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Der Begriff wird oft negativ verstanden, in diesem Fall ist er sehr positiv: Lobbyismus. Genau den braucht das Mountainbiken hierzulande mehr denn je. Und wenn nicht für uns selbst, dann für den Nachwuchs…
Der Begriff wird oft negativ verstanden, in diesem Fall ist er sehr positiv: Lobbyismus. Genau den braucht das Mountainbiken hierzulande mehr denn je. Und wenn nicht für uns selbst, dann für den Nachwuchs… - Foto: Reifberger
Nico Graaff ist Mountainbiker, zweifacher Vater, einer der Köpfe hinter Bike Spirit und dem Mountainbike Tourismusforum Deutschland e. V. – und tatsächlich zufällig ehemaliger Kommilitone von MTB-News-Chefredakteur Hannes
Nico Graaff ist Mountainbiker, zweifacher Vater, einer der Köpfe hinter Bike Spirit und dem Mountainbike Tourismusforum Deutschland e. V. – und tatsächlich zufällig ehemaliger Kommilitone von MTB-News-Chefredakteur Hannes - Foto: Jessica Steinberg
Für uns alle der geilste Sport der Welt. Die Außenwelt gilt es noch zu überzeugen. Für mehr Akzeptanz, bessere Infrastruktur und: Rechtssicherheit.
Für uns alle der geilste Sport der Welt. Die Außenwelt gilt es noch zu überzeugen. Für mehr Akzeptanz, bessere Infrastruktur und: Rechtssicherheit. - Foto: David Karg
Nico in seinem Element, der Überzeugungsarbeit. Allerdings sind das lauter Gleichgesinnte: Hier im Gespräch mit Graeme McLean von Developing Mountain Biking in Scotland beim jährlichen Kongress des Mountainbike Tourismusforum.
Nico in seinem Element, der Überzeugungsarbeit. Allerdings sind das lauter Gleichgesinnte: Hier im Gespräch mit Graeme McLean von Developing Mountain Biking in Scotland beim jährlichen Kongress des Mountainbike Tourismusforum. - Foto: Anatol Serexhe
Zentrales Argument in der Überzeugungsarbeit sind die gesamtgesellschaftlich positiven Aspekte des Mountainbikens. Integration, Standortentwicklung …
Zentrales Argument in der Überzeugungsarbeit sind die gesamtgesellschaftlich positiven Aspekte des Mountainbikens. Integration, Standortentwicklung … - Foto: Matthias Schwarz
Bewegung an der frischen Luft, in der Natur – ihr wisst schon …
Bewegung an der frischen Luft, in der Natur – ihr wisst schon … - Foto: Philipp Schaffer, Fahrer: Alex Funke

Deutschland hat das Potenzial, Mountainbike-Traumland zu sein. Trocken im Frühling und Sommer, farbenprächtig im Herbst, milde im Winter. Auch topografisch finden sich in vielen Teilen des Landes allerbeste Voraussetzungen. Aber warum sind wir keine Mountainbike-Nation? Wäre doch toll, wenn sich jemand dafür einsetzt? Wir haben uns mit diesem Jemand unterhalten: Nico Graaff, Geschäftsführer des Mountainbike Tourismusforums und Gesicht der Initiative ‚Bike Spirit‘. Die will und wird etwas ändern.

Der Begriff wird oft negativ verstanden, in diesem Fall ist er sehr positiv: Lobbyismus. Genau den braucht das Mountainbiken hierzulande mehr denn je. Und wenn nicht für uns selbst, dann für den Nachwuchs…
# Der Begriff wird oft negativ verstanden, in diesem Fall ist er sehr positiv: Lobbyismus. Genau den braucht das Mountainbiken hierzulande mehr denn je. Und wenn nicht für uns selbst, dann für den Nachwuchs… - Foto: Reifberger

MTB-News: Hi Nico, was ist Bike Spirit und wer bist du?

Nico Graaff: Hi – und Danke für die Einladung zum Interview! Mein Name ist Nico Graaff, ich bin 36 Jahre alt, wohne mit meiner Familie in Leipzig, bin begeisterter Outdoorsportler und Mountainbiker und mein Job ist es, dass wir hier in Deutschland bessere Bedingungen fürs Biken hinbekommen.

