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Heiß und kalt
Wie sich die Gehrig-Twins auf die neue Saison vorbereiten

Zuhause schmilzt allmählich der Schnee, und wir melden uns zurück aus der Winterpause. Diese nutzten wir nicht nur, um uns mit genussvollen bis schweißtreibend-schmerzhaften Trainingseinheiten auf die kommende Saison vorzubereiten. Die eine oder andere Sause mit Freunden gehörte zum mentalen Reset ebenfalls dazu. So starten wir dieses Jahr einmal nicht mit einem Race-Blog, sondern geben euch einen Einblick in unser Training, wenn Frau Holle die Bergwelt unter Kontrolle hat.

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Es ist keine neue Erkenntnis, dass im Winter die Basis einer erfolgreichen Rennsaison gelegt wird. Doch ein Einheitsrezept gibt es dafür nicht. Die Voraussetzungen könnten unterschiedlicher nicht sein. So führen viele Wege nach Rom – im Idealfall zu Ruhm und Ehre sowie absoluter Dominanz ;-). Wie ihr vielleicht auf unseren Social-Media-Kanälen mitbekommen habt, verbringen wir den größten Teil der kalten Jahreszeit im Schnee. Das ist unausweichlich, wenn man in den Bergen lebt. Trotzdem bekommen wir uns fit für die Enduro World Series!

# Skitouring ist unser Winter-Enduro, harter Anstieg und maximaler Spass bei der Abfahrt
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Die Analyse: hart aber ehrlich

Nach der vergangenen Saison haben wir einiges umgekrempelt. Dies beinhaltete unter anderem die Zusammenarbeit mit unserem neuen Coach, Arno Galmarini von Elite Training. Also ran an die Geräte und … nein, so schnell nicht! Denn bevor wir uns wieder ins Training stürzten, wurden wir intensiv auf unsere Leistungsfähigkeit, aber ebenso auf unsere physischen Schwachstellen getestet. Und da gab es das eine oder andere ernüchternde Resultat in der Beweglichkeit sowie der Stabilität. Unsere Verletzungen haben ihre Spuren hinterlassen.

# Mit Coach Arno Galmarini haben wir wertvolle neue Inputs in unser Training erhalten

Nicht alles war aber schlecht. Die anschliessenden Spyroergometrie-Tests, um unsere VO₂max-Werte zu ermitteln, brachten gute Resultate hervor. Doch wäre ein Coach kein richtiger Coach wenn Kommentare wie „Schaut gar nicht so schlecht aus – da holen wir aber noch mehr raus“ ausbleiben würden. Und mit Lob alleine verbessert man sich nicht.

Mit kleinstmöglich mentalem Energieverlust das Maximum herausholen

Was für manche wie ein Rätsel aus der Algebra-Stunde klingt, bedeutet für uns: wenig externer Stress. Möglichst wenige Reisen unternehmen, damit wir viel Zeit Zuhause haben – Zuhause bei unseren Freunden, aber auch bei perfekten Trainingsbedingungen. Coach und Gym, Physiotherapie und Massage, Langlauf-Loipen und Möglichkeiten zu Skitouren: alles liegt in nächster Nähe. Auch die Annehmlichkeit im eigenen Bett zu schlafen, leckeres und gesundes Essen zu kochen und überhaupt einfach einem mehr oder weniger geregelten Trainingsalltag nachzukommen, ziehen Caro und ich vielen oder langen Trainingsaufenthalten im wärmeren Ausland vor.

# Food - spielt eine zentrale Rolle im Athleten Leben, ausgewogen, gesund sein und schmecken soll es
# Gut Essen = schneller erholen, wir schwören dabei auf die Schweizer Winforce Produkte

Das weiße Zeug, des Mountainbikers Feind?

Schnee haben wir während dieser Wintersaison zur Genüge bekommen. Für einige Mountainbiker ist er die weiße Pest. Wir lieben ihn und für uns bietet der Schnee eine willkommene Abwechslung zum Sommertraining, zumal wir direkt am Skigebiet Flims/Laax wohnen. An Trails fahren ist in dieser tief verschneiten Landschaft beim besten Willen nicht zu denken. Auch auf kalte Füße und einen nassen Po vom Rennradtraining können wir verzichten. Vor einigen Jahren hatten wir einen großen Teil unseres Trainings auf Schnee verlegt. Rund um unser Zuhause eröffnen sich schier endlose Möglichkeiten, Skitouren zu gehen. Einen schönen Berggipfel erklimmen ist Balsam für die Seele und bestes Ausdauertraining in einem. Und nicht selten werden wir mit geilen Powder-Abfahrten belohnt – Gesichtskrämpfe vom Grinsen inklusive. Was will man mehr?

