„Wir streben danach, einige der besten Trails der Welt zu beradeln und sind fast schon süchtig, neue Länder zu bereisen, ferne Gebirge zu erkunden und unbekannte Trails zu entdecken. Vor allem durch die Reisen zu den Rennen der Enduro Weltserie konnten wir bereits viele Kontinente erkunden und spektakuläre Bilder aus Neuseeland, Tasmanien, Kanada, Kolumbien und Co. mitbringen. Bei all den wilden und aufwendigen Fernreisen übersehen wir allerdings manchmal selbst, dass der vielleicht größte und schönste Mountainbike-Spielplatz der Welt fast direkt vor unserer Haustüre liegt: Die Alpen! Fast auf jeden Gipfel führen hier Wege und Pfade – von fies-felsig bis fein-flowig. Die meisten kann man auch irgendwie beradeln. Und so versuchen wir in den Sommermonaten von Juli bis September, wenn der Schnee geschmolzen ist und die Almwiesen blühen, das Hochgebirge zu erkunden.

An einem Wochenende im Juli nehmen wir uns die Zeit, packen die Bikes (und eine große Menge Klamotten) ins Auto und machen, bevor es weiter zur Enduro World Series nach La Thuile geht, 3 Tage Station im Engadin bei St. Moritz.
Bernina Express
Am Freitag steht ein absoluter Klassiker auf dem Programm. Wir haben schon so oft von dieser Toptour und dem roten Bernina Express gelesen und sind froh, nun endlich selbst auf Entdeckungsreise zu gehen. Der Ausgangspunkt unserer Tour ist der Lago Bianco oben am Bernina Pass. Da Jamie eine lange Anreise aus seinem Sommerdomizil Morzine hatte, haben wir uns entschieden hier oben zu starten. Doch wer einen ganzen Tag Zeit hat, sollte sein Auto unten in Pontresina lassen und den schönen Uphill-Trail bis hier oben mit dem Bike zurücklegen. Wir parken unser Auto direkt am Ristorante Cambrena und treffen unseren Freund Jamie Nicoll bei Pizzoccheri, Rivella und Espresso. Pizzocheri ist eines der traditionellen Gerichte des Engadin und die Kombination aus Buchweizennudeln, Kartoffeln und Käse trifft bei uns genau ins Schwarze. Nach dieser Käsebombe aber ab auf’s Bike. Wir radeln gemütlich am Ufer des türkisblauen Stausees entlang. Es geht ein paar Meter aufwärts zu den alten Steinhäuser Sassal Mason, die bereits seit 1876 ein beliebtes Ausflugsziel sind und einen grandiosen Gletscherblick bieten. Der Blick bleibt uns heute leider verwehrt. Doch wir haben ohnehin schon die Abfahrt im Blick.

Der Trail führt steil durch felsiges Gelände. Wir haben heute die technischste Variante nach Poschiavo gewählt und fühlen uns voll in unserem Element. Zunächst schmal und schwierig, dann über größere Stufen geht es Richtung See Palü. In der zweiten Hälfte der Abfahrt wird es schneller und flowiger. Hier wurde der Trail für Biker optimiert und das macht sich gleich mit Schwung und Spaß bemerkbar.

In Poschiavo angekommen sehen wir die den roten Express lostuckern. Mist! Wir haben den Zug gerade um 5 Minuten verpasst. Egal, wir haben es ja alles andere als eilig und so genügend Zeit für die ersten Ovomaltine des Wochenendes. Der Bernina Express fährt einmal pro Stunde und es macht auf jeden Fall Sinn, vorher den Fahrplan zu studieren. Wer mehr Zeit mitbringt, kann anstatt einer Einzelfahrt (25 Franken) auch gleich ein Tagesticket (45 Franken) kaufen und die drei verschiedenen Trailvarianten auskundschaften. Die Zugfahrt ist auf jeden Fall ein Erlebnis für sich. Die rote Bahn schlängelt sich durch die atemberaubende Landschaft zurück hinauf auf die Passhöhe.
Wer die komplette Tour von Pontresina aus gestartet hat, kann nun entweder mit dem Zug bis dort hin zurück fahren, oder aber ebenfalls am Pass aussteigen und den Flow Trail nehmen, der über Pontresina Richtung St. Moritz führt.
Alpiner Überflow
Unser Samstag steht ganz im Motto der flowigen Trails am Corviglia und Piz Nair. Die St. Moritzer „Hausberge“ sind von verschiedenen Liften durchzogen und alle können mit demselben Ticket genutzt werden. Wir freuen uns tierisch, denn wir erfahren, dass wir als Übernachtungsgast in Bever das Personenticket gratis bekommen und somit nur noch für die Bikes bezahlen. Perfekt. Wir nehmen am Morgen den Bus von Bever nach St. Moritz. Man kann natürlich auch treten. Muss man aber nicht. Positiv fällt auf, dass man hier einen Schwung Räder in den Bus stapeln darf, ohne schief angeschaut zu werden. In Whistler haben wir im letzten Jahr versucht, mit drei Bikes nach Pemberton zu fahren und durften nicht mit. Nur zwei Räder erlaubt. Sowas im Mekka des Radsports?
In St. Moritz angekommen geht es den Berg wieder bequem nach oben. Und wieder mit einem anderen Gefährt, denn die Lifte zum Corviglia stellen sich als Standseilbahn heraus, die unglaubliche Steigungen überwinden kann.

