Im Rahmen des 1000 Miles Bikepacking-Rennens haben die MTB-News-Leser Christian und Marcus verschiedene Produkte auf Herz und Nieren getestet – ebenfalls dabei natürlich zwei Bikes, von denen wir euch an dieser Stelle das Ghost H AMR von Marcus vorstellen möchten. Das Bike verfügt über 140 mm Federweg an Front und Heck, den Antrieb übernimmt ein Pinion-Getriebe, ein Nabendynamo versorgt eine USB-Schnittstelle mit Strom und ein eigens für das Rad konstruiertes Packtaschensystem stellt jede Menge Stauraum zur Verfügung. Durch diese Eckdaten soll sich das Ghost H AMR ideal für den Bikepacking-Einsatz in rauerem Gelände eignen. Hier gibt es Marcus‘ Testeindruck, der während des 1000 Miles-Rennens in Tschechien entstanden ist.
Steckbrief: Ghost H AMR
Einsatzbereich | Trail |
---|---|
Federweg | 140 mm/140 mm |
Laufradgröße | 27,5ʺ, 29ʺ |
Rahmenmaterial | Aluminium |
Website | www.ghost-bikes.com |
Das Ghost H AMR, umgangssprachlich auch „Hammer“ genannt, ist ein AM-Fully mit Abenteuergenen. Dies wird durch den robusten Aufbau mit Pinion-Getriebe, Nabendynamo inklusive in der Ahead-Kappe integrierter USB-Schnittstelle und Stahlfeder-Dämpfer verdeutlicht. Abgerundet wird das Konzept durch ein eigens auf das Rad abgestimmtes Gepäcktaschensystem. Das Ghost H AMR kann wahlweise mit 29“ oder 27,5″+ Laufrädern gefahren werden. Während unseres Tests kam sowohl ein Mix aus 29″-Laufrad an der Front und 27,5″+ Laufrad am Heck als auch ein klassischer Aufbau mit 29″-Laufrädern zum Einsatz. Verzögert wird mit SRAM Guide-Bremsen, als Federelemente kommen eine RockShox Pike-Federgabel mit 140 mm Federweg und ein Cane Creek DB Inline-Stahlfeder-Dämpfer zum Einsatz.
Geometrie
Das Ghost H AMR besitzt eine zeitgemäße Geometrie, die jedoch nicht versucht, das Rad neu zu erfinden. Kurze Kettenstreben mit 438 mm sollen für ausreichend Wendigkeit und Verspieltheit sorgen. Der Lenkwinkel fällt mit 67° eher moderat aus. Der Sitzwinkel ist mit 75.5° angegeben, der effektive Sitzwinkel kann jedoch bei weitem Sattelauszug spürbar flacher ausfallen.
Rahmengröße | S | M | L |
---|---|---|---|
Oberrohrlänge | 565 mm | 590 mm | 615 mm |
Lenkwinkel | 67° | 67° | 67° |
Sitzwinkel | 75,5° | 75,5° | 75,5° |
Steuerrohrlänge | 110 mm | 120 mm | 120 mm |
Sitzrohrlänge | 420 mm | 460 mm | 500 mm |
Tretlagerabsenkung | 38 nn | 38 mm | 38 mm |
Kettenstrebenlänge | 438 mm | 438 mm | 438 mm |
Radstand | 1144 mm | 1171 mm | 1196 mm |
Reach | 406 mm | 429 mm | 454 mm |
Stack | 614 mm | 623 mm | 623 mm |
Ausstattung
- Federgabel Rock Shox Pike RCT3 (140 mm)
- Dämpfer Cane Creek Double Barrel Inline Coil (140 mm)
- Antrieb Pinion P1.18
- Bremsen SRAM Guide RS
- Laufräder Custom Aufbau 29″/27,5″+ mit SP Hub Dynamo / Pinion H2.R Boost Naben
- Reifen Maxxis Minion DH
- Cockpit Race Face Atlas (800 mm) / Vorbau Race Face Atlas (50 mm)
- Sattelstütze RockShox Reverb Stealth (150 mm)
Im Detail
Das Ghost H AMR macht einen soliden und sehr stabilen Eindruck. Dies wird durch das Pinion-Getriebe und die großen Lager am Hinterbau unterstrichen. Das Pinion-Getriebe sorgt dabei für einen zentralen und tiefen Schwerpunkt und lässt das gesamte Rad sehr stimmig wirken. Der Rahmen bietet ausreichend Reifenfreiheit für Plusreifen, das gesamte Rad ist gut verarbeitet und die sauber innen verlegten Züge tragen zu einem aufgeräumten Gesamtbild bei. Ob die Verkabelung des Nabendynamos mit der USB-Schnittstelle langfristig sämtliche Malträturen unbeschadet übersteht, können wir zum jetzigen Zeitpunkt nicht beurteilen – während des Tests traten keine Probleme auf.