Den Rahmen dafür steckt unsere 2021 ins Leben gerufene Initiative „Bike Spirit“. Genau genommen ist Bike Spirit bereits im Jahr 2015 gestartet, damals jedoch „nur“ als Mountainbike Tourismusforum Deutschland. Die Initiative ist eine Entwicklung daraus. Grundsätzlich ist das MTF einzig und allein gegründet worden, um unsere Heimat zu einem mountainbikefreundlicheren Land zu machen. Wir möchten für Mountainbiker*innen bessere Voraussetzungen und Möglichkeiten schaffen, vor der Haustüre eine gute Zeit auf dem Bike zu erleben. Aber in diesem Jahr haben wir begonnen, im Hinblick auf die konkreten Zielsetzungen der Initiative, breiten- und öffentlichkeitswirksamer zu werden – und das Ganze auf noch stärkere Beine zu stellen.

Nico Graaff ist Mountainbiker, zweifacher Vater, einer der Köpfe hinter Bike Spirit und dem Mountainbike Tourismusforum Deutschland e. V. – und tatsächlich zufällig ehemaliger Kommilitone von MTB-News-Chefredakteur Hannes
# Nico Graaff ist Mountainbiker, zweifacher Vater, einer der Köpfe hinter Bike Spirit und dem Mountainbike Tourismusforum Deutschland e. V. – und tatsächlich zufällig ehemaliger Kommilitone von MTB-News-Chefredakteur Hannes - Foto: Jessica Steinberg

Bessere Bedingungen fürs Mountainbiken? Klingt gut, nehmen wir! Wie beabsichtigt ihr das anzustellen und was sind eure konkreten Ziele?

Bike Spirit hat zwei Seiten. Das zu verstehen ist wichtig. Eine Seite ist die Lobbyarbeit und Interessenvertretung für die Gesamtheit der Mountainbiker*innen, die aber nicht immer sichtbar sein kann und sein wird. Zum Beispiel, wenn wir in der Politik, in den Verwaltungen, zunächst Netzwerke aufbauen und eine belastbare Arbeits- und Gesprächsebene schaffen wollen und schaffen müssen. Wir möchten das so transparent wie möglich gestalten, ganz durchsichtig lässt sich das aber nicht bewerkstelligen.

Um da ein kleines Beispiel zu geben: Wir sprechen seit geraumer Zeit und sehr intensiv mit der DIMB und dem ZIV, um gemeinsame Sache zu machen. Im ersten Schritt müssen wir also uns drei Vereine bzw. Verbände zusammenbringen. Da sind wir auf einem verdammt guten Weg. Und dann müssen wir aus dieser geballten Kompetenz heraus überlegen, wie sehen die föderalen und regionalen Ansprechpartner aus? Was wird von den Communities als Unterstützung gebraucht? Welche Gutachten muss man professionell beauftragen, um auf politischer Ebene überzeugen zu können? Das ist allerdings nicht sonderlich publikumswirksam – weil: das ist oft langwierig, kompliziert, zäh und auch echt trocken. Das wollen wir in der Mountainbike-Community niemandem zumuten, der sich nicht explizit dafür interessiert.

Die andere Seite ist die, die wir sichtbar machen, wo immer es möglich ist. Sowohl in die Community hinein, etwa durch ein Netzwerk, in dem sich engagierte Mountainbiker*innen Hilfestellung holen können. Durch Trail Building Schools zum Beispiel, um Wissen zu vermitteln, wie nachhaltiger Trailbau funktioniert – Einwilligung der Grundeigentümer*innen, Behörden, Gemeinden natürlich vorausgesetzt. Ebenso das Wissen, welche Wege es zu diesen Einwilligungen gibt, was rechtlich gilt, wie man Kompromisse findet, wer die Haftung übernehmen kann, wie man zu einer Finanzierung kommen kann. Oder eine Aktion wie dem #sauberwald (zum Artikel: #Sauberwald-Aktionstag 2021: Aufruf zum Müllsammeln am 18. September), durch die sich Mountainbiker*innen plötzlich öffentlichkeitswirksam um ihre Trails kümmern.

