Ghost Lector 8 LC im Test: Steif, steifer, Ghost Lector – das im Jahr 2016 in den Handel gekommene Ghost Lector ist wohl eines der angriffslustigsten Cross Country-Hardtails auf dem Markt. Das Rad wurde auf den Renneinsatz der Ghost-Mädels optimiert. Unter den drei Topmodellen der Lector UC-Serie schickt sich das Lector 8 LC mit etwas schwererem Rahmen an, den High-End-Hardtails den Kampf anzusagen. Wie schlägt sich das 4000 €-Rad im Vergleich zu den drei anderen Hochkarätern im Testfeld?
Ghost Lector 8 LC – kurz und knapp
Das Ghost Lector 8 LC ist die Nummer vier in der Produktpalette des schnellen Hardtailklassikers Lector. Im Gegensatz zu den drei Topmodellen der Lector UC-Serie entschieden sich die Entwicker aus dem Hause Ghost, dem Lector 8 LC einen etwas modifizierten Rahmen zu verpassen, der ein geringes Mehrgewicht auf die Waage bringt. Die Geometrie bleibt jedoch bei allen Modellen dieselbe und so muss sich das Lector 8 LC mit einem durchdachten Ausstattungspaket nicht vor der harten Konkurrenz auf dem Hardtailmarkt verstecken.
- 29″ Hardtail mit 9,57 kg (Größe L)
- gleiche Rahmengeometrie wie das Weltcupbike der Ghost-Mädels – minimal schwerer
- steifer Rahmen mit interessanter abfahrtsorientierter Geometrie
- absenkbare Sattelstütze (Rock Shox Reverb)
- erhältlich in den Rahmengrößen XS, S, M, L (getestet), XL
Preis: 3999,00 € (UVP) | Bikemarkt: Ghost Lector 8 LC kaufen
Technische Daten
Geometrie
Die Geometrie des Lector 8 LC hebt sich gering von der Konkurrenz ab: Das Lector kommt ohne den aktuell so im Trend liegenden Boost-Standard daher; die Konstrukteure versuchten dennoch, die Agilität des Rades mit verkürzten Kettenstreben von 430 mm Länge so hoch wie möglich zu halten.
Gleichzeitig wurde das Ziel angestrebt, ein hohes Maß an Laufruhe auf dem Trail zu erreichen. Das Lector besitzt gemeinsam mit dem Radon Jealous den längsten Radstand im Testfeld. Erreicht wird dies beim Lector hauptsächlich durch ein verhältnismäßig langes Oberrohr. Der Lenkwinkel ist hardtail-typisch relativ steil mit 69,5°. Da der Fahrer durch einen leicht flachen Sitzwinkel von 73° und das lange Oberrohr weit nach hinten auf dem Rad positioniert wird, versuchten die Produktentwickler von Ghost, das Rad mit einem extrem kurzen Vorbau renntauglich zu machen.
XS | S | M | L | XL | |
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Sitzrohrlänge | 380 mm | 420 mm | 460 mm | 500 mm | 540 mm |
Oberrohrlänge | 581 mm | 596 mm | 611 mm | 626 mm | 637 mm |
Steuerrohr | 95 mm | 95 mm | 105 mm | 115 mm | 125 mm |
Lenkwinkel | 69,5 | 69,5° | 69,5° | 69,5° | 69,,5° |
Sitzwinkel | 73° | 73° | 73° | 73° | 73° |
Kettenstreben | 430 mm | 430 mm | 430 mm | 430 mm | 430 mm |
Radstand | 1084 mm | 1099 mm | 1115 mm | 1131 mm | 1142 mm |
Stack | 607 mm | 607 mm | 616 mm | 626 mm | 635 mm |
Reach | 395 mm | 410 mm | 423 mm | 435 mm | 443 mm |
Tretlageroffset | -60 mm | -60 mm | -60 mm | -60 mm | -60 mm |
Ausstattung
Trotz des niedrigeren Preises im Verhältnis zur Konkurrenz im Testfeld wirkt das Ghost Lector 8 LC nicht minderwertiger bezüglich der Auswahl der Komponenten. Insbesondere mit der absenkbaren Sattelstütze aus dem Hause Rock Shox hebt sich das Ghost von der Konkurrenz ab. Angetrieben wird das Lector LC 8 größtenteils von SRAMs ehemaliger Top-Gruppe XX1 inklusive des sehr leichten Race Face Next-Kurbelsatzes. Der Einsatz von der ‚alten‘ XX1 beruht unter anderem auf kalkulatorischen Gründen und der Gewichtsersparnis gegenüber der XX1 Eagle. Zudem sorgt die SRAM Guide RS-Bremse für die nötige Sicherheit auf den Trails.
