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Jérôme Clementz im Interview
“Ich wollte während meiner Karriere auch noch andere Dinge machen”

Jérôme Clementz, Gesamtsieger der allerersten Enduro World Series, hat Ende vergangener Saison verkündet, in Zukunft nicht mehr bei EWS-Rennen an den Start gehen zu wollen. Was den schnellen Franzosen zu dieser Entscheidung bewogen hat, worauf sein Fokus in Zukunft liegt und was genau er in den nächsten Monaten geplant hat, erfahrt ihr in unserem Interview.

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Nach einer kurzen Downhill-Weltcup-Karriere, die ihn immerhin in die Top 50 vorstießen ließ, war Jérôme Clementz einer der Ersten, die damals den jungen, wachsenden Enduro-Sport aufgriffen. Hier nahm die Erfolgsgeschichte des Cannondale-Fahrers dann ihren Anfang: Auf Siege bei Prestige-trächtigen Events wie der Megavalanche oder Trans Provence folgten erste Plätze in der allerersten EWS-Saison 2013, konsequenterweise gekrönt vom Gesamtsieg und somit dem neu verliehenen Weltmeistertitel. Seitdem ist Jérôme Clementz aus den Top-Plätzen der Ergebnislisten nicht mehr wegzudenken. Doch trotz bis zuletzt starken Platzierungen im EWS-Gesamtranking wird er sich ab 2018 aus der Top-Serie des Sports zurückziehen und anderen Projekten widmen. Was die Beweggründe für diese Entscheidung waren und wie er seine Zukunft gestalten möchte – dazu konnten wir den schnellen Franzosen während unseres Aufenthalts in Neuseeland im Rahmen des NZ Enduro-Rennens und des RockShox-Pressecamps zur Vorstellung der neuen Lyrik löchern.

# Der ehemalige EWS-Champion Jérôme Clementz - in Zukunft wird sich der schnelle Franzose auf andere Projekte konzentrieren.

MTB-News.de: Hallo Jérôme! Du hast letzte Saison verkündet, in Zukunft nicht mehr an der Enduro World Series teilnehmen zu wollen. Was genau hat zu dieser Entscheidung geführt und warum hast du diesen Zeitpunkt gewählt?

Jérôme Clementz: In den vergangenen Jahren habe ich mich ausschließlich auf das Rennen fahren konzentriert, aber ich wollte während meiner Karriere auch noch andere Dinge machen. Ich möchte weiterhin an einigen Events teilnehmen, aber ich will auch die Zeit haben, bei der Entwicklung von Bikes mitzuwirken, verschiedene Bike-Trips und Abenteuer zu erleben und neue Orte zu besuchen. Wenn man bei der EWS auf höchstem Niveau mitfahren möchte, muss man jedoch all seine Zeit in Training, Regeneration und Reisen stecken. Deshalb werde ich zukünftig nicht mehr an EWS-Rennen teilnehmen und meinen Fokus auf andere Dinge legen, anstatt etwas zu tun, auf das ich mich nicht zu 100 % einlassen möchte.

Wie bist du überhaupt darauf gekommen, Enduro-Rennen zu fahren? Du warst ja einer der ersten Profis, die sich auf diese Disziplin konzentriert haben.

Angefangen habe ich mit Cross Country- und Downhill-Rennen in der U16-Altersklasse der nationalen Rennserie. Am liebsten bin ich aber schon damals die Megavalanche gefahren. Als es dann im Jahr 2005 erstmals eine Maxiavalanche- und eine Enduro-Serie in Frankreich gab, bin ich dazu übergegangen, weil mir das am besten gefiel. Damals war Cross Country vor allem physisch und Downhill immer nur Abfahrten auf derselben Strecke. Ich mag es einfach, den Berg hoch zu pedalieren und schnell bergab zu fahren. Zusätzlich bekommt man auch mehr von der Region mit, in der man fährt.

# NZ RockShox DebonAir2018 GG4A0592
# NZ RockShox DebonAir2018 GG4A0474

Also ist es die Vielseitigkeit, die du an den Enduro-Rennen am meisten magst?

Ja genau, an Enduro-Rennen mag ich, dass ich das komplette Gebiet, in dem ich unterwegs bin, kennenlerne. Während man bei Downhill- und Cross Country-Rennen das ganze Wochenende immer nur auf einer Strecke unterwegs ist. Außerdem finde ich es gut, dass man nicht immer das Gleiche fährt, sondern viele verschiedene, sich deutlich unterscheidende Trails.

Du giltst als ein sehr kompletter Rennfahrer. Denkst du, das ist auf deinen Downhill- und Cross Country-Hintergrund zurückzuführen oder hast du einfach ein Talent, dich schnell an verschiedene Situationen anzupassen?