Denn da müssen wir sehr stark ansetzen, bei der Imageverbesserung des Mountainbike-Sports. Für uns Mountainbiker*innen ist das selbstverständlich der geilste Sport der Welt. Aber wir müssen die ganzen positiven Aspekte, die gesellschaftliche Relevanz dieses Breitensports sinnvoll und für die breite Öffentlichkeit nachvollziehbar nach außen tragen. Das Schöne ist, dass es genug Positives zu erzählen gibt: Wie die Community dazu beträgt, Wälder aufzuforsten, Trails sauberzumachen, Regionen wiederzubeleben, Kinder in Bewegung zu bringen. Aber diese Geschichten müssen erzählt werden und auch das wollen wir fördern. Damit ehrenamtlich engagierte Mountainbiker*innen nicht nur aus der Szene Unterstützung für ihr Tun bekommen. Kurz gesagt: Wir wollen eine Rechtssicherheit sowie bessere Infrastruktur schaffen, die gesellschaftlichen Vorzüge hervorheben und, ja, wir müssen das Image des Mountainbikens in den Köpfen vieler Menschen verbessern.

MTB-News: Mit dem geilsten Sport der Welt hast du definitiv recht. Auch, weil der Sport einen ganzen Haufen von Individualist*innen zusammenbringt. Aber gilt ab jetzt Anpassung, damit wir eine bessere Infrastruktur hinbekommen?

(lacht) Nein, um Gottes Willen. Das fasziniert ja auch mich, dass es beim Mountainbiken verdammt viel Raum für individuelle Entfaltung gibt. Wie den jemand nutzt, das muss man mit sich selbst ausmachen. Aber man sollte vielleicht ein paar Dinge im Hinterkopf behalten, wenn man seinem geliebten Mountainbike-Sport etwas zurückgeben möchte und das fängt schon beim Begriff „Sport“ an: Für viele hat Sport etwas mit Wettkampf und Rennen zu tun. Einfach nur um der Bewegung Willen Mountainbike zu fahren, ist mit Freizeitbeschäftigung aber womöglich treffender beschrieben. Und das wiederum hat einen Einfluss darauf, wie etwas wahrgenommen wird.

Zum Beispiel für die ganzen Menschen, die jetzt neu zum Biken kommen. Ich spreche da gerne von der Zielgruppe Null. Das sind Menschen, die würden von sich selbst nicht einmal sagen: ‚Ich bin ein*e Mountainbiker*in!‘ Aber die fahren so zweimal die Woche oder einmal im Monat mit dem Bike in den Wald, die dortigen Trails runter. Wenn diese frisch mit dem Bike-Virus infizierten Menschen, die sich selbst nicht als Mountainbiker*innen bezeichnen, ein cooles Erlebnis haben, dann bleiben die dabei. Sport hin oder her. Das gilt für Kinder noch viel mehr: Wenn die Eltern wissen, ‚Okay, das ist legal und sicher!‘ dann schaffen wir darüber ja bereits eine Akzeptanz in einer Gruppe von Menschen, die nicht einmal selbst auf dem Rad sitzen müssen. Die finden das vermutlich sehr gut, dass ihre Kids sich bewegen und auf dem Bike unterwegs sind, statt am Spielplatz anderen Dingen der adoleszenten Freizeitbeschäftigung nachzugehen oder stundenlang stumpf vor Konsolen oder ihren Smartphones zu kleben.

Aber zurück zu der Frage nach der Anpassung: Wir sind mittlerweile sechzehn Millionen Menschen in Deutschland, die Mountainbike fahren. Und wir sind eins der Länder mit der höchsten Bevölkerungsdichte in ganz Europa. Jetzt wollen immer mehr Menschen in der Natur Rad fahren, der Platz dort aber ist begrenzt und andere Nutzer*innen gibt es natürlich auch. Das heißt, dass unsere Arbeit einer Herangehensweise auf mehreren Ebenen bedarf, die sich dann treffen und ineinandergreifen müssen. Anpassung ist das nicht, eher Positionierung.

Für uns alle der geilste Sport der Welt. Die Außenwelt gilt es noch zu überzeugen. Für mehr Akzeptanz, bessere Infrastruktur und: Rechtssicherheit.
# Für uns alle der geilste Sport der Welt. Die Außenwelt gilt es noch zu überzeugen. Für mehr Akzeptanz, bessere Infrastruktur und: Rechtssicherheit. - Foto: David Karg

Klingt nach langwieriger Überzeugungsarbeit – da haben wir bei MTB-News teilweise selber lokal momentan häufig mit zu tun. Aber im Großen ist das ja eine Mammutaufgabe, die eine Person keinesfalls, aber selbst ein Verband nicht allein bewerkstelligen kann. Welche Unterstützung gibt es bereits, welche braucht ihr noch?

