Am vorletzten Tag der Trans Provence 2019 stand nicht nur ein ordentlich früher Start an, es gab auch weitere vier extrem lange und anspruchsvolle Stages zu bewältigen. Obwohl die Transfers diesmal fast durchgehend fahrbar waren, sollte der Tag mit 54 km und 1450 hm ordentlich lang werden.
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Am Abend kam die Ankündigung des Grauens: Da am fünften Morgen eine 1,5 stündige Shuttle-Fahrt, die uns hoch auf einen Pass und sogar knapp über die französisch-italienische Grenze bringen sollte, anstand, mussten wir diesmal etwas früher aus dem Bett. Um 6:20 Uhr sollten die Shuttles beladen werden, das Frühstück stand ab 5:30 Uhr bereit … Horror! Ich beschloss direkt meinen Wecker wie die anderen coolen Kids auf 5:45 Uhr zu stellen und das Zeitlimit beim Frühstück auszureizen, was auch ganz easy klappte. Da wir die nächste Nacht im selben Camp verbringen sollten und nichts packen mussten, war ich am Morgen schnell einsatzbereit und saß nach einem kurzen Frühstück wieder dösend im Shuttlebus.
Stage 17
Oben angekommen und ausgestiegen hieß es erstmal die Weltkriegs-Ruinen bewundern und etwas sonnen, da wir dem Zeitnahme- und Media-Team, das mit uns gestartet war, etwas Zeit lassen mussten. Gähnend und noch gar nicht wach folgte dann ein längerer, aber nicht allzu schwerer Transfer über einen hochgelegenen, alpinen Pfad, auf dem ich mit meinem müden Kopf definitiv Probleme hatte, die schmale Linie zu halten. Der Start der Stage fand auf einer Grad-Ebene statt, nach einem kurzen Tretstück wurde diese extrem schnell … und blieb es auch. Ab und zu gab es einen kurzen Uphill oder eine enge Kurve, aber meistens hieß es einfach Vollgas geben und möglichst wenig bremsen. Wenige Sekunden nach dem Start merkte ich, dass ich meine Goggle gar nicht aufgesetzt habe … ich weiß nicht ob ich mittlerweile einfach keine Nervenenden mehr habe oder mein Körper so auf die Basisfunktionen beschränkt ist, dass er einfach auf keine anderen Reize mehr reagiert, aber das Ganze interessierte mich nicht die Bohne und ich konnte ganz gut am Gas hängen.
Ein kurzer Transfer über einen sehr mediterran anmutenden Trail mit einigen engen Kurven brachte uns in den malerischen Ort Tende … nach vier Tagen Rennsport ohne große Pausen zwischendrin, war erstmal ein leckeres Erdbeertörtchen mit kalter Cola angesagt – oder Kaffee und Croissant, je nach Vorliebe. Nach der morgendlichen Pause stand der größte Transfer des Tages an: Mit zwar gut pedalierbarer Steigung, aber unter gnadenloser Sonne ging es zirka 6oo hm auf einer erst asphaltierten, später geschotterten Straße nach oben.
Stage 18
Die zweite Stage des Tages startete vielversprechend in einem schönen Laubwald auf perfekten Waldboden mit einigen sehr schnellen und offenen Kurven. Gerade als ich mich so richtig freuen und die verhassten Serpentinen endlich als Teil der Vergangenheit abhaken wollte, wandelte sich der Trailcharakter aber um 180°: Es wurde steil und die Kurven wurden eng – richtig eng. Das liegt mir nicht und meinem defekten Arm schon gar nicht, denn das komplette Körpergewicht lastete alle paar Sekunden beim Anbremsen und Umsetzen komplett drauf. Dazu kam, dass außen immer fiese Felsen aus dem Boden ragten, sodass man mit dem Vorderrad weit innen aus der Kurve beschleunigen musste, was mir nicht immer gelang und zu einigen zusätzlichen Liegestützen auf dem Lenker führte. Gegen Ende der Stage war die Kraft dann komplett leer und ich hatte wieder einmal das Gefühl, das erste Mal in meinem Leben auf dem Rad zu sitzen … nichts ging mehr und das Stage-Ende konnte gar nicht früh genug kommen.
Nur ein paar Meter später standen wir in einem kleinen Ort – vorher passierten wir noch einen alten, ausgestellten Kampfjet – wo der nächste Shuttle auf uns wartete. Erst über eine reguläre Straße, später über einen extrem engen Schotterweg, an dessen Eingang explizit die Befahrung ohne Allrad-Antrieb ausgeschlossen wurde, den unser Ford Transit-Shuttlebus natürlich nicht hatte. Nach einer ruppigen Fahrt in der mir immer wieder die Augen zufielen stand ein längerer Transfer (wieder einmal in der knallenden Sonne) auf einem weiteren Schotterweg an. Ein kurzer, extrem loser, gerölliger und spaßiger Trail brachte uns dann zum eigentlichen Stage-Start.
