Insta360 ONE im Test: POV-Aufnahmen und Aktion-Kameras sind zum Standard geworden. Mittlerweile gibt es zahllose Hersteller dieser kleinen Aufnahmegeräte, um jedwede Outdoor-Aktivität zu dokumentieren. Insta360 hat sich, wie der Name schon vermuten lässt, 360°-Videos verschrieben. Standardkameras findet man im Sortiment gar nicht. Dafür ist die Liste der Funktionen der Insta360 ONE weitaus reichhaltiger: Stabilisiertes Rundum-Video, Raw-Fotos, Tiny-World-Funktion, VR- und Streaming-Funktionen … Am spannendsten fanden wir aber die Möglichkeit, die Kameraperspektive nach der Aufnahme zu verändern. Wie das geht, erfahrt ihr im Test.
Steckbrief: Insta360 ONE
„Eine Kamera-Crew in deiner Hand“ – Mit diesem Claim trägt man bei Insta360 durchaus dick auf. Vergleicht man die Funktionen mit denen von Actionkameras von vor 10 Jahren, so wirkt dieser Anspruch aber gar nicht mehr so prahlerisch. Sogenannte FlowState-Stabilisierung, BulletTime, unsichtbarer Selfie-Stick, Live-Streaming-Funktion in die sozialen Netzwerke und alles in 360° – wenn gewünscht. Optional kann man immer noch auf normale Videoformate zurückgreifen. Hier verwendet man nur einen Ausschnitt aus dem kompletten 360° Video. Somit fällt die nervtötende Winkeleinstellung für POV-Aufnahmen quasi komplett weg. Vorbei sind die Zeiten mit dem Ärgernis von zu niedrig eingestellten Kameras, die bei der Abfahrt nur das Oberrohr filmten.
„360° Video? Brauch ich nicht. Wer schaut das schon an?“ Aktuell ist der Mehrwert für viele Videokonsumenten nicht immer ersichtlich. So ist die Möglichkeit, während der Fahrt die Perspektive aus Fahrersicht manuell nach hinten auf den Verfolger zu richten zwar amüsant, bietet aber nur einen recht geringen Wow-Effekt. Nützlich ist diese Aufnahmeart aber dennoch. Früher musste man dafür zwei Abfahrten absolvieren – mit der Kamera einmal nach vorn und einmal nach hinten montiert. Optional hatte man zwei Kameras zur Hand und mehr Gewicht am Helm. Beides war eher unpraktikabel. Insta360 löst unter anderem dieses Problem.
Weiterhin bietet die Insta360 ONE diverse Spielereien wie die sogenannte „Tiny-World“-Funktion oder auch die Bereitstellung von Aufnahmen, die mit Virtual-Reality Brillen kompatibel sind.
- Gewicht: 82 g
- Bildauflösung: bis zu 6912 x 3456 px
- Montagemöglichkeit: 1/4″-Stativgewinde, Adapter auf GoPro-Mount
- Steuerung: Startknopf an der Kamera, Bluetooth und Insta360-App
- Preis: 359 € UVP / Bikemarkt: Insta360 ONE kaufen
Alle Verbindungen zu Klebepads und Brustgurt sind identisch mit denen von GoPro. Auf der Unterseite der Insta360 ONE findet sich zudem noch ein Standard-1/4″-Stativ-Gewinde.
Video:
Im Detail
Die Verarbeitung der Insta360 ist hochwertig: Seidenmatte Aluminiumoberflächen fügen sich sauber zu in einer länglichen Bauform zusammen. An Vorder- und Rückseite befindet sich in unterschiedlichen Höhen eine Kameralinse. Aus den Bildern der beiden Linsen errechnet die Kamera später die 360°-Ansicht. Ein kleines Loch seitlich an der Kamera verrät das interne Mikrofon.
An der Flanke ist ein kleiner Schieber angebracht, über den man den Lightning-Anschluss ausklappen kann. Nutzern eines Android-Smartphones wird entweder ein Adapter angeboten oder man bestellt direkt eine Insta360 mit USB Typ-C oder Micro-USB-Anschluss.
