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Johannes Pistrol – der leidenschaftliche Bikebergsteiger im IBC-Interview

Macht es Sinn nach der Schneeschmelze mit dem MTB dem winterlichen Gefühl des Skitourengehens nachzueifern? Warum sucht man sich einen scheinbar unbefahrbaren Berg aus, um ihn dann doch zu befahren? Wenn man ihm diese Frage stellt, zitiert Johannes Pistrol gerne den englischen Vorzeigealpinisten George Mallory (*1886 – †1924), welcher auf die Frage, warum er den Everest besteigen wolle, antwortete: „Weil er da ist.“

Unser heutiger Interview-Parter ist der Einleitung zufolge der 25-jährige Johannes Pistrol. Der gebürtige Niederösterreicher ist seit Jahren dem Bikebergsteigen verfallen und beschreibt seine Leidenschaft als eine Art Skitourengehen ohne Schnee und Ski. Der Bauingenieur liebt es, mit seinem Bike die Berge zu erkunden, und das in Höhen in die sich nur die wenigsten mit dem MTB wagen. Im IBC-Interview erzählt uns Johannes, was ihn am Bikebergsteigen reizt und wie sich Risiken minimieren lassen.

Johannes während den Dreharbeiten zum Alpspitz-Video von Colin Stewart. (Bild: Neal Cheeseman)

MTB-News: Servus Johannes, in Bikebergsteigerkreisen bist du längst kein Unbekannter mehr. Doch gibt es sicherlich viele User, die dich wenn überhaupt, nur als IBC-User Bikeaddict kennen, oder sogar noch gar nichts von dir gehört haben. Würdest du uns daher bitte kurz aufklären, wen wir heute mit dir als Interview-Partner haben?

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Johannes: Servus! Hinter dem IBC-Usernamen Bikeaddict steht der Mensch Johannes Pistrol. Ich bin 25 Jahre alt, studierter Bauingenieur, wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Technischen Universität Wien, begeisterter Radfahrer und leidenschaftlich gern in den Bergen. Wenn sich die beiden letztgenannten Dinge auch noch kombinieren lassen, habe ich die größte Freude.

Was genau ist es, das dich und dein Handeln auf dem Bike auszeichnet?

Ich weiß nicht, ob ich sagen würde, dass es mich auszeichnet, aber ich fahre Rad, weil es mir einfach Spaß macht. Ich versuche nicht (fairerweise muss ich eigentlich sagen: nicht mehr) möglichst viele Kilometer oder Höhenmeter zu fressen und mich zum Sklaven meines Tachos zu machen, sondern möglichst viel Zeit am Bike zu verbringen und dabei Spaß zu haben. Ich liebe konditionelle, bergsteigerische und fahrtechnische Herausforderungen und suche mir nicht den schnellsten Weg, sondern den, der mir am meisten Freude bereitet. Für fahrtechnische Herausforderungen, einzigartige Gipfel- und Bergerlebnisse bin ich bereit Dinge in Kauf zu nehmen, die für andere Leute nichts mehr mit Radfahren zu tun haben. Für mich sind stundenlange Tragepassagen und Gletscherquerungen aber vollkommen in Ordnung. Sie gehören für mich mittlerweile genauso zu einer Biketour wie beispielsweise die Abfahrt selbst.

Im Falle du würdest auf jemanden stoßen, der noch nie vom Bikebergsteigen gehört hätte, wie würdest du es ihm erklären?

Meiner Meinung nach kann man Bikebergsteigen am besten als Äquivalent zum Skitourengehen im Winter beschreiben. Ich denke sowohl was die Tour selbst betrifft, also selbst erkämpfte Höhenmeter bergauf und eine meist anspruchsvolle Abfahrt, als auch was Vorbereitung und Risikoeinschätzung betrifft, gibt es da viele Parallelen.

Johannes Pistrol – 25 Jahre alt, Bauingenieur und leidenschaftlicher Bikebergsteiger.

Du bist also leidenschaftlicher Bikebergsteiger – zugegeben, eine nicht ganz unumstrittene Spezies. Viele werfen euch vor, ihr würdet mit dem Bike in Regionen vordringen, in denen ein Bike nichts verloren hätte. Wie gehst du mit solchen Vorwürfen um?

Es ist natürlich richtig, dass Biker zunehmend in Regionen und Höhen vordringen, in denen man sie vor wenigen Jahren vielleicht noch nicht erwartet hätte. Wenn man einfach nur sagt, sie hätten dort nichts verloren, macht man es sich aber doch ein wenig einfach. Natürlich beschäftigen mich solche Vorwürfe und ich nehme sie in jedem Fall ernst. Ich für meinen Teil differenziere aber stets zwischen Kommentaren und Vorwürfen, die zum Beispiel hier im Forum hervorgebracht werden, und solchen, mit denen ich direkt am Berg konfrontiert werde. Ein Forumsbeitrag ist schnell verfasst, man ist beispielsweise von der Arbeit gestresst und schreibt mitunter Dinge, die man seinem Gegenüber vielleicht im realen Zwiegespräch nicht so an den Kopf werfen würde. Die überwältigende Mehrheit der User kenne ich nicht und da fällt es schwer deren Beiträge einzuordnen. Wenn es um Vorwürfe direkt am Berg geht, rede ich einfach mit den Leuten. Ein bisschen Verständnis kann man fast jedem Skeptiker abringen und wirklich negative Erfahrungen habe ich bis dato nicht gemacht (vielleicht hatte ich aber auch nur Glück?).