Ein weiteres Highlight für Leichtbaufetischisten sind sicherlich die Tune Laufräder auf Basis der bekannten King & Kong Naben. Diese drücken auf der einen Seite das Gewicht des Rades enorm, andererseits könnten sie die nötige Steifigkeit vermissen lassen. Der sehr kurze Vorbau stammt wie der Kurbelsatz von Race Face, genauso wie der für XC-Verhältnisse sehr breite Lenker (740 mm). Kleine Details wie beispielsweise die ab Werk verbauten ESI-Griffe dürften Racer auf jeden Fall erfreuen.
Gabel | Rock Shox SID RL, 100 mm |
Steuersatz | Ghost 14432 |
Vorbau | Race Face Turbine 35 mm |
Lenker | Race Face Next 740 mm |
Griffe | Ghost |
Sattelstütze | Rock Shox Reverb Stealth 31.6 mm, innenverlegte Züge |
Sattel | SDG Circuit |
Schalthebel | Sram X1 SL, 1x11-fach |
Schaltwerk | SRAM XX1 11-fach |
Kurbelsatz | Race Face Next 32 Zähne |
Innenlager | BB92 |
Kette | Sram PC-X1 |
Kassette | Sram XG 1175 10-42 Zähne |
Bremsen | Sram Guide RS 180 / 160 mm Scheiben |
Laufräder | Tune King/Kong Naben & Tune Felgen |
Bereifung | Schwalbe Rocket Ron/Thunder Burt EVO 2.25" |
In der Hand
Das Ghost Lector 8 LC überzeugt optisch durch formschöne Kanten und Übergänge im Rahmen, auch die schlichte Farbkombination wirkt sehr gelungen. Beim Blick auf die Komponenten sticht selbstverständlich die absenkbare Sattelstütze ins Auge, die gerade unter Rennfahrern heiß diskutiert wird.
Bei langen Abfahrten spielt sie ihre große Stärke aus und verhilft insbesondere fahrtechnisch schwächeren Fahrern zu mehr Sicherheit. Jedoch gibt es auf den meisten Cross-Country-Strecken dieser Welt nur noch wenige lange Abfahrten – und gerade bei schneller Abfolge von Anstiegen und Abfahrten bedeutet das ständige Betätigen der Stütze, also das Absitzen und das anschließende Aufstehen, einen enormen Kraftverlust. Des Weiteren passiert es sehr oft, dass in Downhills sich der Fahrer für einen kurzen Zeitraum absitzen möchte, was dann aber bei abgesenkter Stütze nicht ideal ist.
Die etwas außergewöhnliche Geometrie mit langem Oberrohr inklusive eines regelrechten „Downhill-Cockpits“ wecken die Neugier, wie sich das Ghost Lector 8 LC auf dem Trail schlagen wird. Der Rahmen des Lector ist sehr gut verarbeitet und wirkt sehr hochwertig. Zudem überzeugt die Kabelführung, die mit gelungenen Abdeckungen den Schaltzug sowie Reverb- und Bremsleitung im Rahmen verschwinden lässt.