Ich bin zwar nie der Schnellste bergab und ebenso wenig der Fitteste, aber ich bin auch in keinem Gebiet schlecht. Ich denke, das hilft beim Enduro-Rennfahren. Außerdem hilft mir das Radfahren an unterschiedlichsten Orten, mich auf jedem Untergrund und bei allen Bedienungen auf meinem Rad wohlzufühlen. Ganz allgemein gefällt mir die Abwechslung – wenn ich zu Hause bin, fahre ich auch nicht jeden Tag denselben Trail. Ich fahre dann auch mal wohin, wo es trockenen, steinigen Untergrund gibt, den ich bei mir zu Hause nicht habe. Und wenn es beispielsweise regnet, fahre ich eben bei Nässe. Deshalb bin ich es gewöhnt, bei allen Bedingungen Fahrrad zu fahren.

# Schnell unterwegs, egal bei welchen Bedingungen - dafür ist Jérôme Clementz bekannt.

Welches Enduro-Rennformat gefällt dir denn eigentlich am besten? Du hast zwar gerade aufgehört EWS-Rennen zu fahren, es hat dir aber ja anscheinend Spaß gemacht.

Ja, ich mag die Enduro World Series – hier treten die Topfahrer der ganzen Welt gegeneinander an. Wenn man auf höchstem Niveau Rennen fahren will, kommt man an der EWS nicht vorbei. Außerdem bin ich mit der EWS an viele schöne Orte gereist und durfte sehr viele gute Trails fahren – das war schon eine sehr schöne Zeit.

Persönlich mag ich Trans-Rennen sehr gerne: Die Trails sind super und da es kein Training gibt, fährt man alles blind und muss oft in letzter Sekunde reagieren. Am meisten gefällt mir aber die Stimmung – es geht einfach weniger ehrgeizig zu. Natürlich sind das trotzdem noch Rennen, aber die meisten Teilnehmer sind da, um neue Orte, neue Leute und neue Kulturen kennenzulernen. Allgemein denke ich, dass wir im Enduro-Rennsport sehr zufrieden mit der herrschenden freundlichen Atmosphäre sein können.

# Es gibt schlechtere Stellen für ein Interview als einen sonnigen Garten im neuseeländischen Spätsommer …

Du konntest dir ja in der allerersten EWS-Saison den Gesamtsieg sichern. Hast du das damals erwartet? Kanntest du die anderen Fahrer, die dort angetreten sind, überhaupt?

Ich bin damals zwar noch nie mit allen Teilnehmern gleichzeitig ein Rennen gefahren, kannte aber schon fast alle von unterschiedlichen Rennen. Damals hatte ich das Ziel, einen EWS-Stopp zu gewinnen, nicht die Gesamtwertung. Ich wusste, dass ich gewinnen kann und hatte ziemlich hart dafür trainiert. Ich wollte mich nicht zurückhalten, um einen guten Platz in der Gesamtwertung zu erreichen, sondern bei jedem Rennen voll auf Sieg fahren. Als ich dann schließlich den dritten Stopp gewinnen konnte, fiel erst mal ziemlich viel Druck von mir ab. Anschließend konnte ich dann noch weitere Rennen gewinnen. Gegen Ende der Saison, während der letzten zwei Events, beschäftigte ich mich dann erstmals mit der Möglichkeit, die Gesamtwertung zu gewinnen. Anfang der Saison spielte das aber noch gar keine Rolle. Wenn man die Gesamtwertung der Enduro World Series gewinnen will, muss wirklich alles passen. Man darf dann weder einen Defekt, noch einen großen Sturz oder eine Verletzung haben, sonst ist die Chance vertan – egal wie gut man ist.

Seitdem bist du jede EWS-Saison mitgefahren, konntest jedoch nie wieder die Gesamtwertung gewinnen. Dabei warst du ja praktisch immer ganz vorne mit dabei. Warum hat das mit dem Gesamtsieg nicht nochmal geklappt?

Wie ich schon gesagt habe, muss wirklich alles zusammenkommen, damit man die EWS-Gesamtwertung gewinnen kann. 2014 fühlte ich mich richtig gut und gewann auch prompt das erste Rennen. Dann habe ich mich aber leider verletzt und bin fast die gesamte Saison ausgefallen. Im Jahr 2015 kam ich zurück und gewann Rotorua, was zeigt, dass ich eigentlich noch schnell genug war.

Ich denke, dass ich im ersten Jahr einen Vorteil hatte, weil ich schon relativ lange Enduro-Rennen fuhr und genau wusste, worauf es dabei ankam. Aber drei Jahre später war das allgemeine Niveau schon deutlich höher, viele Fahrer waren deutlich professioneller, trainierter und erfahrener als in der Saison 2013. Trotzdem konnte ich sehr gute Ergebnisse eingefahren, einige Podiums-Platzierungen, viel in den Top 5, aber es gab aber immer Fahrer, die schneller waren als ich. Zweimal Dritter und einmal Vierter in der Gesamtwertung zu werden ist nicht schlecht und man muss akzeptieren, wenn jemand anders schneller war. Ich denke, es gehört zum Leben dazu, dass man manchmal nicht der Beste sein kann.

