
Nach ungeplanter 30-stündiger Anreise legt die Fähre endlich in Igoumenitsa an. Alle sind etwas geschlaucht von einer unruhigen Nacht im Schlafsack auf dem Außendeck und mit genau einem Wort griechisch im Gepäck, konnte das Abenteuer losgehen. Einer der vielen LKW-Fahrer an Bord hat uns bei seiner Morgenzigarette “podilato”, das griechische Wort für Fahrrad beigebracht.
Ankunft in Griechenland
Eine grobe Route stand schon vor Abreise fest und folgt im Wesentlichen den spärlichen Infos, die wir im Vorfeld finden konnten: Ankunft mit der Fähre in Igoumenitsa, dann nach Osten bis Thessaloniki und der südlichste Punkt irgendwo oberhalb der Peloponnes. Den ersten Zwischenstopp machen wir in Anilio. Ein kleines Skigebiet knappe zwei Stunden vom Hafen ins Landesinnere, wo noch vor einer Woche ein Enduro-Rennen stattgefunden hat. Start auf 1700 Metern Höhe und zum Warmwerden steile Skipisten hinauf. Ohne E. Die Temperaturen eher frisch, die Landschaft eher alpin statt mediterran. Über weite Wiesenhänge schlängelt sich die Forststraße bis zum Traileinstieg hinauf. Über breit gebaute Flowtrails rollt und rutscht es wieder hinab. Vorbei an Bachläufen und durch feuchte Eichenwälder. „Irgendwie habe ich mir das anders vorgestellt“, spricht Konsti aus, was alle denken. Aber es war ja erst der Anfang, mal schauen, was noch kommt.

Meteora
Unser nächster Stop ist Meteora. Die auf bizarren Sandsteinfelsen errichteten Klöster aus dem 13. und 14. Jahrhundert gehören zum UNESCO Weltkulturerbe und locken Hunderttausende von Touristen an. Aber gibt es dort auch Trails? Nach einem Tag mit den beiden Locals Vassilis und Dimitri können wir sagen: Definitiv! Vasilis ist Mountainbiker aus Leidenschaft und hat schon viele europäische Bike Mekkas besucht. Zuhause führt er mit meteora e-bike meistens Touristengruppen auf City Bikes an den Klöstern entlang. Eher selten kommen Gäste, die seine Trails kennenlernen wollen. Heute sind es fünf auf einmal. Das entspricht in etwa der Anzahl aktiver Mountainbiker vor Ort…
Nur wenige Meter neben den Reisebussen versteckt sich der Traileinstieg – ein schmaler Pfad, in mühevoller Handarbeit fürs Mountainbike optimiert. Vasilis zirkelt elegant durch die eng gesteckten Kurven, zieht elegant über jeden Gegenanstieg und lässt keine Gelegenheit aus, mit dem Gelände zu spielen. Er kennt hier wirklich jeden Stein. Sein geschmeidiger Fahrstil und das enorme Tempo zeugen von seiner Vergangenheit als Downhill Racer, wir haben Mühe dran zu bleiben, auch weil unser Blick immer wieder vom Weg in die atemberaubende Szenerie abschweift.


Velventos
Für uns heißt es jetzt weg von den Reisebussen, tiefer ins griechische Hinterland. Die nächsten drei Tage verbringen wir in Velventos, einem kleinen Dorf zwischen perfektem Trailcenter und großem Stausee. Das Pieria Gebirge nordwestlich des Olymps ist durchzogen von einzelnen Teerstraßen, Gravelroads und einem Netz an wunderschönen Naturtrails die ab jetzt zu unseren absoluten Lieblingsabfahrten gehören. Besonders angetan hat es uns ein etwas über drei Kilometer langer Trail, der auf 550 Tiefenmetern fast alles zu bieten hat, was das Enduroherz begehrt. Selbst bei nasskalten Bedingungen, die nach einem Regentag hier oben herrschen, kommt keiner aus dem Dauergrinsen heraus: Nach einem steilen und matschigen Einstieg wechselt der Untergrund schnell auf eine Mischung aus Wurzel- und Nadelteppich. Nicht zu steil, schlängelt sich durch den dichten Wald ein schmaler Pfad, der auf einmal von gut fahrbaren 180 Grad Kehren abgelöst wird.
Das ein oder andere Steinfeld lässt das Adrenalin nach oben schnellen und fordert mit den nassen Reifen volle Konzentration. Ab und an schweift der Blick dann doch die neblige Böschung hoch, um Ausschau nach Braunbären zu halten, die in der Gegend beheimatet sind. Mit schlammigen Waden kommen wir in einer Senke an, wo uns eine wackelige Brücke erwartet. Nach kurzer Schiebepassage über den stark gefüllten Bach ändert sich plötzlich die Landschaft und mit ihr der Trail. Trockener, sandiger Untergrund, karges, stacheliges Gestrüpp, ein sehr schmaler Weg um große Felsen herum und der Duft von Rosmarin liegt in der Luft. Während sich im Wald noch die letzten Nebelschwaden auflösen, glänzt der große See vor uns schon unter der Sonne. Fast zu kitschig, um wahr zu sein, aber auch ein erster Hauch von „diesem“ Griechenland, das wir uns vorgestellt hatten und das uns in Thessaloniki bereits erwartet.





