Eine absolute Premiere bei einem der wichtigsten Freestyle-Events überhaupt: In diesem Jahr waren beim Red Bull District Ride erstmals fünf Frauen eingeladen. Zwar nicht für das große Finale, aber in der Frauen-Wertung des Best Trick-Contests – und um gemeinsam mit den männlichen Profis zu trainieren und zu lernen. Kathi Kuypers war eine dieser fünf Frauen vor Ort und erzählt den Contest in diesem Gastbeitrag aus ihrer Sicht.
„Liebe Kathi, wir freuen uns sehr, dich als eine von 5 auserwählten Ladies zum Red Bull District Ride einzuladen!“ Mit diesen Worten von der Agentur Rasoulution öffnete ich meinen E-Mail-Posteingang und schwups war der Jetlag von der Kanadareise wie weggeblasen. Ok, dachte ich mir, was für eine Ehre, aber gleichzeitig auch – was für eine Aufgabe!
Das letzte Mal wurde der Red Bull District Ride vor 5 Jahren ausgetragen. Covid-bedingt musste das Event verschoben werden. Ich erinnerte mich schleierhaft an das Event von 2017, bei dem ich als Fan am Bauzaun jubelte. Ich kann mich nur zu gut erinnern, dass ich damals die Sprünge im Leben nicht gefahren wäre. Nun sind ein paar Jahre vergangen und ich darf mit den besten Slopestyle-Männern den Kurs rocken.
Meine Motivation war größer als meine Demut und als ich Mittwoch Nachmittag den Kurs mit Lukas Knopf und Caroline Buchanan ablief, war mein Stolz eher gewachsen als geschrumpft. Die On-Off Box hatte mir ein bisschen Magenschmerzen bereitet, aber als ich dann gesehen hatte, wie einfach es bei den Männern aussah, waren meine Sorgen wie weggeblasen.
Am Donnerstagvormittag, 2 Tage vor dem Finale am Samstag, war es dann so weit. Wir fünf Ladies, das waren die 15-jährige Patricia Druwen, Elie Chew, bekannt aus dem Nitro Circus, BMX-Legende Caroline Buchanan, Gemma Corbera aus Barcelona und ich. Es wurden nach und nach die verschiedenen Districts für das Training geöffnet. Patricia und ich machten uns im Skatepark warm. Wir beide fühlen uns zwischen den Quarterpipes am wohlsten und das gab uns das nötige Selbstvertrauen auf dem Rad, um den nächsten District, die Dirtjumps anzupacken.
Patricia packte noch einen Barspin auf die Box aus und danach rollten wir den Abus Step up hoch zu den Dirtjumps. Hier kamen auch die anderen Ladies Ellie, Caroline und Gemma dazu. Wir tasteten uns vorsichtig an die Spine und die Jumps ran und packten die ersten Tricks aus. Es wurden Tuck No Hander, One foot X-ups und Barspins gezeigt. Es motiviert dazu noch extra, wenn Größen aus der MTB-Szene wie Emil Johansson und David Godziek zuschauen, da will man das Beste von sich zeigen.
Nach der Mittagspause packten wir den Drop-Einstieg, die Steilkurve und die Hip an – dies war der erste District und auch der technischste. Der Drop ging in etwa 8 m tief in eine Holzlandung, gefolgt von einem Anlieger, bei dem man mit Mach 5 reinbretterte. Ich schaute genau zu, wie die Profi-Männer es machten und als ich Max Fredriksson aus der Kurve schlittern sah war ich mir nicht mir sicher, ob ich es überhaupt Skills-mäßig draufhatte.
Ich schaute in die Augen der anderen Girls und niemand wollte diesen District als Erste anpacken. Da fasste ich mir ein Herz und überlegte mir einen Masterplan, wie ich diese 3 Obstacles meistern könnte. Ich wusste, dass ich nach dem Drop komplett die Bremsen ziehen musste, dann beim Reinfahren in die Bretterkurve bremsen auf und dann rollen lassen. 3 Hindernisse auf einmal war zu viel für mein Mutkonto, deswegen beschloss ich nach der Kurve und vor der Hip abzubremsen und, sobald ich den Drop und die Kurve gut fahren würde, den Hip Sprung beim nächsten Versuch hinzuzufügen. Ein alter Trick in Sachen Kurse lernen: Obstacles Schritt für Schritt abhaken.