# Piz Beverin mit den Mädels und Balz als Skitourenguru. Zusammen mit unseren Freunden auf eine grosse Tour zu starten ist immer das Größte

Unsere Bikes wollen wir aber trotzdem nicht im Keller verstauben lassen. Ganz ohne Kurztrips in den nahen Süden geht es dann eben doch nicht. Das Bike-Handling erhalten ist für uns enorm wichtig. Glücklicherweise dauert unsere Reise nach Finale Ligure keine fünf Stunden. Dort setzen wir jeweils auf Qualität statt Quantität und daher mehrheitlich auf Shutteln, um effiziente Downhillruns zu machen statt stundenlang hochzutreten. Letzteres müssen wir dank der vielen Skitouren auch nicht extra trainieren. Das winterliche Radtraining zuhause ist nur noch kurz und bezieht sich auf intensive Einheiten.

Detaillierter Trainingsplan statt Handgelenk mal Pi

Um das Training möglichst effizient zu gestalten, erhalten wir von Arno jeweils detaillierte Wochenpläne. Jedes Training ist aufgelistet und nach Möglichkeit in der vorgegebenen Reihenfolge zu absolvieren. Ich muss zugeben: wir hatten vor der Zusammenarbeit mit Elite Training unsere Vorbehalte, denn gerne trainierten wir zuvor etwas „freestyle“ und arrangierten uns so, wie es gerade passte. Doch rückblickend ermöglichte es uns, mit deutlich weniger schwesterlichen Reibereien durch den Winter zu kommen. Die Frage „Was machen wir morgen? Skitour, Gym, Langlauf oder doch lieber Klettern?“, wurde uns mehrheitlich abgenommen und das ist eine wahre Hilfe in unserem Alltag.

# Ohne Fleiß kein Preis

Rückschläge gehör(t)en dazu

Das vergangene Jahr war kein einfaches für uns: Zwei gebrochene Handwurzelknochen, eine zerschnittene Hand sowie eine gebrochene Rippe im März 2018 sowie ein Loch im Knieschleimbeutel im Juli gehen auf mein Konto. Caros Liste ist leider etwas länger. Eine große Platzwunde an der Hüfte und eine gebrochene Rippe gab es im Februar 2018 sowie einen Becken- und Kreuzbeinbruch im Juni. Der gebrochene Finger im August stand dann am Ende ihrer letztjährigen Pechsträhne.

# Da hatte Caro noch zu lachen, Operation Nummer 1
# Der gebrochene Finger vom Sommer musste später gerichtet werden

Die Verletzungen hinter uns zu lassen war unser primäres Ziel. Für mich ist das ganz gut gelaufen. Caro hingegen musste ihren Finger wegen des schlechtem Heilungsverlaufes während der Offseason gleich zweimal operieren lassen. Just als sie kurz nach Jahresbeginn die Fixierdrähte entfernen lassen konnte, stürzte Caro erneut. Das Resultat: Ein gebrochener Handwurzelknochen, der operiert werden musste.

# Operation Nummer 3 Winter 2018:19 - Der gebrochene Handwurzelknochen musste verschraubt werden

Der Bruch ist nun verheilt und Caro konnte trotz gewisser Einschränkungen gut trainieren – auch dank unseres Coaches! Arno hatte spezifische Übungen ausgearbeitet, die sie trotz Orthese gut absolvieren konnte – ein wichtiger Motivations-Booster für mein Schwesterherz während ihrer Rekonvaleszenz. So, nun packen wir dieses leidige Thema in die Schublade und arbeiten daran, damit wir künftig von solchen Zwischenfällen verschont bleiben.

Geteiltes Leid ist gedritteltes Leid

Als Zwillinge trainieren wir selten alleine. Doch gerade während der zähen Stunden im Gym, durften wir unsere Trainingsschmerzen mit unserer guten Freundin, der schweizer Downhill-Meisterin Carina Cappellari, teilen. Und das ist auch jetzt, wo die Saison angelaufen ist, besonders wertvoll. Denn wenn man lieber draußen wäre können die Stunden im Gym auch mal weniger motivierend sein. Sich gegenseitig über die vom Training verkrampften Mimen lustig zu machen, hilft der Stimmung ungemein.