Thessaloniki
Mit seinen 360.000 Einwohnern ist die zweitgrößte Stadt Griechenlands ein ordentlicher Tapetenwechsel. Wir sind mit Tasos, dem Mitgründer von Outline Adventures verabredet. Als Instructor hat er alle MTB-Guides in Griechenland ausgebildet und führt in Thessaloniki selber noch gerne Gäste von der Stadt auf die Trails und zurück. Obwohl er gerade mitten im Abschluss seines Fernstudiums für Trailbau und Planung steckt, zeigt er uns, was die sonnigen Hügel hinter der Großstadt zu bieten haben. Ganz anders als unsere bisherigen Erfahrungen, finden wir uns nach einer guten halben Stunde in einem wahren Cross Country-Labyrinth wieder und sind sehr froh über lokale Begleitung.
Trailbeschreibung vom Guide: „rocks, loose rocks, broken berms, flat turns and it gets steeper at the end“. Unser Fazit: What a ride! Wir beenden unsere Runde an Tasos Büro, das zwischen kleinen Bars und Ateliers mit seiner modernen Glasfront deutlich auffällt. Mit Hunger im Bauch suchen wir uns noch ein Restaurant und werden schnell fündig, sogar vegan. Um uns herum hängen geflochtene Körbe von den Vordächern, freundliche Menschen begrüßen uns mit einem herzlichen „yassas“ und Katzen liegen gemütlich im Schatten. Nichts deutet bisher auf das Gewitter hin, das uns kurz später voll erwischt. Und wer hätte gedacht, dass unser erstes Gyros vegan sein wird.





Parnassos
Das letzte Highlight auf unserer Reise ist die Kombination aus alpinen Trails, antiken Säulen, Olivenhain-Alleen und dem perfekten Camp-Spot am Strand. Auf der Westseite des Parnass, einem 2.455 m hohen Gebirgsstock in Zentralgriechenland, findet sich nicht nur die kleine Stadt Delphi, die für sein sagenumwobenes Orakel bekannt ist, sondern auch ein Eldorado für Mountainbiker. Wir haben die letzten Tage schon ganz gut Höhenmeter gesammelt und kommen gerne auf Kostas Angebot zurück, den Traileinstieg mit dem Pickup zu erreichen. Neben seinem Café und Shop, kümmert er sich mit truewheels.gr um die Trailwartung, organisiert Rennen und ist selbst passionierter Mountainbiker. Auch er lässt es sich nicht nehmen, uns seine Lieblingsstrecken selber zu zeigen.

Wieder einmal erinnert uns bis auf die unlesbaren Straßenschilder nichts daran, dass wir uns mitten in Griechenland befinden. Ganz im Gegenteil: Endloser, nebelverhangener Gebirgsnadelwald und von Moos überzogene Felsplatten fühlen sich an wie Kanada. Als uns schließlich ein Platzregen vom Rad wieder in den Pickup zwingt, erzählt uns Kostas von dem Weitwanderweg, der vom Parnass an den Ausgrabungsstätten von Delphi entlang bis nach Kirra ans Meer führt und eine bezaubernde Fernsicht verspricht. Das wollen wir uns natürlich nicht entgehen lassen. Zum Glück. Denn dieser Weg vereint so ziemlich alles, was wir uns zum Thema Mountainbiken in Griechenland vorgestellt hatten, inklusive Schildkröten auf dem Trail.
Dass uns zwischenzeitlich der rumplige Karrenweg ordentlich Armpump beschert, ist spätestens beim Halbzeit-Stopp in den Gassen von Delphi vergessen. Griechischer Salat, Souvlaki und eine himmlische Nachspeise mit Joghurt, Baklava und Honig geben Kraft für ein fulminantes Trailfeuerwerk bis ans Meer: Wir folgen dem staubigen Pfad über mediterrane Wildblumenwiesen, vorbei an antiken Gebetsstätten und das Zirpen unzähliger Grillen im Ohr. Unsere Endstation ist ein kleiner Kiesstrand, wo wir ins Wasser springen und unser Lager für die Nacht aufschlagen. Mountainbiker-Herz, was willst du mehr?