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# NZ RockShox DebonAir2018 GG4A3992

Du bist gerade zusammen mit deiner Freundin Pauline Dieffenthaler in Neuseeland. Reist ihr öfter zusammen? Was für eine Rolle spielt sie in deinem professionellen Umfeld?

Sie hat eine große Rolle während meiner Karriere gespielt. Sie kümmert sich um die Logistik und die Kommunikation sowie den Kontakt zu unseren Partnern. Es ist auf jeden Fall eine große Hilfe, sie bei mir zu haben. Außerdem macht es das Reisen einfacher: Wenn deine Freundin mit dir reist, brauchst du kein schlechtes Gewissen zu haben, weil daheim jemand auf dich wartet. Auch zu Hause hilft sie mir großartig, sodass ich mich voll auf das Radfahren, mein Training, Fotos machen und Interviews geben konzentrieren kann.

Wir haben mitbekommen, dass du bald Vater wirst. Denkst du, das könnte deine Einstellung Rennen gegenüber verändern?

Nein, ich denke nicht, dass sich meine Einstellung ändern wird. Ich habe ja schon aufgehört, alles nur auf Rennen auszurichten. Außerdem bin ich sowieso niemand, der zu viele Risiken eingeht. Deshalb denke ich nicht, dass ich jetzt vorsichtiger unterwegs sein werde. Ich will auch weiterhin viel reisen und neue Dinge sehen – wahrscheinlich muss ich dafür meinen Zeitplan ein wenig anpassen. Am liebsten würde ich mit Pauline und dem Baby zusammen reisen und die Erfahrungen mit ihnen teilen.

# Pauline Dieffenthaler hat sich selbst einen Namen als schnelle Enduro-Pilotin gemacht und begleitet Jérôme auf viele Reisen.
# Rennen wie das NZ Enduro machen dem schnellen Franzosen am meisten Spaß - gerade die lockere Atmosphäre gefällt ihm gut.

Was ist denn dein Plan für die aktuelle Saison? Was hast du als Nächstes vor?

Aktuell sind wir hier in Neuseeland beim RockShox-Launch – solche Sachen mache ich sehr gerne. Ich genieße es, den Medien neue Produkte zu präsentieren und mit den Ingenieuren und Marketing-Leuten meiner Sponsoren zusammenzuarbeiten. Deshalb werde ich mehr solcher Events zusammen mit Cannondale machen. Außerdem werde ich bald nach Amerika fliegen, dort bei einem Enduro-Rennen an den Start gehen und das Sea Otter Classic besuchen. Danach werde ich beim Bike Festival in Riva del Garda vor Ort sein. Außerdem steht noch das eine oder andere Rennen auf meinem Zeitplan – die Trans Madeira zum Beispiel.

Im Grunde läuft das folgendermaßen ab: Ich frage meine Partner, wo und wann sie meine Hilfe brauchen. Ich werde im Sommer beispielsweise ein Video in Bulgarien drehen. Wenn ich dann noch Zeit finde, versuche ich das ein oder andere Rennen einzuschieben. Da ich es liebe fit zu sein und sehr gerne Rad fahre, werde ich natürlich auch versuchen regelmäßig zu trainieren, aber darauf liegt nicht mehr das Hauptaugenmerk.

Danke für das Interview, Jérôme!

Nichts zu danken!

MTB-News.de: Hey Jérôme! You announced your semi-retirement at the end of last season. What exactly lead to that decision – why did you think it was time to make that call?

Jérôme Clementz: I won’t say I retired, but I don’t want to race the Enduro World Series any more. The main reason for this is that I’ve been focusing on the racing only for many years now and I also wanted to do some other stuff in my career. I still want to do some events, but I also want to have the time to help in the development of bikes, do different bike trip adventures and visit new places. But if you want to compete at the top-level, you need all the time to train, rest and travel for the races. That’s why I stopped racing the EWS and changed my focus to other things, instead of doing something I didn’t really want to commit to.

What got you involved into Enduro-Racing in the first place? You were one of the very first people to focus on the new discipline.

Basically, when I started racing in the U16-class I was doing some Cross Country and Downhill races in the French national championship. But the event I liked most was the Megavalanche. Then in 2005 when we started to have a Maxiavalanche series and an Enduro series in France, I changed to race those series because this kind of riding is what I like most. In this time Cross Country was mainly physical and Downhill was always doing one lap on the same track. Whereas when racing the Megavalanche or enduro races I could see more of the region. And I really like to pedal up and go fast downhill.