Auf dem Trail
Uphill
Steifigkeit vor Gewicht vor Komfort – so lautete die Devise der Entwickler von Ghost beim Lector-Rahmen. Und dies spiegelt sich auf dem Trail in genau dieser Form wider. Schon auf den ersten Metern wird klar, dass es mit dem Lector LC 8 nur ein Motto geben kann: Vollgas! Man spürt regelrecht, wie die Kraft aus den Beinen auf den Trail übertragen wird. Das Lector verdient es wirklich, eines der bissigsten Hardtails auf dem Markt zu sein.
Neben der Antrittsfreude konnte uns ebenfalls sehr rasch die Rahmengeometrie des Bikes überzeugen. Der breite Lenker und der sehr kurze Vorbau sind vor allem auf Uphillpassagen zuerst sehr gewöhnungsbedürftig, können nach kurzer Dauer allerdings überzeugen. Ansonsten findet der Fahrer bald eine angenehme Sitzposition auf dem Bike. Wird der Trail allerdings wurzelig oder steinig, wird es zeitweise sehr ungemütlich auf dem Lector. Der extrem steife Rahmen schüttelt den Fahrer richtig durch und sorgt dafür, dass jeder Schlag auf dem Trail fast ungefedert beim Fahrer ankommt. Auch die Montage von komfortunterstützenden Komponenten (Carbonsattelstütze, Carbonlenker und Carbonsattel) sorgen nicht wirklich für Besserung.
Dass das Lector 8 LC mit einer 1×11-Schaltung ausgerüstet ist, fällt im Traileinsatz kaum ins Gewicht. Die Schaltpräzision und Funktionalität der ‚alten‘ XX1 ist identisch mit der der XX1 Eagle. Und das große 50er-Ritzel bei der XX1 Eagle wird extrem selten benötigt.
Downhill
Im Dowhill kann das Ghost einen vermeintlichen Vorteil gegenüber der Konkurrenz ausspielen. Die absenkbare Sattelstütze hilft anspruchsvolle Passagen leichter zu meistern, jedoch profitiert – wie oben erläutert – nicht jeder Biker davon. Unter Umständen ist für XC-Rennfahrer eine Sattelstütze mit geringerem Hub eine Alternative. Das „Downhill-Cockpit“ ist für den Fahrer auch bergab im ersten Moment etwas ungewohnt, doch schon nach wenigen Ausfahrten kommen wir damit gut zurecht. Der breite Lenker in Kombination mit dem kurzen Vorbau verleiht dem Biker in schnellen Abfahrten ein sicheres Fahrgefühl. Nichtdestotrotz ist es für den Fahrer in verblockten Passagen zeitweise schwer, das Ghost Lector 8 LC sicher unter Kontrolle zu halten, da der sehr harte Rahmen die Schläge nur bedingt absorbiert und die Haltemuskulatur des Bikers, vor allem auch im Oberkörper, extrem beansprucht wird.
Überzeugen konnte uns das Ghost hingegen wieder in sehr engen Passagen und wendigen Streckenabschnitten. Trotz des langen Radstands zeigte es sich angenehm wendig und agil.
Die Rock Shox Sid RL leistet ihre Arbeit zeitweise etwas widerwillig und kann deshalb nicht ganz mit der Konkurrenz aus dem eigenen Hause (RS-1) und der Fox 32 Stepcast mithalten. Die SRAM Guide Bremsen verrichten hingegen fehlerfrei ihre Dienste. Insgesamt hängt es also sehr stark von persönlichen Vorlieben ab, wie das Lector 8 LC im Downhill wahrgenommen wird: Wer mit einer starken Haltemuskulatur daher kommt, kann sicher über die Abstriche in der Abfahrtsperformance, die in erster Linie von dem harten Rahmen herführen, hinwegsehen.
Haltbarkeit
Das Lector zeigte sich über den gesamten Testraum in Hinblick auf die Haltbarkeit unkompliziert. Einzig die Bremsbeläge mussten zum Ende der Testphase getauscht werden, was aber beim Dauereinsatz in sieben Monaten kaum verwundert. Insbesondere überzeugte einmal mehr die Präzision des SRAM-Antriebs bei dauerhaftem Einsatz. Auch die absenkbare Sattelstütze funktionierte stets einwandfrei.
