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Landylike around the world – Julia Hofmann baut sich ihr Reisemobil

Wenn Mountainbiker sägen und schrauben, hat das oft mit North Shore Rampen zu tun. Als Julia Hofmann Bohrer und Schrauber in die Hand genommen hat, ging es um etwas anderes: Ihre Bachelor-Arbeit fertig machen. Dazu baut sie keine North Shore Rampe, sondern einen Land Rover Defender in ein Bike- und Reisemobil um. Was es damit auf sich hat, hat sie beschrieben – dazu gibt es ein Video, Fotos und das Interview zum Vierrad der Zweirad-Fahrerin.

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# Die Vision: Julia, der Defender und ihr Marin in der großen weiten Welt

Video

Landylike around the World von Thomas – mehr Mountainbike-Videos

Die Story

Brrrr ist das kalt! Ich spüre meine Finger kaum, während ich die letzten Schrauben in den Innenausbau meines Land Rovers drehe. Was muss, das muss, denn ich will ja schließlich mal mein Studium abschließen, und die Aussichten sind soo verlockend… wieso verlockend?

Meine Bachelorarbeit handelt von Innenarchitektur und zwar auf kleinstem Raum, genauer gesagt, von meinem Oldie-Landy, den ihr schon aus meiner Abenteuergeschichte im letzten Herbst kennen könntet. Diesen habe ich zu einem Mini-Wohnmobil für Mountainbiker ausgebaut, um schließlich damit durch die Welt zu ziehen und die tollsten Trails zu erobern…

Doch bis ich losziehen kann, ist es noch ein langer Weg…

Wo fange ich an… mit der Definition der Zielgruppe! Die Zielgruppe bin in erster Linie ich. Ich fahre Fahrradrennen, gebe Fahrtechnikkurse und mache Foto- & Videoreisen, also bin ich viel unterwegs. Was will ich dabei haben und wie will ich das Auto nutzen? Das waren die ersten Fragen die ich mir gestellt habe. Es sind ja nicht wenige Dinge, die wir Mountainbiker so brauchen, also werden Fahrrad, Knieprotektoren, CC-Helm, Fullfacehelm, Bikeklamotten, Ersatzteile, Werkzeug, Teller, Kocher, Besteck und so vieles mehr zusammengesucht, ausgemessen, fotografiert und abgewägt, ob ich die ganzen Sachen auch wirklich brauche. Wer kennt das nicht, lieber mal zu viel als zu wenig einzupacken…


# Vorarbeit: Was muss eigentlich alles rein passen ins Wohnmobil?

Aber hier heißt es reduzieren, es ist nicht viel Platz in diesem Landy, gerade mal 5,1 Quadratmeter und 11,5 Kubikmeter und ich will ja schließlich auch noch darin schlafen und essen können. Zum Schluss war es immer noch ein riesiger Berg der mit muss. Wie bekomme ich den nur unter?

Die Zeit der Entwurfsphase ist gekommen. Um herauszufinden wie ich alles einteile, welche Materialien und welche Farben ich verwende, nehme ich Skizzenbuch und Bleistift, Marker und Papier und es wird gegrübelt und geskribbelt, verworfen und verbessert bis der Ausbau feststeht. Es wird zwei Varianten geben: die Doppel- und die Singlevariante. Einmal sind die Räder auf dem Dach untergebracht und einmal steht das eine Rad im Innenraum. Gegessen wird vorne auf den Sitzen, die Ladefläche hinten wird zum Bett.


# Freihandskizzen halten die ersten Ideen schnell fest.

Um alles bauen zu können, brauche ich genaue Pläne. Für die technischen Zeichnungen wechsle ich zum Computer, hier kann ich alle Details haargenau und schnell zeichnen und bemaßen. Und je effizienter desto besser. Ich kann es kaum erwarten, den Entwurf umgesetzt zu haben, um endlich die heiß ersehnte Reise in den eigenen, motorisierten vier Wänden zu erleben.


# Planung ist die halbe Miete: Am Rechner werden die Bauteile entworfen

Aber jetzt nicht ins Träumen geraten, es muss ein Zeitplan eingehalten werden…

Der praktische Teil der Arbeit steht an. Wo fange ich an… Kennt Ihr alle die Automarke Land Rover? Bestimmt! Aber wusstet Ihr, dass es so gut wie keinen alten Landy gibt, in den es nicht reinregnet? Mein Ziel war es, einen der seltenen seiner Spezies zu bekommen, einen der dicht ist. Mit Klebeband, Dichtmasse, jeder Menge Dichtband und einem Tag und einer Nacht Arbeit war es geschafft, der Land Rover ist dicht! Bis jetzt jedenfalls!