Stage 19
Stage 19 startete auf einem alpinen Wanderweg, der immer wieder super lose Geröllhalden kreuzte. Anfangs gab es noch einige technischen Passagen und kleinere Uphills, danach wurde die Sache ganz schön schnell … richtig schnell. Der eigentliche Trail war zwar extrem schmal, man hatte jedoch eine breite Schneise gemäht, sodass die schnellste Linie meist einige Meter oberhalb des Trails im extremen Offcamber lang ging … und zwar wirklich, wirklich schnell. Zeit für eine Linienänderung war kaum, das Motto war definitiv Point-and-Shoot. Das gelang mir ziemlich gut, irgendwann tauchten jedoch einige sehr, sehr unvermittelte Haarnadel-Kurven auf. Die erste konnte ich noch 20-30 m wild schlitternd nehmen, beim Überholmanöver eines Fahrers war ich jedoch zu später auf der Bremse, sodass das Vorderrad wegging und der Lenker einmal durch den Boden gezogen wurde. Schnell auf, die bremse wieder ausgerichtet, beim Mitfahrer entschuldigt und schnell weiter … nur um festzustellen, dass der Lenker total krumm war. Anhalten? Hier mir war immer noch der Mitfahrer und ich hatte mich schwarz geärgert, dass ich versucht hatte meinen Platten an Tag drei zu flicken, statt einfach auf der Felge zu fahren, also einfach weiter. Das stellte sich als schwieriger raus als gedacht, außerdem war der Trail noch verdammt lang und ich ließ wieder einmal etwas Zeit liegen … schade, denn das Ding war ganz spaßig!
Das Ziel lag in einem Tunnel, nach dessen Durchquerung wir feststellten, dass wir aus einem trockenen Wasserkanal mitten in der Stadt herauskamen. Ein paar Meter die Straße runter standen wir wieder am Shuttle-Spot. Wieder ging es mit einem abgeranzten italienischen Ford Transit ohne funktionierendes Amaturenbrett einen ruppigen Schotterweg nach oben auf einen gottverlassenen Bergkamm.
Stage 20
Ein kurzer und gemächlicher Transfer mit zirka 100 hm brachte uns zum Trailstart. Derart aufgewärmt wurde nicht lang gefackelt und nach ein paar Minuten ging es schon los in die finale Stage des Tages. Uns wurde vorher von einem frisch angelegten Trail erzählt … doch die Vorstellungen der Organisatoren von Trailbau unterscheiden sich offensichtlich fundamental von den meinen. Das Ding startete ziemlich komisch und verblockt auf einer mit großen Steinen übersäten Wiese. Mein Arm war ganz schön platt und ständig bekam ich am Vorderrad von einem unsichtbaren Stein tierisch einen eingebaut. Dann wurde es auf einmal ordentlich steil, in der ersten Serpentine, die ich noch recht flott mit blockiertem Hinterrad fahren konnte überholte mich das von mir oben losgerissene Geröll. Wolfi bekam sogar einen Stein eine Serpentine später an den Kopf, der zum Glück aber ordentlich behelmt war. Ewig lange, steile und geröllige Graden führten in nicht weniger geröllige und super enge Schikanen … das ging ein paar Mal noch ganz gut, dann war die Kraft einfach weg und der Frust dafür ordentlich da. Am Ende war es für mich nur ein Kampf, nach unten zu kommen. Klar bin ich nicht so gut vorbereitet wie ich müsste und hätte in topfittem Zustand wohl etwas mehr Spaß gehabt … dennoch war der Trail für mich einer der schlechteren, an die ich mich in meinem Leben erinnern kann und nichts, was ich fit oder unfit nochmal fahren möchte.
Der finale Transfer führte uns gut 10 km größtenteils über einen sehr gerölligen und ausgesetzten Trail zurück an unseren Start-Ort, wo ein weiteres Bad im eiskalten Bergfluss hoffentlich den Arm und die Laune regeniert hat.
Fazit
Der vorletzte Tag begann gut und endete zum Glück endlich mal wieder defektfrei. Zwei von vier Trails bekommen von mir allerdings eher kein Güte-Zertifikat. Nur jemandem, der so richtig Lust auf ganz doll Beschleunigen, dann ganz doll Bremsen, Umsetzen und wieder doll Beschleunigen hat, kann ich derartiges Terrain ans Herz legen. Zum Glück haben die wahnsinnig beeindruckende Landschaft Südfrankreichs, die super Reisegruppe und einige dann doch ganz spaßige Trailpassagen dafür entschädigt!
Ergebnisse
Hier findet ihr alle Artikel zur Trans Provence 2019:
- Gregor in Gefahr bei der Trans Provence 2019: Warum tut man sich das eigentlich an?
- Gregor in Gefahr bei der Trans-Provence 2019 – Tag 6: Vamos a la Playa
- Gregor in Gefahr bei der Trans-Provence – Tag 5: Haarnadelkurven im Heuhaufen
- Gregor in Gefahr bei der Trans-Provence – Tag 4: Alter, wie gehst du denn ab?
- Gregor in Gefahr bei der Trans-Provence 2019 – Tag 3: Pffffft, Bummm, Autschi
- Gregor in Gefahr bei der Trans-Provence 2019 – Tag 2: Flucht vorm Gewitter
- Gregor in Gefahr bei der Trans-Provence 2019 – Tag 1: Heiß und schnell!
- Gregor in Gefahr bei der Trans Provence: Live-Berichte aus Frankreich
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