Ich hatte ja schon gesagt, dass hinter der Idee zu Bike Spirit der Mountainbike Tourismusforum Deutschland e. V. steckt, der bereits einige Jahre aktiv ist in diesem Betätigungsfeld ist. Da sind in der Vergangenheit Kooperationen entstanden, die wir jetzt wieder aufgreifen und vertiefen. Wir stehen aktuell in sehr engem Austausch mit der DIMB und dem noch relativ neuen Geschäftsführer des Zweirad-Industrie-Verbandes, der das Thema dort zur Chefsache gemacht hat. Und wir haben bereits sehr, sehr namhafte Unterstützer aus der Industrie, weil dort erkannt wurde, wie wichtig bessere Akzeptanz und mehr Infrastruktur für die Entwicklung der Mountainbike-Destination Deutschland und damit auch den Absatzmarkt ist. Stand heute unterstützen Bike24, bike-components, Bosch, Endura, ION, Kenda Tires, Specialized, SRAM und TREK die Initiative Bike Spirit finanziell. Mit weiteren Marken sind wir in permanenten Gesprächen – und werben für die Sache für möglichst viele weitere Unterstützer*innen.

Nico in seinem Element, der Überzeugungsarbeit. Allerdings sind das lauter Gleichgesinnte: Hier im Gespräch mit Graeme McLean von Developing Mountain Biking in Scotland beim jährlichen Kongress des Mountainbike Tourismusforum.
# Nico in seinem Element, der Überzeugungsarbeit. Allerdings sind das lauter Gleichgesinnte: Hier im Gespräch mit Graeme McLean von Developing Mountain Biking in Scotland beim jährlichen Kongress des Mountainbike Tourismusforum. - Foto: Anatol Serexhe

Warum sind so viele amerikanische Bike-Hersteller bei den Unterstützern vertreten, aber keine europäischen oder gar deutschen?

Ich möchte die deutschen Marken, gerade die e-Commerce Händler sowie Rose, Bosch und Canyon, ein Stück weit in Schutz nehmen. Persönlich glaube ich, dass TREK, SRAM und Specialized als US-Marken eine längere Kultur in solchen Dingen haben. Die IMBA USA ist jetzt über 30 Jahre alt, da war bspw. Specialized früh mit dabei. In Übersee ist das Thema einfach schon älter, dieser Dialog wird schon länger geführt. Und ganz grundsätzlich ist man im nordamerikanischen Markt in der Hinsicht kulturell weiter: Das Interesse als Marke, eine Umgebung zu schaffen, in der die Kund*innen das Sportgerät artgerecht einsetzen können, ist nach meiner Auffassung dort größer. Das Erlebnis der Benutzung steht viel mehr im Mittelpunkt des Verkaufs.

Warum passiert das hierzulande trotzdem erst jetzt, 2021?

Ganz neu ist das hierzulande nicht. Die DIMB wird schon seit etlichen Jahren von Playern aus der Industrie unterstützt. Dass die Bereitschaft offenbar gestiegen ist, liegt vermutlich daran, dass das Fahrrad grundsätzlich gerade diesen Aufschwung erfährt. Wir sehen, dass eine über zweihundert Jahre alte Erfindung sehr tolle Lösungen für Herausforderungen der Mobilität und des Klimawandels mit sich bringt. Das Fahrrad ist in der gesellschaftlichen Wahrnehmung toll und grün und modern, steht für Wandel. Mit zunehmender Profiltiefe aber nimmt das Image des Fahrrades ab. Das heißt, sobald das Fahrrad Stollenreifen hat und ich den Asphalt verlasse, wird es zunehmend kritisch wahrgenommen.

Bis zu einem gewissen Punkt hat das seine Ursache sicherlich auch in den Bildern, wie Mountainbiken dargestellt wird, wie sie durch die Industrie befördert worden sind. Da ist das Mountainbike-Erlebnis immer extrem und cool und als vollkommen außergewöhnlich dargestellt worden, ein Marketing-Mechanismus. Spektakel funktioniert medial hervorragend. Für eine zielführende, konstruktive, politische Debatte mit anderen Stakeholdern oder eine breite Akzeptanz in der Öffentlichkeit sind Extreme aber nicht das richtige Mittel.