Du siehst es demnach als dein gutes Recht an, die Berge auf deine Weise zu genießen?

Vielleicht nicht in dem Sinne, dass ich darauf beharren würde, aber ich denke, dass eine Konfliktlösung nur über ein Miteinander führt. Gegenseitiger Respekt ist gefragt. Unter diesen Voraussetzungen muss es möglich sein, dass jede/r Berge und Natur im Allgemeinen auf die Art genießt, die ihr/ihm am besten passt.

Die Diskussion um den Sinn von Max Schumanns Zugspitzbefahrung ist seit Montag voll entfacht. Wie stehst du zu diesem Thema?

Ich selbst war noch nicht auf der Zugspitze und kann deswegen den Berg hinsichtlich der Sinnhaftigkeit einer Befahrung, die ja viel diskutiert wird, nicht beurteilen. Sehr wohl kenne ich allerdings die beiden Menschen hinter dem Projekt und das nicht nur übers Internet, sondern persönlich und kann deshalb sagen, dass Colin und Max mit Sicherheit die notwendige Sorgfalt und Ernsthaftigkeit für die Planung und Durchführung dieser Tour aufgebracht haben, die dieser Berg wohl zweifelsfrei erfordert. Ich verstehe die hohe Brisanz des Themas, da die Zugspitze speziell jedem Deutschen ein Begriff ist und sich deshalb viele Leute an der Diskussion beteiligen, was ja auch gut ist.

Auf der österreichischen Seite des Karwendels – Johannes beim Dreh von Karwendel Sunset Ride.

Und wie entgegnest du den Vorwürfen, dass Biker in solch einem Gelände eine Gefahr für andere seien?

Ich finde es nicht richtig, so zu pauschalieren und fingerzeigend auf Radfahrer loszugehen. Generell bin ich der Meinung, dass man ohne eine Reglementierung nach dem Motto „der darf und der darf nicht“ auskommen sollte. Natürlich kann ein Radfahrer, speziell in steilem und technisch anspruchsvollem Gelände, eine Gefahr für andere Wegnutzer darstellen. Aber damit ist er ja nicht allein. Wie in der Forumsdiskussion bereits angesprochen, sind auch wenig versierte Wanderer in für sie oft ungeeignet schwierigem Terrain unterwegs und können dabei ebenso sich und andere gefährden. Ob sie dies mehr oder weniger tun als Radfahrer möchte ich nicht beurteilen, aber sie sind mit Sicherheit in der Überzahl. Das ist nicht nur auf der Zugspitze so, auch auf einem meiner Hausberge kann man aufgrund einer Bergbahn Flipflop tragende Sonntagsspaziergänger ebenso antreffen wie Damen und Herren in vollständiger Mamut-Extreme Ausrüstung… Meiner Meinung nach liegt es an jedem selbst, mit dem nötigen Weitblick zu beurteilen, was Sinn macht und was man besser bleiben lassen sollte. Ich habe selbst schon einige Male sehr reizvolle technische Passagen ausgelassen und mein Bike hinunter getragen, weil ich von meinem Standpunkt aus den weiteren Wegverlauf nicht erkennen konnte und mir das Steinschlagrisiko zu groß war.

Zeitgleich mit dem Video von Max, hat Colin auch ein Video von dir online gestellt. In diesem Video bist du selbst im hochalpinen Gelände unterwegs. Hattest du beim Dreh dieses Videos zu irgendeinem Zeitpunkt das Gefühl, eine Gefahr für dich oder andere zu sein?

Vollständig ausschließen kann man nie, dass etwas passieren könnte, da hat alleine schon der Herr Gauß etwas dagegen. Ich hatte aber auf jeden Fall während der gesamten Tour das Gefühl, keinen Wanderer zu gefährden. Der Weg, den ich in dem Video gefahren bin, ist allerdings auch immer sehr weit einsichtig und man sieht Wanderer schon von Weitem. Außerdem sind Colin und ich erst im Abendlicht abgefahren, als keine Wanderer mehr unterwegs waren. Wenn, dann war ich höchstens eine Gefahr für mich selbst oder eher noch für Colin. Im Video ist eine sehr steile Steinplatte zu sehen, die ich öfters gefahren bin, damit sie Colin sowohl filmen als auch fotografieren konnte. In einer Einstellung war klar, dass ich erst wenige Zentimeter vor Colins Linse zum Stillstand kommen kann, aber Colin und ich waren der Überzeugung, dass es geht. Ich tue nichts, wovon ich nicht überzeugt bin, dass ich es kann; dass ich auch falsch liegen oder beispielsweise der Hydraulikschlauch meiner Bremsleitung reißen kann, ist mir klar. Dabei handelt es sich aber für mich um kalkuliertes Risiko.