Über diese Steckverbindung lässt sich die Insta360 ONE direkt mit dem Smartphone und der darauf installierten App verbinden. Dort kann nicht nur die Aufnahme gestartet werden – man bekommt auch Zugriff auf alle aufgenommenen Videos und Fotos. Über Bluetooth kann man die Aufnahme auch ohne physikalische Verbindung starten. Optional helfen ein Klick beziehungsweise ein doppelter, die Kamera ganz ohne Smartphone zu bedienen. Eine LED-Leuchte und ein Tonsignal geben Rückmeldung darüber, ob ein Foto aufgenommen oder ein Video gestartet wurde.
Weiterhin ist es möglich, 360°-Videos in normale Videos in verschiedenen Formaten auszugeben. Dabei stehen dem Nutzer diverse Möglichkeiten der Perspektivenwechsel über Keyframes, Tracking-Funktionen und Einflussnahme auf die Stabilisierung des Bildes.
Marke | Modell | UVP | Maximale Videoauflösung | Blickfeld | Aufnahmezeit | Gewicht |
---|---|---|---|---|---|---|
Audiovox | 360 Fly 4K | 499,99 $ | 2880 x 2880 px | 240° (eine Linse) | 90 min | 172 g |
GoPro | Fusion | 629,99 € | 5228 x 2624 px | 360° (zwei Linsen) | N/A | 220 g |
Insta360 | One | 359,00 € | 3840 x 1920 px | 360° (zwei Linsen) | 70 min | 82 g |
Insta360 | One X | 459,95 € | 5760 x 2880 px | 360° (zwei Linsen) | 60 min | 115 g |
Kodak | SP360 4K | 499,99 $ | 2880 x 2880 px | 235° (eine Linse) | 55 min | 128 g |
Technische Daten
Alle technischen Daten, Details und Standards zur Insta360 ONE findet ihr in der folgenden Tabelle zum Ausklappen:
Was? | Antwort |
---|---|
Länge | 96 mm |
Breite | 36,5 mm |
Höhe | 25 mm |
Gewicht | 82 g |
Bildaufnahme | Standard 360, Timed Modus |
Bildauflösung | 6912 x 3456 px |
Bild-Dateiformate | insp, jpg (Datei kann über App exportiert werden), RAW |
Videoaufnahme | Standard 360, Timelapse, Bullet time |
Videoauflösung 30 fps | 3840 x 1920 px |
Videoauflösung 60 fps | 2560 x 1280 px |
Videoauflösung 120 fps | 2048 x 512 px |
Video-Dateiformate | insv, mp4 (Datei kann über App exportiert werden), LOG |
Maximale Framerate | 120 (240 fps interpoliert) |
Bildstabilisierung | FlowState (Integrierte Gyroskopsensoren für 6-Achsen Bildstabilisierung) |
Akkukapazität | 820 mAh (5V1A) |
Ladestecker | Micro USB |
Aufnahmezeit | Maximal 70 Minuten am Stück (Herstellerangabe) |
Speicher | Kein interner Speicher, Unterstützung für UHS-I, exFAT (FAT64) Format, bis zu 128 Gigabyte-Micro SD-Karten |
Sonstiges | SmartTrack (Objektverfolgung und automatische Perspektivenanpassung), Bullet-Time, 360° Hyperlapse |
Remote-Funktion | via Bluetooth und Smartphone |
Kompatibilität iOS | iPhone: X, 8/8 plus, 7/7 plus, 6s/6s plus, 6/6 plus, SE; iPad: Pro(10.5-inch), Pro(9,7-inch), (9,7-inch), Pro (12,9-inch), mini4, Air 2 |
Kompatibilität Android | nur via Adapter: Samsung Note 8/S8/S7/S7 Edge; Xiaomi 8/Mix/Mix2; OnePlus 3t/5t; Google Pixel/Pixel 2; Sony Xperia XZ; Nubia V18 |
Streaming Funktion | Live Streaming, Facebook, YouTube, Twitter, Periscope |
Zubehör | Ivisible Selfie Stick, Brustgurt, wasserdichtes Gehäuse, diverse Befestigungsmöglichkeiten |
Kompatibilität Zubehör | 1/4"-Stativgewinde, Adapter auf GoPro-Mount ist vorhanden |
Weissabgleich | Auto, bewölkt, sonnig, Fluoreszenz, Kunstlicht |
Belichtungsmodus | Auto, Manual(Shutter 1/4000s-60s, ISO 100-3200), Shutter-Priority Auto(1/4000s-2s), ISO-Priority Auto(100-3200) |
Lichtwert | -2EV ~ + 2EV |
Setup und Funktionen
Vor der ersten Nutzung der Insta360 Kamera gilt es, den Gyro der Kamera zu kalibrieren. Hierfür startet man die kostenfreie App und wird Schritt für Schritt durch den Vorgang geleitet.