So it’s the diversity you like most about Enduro?

Yes, in Enduro I like that you see the whole area or most of it when you’re racing there. Whereas in Cross Country and Downhill you only see one track that you repeat the whole weekend. Also, I like the fact, that you can ride different stuff every time, it’s not always the same kind.

You are also known as a very well-rounded racer. Do you think that is because of your Cross Country and Downhill background? Or do you think you have a talent to adapt to different things quickly.

I’m never the fastest downhill and I’m never the most physical racer, but I’m also never bad in any area. So I think that helps for enduro racing. Also, traveling and riding different things helps me in my career to feel comfortable on any kind of terrain or condition. I really like the challenge to face new things, so when I’m at home, I don’t ride the same trail over and over again. I rather go to a place where it’s dry and rocky, which is something I don’t have at home. Or I’m just riding in the wet when it rains. Because of this, I’m used to riding a bit of everything.

What kind of enduro racing to you prefer? You just stopped racing EWS, but obviously you liked it for a while.

I like the EWS, it is the race where all the top riders from all over the world are competing. So, if you want to compete at the top-level, this is the place to be. Also, we always went to nice places and rode good trails, so that was a really good time. Personally I really like Trans-races, because the riding is good and there is no practice. So you ride blind and have to adapt your riding at the last second. But what I like the most are the vibes, because it’s a bit less competitive at a Trans-race. Of course it is a race, but most people come to discover a place, to meet new people, to exchange and to learn about the culture. I think in enduro racing we are quite lucky, because we have a really a friendly atmosphere everywhere.

So you won the very first Enduro World Series season. Did you expect to win it back then? Did you even know the riders that were competing at that time?

At that time I never raced against all the competitors at the same time. But I already raced with almost all of them. Entering the season, my goal was not to win the overall, but to win one round. So my first goal was to get the win I knew I was capable of – for that I trained hard all season. I didn’t want to back down a bit to have a good overall ranking, instead I just tried to give it all to win one race. When I won the third round the pressure fell off and then I won another one and another one. At the end, maybe at the last two rounds, I was thinking a bit more about the overall, but that’s not the mindset I had when I started the season. If you want to win the overall, you need all the stars to be aligned. If you have a mechanical, a crash or an injury, the season is over – even if you are the strongest.

Since that you competed at every EWS-Season and stayed up there at the top, but you never won another overall. Why do you think that was?

As
I said, you need to have all the stars aligned. In 2014 I felt good, I won the first round and then I got injured, so I missed most of the season. I came back in 2015 and won in Rotorua, which shows I was still fast enough. But I think in the first year I had the advantage of racing enduro for a long time already and I knew what it took to be at the highest level and race professionally. But three years later in 2016 the level kind of raised, a lot of riders were more professional, more trained and had more experience. I had some really good results, had some podiums, mostly top five, but I found some people that were stronger than me these years. Finishing two times third and one time fourth in the overall is not bad and you have to accept, that some people were stronger. I think it is part of life, that you sometimes can’t be the strongest.

You are here in NewZealand with your girlfriend Pauline Dieffenthaler right now. Do you often travel with her? Does she play a big role in your program?

Yes, she plays a big role in my program. She is in charge to deal with our partners, the logistics and the communication in my career. For sure it’s a big help to have her around. It also makes the travelling a lot easier, if your girlfriend travels with you and you don’t have someone waiting for you at home. Also, at home she is a big help, I just have to care about my riding, my training or making pictures and doing interviews.

I heard you are about to be a father soon. Do you think that will change your approach to racing?

I don’t think it will change my approach to racing. I already stopped being focused 100 % on racing and I’m not the guy, who takes too much risk. But I will not be cautious, because I have a baby now – at least I hope so. And I still want to travel and see new stuff, maybe I will have to adapt my schedule and be more efficient in some bits. My goal is to travel and to share this with Pauline and the baby.

What’s your plan for the current season. What’s ahead right now?

So right now we are doing this RockShox launch here, that’s some stuff I really like. I enjoy to share with the media what we did on the product and be in relation with the engineers and the marketing guys of the brand I work with. So I will do more stuff like this with Cannondale. I also have planned a trip to America to compete at an Enduro race and to visit the Sea Otter Classic. After that I will be in Riva del Garda for the Bike Festival. There are also a few races in my schedule like the Trans Madeira.

I basically ask my partners where they need me and spend time with them, doing some stuff they need. I will go to Bulgaria this summer to make a video for example. When I have time, I will fit a race in the schedule and as I like to be fit and ride my bike I will try to train a bit, but that’s not the priority.

Thank you Jérôme.

You’re welcome.

Interview: Gregor Sinn | Fotos: Boris Beyer
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