Wir flowen, springen, anliegern und surfen. Macht Spaß! Die Namen Olympia- und WM Flow erinnern an Wintersport und das Gefühl beim Befahren lässt sich auch ganz gut mit Carven auf einer frischen Piste vergleichen. Mittags gönnen wir uns einen Snack in einer alten, umgebauten Skigondel an der Chantarella Mittelstation, bevor es ganz hoch hinaus geht. Der Piz Nair, Startpunkt der Herren-Abfahrtsstrecke im Ski Alpin, bietet eine grandiose Aussicht auf über 3000 Meter.

Unsere Abfahrt beginnt in hochalpinem und schottrigem Gelände. Wir fühlen uns wie Armstrong – natürlich wie der von der Mondlandung –, so schroff und karg ist hier oben das Gelände. Die Abfahrt beginnt schnell. Es folgen Spitzkehren hinab zu einem kleinen idyllischen Bergsee, bevor wir uns links halten und dem Seitental zurück in Richtung St. Moritz folgen.

Der Trail ist zwar ein klassischer Wanderweg, jedoch nicht allzu technisch und bietet jede Menge Abwechslung. Zum Abschluss biegen wir dann noch in eine weitere gebaute Strecke namens „Foppetta Trail“ ein, der mit fetten Northshores und Anliegern gespickt ist.

Die letzte Abfahrt und das Highlight des Tages steht noch aus. Es geht nochmal mit den Bahnen bis auf den Piz Nair. Nach den ersten schnellen Metern Abfahrt biegen wir allerdings recht ab und folgen einem etwas steileren Pfad durch scharfe Felsen. Ab dem Speichersee Lej Alv geht es dann noch knapp 200 fahrbare Trailhöhenmeter mit eigener Muskelkraft zu den „Las Trais Fluors“. Die lange und flowige Abfahrt Richtung Semedan und Bever beginnt mit rutschigen aber aussichtsreichen Kehren und wird flowiger und griffiger mit jedem Tiefenmeter. Nach der Alp Muntatsch versteckt sich der Trail auf der linken Seite und führt unmarkiert aber gut ersichtlich bis fast auf die Terrasse der Bever Lodge, wo wir mit Ingwer-Radler auf einen langen, überflowigen Tag anstoßen.
Wer Lifte nicht mag, kann übrigens die meisten dieser Trails auch über moderat steile Forstwege erradeln und die gesparten Franken in Fondue und Raclette investieren, damit die Kalorien-Bilanz nicht ins Negative kippt.
Gletscherpanorama am Corvatsch
Der frühe Vogel fängt den Wurm, bzw. nimmt wieder mal die Gondel. Wir parken am Sonntag morgen unser Auto am Skilift des Corvatsch und nehmen die erste Bahn um 8:25 Uhr. Biker werden hier nur mit der ersten und letzten Bergfahrt befördert, also macht es unbedingt Sinn sich den Wecker zu stellen. An der Bergstation ist es noch wunderschön ruhig, die Luft frisch und kühl und die Sicht glasklar. Es wartet ein 20 Minuten-Anstieg über einen Kiesweg zur Alpe Fuorcla Sulej.

Je weiter man hochkommt, desto besser wird die Aussicht, da sich der Blick auch noch in südliche Richtung öffnet. An der Hütte genießen wir schließlich ein 360 Grad-Panorama mit Blick auf die beeindruckende Gletscher. Wir genießen in Ruhe ein Rivella und eine nur der Aussicht wegen nötige Pause. Dann starten wir in die Abfahrt.

Nach wenigen Metern auf dem technischen Trail ist es aber schnell Schluss mit der Ruhe. Es ist ganz wunderbar geröllig und felsig hier. Anspruchsvoll, aber genau unser Ding. Es gibt super technische Schlüsselstellen, an denen wir viel Zeit verbringen und versuchen, die „Rätsel“ zu lösen. Wer keinen Stress will, schiebt einfach ab und zu ein paar Meter.

Auch im unteren Teil des Trails, als der immer wieder in Büsche und Wälder eintaucht, wartet noch so manche fahrtechnische Herausforderung. Erst ganz zum Schluss wieder etwas zahmer.

Im Tal folgen wir breiten Forststraßen, auf denen im Winter der berüchtigte Engadiner Skimarathon ausgetragen wird, rollen entspannt zum Stazer See, der St. Moritzer liebstes Ausflugziel, und lassen bei einer letzten Portion Pizzocheri die fein flowigen Genußgondel-Tage Revue passieren.. Für uns steht fest: Die Tage waren kein Abenteuer wie manche unserer weiten Reisen, aber eine Dichte an echt guten Trails und grandiosen Aussichten, wie wir sie noch selten erlebt haben. Die Reisebericht-Abschluss-Floskel: „Und wir kommen auf jeden Fall wieder!“ können wir guten Gewissens schreiben. Denn das Engadin ist nicht zu weit.”














































34 Kommentare
» Alle Kommentare im ForumNicht DAS Swiss epic, DEN Swiss epic trail in Davos.
ach so. ja, der ist genial!
Meinst du vielleicht den Alps Epic Trail in Davos?
G.
In den Engadiner Unterkünften gibt es Angebote inklusive Liftkarte. Da sind die güstigen Zimmer dann kaum teurer als die Karte selbst und es gibt noch Bett und Frühstück dazu.
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