Ich fragte Nicholi Rogatkin nach ein paar wertvollen Tipps, Nicholi nahm sich meiner an und erklärte mir eindringlich, was ich zu beachten hätte: „Du musst unbedingt komplett abbremsen, sobald du nach dem Drop gelandet bist und dann wird dich die Steilkurve mit einer Kompression überraschen, die du so noch nicht erlebt hast“, mahnte mich Rogatkin. „Also mach deine Arme stark und lass dich nicht zusammensacken!“
Gesagt, getan. Einmal pedalieren vor dem Drop und ich landete gut, die Kurve meisterte ich auch und ich konnte dann auch vor der Hip sicher abbremsen. Ich war erleichtert, wieder ein Obstacle abgehakt zu haben. Im Anschluss packte ich noch den Hip Sprung drauf und rollte in den District 2. Caroline schaute mir zu und da ich den District 1 ohne Crash überstanden hatte, gab das auch ihr extra Motivation.
Während des Trainings war ich in einem ganz bestimmten Modus. Ich war immer wieder erleichtert, Sprung für Sprung erledigt zu haben, gleichzeitig aber immer noch angespannt, weil ich wusste, dass noch mehr Aufgaben auf mich warteten. Und nach einer kurzen Verschnaufpause im Fahrerlager packten wir den letzten Sprung am Rathausplatz an. Um auf den Startturm zu gelangen, muss man mit dem Aufzug in den 4. Stock fahren und dann aus dem Fenster klettern.
Von dort hat man einen wunderbaren Blick über den gesamten Rathausplatz, auf dem am Samstag 120.000 Zuschauer jubelten. Die Streckenposten ermahnten uns, dass aufgrund von Statikproblemen nur 4 Menschen auf den Turm gleichzeitig durften. Das war gut so, denn so konnte ich erst gar nicht lange überlegen. Gemma zog mich in den Sprung und mein erster Versuch war ein bisschen zu weit, aber der zweite saß.
Am Freitagabend war für eine Stunde Best Trick Contest angesagt. Wir alle legten unsere Tricks zurecht. Gemma hatte vor, auf dem Sprung am Rathausplatz einen Backflip No Hander zu machen. Dieser missglückte allerdings und sie stürzte dabei. Genauso erging es Ellie: Sie zog einen Backflip One Foot Can, stürzte aber auch dabei. Caroline wollte den Best Trick Contest mit einem Frontflip gewinnen und stürzte so schrecklich, dass sie sich dabei die Schulter brach. Patricia beeindruckte die Zuschauer mit einem wunderschönen Suicide No Hander und ich war nach Carolines Crash mental so angeschlagen, dass ich mich um sie kümmerte und nach einem Straight Air Sprung nicht mehr nach oben zum Start ging, um einen Trick auszupacken.
Ich liebäugelte mit einem Barspin, war aber so demotiviert, nachdem ich meine Freundin und Teamkollegin Caroline so einschlagen gesehen hatte, dass ich den Rest des Abends aussetzte. Die Jury belohnte Gemma Corbera mit einem Backflip mit dem Best Trick Award bei den Ladies. Emil Johansson durfte sich neben dem Contestsieg am Samstag auch die Krone vom Best Trick aufsetzen – mit einem World’s first 360 Tailwhip to Barspin to Opposite Downside Tailwhip.
Die Mission für uns Ladies war es, erst mal den Kurs ohne Contestdruck anzugehen und auszuchecken, wie viele Sprünge wir meistern können. Wir waren uns alle nicht sicher, ob wir es überhaupt über alle Sprünge schaffen würden und dann gleich einen Contest aufzuziehen, wäre zu riskant gewesen. In diesem Jahr haben wir Frauen bewiesen, dass wir dazu fähig sind, einen Diamond Level-Slopestylekurs fahren zu können und damit haben wir einen großen Felsen ins Rollen gebracht. Dieser Felsen wird erst mal nicht zu stoppen sein. Ich freue mich auf die ganzen Events, die in der Zukunft auf uns zukommen werden und wie aufregend das nächste Jahr sein wird!
Wie hat euch die Performance vor Ort gefallen?
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