Der heutige Rennbericht wird eine erstklassige und so kaum bisher gesehene Anleitung, wie man sich einfache Dinge sehr, sehr schwer machen kann. Heute gab es „nur“ etwas über 1.000 Höhenmeter und 40 km zu bewältigen. Warum also nicht einfach ein paar Mal komplett aus der Strecke fahren, einen Reifen zerstören oder richtig fies auf’s Maul fliegen? Warum einfach, wenn es auch umständlich geht?!
Da unser Nachtlager bereits im hochgelegenen Ski-Ort Valberg lag, ging es morgens in einer geschlossenen Gruppe in den ersten Anstieg. Der fand größtenteils auf Straßen und Schotterwegen statt und war ein super Warm-Up für den kommenden Renntag.
https://vimeo.com/343098014
Stage 9
Am Start erwartete uns das erste Mal eine ordentliche Schlange. Da wir diesmal nicht in zwei getrennten Wellen in Shuttlebussen gestartete waren, sondern alle mehr oder weniger auf einen Haufen, staute es sich hier eben. Die Stage startete recht flach in eine steinige Wiese und wechselte zu Beginn zwischen super schnellen Vollgas-Sektionen, in denen ich ständig Angst vor versteckten Steinen hatte, und schmalen, technischen Fels-Sektionen, in denen ich Angst vor offensichtlichen Steinen hatte. Gegen Ende wurde es ziemlich eng, sodass ich öfter den bereits erwähnten Tripod (= mit einem Fuß auf dem Boden fahren, ein Dreipunkt-Stand quasi) auspacken musste, der sich in einer besonders verblockten und engen S-Kurve zwischen Felsmauern sogar zum extrem peinlichen und wenig eleganten Fourpod ausweitete. Nach meinem Sturz gestern war ich noch gar nicht im Rennmodus und rollte eher locker aus der Stage raus. Unten hatten Wolfgang und Jamie Nicoll einen fiesen Platten – kein Wunder bei dem Boden –, sodass ich beim Aushelfen einen nach dem anderen Starter Vollgas aus der Stage schießen sehen konnte … der Beschluss, beim nächsten Mal mehr anzugreifen, war gefasst!
Stage 10
Der Transfer zur zweiten Stage des Tages beinhaltete etwas ganz besonderes: Einen Sessellift! Vorher galt es allerdings, einige Höhenmeter in brütender Hitze zu bewältigen, was zum Glück aber schnell geschafft war. Die Rennstrecke lag tatsächlich im Bikepark von Valberg und lief entlang einer blauen Strecke, was in Frankreich allerdings nicht automatisch Flowtrail bedeutet. Ich startete diesmal extrem motiviert in den Trail, keulte ordentlich rein, nur um in den ersten engen Kurven direkt vor allen Fotografen fast aus der Strecke zu fliegen. Bemüht, es besser zu machen, zog ich an der nächsten großen Bodenwelle kräftig in die Luft … und sah den Trail unter mir nach Links abbiegen. Die Landung in einem Haufen Reisig ging ordentlich auf die Arme und den Nacken, außerdem verging etwas Zeit, bis ich mich wieder befreit hatte. Der restliche Trail lief allerdings ganz ordentlich. Der Speed auf den Geraden passte nicht immer ganz zu den engen Kurven. Nach einige Zeit hatte man sich allerdings gut eingestellt und kam flüssig und dank des perfekten Hero-Dirts oft smooth driftend durch.
Unten hieß es dann erstmal in unseren leckeren Mittags-Burrito beißen, während Max Schumann und Jamie Nicoll wieder an ihren noch von der vorigen Stage demolierten Reifen rumschraubten. Anschließend ging es nur runter zum Lift und damit wieder auf den Berg. Es war nichtmal Mittag, der Lift war super schnell und es sollten nicht mehr viele Höhenmeter sein … was für ein toller und entspannter Tag in diesem sonst so harten Rennen!
Stage 11
Zum Transfer zur Stage 11 kann man nur eins sagen: Wow! Nach einigen Kilometern hoch und runter auf groben Schotter-Straßen wurden wir auf einmal auf eine epische und karge Hochebene von rotem Schiefer-Fels gespuckt. Hier ging es teils tragend, teils fahrend Kilometer weit mit grandioser Aussicht und weit aufgerissenen Augen zum Traileinstieg. Von einem Trail lässt sich hier allerdings kaum sprechen. Stattdessen erwartete uns eher ein von kargen Sträuchern und Dornbüschen bewachsener Hang voller rotem Sand, auf dem nur sporadisch aufgehängte Tape-Fetzen etwas Orientierung boten. Navigation und Freeride-Erfahrung waren hier empfehlenswert. Ich war trotz der tollen Gegend extrem skeptisch, ob mir das Format so liegen würde und startete etwas missmutig und verhalten ins Rennen. Natürlich verfuhr ich mich auch sofort (was so ziemlich jedem passierte) und beschloss, nach einigen zögerlich getroffenen Abbiege-Entscheidungen einfach einen Tape-Fetzen in der Ferne anzufokussieren und Freestyle bis dorthin zu crossen. Das klappte auch ganz gut, außerdem wurde der Trail ab dort immer klarer gekennzeichnet und die Spurrinnen im Sand immer tiefer, was definitiv Vertrauen gab.