Fazit – Ghost Lector 8 LC
Das Ghost Lector 8 LC polarisiert: Die Produktentwickler bei Ghost wagten beim Lector 8 LC einige außergewöhnliche Dinge und schlugen konstruktiv einen anderen Weg ein als die Konkurrenz. Das Herzstück des Bikes ist ein äußerst steifer und harter Rahmen, der einerseits mit einer hohen Antrittsfreude voll überzeugen kann, andererseits im Downhill Schwächen offenbart. Die serienmäßig verbauten Anbauteile sind für Rennfahrer im ersten Moment ungewohnt, können nach einigen Ausfahrten aber durchaus in der Praxis überzeugen. Letztendlich sollte allerdings auch der Preis in Betracht bezogen werden: Für 3.999 Euro erhält der Endkunde ein Racebike, das trotz der Abstriche durch den harten Rahmen auf den Rennstrecken dieser Welt in der Spitze mithalten kann.
Stärken
- extrem steif und antrittstark
- leicht
- gutes Preis-Leistung-Verhältnis
- (absenkbare Sattelstütze)
Schwächen
- auf dem Trail aufgrund des harten Rahmens eher unkomfortabel
- Performance der Federgabel
Testablauf
Hier haben wir getestet:
- Hometrails Schwäbische Alb
- Trailpark Nove Mesto pod Smrkem (Tschechien)
- Trails im Schwarzwald
- Trails in Ligurien (Italien)
- XC-Weltcupstrecke Albstadt
Wer hat getestet?
Tobias Sindlinger
- Körpergröße: 182 cm
- Gewicht: 73 kg
- Fahrstil bergab: zügig, stets bedacht mit dem Blick nach vorne auf die saubere Linie
- Fahrstil bergauf: gleichmäßig, über kurze Rampen meist im Wiegetritt
- Rennerfahrung: hauptsächlich XC (Bundesliga, internationale Rennen)
Gabriel Sindlinger
- Körpergröße: 183 cm
- Gewicht: 73 kg
- Fahrstil bergab: agressiv, mit Blick auf die Idealllinie, verspielt
- Fahrstil bergauf: antrittstark
- Rennerfahrung: Weltcup, Bundesliga, verschiedene Marathonrennen
Christian Schöllhorn
- Körpergröße: 183 cm
- Gewicht: 68 kg
- Fahrstil bergab: flüssige und meist saubere Linie
- Fahrstil bergauf: konstant bei langen Anstiegen, schnellkräftig bei kurzen Rampen
- Rennerfahrung: Bundesliga XC und XCE, Marathonrennen
Bernhard Mast-Sindlinger
- Körpergröße: 180 cm
- Gewicht: 72 kg
- Fahrstil bergab: kontrolliert, aber auch zügig
- Fahrstil bergauf: gleichmäßig, kontrolliertes und zügiges Tempo
- Rennerfahrung: Marathonrennen
Um euch den bestmöglichen und breitesten Testeindruck zu bieten, fahren immer mehrere Tester ein Bike. Im direkten Dialog stellen wir das richtige Setup sicher und dokumentieren in gemeinsamen Ausfahrten die Eindrücke. Dies stellt sicher, dass wir alle Eigenheiten eines Bikes in allen Bereichen beurteilen können.
Weitere Informationen
Hier findest du alle weiteren Artikel unseres Racehardtails-Vergleichstests 2017:
- Das beste XC-Hardtail 2017: Vier Rennmaschinen im Vergleichstest
- Bulls Black Adder im Test: Allrounder für den Renneinsatz
- Radon Jealous 10.0 SL im Test: Rennmaschine mit Neidfaktor
- Ghost Lector 8 LC im Test: Preis-Leistungs-Knüller für die Rennstrecke
- Scott Scale RC 900 im Test: Goldener Wolf im Schafspelz
Website: www.ghost-bikes.com
Text & Redaktion: Gabriel Sindlinger | MTB-News.de 2017
Bilder: Jens Staudt
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