# Schlitten schieben oder „Sled Push“ gehört zu den spaßigeren Übungen

Unser Aufbau über den Daumen gepeilt, inklusive Fachchinesisch

Während einer typischen Aufbauwoche absolvierten wir zwei mal ein „High CNS Workout“ und zwei mal ein „Low CNS“ mit anschließenden Intervallen auf dem Spinningbike. Unsere Ausdauereinheiten beinhalteten zweimal Skitouren gemischt mit Langlauf, Jogging und Yoga. Den Startschuss in die Woche macht die „General Physical Preparation Phase“, kurz GPP. Hier geht es darum, die generelle Fitness und die „Work Capacity“ zu verbessern, um den Körper auf die intensiveren und spezifischeren Einheiten vorzubereiten. Diese Phase nutzen wir auch, unsere funktionellen Dysbalancen (z. B. von Fehlstellungen oder alten Verletzungen) abzuarbeiten.

# Deadlifts mit Crossgriff, eine der zentralen Übungen um die Greiffkraft zu verbessern

In der „Special Physical Preparation Phase“ (SPP) arbeiten wir in mehreren Zyklen immer spezifischer fürs Endurofahren. Dabei werden Trainingseinheiten in zwei Intensitäts-Kategorien unterteilt, High und Low CNS (CNS steht für Central Nervous System). Im High-CNS-Training (hohe Belastung des zentralen Nervensystems) geht es vor allem um Schnell- und Maximalkraft, ausgeführt mit Sprints auf dem Bike, Sprüngen oder Ballwürfen.

In den Low-CNS-Einheiten arbeiten wir am bioenergetischen System, also der Energiebereitstellung. Dazu trainieren wir Intervalle und längere Ausdauereinheiten. Solche beanspruchen das zentrale Nervensystem deutlich weniger. Der Trick dieser Separation liegt darin, dass die High-CNS-Einheiten möglichst weit auseinander liegen, da das zentrale Nervensystem länger braucht, um sich vollständig zu erholen.

Das empfiehlt Coach Arno

Was trainiert wird, kommt immer darauf an, was ein Sportler mit sich bringt – egal ob Profi oder Amateur. Grob gesagt sind die Antworten aus den folgenden Fragen maßgebend, um einen Trainingsplan zu erstellen: Wie viel Trainingserfahrung hat ein Athlet? Welche Verletzungen hat oder hatte er? Welche Sportart betreibt er und wo steht sein momentanes Leistungsniveau, aber auch – was sind seine limitierenden Faktoren, um die bestmögliche Performance abzurufen?

Mountainbiker haben die Tendenz, das Krafttraining zu vernachlässigen. Als Amateur würde ich darauf achten, in der Offseason mindestens zwei Mal pro Woche im Gym an der körperlichen Fitness zu arbeiten. Während der Saison mindestens einmal, um die Fitness aufrecht zu erhalten.

# Im Dezember herrschen bei uns zu Hause meistens die schlechtesten Trainingsbedingungen, wenig Schnee und kalte Temperaturen
# Ein typischer Gran Canaria Trainingstag - all about the Basemiles! Gar nicht so einfach in dem bergigen Gelände
# Gran Canaria - Full Roadie!

Krafttraining hat positive Auswirkungen auf die Verletzungsprophylaxe, die Effizienz beim Treten, die Kraftübertragung und die Ermüdung. Vor allem die Ermüdung ist interessant. Man stelle sich folgendes Beispiel vor: Anfangs tritt man mit 50 Kilogramm Kraft in die Pedale. Durch Krafttraining können wir den Wert beispielsweise auf 70 Kilogramm erhöhen. Doch erreichen wir nicht nur einen größeren Kraft-Output auf die Pedale sondern auch, dass ich bei 70 Kilogramm auch eine geringere Anzahl an Muskelfasern beanspruche. So kann die Ermüdung verzögern werden, in anderen Worten: Man hat mehr Reserven. Und wer hätte nicht gerne mehr Reserven, um noch einen Uphill und dann eine Abfahrt mehr anzuhängen?

Ich hoffe, wir konnten euch hiermit einen spannenden Einblick in unser Trainingsalltag geben. Falls ihr Fragen habt, nur zu: Wir versuchen, diese zu beantworten!

Folgt uns auf Instagram: @anitagehrig @caro_gehrig

Wie bereitet ihr euch auf die Saison vor?

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