Und mit dem Schaffen von sportartgerechtem Erlebnisraum mit Rechtssicherheit schließt sich der Kreis für die Akzeptanz in der Breite: Im Alltag ist das für ganz viele Menschen jeden Tag vor Ort alles, nur nicht extrem. Nach Feierabend den Kopf noch mal ausschalten, den Körper ein bisschen zu betätigen, in der Natur zu sein und abzuschalten. Genau dieses Bild vom Mountainbiken zu zeichnen, das ist ein ganz zentrales Element, um die Entwicklung in vielen Bereichen positiv zu fördern.

Du sprichst von einem anderen, einem besseren Image. Eigentlich trittst du damit doch der Mountainbike-Szene voll auf die Füße?

So ist das nicht gemeint. Es geht darum, die Akzeptanz in der Breite durch die Hervorhebung der positiven Aspekte zu schaffen. Dafür muss man ein Stück weit vom radikalen Image wegkommen. Für sehr viele Menschen ist es der Wunsch, sich in der Natur zu bewegen – das Mountainbike bietet dafür die Chance. Weichgespült werden soll das Biken deswegen sicherlich nicht, da sehe ich aber auch keine Gefahr: Wenn man einmal beobachtet, wie viele Nicht-Mountainbiker*innen sich an einer zugänglichen Stelle einer Bikepark-Strecke die Sprünge versierter Fahrer anschauen, dann wird klar, dass die Faszination Fahrrad nicht nur im Sattel erlebbar ist, sondern durchaus auch als passive*r Beobachter*in.

Zentrales Argument in der Überzeugungsarbeit sind die gesamtgesellschaftlich positiven Aspekte des Mountainbikens. Integration, Standortentwicklung …
# Zentrales Argument in der Überzeugungsarbeit sind die gesamtgesellschaftlich positiven Aspekte des Mountainbikens. Integration, Standortentwicklung … - Foto: Matthias Schwarz
Bewegung an der frischen Luft, in der Natur – ihr wisst schon …
# Bewegung an der frischen Luft, in der Natur – ihr wisst schon … - Foto: Philipp Schaffer, Fahrer: Alex Funke

Gibt es bisher einen größten Erfolg von Bike Spirit, kannst du da irgendwas konkret benennen?

Ich betrachte es als Riesenerfolg, dass seit 2021 alle von dem Thema betroffenen Verbände im Austausch stehen. Wir bekommen das nur als Kollektiv gelöst. Dazu gehören namentlich die DIMB, der Deutsche Alpenverein, der Bund Deutscher Radfahrer und – auch wenn das für viele Mountainbiker*innen verwunderlich klingen mag – der ADFC. Das sind oft die Vereine, die vor Ort von Bürgermeister*innen gefragt werden: Hier fahren Kinder im Wald Mountainbike, was machen wir mit denen? Und dass sich die Industrie gerade jetzt ebenfalls so engagiert. Jedes einzelne Unternehmen, aber auch die Verbände, das gibt wirklich Energie rein und trägt weiter zu einer Professionalisierung bei und bringt die Entwicklung auf ein neues Level – denn genau das brauchen wir, wenn wir der Problematik fehlender Infrastruktur und mangelnder Akzeptanz Herr werden wollen.

Wichtige Arbeit, die du da machst. Danke dafür, im Namen der ganzen Community. Gibt es von dir noch was zu sagen?

Ein Anliegen hätte ich – und das trage ich hier vor, weil ich weiß, wie viele Markenvertreter*innen sich bei euch auf der Seite tummeln: Es wäre grandios, wenn wir für 2022 noch mehr Unterstützer*innen aus der Industrie zusammentrommeln können. Das Thema ist zu wichtig. Und das hat nichts mit Marketing zu tun, das fällt viel eher in den CSR-Bereich bzw. strategische Marktentwicklung und unter das Motto ‚No Trails, no Sales‘. Eigentlich recht simpel. Das haben Marken in den USA und Kanada schon recht lange verstanden. Danke für euer Interesse!

Was müsste eurer Ansicht nach in dem Bereich getan werden?