Perspektivenwechsel und Stabilisierung in der App
Eine 360° Videoaufnahme bietet in der Postproduktion spannende Möglichkeiten. Unter anderem die bereits erwähnte Anpassung der Perspektive. Über Keyframes lassen sich innerhalb des Videos somit aber auch Kamerafahrten sowie Schwenks simulieren. Montiert man die Insta360 beispielsweise auf dem Helm, kann man während der Fahrt die Blickrichtung von vorne nach hinten ändern. Aber auch eine auf dem Boden positionierte Insta360 kann mit dieser Funktion einen souveränen Kameraschwenk auf einen vorbeifahrenden Biker realisieren.
Wo man sich früher mit komplexen und defektanfälligen Giros helfen musste, hat man es jetzt mit der Insta360 um einiges leichter. Die interne Stabilisierung ist simpel über die Software geregelt und generiert brauchbare Ergebnisse.
Innerhalb der App findet man für alle Video- und Foto-Funktionen simple Tutorials, welche den unerfahrenen Nutzer Schritt für Schritt durch die Funktionen begleiten. Hierfür muss man nicht erst durch das Wohnzimmer laufen oder biken gehen – Beispielvideomaterial ist bereits hinterlegt.
Video-Export
Ist die Insta360 mit dem Smartphone verbunden, lässt sich über die App simpel jedes Video oder jpg-Foto bearbeiten und exportieren. Wer direkt auf diverse Social-Media-Kanäle hochladen möchte, kann dies direkt mit einem Klick erledigen. Dabei hat man die Möglichkeit, das Video entsprechend zu bearbeiten. Grober Zuschnitt ist genauso machbar wie eine Farbkorrektur oder die Hinterlegung mit einem Song aus der bereitgestellten Musikbibliothek oder eines Songs, der auf dem Smartphone gespeichert ist.
Desktopanwendung
In den folgenden Bildern erfahrt ihr, wie man die Software am heimischen Rechner nutzt, um spannende Videos aus dem Rohmaterial zu schneiden.
Auf dem Trail
Wie jede andere Action-Kamera auch kann die Insta360 ONE mit einer Vielzahl an Befestigungsmöglichkeiten glänzen. Alle bekannten Möglichkeiten wie die Klebepads für Helm und Rahmen sowie Klemmschellen für Lenker und ähnlich dimensionierte Rohre funktionieren einwandfrei. Die interne Stabilisierung der Kamera hilft hier ebenfalls unschöne Vibrationen loszuwerden.
Mit der Flowstate-Stabilisierung bekommt man Aufnahmen, für die früher ein Gimbal notwendig war
Für Experimentierfreudige wird aber vor allem der sogenannte Invisible-Selfie-Stick interessant sein. Befestigt im Rucksack ermöglicht er Aufnahmen, die die einer Drohne ähneln, welche den Fahrer verfolgt. Spannend dabei ist aber insbesondere der Algorithmus, der den Stock im Video (annähernd) verschwinden lässt. Über die Umgebungspixel wird der Bereich des Stocks im Bild ersetzt, wodurch im Idealfall der Eindruck entsteht, die Kamera schwebe über dem Fahrer.
