstand. Wieder war da ein unglaublicher Trail, nicht ganz so steil, nicht ganz so schwierig, dafür aber sehr flowig. Schaut euch die Fotos an – ihr werdet selbst sehen, wie beeindruckend das alles ist.

Glücklicherweise ging 2. Stage verletzungsfrei vonstatten. Als Außenstehender ließ sich auf dieser Wertungsprüfung etwas äußerst Interessantes beobachten: Als Racer sieht man bekanntlich immer nur die Zeiten der Konkurrenten, nicht, aber wie sie zu dieser Zeit kommen. Man ist tatsächlich der Meinung, sie würden so einen anspruchsvollen Trail fehlerfrei bewältigen.

Vom Streckenrand war es mir möglich zu sehen, dass auch ein Jerome Clementz nicht fehlerfrei von oben nach unten kommt. Der besagte Trail von Stage 2 bot an zahlreichen Stellen unglaublich viele Möglichkeiten der Linienwahl. Die Chilenen hatten den klar ersichtlichen Vorteil das Terrain zu kennen – denn ohne mit der Wimper zu zucken, trafen sie jede Linie auf Anhieb. Jerome wie auch zahlreiche andere Top-Fahrer fuhren aber hier und da ins Gemüse. Es sind eben doch keine Übermenschen – auch wenn sie Übermenschliches leisten.

Anschließend ging es per Rad weiter zur 3. Stage. Die Hitze wurde wieder einmal sehr unangenehm, wenngleich ich dieses Mal gut vorgesorgt hatte und ausreichend Flüssigkeit mit mir führte. Stage 3 war wieder einer dieser Kracher-Trails, wo man sich definitiv keinen Fehler erlauben sollte: links und rechts ragten bis zu 4 Meter hohe, massive Kakteen aus dem Boden – und haben bis zu 10cm lange Stacheln. Hier sollte man jeden Kontakt tunlichst vermeiden, zumal nicht nur die Kakteen eine Bedrohung darstellten, sondern auch die zahlreichen spitzen Steine für Mensch und Material gefährlich waren.

Den Kontakt besser vermeiden...
# Den Kontakt besser vermeiden…

Es war allerdings schön, dort Fotos zu machen. Auch war es interessant zu beobachten, dass viele Fahrer aus Sicherheitsgründen teilweise vom Rad absprangen und die Sektionen schoben.

Es kam, wie es kommen musste. Auch wenn ich nicht als Rennteilnehmer am Start war, passierte mir tatsächlich wieder etwas. Bei der flüssigen Abfahrt fand ich schnell in meinen Rhythmus und habe Spaß an der schnellen Abfahrt bekommen. Aber dann geschah es erneut: Ein kurzer Aufstieg in einem eng bewaldeten Stück mit Rockgarden – der meinen Augen volle Aufmerksamkeit abverlangte – sollte sich als unerwartete Schlüsselstelle entpuppen. Just in dem Moment, als ich zum Sprint ansetzen wollte, um den Rockgarden grazil zu durchfahren, bekam ich einen dermaßen extremen Schlag auf den Kopf, dass es mir die Lichter ausknipste. Komplett schwarz vor Augen taumelte ich vom Rad. Nach einigen Sekunden des Schrecks erkannte ich einen massiven Ast auf Kopfhöhe, der quer über den Trail ragte.

Mit massiven Schmerzen im Kopf- und Genickbereich setzte ich die Abfahrt fort und traf die andere Fototruppe. Auch sie hatten nur kurz zuvor Selbiges erlebt und sich grad von ihrem Schock auskuriert.

Wie es eben so ist, sind es diese kleinen Unaufmerksamkeiten, die zu Schmerzen und damit einhergehenden weiteren Unaufmerksamkeiten führen. Nur wenige hundert Meter weiter fuhr ich mir wieder einen Platten ein. Schluss mit lustig, der Moment war gekommen das Rad auf diesem Trip endgültig beiseite zu stellen. Ich entschloss mich, es mit dem Radfahren in Chile sein zu lassen.

Erstmals erreichten wir das Basecamp vor 17 Uhr, was allen gut tat – denn so war ein bisschen Regeneration möglich. Wir hatten auch erstmal richtig Zeit zum Arbeiten, die ich auch bitter nötig hatte – denn es gab massenhaft Bilder zu archivieren und zu bearbeiten.