Text: Mountainbike Tourismusforum, MTB-News | Titelfoto: Anatol Serexhe
  1. benutzerbild

    Sun on Tour

    dabei seit 05/2003

    Die obigen Beispiele sind Teil der politischen Grundlagenarbeit. Hier zeigen die DIMB IGs, dass es möglich ist selbst mit einfachen Mitteln attraktive Infrastruktur und Angebote zu schaffen. Hintergrund ist hier allerdings in der Regel nicht touristische Produkte zu kreieren, sondern zunächst den Einheimischen zu helfen. Auf Basis ihrer rechtlichen und fachlichen Grundlagenarbeit generiert die DIMB hier wertvollte praktische Erfahrungen in Deutschland an denen sie Interessierte teilhaben lässt. Sie wird daher gerne und oft auch von offiziellen Stellen für deren Projekte angefragt:

    und wir bekommen in der Woche mehrere Anfragen, von Bikern, Vereinen, Tourismus oder Verwaltung, wie denn Strecken umzusetzen sind.
    Neben dem ideellen Wert der DIMB vermitteln die IGs hier auch einen praktischen Nutzen.
    Die ganzen Trails am Schmausenbuck und andere Projekte zielen meines Wissens auf ein meist relativ kleines überschaubares Gebiet ab. Ist durchaus in Ordnung und trägt natürlich auch zu einem guten Angebot bei.
    Das rührt u. A. auch daher, weil die Aufgabenstellungen vielfach entsprechend kleinräumig ausfallen.
    Aber wenn ich jetzt von mir aus mit dem Rad zum Schmausenbuck fahre, muss ich zwangsläufig sehr viele Kilometer auf äußerst langweiligen Schotter oder sogar Asphalt zurück legen (selbst wenn ich alles an Trails mitnehme, was irgendwie geht).
    Man kann sich vorstellen, dass Du nicht der einzige mit einem solchen "Problem" bist, aber vermutlich hätten viele gerne überhaupt erst einmal so eines.

    Und das wollte ich eigentlich damit sagen...vor allem diese "überregionalen" Verbindungen, wie sie z.B. mit einen Frankenweg oder Jurasteig für Wanderer oder die vielen ausgeschilderten Radwege (bei uns z.B. Schweppermanradweg oder Pegnitz-Laber-Radweg) gibt, sucht man für MTB bei uns vergebens.
    Neben der vorhandenen Infrastruktur noch "überregional" etwas Neues für Mountainbiker zu schaffen bedeutet aktuell natürlich sehr dicke Bretter zu bohren und Geduld mitzubringen. Davon können die Touristiker in diesem Bereich sehr ausführlich berichten. Auch die o. g. Wanderwege, selbst wenn die Trassen auf ohnehin schon vorhandenen Wegen verlaufen, sind ja nicht von heute auf morgen ausgeschildert worden, sondern z. T. Ergebnis langer Abstimmungsprozesse. Das wird hinsichtlich des Mountainbikens zunächst einmal kaum anders sein. Insoweit wird sich das momentan niemand ohne "Gewinnaussicht" antun. Mit ihrer Grundlagenarbeit und ihren Erfahrungen minimiert die DIMB die Hürden, die hier zu nehmen sind. Die DIMB zeigt, dass man auch abseits der Wertschöpfung Projekte umsetzen kann.

    Allerdings wird niemand einen Weg gegen den Willen eines Eigentümers offiziell ausweisen, so dass letztlich die Entscheidungshoheit über die Ausweisung (nicht über das Betreten) bei diesen liegt. Wie Du schon festgestellt hast, wird es umso schwieriger je mehr Eigentümer eingebunden werden sollen. Leichter hat man es da bei vorhandenen größeren staatlichen und kommunalen Flächen.

    Erfolgversprechender dürfte es da allerdings sein Alternativen zu den langweiligen Teilen der Strecke zu identifizieren und sich zunächst hier um Lösungen zu bemühen. Damit reduziert sich auch schon mal die Zahl der möglichen Bedenkenträger und Eigentümer, deren Zustimmung man braucht. Damit schafft man zwar zunächst keine touristisch vermarktbaren Produkte, kann aber die Attraktivität für die Locals erhöhen und u. U. auch gewollte Lenkungseffekte erzielen. Letztlich lässt sich damit kein Geld verdienen. Solange die Rahmenbedingungen noch so sind wie sei eben aktuell sind, wird der Anstoß dafür von der Mountainbike-Community kommen müssen. Die Initiativen lokaler Vereine, Interessengemeinschaften oder auch einfach einzelner Biker werden inzwischen auch von immer mehr Stellen unterstützt.