Auch wenn wir zum Ende hin das gefunden haben, wonach wir irgendwie gesucht haben, konnten wir feststellen, wie vielfältig Griechenland eigentlich ist. Das nördliche Festland bietet eine wahnsinnig abwechslungsreiche, bergige Landschaft und ist eine grandiose Spielwiese für Mountainbiker aller Couleur. Ganz gleich, ob alpines Singletrail fahren, renntaugliches Enduro-Geballer oder Cross Country Strecken … Was alle Regionen jedoch verbindet, sind die wahnsinnig gastfreundlichen und lebensfrohen Menschen. Offenherzig wurden wir an jedem Ort von „Unbekannten“ empfangen und sind als Freunde gegangen.
Efharistò, Hellas. Danke, Griechenland!
Reisetipps
Trails
Trailforks bietet gute Anhaltspunkte zu den einzelnen Spots, allerdings muss man immer wieder mit Überraschungen rechnen. Manche Strecken konnten wir einfach nicht finden oder waren verfallen. Am besten man fragt sich bei den Locals durch. Diese geben bereitwillig Auskunft.
Lokale Guides
Outline Adventures, Meteora / Vasilis Tsiantikos, Truewheels / Parnassos
Campen
Wir haben nie auf Campingplätze zurückgreifen müssen. Auch wenn Wildcampen offiziell verboten ist, wird es zumindest außerhalb der Saison quasi überall geduldet. Wer mit Hausverstand agiert und das kleine Camping-Knigge beherzigt, wird mit offenen Armen empfangen.
Anreise
Wir sind mit der Fähre von Ancona aus gefahren. Diese sollte einige Zeit im Voraus reserviert werden. Für alle, die ein wenig Luxus wollen, empfehlen sich Kabine oder Camperdeck. Alternativ per Flugzeug nach Athen oder Thessaloniki.
Biken in Griechenland – wär das was für dich?
Information: MTB-News.de steht in keiner Weise in finanzieller Verbindung zu Verfasser, Fotograf oder Organisator des Berichts. Der Bericht wurde uns von Konstantin Seger kostenfrei zur Verfügung gestellt.
6 Kommentare
» Alle Kommentare im ForumVergesst die Braunbären, denkt lieber an die Hirtenhunde die jeden Wolf oder Braunbären in die Flucht schlagen.
Die Griechen sind super relaxed wenn es um biker geht, schütteln nur den Kopf warum sich das jemand antut, besonders dann im Sommer 😎.
Nochmals, je nach Location sind die Hirtenhunde echt unlustig!
Offensichtlich war man in Norden unterwegs wo es weniger Weidegrüde gibt, sonst würde ich Griechenland Tränengas in Groß statt der 2. Flasche empfehlen.
Schöner Bericht und macht Lust auch mal nach Griechenland zu fahren.
Feiner Bericht. Die Stimmung bei der Tour wird mit den schönen Bildern unterstrichen.
Die Griechen, die ich in unserem Lande kennengelernt habe, waren meist, wie beschrieben, sehr gastfreundliche und für mein Empfinden angenehme und lustige Menschen, die das Leben lieben.
Mir persönlich wäre Griechenland einfach ein wenig zu weit weg. Unter Berücksichtigung des Umweltschutz-Gedankens habe ich seit einigen Jahren meine Autofahrten im Zusammenhang mit dem Biken reduziert und versuche viele Unternehmungen von der Haustür aus zu starten. Geflogen bin ich zum letzten Mal vor 19 Jahren.
Ich bin immer ein wenig irritiert, wenn ich in den Medien höre, dass die Tourismusbranche wächst und wächst und wächst. Klimaschutz ist in aller Munde, aber Verzicht auf Flugreisen nein danke. Eine Renner-Trainingslager in Spanien, auf Malle oder sonst wo. Mal eben hingejetet. Ich kann im Großen keine Verhaltensveränderung bezüglich des Reiseverhaltens erkennen.
Na ja, möchte jetzt nicht zu weit abschweifen und mich lieber wieder an der eigenen Nase packen. Hab selber genügend Umweltschutz-Baustellen, die ich verbessern kann.
Im Sommer brennt seit einigen Jahren mittlerweile halb Griechenland. Mit jeder unnötigen Reise trage ich dazu bei, dass es nicht nur in Griechenland nicht besser wird.
Ein unbequemes Thema, wenn ich es in meinem eigenen Lebensbereich versuche umzusetzen und nicht nur verständnisvoll dazu nicke, dann aber trotzdem in den Flieger nach was ich wohin steige.
Lange Rede, kurzer Sinn. Ich suche lieber nach geeigneten Bikerevieren, die ich schneller erreichen kann und so weniger Zeit im Auto, sondern mehr auf dem Bike verbringe.
Schöne Einblicke. Danke, dass ihr uns mitgenommen habt.👍
Ansonsten hast du völlig recht, selbst dann muss das nicht sein.
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