Soweit vom dritten Tag – innerhalb des Klassements hatte sich einiges getan: Jerome Clementz behielt zwar souverän die Führung, doch um Platz 2 und 3 entwickelte sich ein spannender Kampf zwischen dem Lokalmatador Nico und dem Franzosen Francois. Auch unser Deutscher Tilmann Schwab schlug sich von Tag zu Tag besser, obwohl er an den ersten beiden Tagen ebenfalls mit starken technischen Defekten zu kämpfen hatte. Er konnte sich am dritten Tag weit nach vorne kämpfen. Gerade auch, weil die drei Stages von Tag 3 sehr abfahrtslastig waren, was Tilmann sehr zugute kam.

Was am vierten Tag geschehen ist, gibt es dann morgen zu lesen.

Mein Tag in Fotos

Bis wir über den Wolken sind
# …bis wir über den Wolken sind

Tag 4 Stage 9-11-6
# Räder sind beladen

Über den Wolken
# Über den Wolken

Chile
# Was für eine Landschaft

Ojos del Salado
# Ojos del Salado

Fotografen bei der Arbeit
# Fotografen bei der Arbeit

Am Start
# Am Start

Tag 4 Stage 9-11-18
# Los ging es – noch über den Wolken

Anka Martin
# Anka Martin

Am Stein eingefädelt
# Am Stein eingefädelt

Mit Vollgas über die Steine
# Mit Vollgas über die Steine

Hier hat vor kurzem noch ein Waldbrand gewütet
# Hier hat vor kurzem noch ein Waldbrand gewütet

Das Flatterband markiert die Strecke
# Das Flatterband markiert die Strecke

Mit Santa Cruz Richtung Valparaiso
# Mit Santa Cruz Richtung Valparaiso

Die Strecke war auch wieder durchaus anspruchsvoll. Das Gefälle kommt nicht mal ansatzweise rüber
# Die Strecke war auch wieder durchaus anspruchsvoll. Das Gefälle kommt nicht mal ansatzweise rüber

Braaap
# Braaap

Heute der schnellste: Francois Bailly Maitre auf BMC
# Heute der schnellste: Francois Bailly Maitre auf BMC

Jerome Clementz war auch an diesem Tag äußerst schnell unterwegs
# Jerome Clementz war auch an diesem Tag äußerst schnell unterwegs

Tag 4 Stage 9-11-49
# Überall Kakteen

  1. benutzerbild

    WilliWildsau

    dabei seit 02/2004

    Wieder einmal ein schöner Bericht und wie immer klasse Bildersmilie
    Gruß aus dem Pott!

  2. benutzerbild

    olev

    dabei seit 07/2008

    Schöner Bericht. Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass Maxi vom Cerro El Roble den Ojos del Salado gesehen hat, denn der ist etwa 700km weiter nördlich. Hingegen ist es sehr gut möglich, dass er den Aconcagua gesehen hat, denn der ist gewissermassen gleich nebenan. Und immerhin der höchste Berg beider Amerikas und ausserhalb Asiens ;-)

  3. benutzerbild

    DerandereJan

    dabei seit 08/2008

    Vom Streckenrand war es mir möglich zu sehen, dass auch ein Jerome Clementz nicht fehlerfrei von oben nach unten kommt. [...] Es sind eben doch keine Übermenschen - auch wenn sie Übermenschliches leisten.

    Da bin ich ja total beruhigt, dass es selbst DIR so geht.... smilie smilie
  4. benutzerbild

    Thomas

    dabei seit 09/2000

    Hingegen ist es sehr gut möglich, dass er den Aconcagua gesehen hat, denn der ist gewissermassen gleich nebenan. Und immerhin der höchste Berg beider Amerikas und ausserhalb Asiens ;-)
    ist korrigiert, danke
  5. benutzerbild

    schu2000

    dabei seit 06/2007

    Vom Streckenrand war es mir möglich zu sehen, dass auch ein Jerome Clementz nicht fehlerfrei von oben nach unten kommt.

    Blasphemie!! Steinigt ihn!! smilie smilie

    [Bild]

    Super Bericht, Danke Maxi!! smilie

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