    Hierzu hat der europäische Dachverband der DIMB, die IMBA Europe, bereits beim Summit 2019 in Dänemark die Kampagne "More Trails Close to Home" vorgestellt.

    „More Trails Close to Home“
    Um auf das Problem fehlender attraktiver Wege aufmerk-
    sam zu machen hat unser Dachverband IMBA 2019 eine
    Kampagne gestartet „More Trails Close to Home“. Es
    benötigt mehr Wege, die Mountainbiker täglich fahren
    können. Und zwar umweltfreundlich direkt ab der Haus-
    türe. Die DIMB hat den Bedarf nach mehr Strecken im
    letzten Jahr aufgenommen und wir wollten in 2020 das
    Thema Trailbau aktiv angehen. Im Frühjahr war geplant,
    in Kooperation mit Bikesport Sasbachwalden e.V., einen
    Trailbauworkshop durchführen. Wir wollten uns mit Moun-
    tainbikern, die bereits eine Strecke betreiben, über ihre
    Erfahrungen austauschen und Interessierten aufzeigen,
    wie Strecken genehmigt werden. Der Kurs war ausgebucht,
    aber leider kam eine Woche zuvor der Corona Lockdown.
    ...
    Deshalb arbeiten wir weiterhin daran, dass das vorhandene
    Wegenetz für Mountainbiker legal nutzbar ist und bei Bedarf
    mehr naturbelassene Wege oder dezidierte MTB Angebote
    entstehen. Oder mit den Worten der IMBA:
    „More Trails Close to Home“
    (Quelle: DIMB Trailnews 2020)


    Ansonsten sieht man in der politischen Landschaft inzwischen Bewegung rund um das Thema Gemeinwohlleistungen im Wald. Auch hier bringt sich die DIMB für das Mountainbiken ein, u. A. auch um die Grundlagen und die Bereitschaft für Konzeptionen wie z. B. in Dänemark zu schaffen.

    P.S.: Um nicht zu weit vom Topic abzukommen, sollte hier keine Diskussion um einzelne Trails stattfinden.
  2. benutzerbild

    Carsten

    dabei seit 11/2000

    Noch eine Episode aus der neuen Welt:

    https://youtu.be/WTHfPq5Qq5k

    dort wurde aus vielen kleinen lokalen Initiativen im Laufe der zeit ein gigantisches Netzwerk an bedarfsgerechten Angeboten geschaffen.

    Deshalb ist es auch bei uns an der Zeitz in JEDEM Ort #moretrailsclosetohome zu schaffen. Ist diese Basisinfrastruktur einmal da, werden die Verbindungen von einem Ort in den Nächsten schon von ganz alleine hinzukommen.

    Und dabei ist es doch eigentlich egal, ob diese Wege einen touristischen Hintergrund haben oder aufgrund einer lokalen Initiative erschaffen werden...solange das Eine das Andere nicht ersetzen soll, sondern sich alle Angebote zu einem großen Ganzen zusammenfügen.

  3. benutzerbild

    Treschi

    dabei seit 11/2020

    Überflüssige Diskussion, warum braucht der Großteil hier immer perfekt geshapte Anlieger, Sprünge etc. Fahrt einfach raus in die Natur und macht die Augen auf. Dort gibt es genug Trails. Das Problem mit der Anti Bike Fraktion ist ja immer nur, dass jeder jeden alles mitteilen muss und somit ne Massenbewegung auf naturbelassen spaßigen Pfaden stattfinden, dann sammelt sich dort Müll an, und schon fühlen sich die Anti Bike Leute bestätigt. Es lebe der secret Spot. Die richtigen Trailbiker finden den auf kurz oder lang sowieso. Punkt!

  4. benutzerbild

    mw.dd

    dabei seit 07/2006

    Ich sehe es aber so: Anstatt sich hier breitbeinig hinzustellen und bundesweit beratend agieren zu wollen und vermeintliche Leuchtturmprojekte zu begleiten oder die "Community zu vernetzen" (wie macht ihr das eigentlich?), wäre real messbarer Output etwas, was euch auch hervorheben würde.