Das speziell entwickelte Ghost-Packtaschenystem konnte nur teilweise getestet werden, da es nicht vollständig zur Verfügung stand. Die einzelnen Taschen sind sehr robust, dafür aber eher schwer. Bei der Lenker-Rolle wären Abstandshalter zum Lenker wünschenswert, damit diese nicht mit den Bremsen kollidiert. Darauf wurde zugunsten der besseren und schnellen Demontierbarkeit – die Ghost-Packtaschen können zu einem Rucksack vereint werden, um das Rad auf dem Trail möglichst frei von Gepäck zu haben – verzichtet. Die Satteltasche kollidiert leider mit der absenkbaren Sattelstütze, bietet dafür allerdings viel Stauraum.
Auf dem Trail
Das Ghost H AMR X 9.7+ wird als „Backcountry“-Abenteuer-Bike für lange Touren an abgelegene Orte beworben. Das getestete Setup würde jedoch durchaus auch in die Enduro-Kategorie passen: Pinion-Getriebe, Nabendynamo sowie das von Ghost mitgelieferte Packtaschensystem geben hier den entsprechenden Abenteuer-Touch. Die klare Stärke des Getriebe-Bikes zeigt sich bergab: Hier vermittelt das Rad viel Sicherheit und Laufruhe, egal wie verblockt der Untergrund ist. Auf dem Trail macht sich das hohe Gewicht erstaunlicherweise wenig bemerkbar. Auch längere Tragepassagen von bis zu 700 Höhenmetern waren gut zu bewältigen. Hier ist erwähnenswert, dass das Ghost H AMR mit dem Oberrohr sehr gut eine stabile und angenehme Trageposition auf dem Rucksack einnimmt. Im Uphill neigt das Rad dazu, bei steilen Rampen eine unangenehmere Sitzposition einzufordern. Dies kam vermutlich deshalb so deutlich zum Tragen, da die hier getestete Rahmengröße L für die Schrittlänge des Testers an der Grenze lag. Dadurch wurde die Sitzposition negativ beeinflusst, während der flache Sitzwinkel die Situation nicht verbesserte. Eine absenkbare Gabel könnte hier Abhilfe schaffen.
Generell ist das H AMR eher ein Rad für gemütliche, ausgiebige Touren mit moderaten Anstiegen und gerne auch groben Abfahrten. Allerdings konnten wir im Laufe des Tests auch bis zu 2200 Höhenmeter am Stück damit bewältigen – wenn auch in gemütlicherem Tempo.
Der Hinterbau arbeitet ausgezeichnet und sensibel mit dem Cane Creek Inline-Stahlfederdämfer zusammen. Der Dämpfer zeigt sich im Vergleich zu Luftdämpfern auch als sehr unempfindlich gegenüber höhenbedingten Luftdruck- und Temperaturschwankungen, wie sie bei extremeren und ausgiebigen Touren gerne auftreten. Bei der verbauten RockShox Pike-Federgabel musste immer wieder der Luftdruck angepasst werden. Generell bietet das Fahrwerk umfangreiche Verstellmöglichkeiten, die jeden Wunsch erfüllen, jedoch am Anfang auch überfordern können. Die SRAM Guide RS-Bremsen erwiesen sich auch bei sehr lange Abfahrten als standfest und Fading sowie Druckpunktwandern traten nicht auf. Jedoch wäre insgesamt mehr Bremskraft wünschenswert, um die Handkräfte und damit auftretende Ermüdungserscheinungen zu reduzieren.
Ein Punkt, der bei der Verwendung als „Abenteuer-Bike“ generell ein Problem darstellen kann, sind exotische Standards und Komponenten wie das Pinion-Getriebe und die Nabe. So widerstandsfähig diese auch sein mögen: Tritt hier ein Defekt auf, ist die Tour zu Ende, was sehr ärgerlich sein kann. So kam es an der Hinterrad-Nabe nach drei Tagen zum Achsbruch. Der genaue Auslöser ging ursprünglich vom Freilauf aus. Die einzige Möglichkeit, unsere Tour fortzusetzen war der Tausch des gesamten Fahrrades. Des Weiteren neigte die von Ghost mitgelieferte Lenkerrolle dazu, im voll bepackten Zustand und bei vollem Einfedern der Gabel am 29″-Vorderrad zu schleifen. Mehr Befestigungsmöglichkeiten für Flaschenhalter wären ebenfalls wünschenswert, genauso wie Pufferakkus für die USB Schnittstelle des Nabendynamos. Nach Tausch des Hinterrades gegen ein 29″-Laufrad trat im Laufe des Tests beim Pinion-Getriebe Öl aus. Gegebenenfalls kann dies auf die schräge Lageposition bei Tragepassagen zurückgeführt werden, erfreulich ist dies jedoch nicht.
Das ist uns aufgefallen
- Bergab-orientiert Das Ghost H AMR vermittelt im getesteten Setup auch auf steilen und verblockten Trails viel Sicherheit.
- Hinterbau-Performance Der Hinterbau arbeitet ausgezeichnet mit dem Cane Creek Inline-Stahlfederdämpfer zusammen.
- Exotische Standards Mit Pinion-Getriebe und -Nabe ist man in den meisten entlegenen Gebieten, für die dieses Rad gedacht ist, von einer Ersatzteilversorgung abgeschnitten.