Jetzt kann ich mit dem Ausbau beginnen. Ich bringe die Lattung an und fülle die Zwischenräume mit Dämmmaterial aus. Hier muss ich sehr sauber arbeiten, die kleinste Ritze muss ausgefüllt werden, selbst ein Quadratzentimeter wäre eine Kältebrücke und ich würde bei kalten Temperaturen frieren.


# Die Werkstatt der Uni war dabei eine große Hilfe

Die Werkstatt ruft!

Nachdem die Vorarbeit geleistet und das bestellte Material da ist, läuft die Kreissäge auf Hochtouren. Schnitt für Schnitt komme ich meinem Ziel näher. Wochenlang besteht mein Leben aus einem ständigen Wechsel zwischen Schreinerwerkstatt, Garage, heimischen Trails und Fitnessstudio. Man muss sich ja fit halten! Obwohl das Stemmen der 2,75 x 1,70 Meter großen Pappelsperrholzplatten und das Rein- und Rausspringen aus dem Auto alleine schon ein hervorragendes Fitnesstraining ist.


# Der Ausbau besteht größtenteils aus Holz

Es vergehen Tage und Nächte mit Messen, Sägen, Bohren, Fräsen, Schleifen, Ölen und Schrauben bis alles vollendet ist. Aber dann: Jedes kleinste Detail fertig, jedes Licht brennt, die Oberschränke sind fest, die 220V Steckdose funktioniert. Alles hat seinen Platz gefunden. Ich lege den Akkuschrauber in die Verpackung und schließe den Deckel, ich kann es noch immer nicht glauben: Es ist geschafft.

Die Foto-Story


# Innenarchitektur – Abschlussarbeit von Julia Hofmann


# Handarbeit: Julia bereitet den Land Rover auf den Einbau vor


# Außer Schweißarbeiten, Verkabelung und Polstern hat Julia alles selbst gemacht


# Ob an der Bandsäge…


# … oder der Tisch-Bohrmaschine:


# Julia verwandelt Meter für Meter Holz…


# … in den Innenausbau für ihren Land Rover.


# Ob der noch fertig wird? 19 Wochen dauerte es von Planung bis Fertigstellung


# Wegen günstiger Materialien und gratis Werkstatt-Nutzung kostete das Projekt vor allem eins: Zeit


# Endspurt: Die Teile sind zugeschnitten und werden im Auto in Position gebracht


# Bis spät nachts wird gewerkelt


# Damit der Ausbau lange schön bleibt, wird Farbe aufgetragen


# Kalte Geschichte: Der Ausbau fand im Winter statt


# Aus dem Defender soll ein Wohnmobil werden, das genau Julias Ansprüchen gerecht wird


# Zum Transport des Bikes stehen verschiedene Optionen zur Verfügung: Im oder auf dem Landy


# Ordnung ist das halbe Leben, auch in der Küche


# Können bei den Fahrgeräuschen nicht schaden: Kopfhörer


# Bis zu 110km/h schafft das Bike-Wohn-Mobil


# Blick vom begehbaren Dach auf die Küche


# Indirekte Beleuchtung unter den Oberschränken

Das Interview

Inzwischen hat Julia ihr Defender-Wohnmobil schon unter anderem in sein Heimatland und durch eine ganze Saison bewegt. Der Ausbau hat sich bewährt, nur mit der Dichtheit gab es von Zeit zu Zeit kleinere Probleme. Wir haben ein paar Fragen zum Unikat gestellt:

Ein Landrover – vor allem so ein betagter, wie du ihn besitzt – ist ja nicht das Alltagsfahrzeug allzu vieler Mitmenschen… wie bist du zu deinem Gefährt gekommen?

Zu diesem Landy bin ich über meinen Bruder gekommen, der Land Rovers sammelt und von fast jeder Baureihe einen hat. Und wenn er sie in Deutschland nicht bekommt, dann wird eben nach GB geflogen und der richtige rübergeholt. So einen habe ich jetzt, er hatte also schon die nötige Langstreckenerfahrung,
die er bei mir braucht.

Wie viele PS hat er unter der Haube und wie ist der Verbrauch?

Es ist ein Vierzylinder Benziner mit 77 PS . Auf Langstrecken verbraucht er so ca. 12 Liter Benzin plus Bleiersatz. Ist nicht soo viel für ein Auto dieser Art, aber auf langen Strecken arbeite ich mich mit dem 40 Liter Tank schon von Tankstelle zu Tankstelle vor.