Solche Momente lassen sich nur schwer in Worte fassen – daher sollte man einfach nur genießen!

Wie entstehen deiner Meinung nach solche Vorurteile und Meinungen zum Bikebergsteigen?

Schwer zu sagen, Leute die Bikebergsteigen nur aus dem Internet kennen, haben vielleicht eine andere Vorstellung davon, wie sicher oder unsicher man in schwierigem Gelände unterwegs sein kann. Bei Leuten, die man in den Bergen trifft, kann ich mir vorstellen, dass sie vielleicht schon mal eine schlechte Erfahrung mit einem Mountainbiker gemacht haben oder schlicht Angst vor Neuem haben. Es kann viele Gründe geben.

Bist du auch auf eine andere Weise in den Bergen aktiv, außer auf deinem Bike?

Wandern, Bergsteigen und Skifahren ziehen mich auch abseits des Bikens in die Berge.

Was macht für dich das Abenteuer Berg aus? Worin liegen für dich die Reize?

Für mich ist das eine Mischung aus vielem. Ich mag schon die Vorbereitungen, das Studieren von Karten und dieses „bald-geht’s-los-Gefühl“ am Abend vor großen Bergtouren. Ebenso liebe ich die Natur an sich, das Gefühl aus eigener Kraft seine Ziele zu erreichen und dann am Gipfel zu stehen. Genauso wichtig sind mir Spaß und Herausforderung während einer Abfahrt. Ich mag es auch sehr am Berg zu sein, um Abstand zum Alltag zu gewinnen und Kraft zu tanken; ein Tag am Berg ist für mich erholsamer als eine Woche Urlaub am Meer.

Gehst du bewusst Risiken ein, um den Sport intensiver zu erleben?

Ich entwickle mich gerne weiter und mag es auch Grenzen auszuloten. Aber ein übermäßiges Risiko gehe ich da für gewöhnlich nicht ein; mir ist der Sport auch intensiv genug in dem Bereich, in dem ich mich wohlfühle.

Ab wann werden Risiken nicht mehr kontrollierbar und wann sollte man selbst einen Gang zurück schalten?

Je mehr Erfahrung man gesammelt hat, desto besser kann man sich einschätzen und somit auch Risiken minimieren. Für mich persönlich ist eine schlechte Tagesverfassung ein Umstand, bei dem ich mich selbst zur Vernunft ermahnen muss. Wenn man da versucht etwas zu erzwingen wird’s meiner Meinung nach unkontrollierbar und mitunter gefährlich.

Warst du schon einmal in einer Situation, in der du aufgrund des intensiven Erlebnisses nicht mehr zurückschalten konntest/wolltest, obwohl das für dich besser gewesen wäre?

Hm, schwierige Frage. Es hat bei mir zumindest nie böse geendet. Ob das nun darauf zurückzuführen ist, dass ich die Situation ohnehin richtig eingeschätzt habe oder ich einfach nur Glück hatte, ist im Nachhinein schwer zu beurteilen. Aber ich denke speziell am Beginn meiner Bergabenteuer waren wohl durchaus Situationen gegeben, in denen ich heute vielleicht anders entscheiden würde.

Sinnlos oder sinnvoll – worin liegt der Sinn des Sports im Allgemeinen und worin der des Bikebergsteigens?

Ich würde da keinen Unterschied zwischen Sport im Allgemeinen und dem Bikebergsteigen im Speziellen machen. Welchen Sinn jemand hinter körperlicher Betätigung sieht, muss wohl jeder selbst für sich entscheiden. Solange man seine Sportart mit genügend Weitsicht und
Rücksichtnahme auf andere ausübt, sollte nichts verboten sein müssen.

Das kann man doch wunderbar so stehen lassen. Wenn du zum Abschluss noch etwas loswerden möchtest, dann ist das jetzt die Gelegenheit dazu.

Ich möchte mich herzlich beim IBC-Team bedanken, ich finde großartig, was ihr für den Radsport tut. Ebenso danke ich allen Usern, die durch ihr Partizipieren das Forum lebendig machen und damit auch dazu motivieren, immer wieder Fotos zu schießen und Videos zu drehen. Danke auch an Colin für den großartigen Tag im Karwendel und an meine Sponsoren für ihre Unterstützung!

Erst kürzlich machten sich Johannes und Colin Stewart die Mühe, im Karwendel ein neues Video zu produzieren. Karwendel Sunset Ride veranschaulicht wunderbar, was Johannes im Interview über das Bikebergsteigen sagte. Wer mehr über Johannes´ Unternehmungen erfahren möchte, sollte einen Blick auf seine Homepage werfen. Wir wünschen euch nun viel Vergnügen mit seinem neuen Video.


Karwendel Sunset Ride von Bannockburn auf MTB-News.de

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Bilder – Colin Stewart und Neal Cheeseman / Video – Colin Stewart

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