    1. Da wurde das touristische Potential erkannt und ordentliche Kohle für Infrastruktur in die Hand genommen
    2. Ein äußerst liberales Betretungsrecht
    3. Die Forestry commission hat unter anderem die Aufgabe, für Erholungsinfrastruktur zu sorgen
    Aus dem Newsletter des MTF:

    Lernen von Schottland – SMTBC 2022​

    Was ein starkes Netzwerk bewirken kann, haben uns die Kolleg:innen von Developing Mountain Biking in Scotland auf der Scottish MTB Conference eindrucksvoll vor Augen geführt. Im Kreis britischer Expert:innen und europäischer Bekannter haben wir, getreu dem Konferenz-Motto „Leading the way“, zahlreiche Impulse mit nach Hause gebracht, die in uns immer noch nachwirken.
    Die fortschrittliche Gesetzgebung für den Zugang zur Natur, die starke politische Unterstützung – die Konferenz wurde von der Ministerin für Gesundheit und Sport eröffnet – und ein engagiertes Netzwerk aus Regionen, Freiwilligen, Wirtschaftsförderung und Landbesitzenden machen Schottland zum Vorreiter der Bike-Entwicklung in Europa.

    Die Erfahrung und Austausche haben uns in der Haltung und Motivation gestärkt, dass wir uns mit den Fortschritten, die in Deutschland sichtbar werden, noch lange nicht zufrieden geben wollen.

    Wir können und wollen die Messlatte noch höher legen.


    Noch mehr Entscheidungsträger:innen auf allen Ebenen sollen wissen, wie das Biken seinen positiven Einfluss auf die aktuellen ökologischen und sozialen Herausforderungen unserer Gesellschaften entfalten kann.
    Als inspirierende Good Practices haben wir aus Schottland schonmal mitgebracht:

    Es lohnt ein Blick in die Scottish MTB Strategy 2019 – 2025, die innerhalb eines Beteiligungsprozesses mit Stakeholdern aus allen Bereichen entwickelt wurde.

    Sehr beeindruckt sind wir auch von dem Trail & Health Fund, der in Schottland für MTB-Initiativen zur Verfügung steht und Projekte ermöglicht. Innovativ und zukunftsweisend ist dabei die vertiefte Auseinandersetzung mit dem Thema Inklusion. Im Trail Therapy Programme bekommen Menschen mit mentalen und körperlichen Herausforderungen die Möglichkeit, die Natur mit dem Bike zu erfahren und in der Gruppe zu wachsen und zu genesen.

    Aufgrund des vielseitigen Engagements ist in Schottland ein starkes Netzwerk entstanden, dessen Zusammenhalt und positive Energie bei der Verleihung der Scottish MTB Awards bei uns für Gänsehaut gesorgt hat. Die Awards werden in den Kategorien Trails, Health, Destination, Innovation und Sport für besondere Erfolge und herausragendes Engagement vergeben.
    Um regelmäßig über die Aktivitäten von Developing Mountain Biking in Scotland informiert und inspiriert zu werden, lohnt es sich dem Insta-Account zu folgen.

    Immerhin ist das MTF also lernfähig und hat mal geschaut, was andere machen und wie sie es tun.
    Warum erst jetzt?
    Da hoffe ich mal auf viele erfolgreiche Gesprächsrunden in der deutschen Landespolitik, in denen diese Strategie vorgestellt wird.
  5. benutzerbild

    ufp

    dabei seit 12/2003

    Wenn die das sagen, es erhoben, sich vernetzt, mit anderen Netzwerken gesprochen und abgeschaut haben usw, dann wird das wohl der Wunsch, einiger oder vieler, sein.

    Ich brauch das alles nicht. Ich brauch keine Hinweis- und Warnschilder, keine künstlich vereinfachten Strecken (Murmelbahnen), keinen Massentourismus, keine Ghetto/Reservate Lösungen, keine Bespaßung auf oder um die Strecken und auch sonst keine Bevormundung(en).

    Ich möchte in Ruhe und Frieden, legal, im Wald fahren. Und dabei (nehme ich) Rücksicht auf andere Wald"benutzer".

    Ich nehme den Wald (oder über der Wald-/Baumgrenze), idR, so hin, wie er sich mir darbietet. Oder deren Wege von Wander- oder sonstigen Vereinen, für Wanderer gebaut wurden, durch diese entstanden oder durch sonstige Waldbewohner erschaffen wurden.

    Für andere Strecken, also die künstliche Errichtung oder Nachbearbeitung, fahre ich gelegentlich in den Bike- oder Trailpark oder benutze Flowtrails bzw Murmelbahnen.

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