Dein Landy ist ja auch noch original Rechtslenker – damit fallen die meisten Mitfahrer zum Abwechseln ja schon mal flach, oder?

(Lacht) Ja das ist er und es ist schon erstmal eine Umgewöhnung mit links zu schalten, aber das lernen die meisten schnell. Das Problem ist mehr, dass er mit Zwischengas und Zwischenkuppeln gefahren werden muss, da das Getriebe nur zum Teil synchronisiert ist.

Deine Bachelor-Arbeit kann man ja als mittelgroße Investition sehen. Wie viele Stunden und Tage hast du dich mit deiner Arbeit – von der Planung über die Ausführung – beschäftigt und wie viel Geld musstest du ungefähr investieren?

Oh das war eine lange Zeit. Es war ja nicht nur die Bachelorarbeit, sondern auch die Konzeptarbeit, also die Recherchearbeit (z. B. welche Materialien erlaubt sind etc.), die sehr viel Zeit gekostet hat. Insgesamt, wenn man alles zusammen zählt, die Recherche, die Grafik, den Entwurf, den Ausbau und die Präsentation waren es 19 Wochen. Die Materialien waren gar nicht so teuer, am meisten hat es Zeit gekostet.

Was waren die wichtigsten Punkte in deiner Planung und was bereitete dir Probleme?

Der wichtigste Punkt in der Planung war, den kompletten Ausbau als 1:1 Pappmodell gebaut zu haben. So konnte ich alle Proportionen prüfen und Fehler ausmerzen. Probleme bereitete mir, diesen Engländer dicht zu bekommen, was haben wir in der Nacht mit einem Baustrahler geleuchtet, um auch die letzten Ritzen und Löcher zu entdecken.

Wie hast du deine Materialien ausgewählt, also z.B. das Holz, nach Leichtigkeit, Robustheit, oder was stand im Vordergrund?

Ja in erster Linie schon nach Gewicht, der Spritverbrauch würde sonst um ein vielfaches steigen. Aber die Optik spielte auch noch einen großen Teil hinein. Bei Autos ist es da wie bei den Fahrrädern, je weniger Gewicht desto besser und dabei soll es auch noch super aussehen. Aber nicht nur das Gewicht ist ausschlaggebend, auch die Zulässigkeit. Bestimmte Materialien dürfen für ein Fahrzeug nicht verwendet werden.

Hast du alles selbst gemacht? Also auch die Elektrik verdrahet?

Nein, ein paar Arbeiten habe ich abgegeben. Dazu gehören die Polster, die Alurahmen schweißen und die Elektrik. Mein Vater ist für die Elektrik verantwortlich. Ich habe ihm einen Schalt- und Lichtplan angefertigt und er hat alles verdrahtet.

Wie viele KM bist du im Jahr unterwegs? Ist es da nicht unpraktisch, mit so einem gemütlichen Gefährt unterwegs zu sein?

Ich bin mit diesem Auto ca. 15.000 Kilometer unterwegs. So gemütlich ist es ja gar nicht ;-) er fährt schon seine 110km/h.

Was sagen die Leute, wenn sie deinen Landy + Ausbau sehen?

Wow!

Hast du Tipps für den Eigenausbau, Vorschläge für eine Herangehensweise?

Eigenausbau ist so eine Sache. Es ist hierbei ganz wichtig, sich über die Materialien sehr gut zu informieren. Splitternde oder quellende Werkstoffe dürfen z.B. nicht verwendet werden. Auch die Befestigung der Möbel muss korrekt ausgeführt werden, sonst ist bei einem Unfall so ein Möbel schnell mal ein riesiges Geschoss, das einem um die Ohren fliegt.


# Steht auch nächstes Jahr wieder im Terminkalender: Zum Sea Otter Festival nach Kalifornien.

Zu guter Letzt: was sind deine Pläne für 2014, wo können wir dich und deinen Landy treffen?

Zu allererst muss mein gebrochener Fuß wieder genesen. Im Advent darf ich immerhin schon wieder Rennrad fahren und Krankengymnastik betreiben. Mitte Januar 2014 geht es dann für zwei Monate nach La Palma. Danach folgt auch schon das Sea Otter Festival, von wo es weiter nach Chile zum dortigen EWS-Stopp geht, und dann wieder ins Land Rover Land, genauer gesagt nach Fort William in Schottland, wo ebenfalls ein Enduro World Series Stopp stattfindet.

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Quelle: Julia Hofmann
Fotos & Video: Tobias Woggon

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