- Gewicht Nach einer gewissen Eingewöhnungszeit fällt das zusätzliche Gewicht, dass durch Pinion-Nabe, Stahlfeder-Dämpfer und den Nabendynamo verursacht wird, weder auf dem Trail noch im Uphill wirklich auf.
- USB-Schnittstelle Die verbaute USB-Schnittstelle kann ohne Pufferakku zu Problemen mit der Laderegelung von komplexeren Geräten wie Smartphones führen, da hier kein konstanter Ladestrom gewährleistet ist.
- Flaschenhalter-Aufnahmen Das Ghost H AMR besitzt nur eine Flaschenhalter-Aufnahme im Rahmendreieck, die gegebenenfalls durch eine Rahmentasche belegt wird. Hier wären mehr Montagemöglichkeiten wünschenswert.
- Niedriger Schwerpunkt Die Geometrie zusammen mit 27,5″+ Laufrädern führt zu einem niedrigeren Schwerpunkt, der sich auf dem Trail angenehm anfühlt, jedoch auch oft zu Pedalkontakt führte. Nach dem Umrüsten auf 29″-Laufräder trat dieses Problem nicht mehr auf.
- SRAM Guide RS-Bremsen Die Bremsen erwiesen sich auch bei sehr lange Abfahrten als standfest ohne Fading. Jedoch wäre mehr Bremskraft wünschenswert.
- Pinion-Getriebe Aufgrund der Verwendung von zwei Freiläufen – einem in der Nabe und einem im Pinion-Getriebe – ist der Leerweg zwischen den Einrastpunkten lang, was bei technischen Passagen unangenehm sein kann. Des Weiteren fiel trotz Kettenspanner in manchen Situationen die Kette ab. Hier wäre seitens Pinion die Verwendung von Narrow-Wide-Ritzeln wünschenswert.
Fazit – Ghost H AMR
Das Ghost H AMR ist bereits ab Werk bereit für Abenteuer und fürs Grobe. Unterstrichen wird dies durch die Ausstattung mit Nabendynamo, Pinion-Getriebe und das stabile Setup – gleichzeitig hat das H AMR auch reinrassige Endurogene. Umgekehrt ist das Ghost jedoch auch keine Bergziege und trotz annehmbarer Klettereigenschaften machen sich die mehr als 16 Kilogramm zuzüglich Gepäck bemerkbar. Dafür ist das H AMR für Enduro-Bikepacking ein idealer Begleiter. Das Zurückgreifen auf ein Pinion-Getriebe ist dabei Fluch und Segen zugleich: Durch den aufgeräumten und stabilen Antriebsstrang werden oft auftretende Schäden wie abgerissene Schaltwerke vermieden, bei unserem 1000 Meilen-Test erlitt die Nabe jedoch leider einen Achsbruch.
Pro / Contra
Pro
- "Out of the box" bereit für Abenteuer
- vermittelt viel Sicherheit im Downhill
- sehr gute Hinterbau-Performance
- verschiedene Laufradgrößen möglich und kombinierbar
- robuster Aufbau mit Pinion-Getriebe
- USB-Schnittstelle
- eigens verfügbares Packtaschensystem
Contra
- Gewicht und Klettereigenschaften
- exotische Anbauteile und Standards können im Schadensfall zum Ende der Tour führen
- Packtaschensystem nicht immer ideal
- mehr Flaschenhalter-Befestigungsmöglichkeiten wären für den Bikepacking-Einsatz wünschenswert
Testablauf
Das Ghost Ghost H AMR X 9.7+ AL wurde im Rahmen der 1000miles Bikepacking Challenge, die vom westlichsten Teil Tschechiens über 1.600 Kilometer und 39.000 Höhenmeter bis zum östlichsten Teil der Slowakei geht, getestet. Aufgrund eines Totalausfalls der Pinion-Hinterradnabe konnte jedoch nur die Hälfte der Strecke über sechs Fahrtage mit dem Rad zurückgelegt werden. Zusätzlich wurde das Rad in den Ostalpen für 13.000 Höhenmeter im hochalpinen Gebiet sowie auf Stuttgarter Flowtrails getestet.
Hier haben wir das Ghost H AMR getestet
- Teils verblockte und teils flowige Mittelgebirgstrails entlang der Deutsch-Tschechischen und der Polnisch-Tschechischen Grenze (Erzgebirge, Böhmische Schweiz, Isergebirge, Riesengebirge, Adlergebirge, Gebirge Jeseniky und Beskiden)
- felsige und oft verblockte Alpentrails
- heimische Flowtrails.
Testername: Marcus Brennenstuhl
Körpergröße: 187 cm
Gewicht (mit Riding-Gear): 87 kg
Schrittlänge: 94 cm
Armlänge: 63 cm
Oberkörperlänge: 58 cm
Was fahre ich hauptsächlich: Trail, Enduro, Bikepacking, XC/Marathon
Vorlieben beim Fahrwerk: Gabel und Hinterbau progressiv
Vorlieben beim Rahmen: Hohe Front
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