Doch dann … pfffffft. Das Loch im Reifen war ordentlich groß, ich wähnte mich noch sehr weit oben in der Stage außerdem war es extrem steinig … auf der Felge zu fahren schien mir in dem Moment sehr unvernünftig, schließlich hatte ich keinen Ersatz dabei und die Überlebenschancen für die Carbon-Felge schienen mir nicht allzu groß. Also angehalten und einen Reifenplug rein … reicht nicht. Nachgeladen, noch einer – mittlerweile kam die hinter mir gestartete Tanja Naber vorbei – hält. Luft rein – es kamen noch 4 bis 5 Leute vorbei. Los, los, los, drei Kurven, pffffft … ok, drauf geschissen, ich riskiere es. Auf dem losen Sand war auf der Felge kaum etwas zu machen, überall flog Milch rum, ich war konstant am driften, hatte ständig laut klingelnde Durchschläge und musste noch einen Starter vorbeilassen. Im Ziel war die Laune entsprechend schlecht – mit dem Zeitverlust bin ich meine Platzierung auf Nimmerwiedersehen los –, aber wenigstens war die Felge erstaunlicherweise unbeschädigt und meine Mitstreiter und vor allem Tanja Naber waren super hilfreich dabei, einen Schlauch einzuziehen. Über einen sehr verblockten und in meiner Laune einfach nur beschissenen Trail ging es ins Tal und dort zur Feedstation, wo auch der Mavic-Support bereit stand.
Der Versuch, den fast 1,5 cm langen Cut mit einem Flicken von innen zu flicken, schlug allerdings fehl – also wieder einen Schlauch rein und 60 ml Tubeless-Milch zur Sicherheit hinterher. Vielen, vielen Dank an Tanja Naber an dieser Stelle, die mir mehrfach enorm aushalf und so erlaubte, halbwegs zügig fertig zu werden und noch ein paar Bissen von irgendeinem Sonstwas-Salat runterzuwürgen, der wieder einmal angeboten wurde. Der Spirit of Enduro ist auf jeden Fall noch nicht ganz tot.
Stage 12
Mit dem Shuttle ging es von der Feedzone über die engste und ausgesetzteste Alpenstraße, die ich je in meinem Leben gesehen habe, nach oben. Die Kurven waren teilweise so eng, dass der VW T5 zwei Züge brauchte, Platz für zwei Autos war selten und der Abhang zur Talseite war absolut senkrecht und tödlich hoch. Von dort folgte ein weiterer teils schiebend, zum Glück jedoch auch viel fahrend zurückzulegender Transfer zum Stage-Start … das versprach doch einen einfachen Ausklang für den Tag, oder? Falsch! Die Stage war die längste, technischste und gefährlichste der ganzen Woche. Auf einer von einem Buschfeuer ausgebrannten Ebene ging es extrem lose und oft schlecht erkennbar los. Aufgrund der Länge von 5,5 km mit 820 Tiefenmetern ging ich das ganze sehr locker an, kam jedoch oben sehr sauber und erstaunlich schnell durch. Nach einer kurzen Forststraße ging es wieder in den Trail. Das smoothe Tempo hatte allerdings dazu geführt, dass ich ziemlich in Gedanken schwelgte und mich wenig konzentrierte. Dementsprechend übersah ich die kommende enge Linkskurve mit fetter Felsplatte … Kabumm, voll auf die rechte Seite. Wieder auf den zusammengeflickten Ellenbogen, außerdem war mein Schienenbein dick und geprellt, die Flasche flog in hohem Boden davon und beim Aufheben des Bikes holte ich mir durch die Bremsscheibe eine blutige Brandwunde am linken Handgelenk.
Bis die Bremsen gerichtet und die Flasche gefunden war, verging wieder Zeit. Schlimmer war jedoch, dass ich mental in ein totales Loch fiel und die folgenden Minuten in extrem steilem und ausgesetztem Terrain fuhr wie der allererste Anfänger. Mir tat zwar alles weh, aber ich wusste, dass das meiste einfach mental war, konnte mich aber nicht davon befreien. Am Ende war ich sogar froh, nicht von hinten eingeholt worden zu sein. Der folgende Transfer entlang einer unangenehm hohen und schmalen Klippe war in dem wackeligen Zustand der reinste Horror, außerdem fing es schlagartig an zu gießen wie aus Eimern. Frierend und unter konstant auf dem Helm trommelnden Regen ging es missmutig zum letzten Shuttle, der uns durchnässt wie wir waren ins Camp bringen sollte.
Fazit nach Tag 3
Tag 3 hätte so leicht, so entspannt und so schön sein können. Ich habe beschlossen, es mir lieber sehr, sehr schwer zu machen. Das war sicherlich einerseits Pech, andererseits aber auch mental. Das Rennen ist nach der Aktion leider etwas gelaufen – da ich aber eh locker fahren wollte (ups, ganz vergessen) ist das eigentlich nicht weiter schlimm. Den Arm kann ich wieder halbwegs bewegen, jetzt heißt es einfach Zähne zusammenbeißen und morgen erstmal die 1.900 hm und 60 km angreifen …
Ergebnisse: Tag 3
Stage Results for Trans-Provence Day 3: Valberg to Valdeblore on 18-Jun-2019Ergebnisse: Gesamtwertung
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