Wir beschränkten uns im Test für dieses Feature aber auf den Park. Auf dem Trail sollte man sich schon sehr sicher sein, nicht mit dem Stab und der darauf montierten Kamera in einem tief hängenden Ast hängenzubleiben.
Montiert man die Kamera an einem Brustgurt, erhält man bei besonders bei hellen Lichtverhältnissen eine gute Bildqualität. Je nach Geschmack kann man die Flow-State-Stabilisierung innerhalb der App vor dem Export anschalten oder die Videos unstabilisiert verwenden. Der Grad der Stabilisierung ist nicht beeinflussbar und somit kann man sich zwischen einem normalen, wackeligen Brustgurt-Lock oder der ziemlich glatten „Tiefflugoption“ entscheiden.
Spannend für Instagram-Nutzer dürfte die Möglichkeit sein, aus dem identischen Videomaterial Videos nicht nur in 16:9, sondern auch in 1:1 oder auch 9:16 auszugeben. Die Ausgabe auf das passende Endformat für Story oder Post bedeutet später einen deutlichen Qualitätsgewinn gegenüber einem beschnittenen und hoch skalierten Video.
Das ist uns aufgefallen
- Freie Perspektivenwahl: Früher war eine Aufnahme öfters für den Daten-Mülleimer, weil die Perspektive nicht passte. Dieses Problem fällt mit der Insta360 komplett weg
- Insta360 App Die App lief nicht immer stabil und stürzte während des Videoexports öfter ab
- Abmessungen Wer die Kamera auf der Brust montiert, sollte berücksichtigen, dass es teilweise zum Kontakt mit dem Vorbau kommen kann
- Glasvergütung Bauartbedingt stehen die Kameralinsen etwas über das Gehäuse hinaus. Wir hatten nach einiger Zeit ein paar kleinere Schäden in der Glasbeschichtung. Dementsprechend würden wir zur Schutzhülle raten
- Bildqualität Auch bei guten Lichtverhältnissen liegt die Bildqualität nicht ganz auf dem Niveau von GoPro. Wem das sehr wichtig ist, sollte sich die ONE X anschauen, für die zirka 130 € mehr fällig sind.
Fazit – Insta360 ONE
Neben den vielfältigen Spielereien für 360° Videos und Fotos begeisterte uns als Biker vor allem die Möglichkeit der FlowState-Stabilisierung und die freie Perspektivenwahl nach der Aufnahme. In der Smartphone-App und der kostenlosen Desktop-Anwendung können sich Videoenthusiasten mit den gebotenen Möglichkeiten stundenlang austoben. Die Qualität der Aufnahmen ist für die Veröffentlichung direkt aus der App auf Social-Media-Kanälen ausreichend.
Pro / Contra
Pro
- Freie Perspektiven Wahl auch nach der Aufnahme
- Flowstate-Stabilisierung
- Preis
Contra
- Bauart für Brustmontage oder auf dem Helm eher unpraktisch
- App läuft nicht immer stabil
- Desktop-Anwendung recht träge
Testablauf
Die Insta360 ONE wurde uns für den Test kostenfrei zur Verfügung gestellt.
Hier haben wir das Insta360 ONE getestet
- Reschenpass: Enduro-Trails von flowig bis ruppig
- Järvsö Bikepark: Kleiner, aber feiner Bikepark in Schweden, von Brechsand-Trails bis zu felsigen Abfahrten, schnell, nur selten steil, sprunglastig
- Fahrstil
- Schnellste Linie, auch wenn es mal ruppig ist
- Ich fahre hauptsächlich
- Singletrails, sprunglastiger Local Spot, Freeride, DH
- Vorlieben beim Fahrwerk
- Straff, gutes Feedback vom Untergrund, viel Druckstufe, moderat progressive Kennlinie
- Vorlieben bei der Geometrie
- Kettenstreben nicht zu kurz (ca. 430 mm oder gerne länger), Lenkwinkel tendenziell eher flacher
Würdet ihr euch lieber eine 360° oder eine normale Kamera zulegen?
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