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Gefahren
Santa Cruz Nomad C

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Aus dem Karton

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Schön schaut’s aus, das Nomad C. Die Form des Rahmens ist ziemlich beeindruckend, so viel lässt sich sagen – aus Aluminium wäre sie undenkbar, aus Kohlefasern hingegen ist sie in einem Stück möglich. Im Grunde besteht der Rahmen nur aus zwei Teilen, die über zwei Wippen miteinander verbunden sind. Dabei hat man von der Chance, das Material so zu verteilen, wie man es gern möchte, offensichtlich Gebrauch gemacht – der Steuerrohr-Bereich ist extrem voluminös ausgeprägt, ebenso der Bereich um das Innenlager. Das Oberrohr ist dabei für mehr Schrittfreiheit abgesenkt, was direkt in den Rahmen integrierbar ist, wurde auch integriert: Die Dämpferaufnahme wächst förmlich aus dem Unterrohr, die Kettenführungsaufnahme nach ICGS05 ist Teil des Rahmens und auch die Drehpunkte liegen alle formschlüssig platziert, auf die Optik wurde bei diesem Bike definitiv geachtet. In den Sitzstreben finden sich Aussparungen für mehr Reifenfreiheit, in der rechten Kettenstrebe eine Vertiefung für den Kettenstrebenschutz und ein formschlüssiges Metallplättchen zum Schutz vor Chain-Sucks – Carbon macht’s möglich. Ebenfalls aus Kohle: Der obere Umlenkhebel, der sich, das kennzeichnet den patentierten VPP-Hinterbau, andersrum dreht als sein unteres Pendant. Der macht dafür, mal abgesehen von Achsen und Schrauben, den einzigen nicht-Kohlefaser-Anteil aus, denn sogar die Ausfallenden inklusive Bremsaufnahme sind aus Kohle. (Ich gestehe, das austauschbare Schaltauge rechts gehört auch irgendwie zum Rahmen…)

Wer dann auf den Rahmen klopft, der hört kein blechernes klingen, sondern ein eher dumpfes, hohles „klock klock“, was selbst dem Laien deutlich macht: Kein Alu, kein Metall, hier ist ein Verbundwerkstoff am Werk. Das wäre zwar mit bloßem Auge auch an den fehlenden Schweißnähten und ungewöhnlichen Formen zu erkennen, ansonsten hält sich die Faser aber sehr dezent zurück: Nirgends ist Sichtgewebe vorhanden, das Nomad ist von oben bis unten in einen matten, weißen Lack getaucht, darauf schwarze Grafiken. Der Matt-Look erinnert mich an diverse Luxus-Karossen, die für mehr Individualität ebenfalls auf Glanz verzichten. Die schwarze Version des Bikes dürfte einen regelrechten Batman-Look ergeben, ziemlich hochwertig in jedem Fall.

Was lässt sich zur Konstruktion des Bikes sagen?

Das Steuerrohr fällt logischerweise auch überdimensioniert aus, One.Five-Coladose mit integriertem Steuersatz oben, die untere Lagerschale baut extern für mehr Steifigkeit durch größere Kugeln und mehr Freiheit für die Gabelkrone. Durch dieses Steuerrohr-Maß lassen sich sowohl 1 1/8″ Gabeln als auch Tapered Modelle fahren. Ansonsten fallen alle Maße gewöhnlich aus – keine Steckachse, sondern 135X10mm, kein überdimensionales Innenlager, 73mm hier. Gefedert wird per hauseigenem VPP, das verspricht Downhill-Gene vom großen Bruder V10, auch wenn hier „nur“ 165mm Federweg bereitgestellt werden. Kontrolliert werden sie von einem Fox DHX Air 5.0 in den Maßen 216X63,5mm, wodurch sich ein vernünftiges Übersetzungsverhältnis ergibt. Das Sitzrohr ist durchgehend gerade gehalten, was eine volle Sattelstützen-Versenkbarkeit verspricht, zusätzlich finden sich unter dem Oberrohr Zugführungen für eine Teleskopstütze. Die Zugführung ist ingesamt ordentlich gelöst, zumindest ist sie so vorgesehen – an unserem Testrad lief die Leitung zweimal unnötig außenrum, das lässt sich aber leicht beheben.

Der Aufbau des Testrades: Sehr funktionell, aber unspektakulär: Das Fahrwerk wird durch eine Rock Shox Lyrik RC2DH mit 160mm Federweg vervollständigt, das Laufrad kommt Preis-Leistungs optimiert aus dem Hause DT Swiss: 340er Naben mit 500er Felgen, Maxxis Highroller in 2.35″ und 60A Maxxpro Mischung sorgen für den Halt zum Untergrund. Geschaltet wird mit Shimanos XT Gruppe 3X10fach, die nötige Verzögerung gewährleistet eine Avid Elixier CR mit 185mm/160mm Bremsscheiben. Der Fahrerkontakt wird durch Truvativs AKA Vorbau, einen Easton Haven Lenker, Thomsons Elite Sattelstütze und einen WTB Sattel hergestellt.
Die spannende Frage: Wo bleibt die Waage stehen? Nirgends finden sich übertrieben teure oder fragwürdig haltbare Leichtbauteile, also…? Ohne Pedale zeigt sie 13,15kg, mit Pedalen 13,6kg – das ist ziemlich beeindruckend. Denn wenn man überlegt, was wäre wenn… auf der Basis des Nomad C ließe sich ohne Probleme ein 12,5kg, vielleicht sogar 12kg Enduro aufbauen, das für alles zu haben ist. Dieser Test soll aber die Frage klären: Was kann der Rahmen? Wie fühlt sich ein Carbon Enduro an, das keine Einschränkungen bei 2,55kg Rahmengewicht verspricht?

Um diese Fragen zu klären, waren wir mit dem Nomad in den Voralpen und den Isarauen, sind bei Sonnenschein und Schnee, tags und nachts durch Schnee, Matsch und Laub gefahren – hier unser Erfahrungsbericht:

Ausfahrt

Das Setup des Bikes braucht ein wenig Zeit. Dabei ist es weniger die Gabel, die sich anhand der Drucktabelle schnell abgestimmt hat, Zug- und 2fach verstellbare Druckstufe brauchen nicht viel Rumprobieren, sondern mehr der Hinterbau: Das Phänomen dürften Fahrer von Fox DHX kennen: Der Druck in der Bottom Out Kammer variiert die Endprogression, gleichzeitig kann dies auch noch durch das Volumen der Kammer beeinflusst werden. Zwar haben beide Funktionen einen unterschiedlichen Effekt, doch beeinflussen sie sich gegenseitig, was die Sache nicht ganz leicht macht. Davon abgesehen funktionieren Dämpfer und Hinterbau ab dem ersten Meter seidenweich. Den Machern von Santa Cruz hätte ich es zugetraut, einen Sag-Indikator stilsicher unterzubringen, ich konnte jedoch keinen entdecken und nahm mit dem Gummiring auf dem Dämpfer Vorlieb. Der VPP will mit relativ viel Sag gefahren werden, um die 30% fühlten sich optimal an.

Beim ersten Aufsitzen fühlte sich jeder, der es probiert hat, sofort wohl: Die Geometrie ist einfach bequem – das nicht zu lange Oberrohr in Kombination mit dem Sitzwinkel von 71°, sich erstmal in den Sag setzen und die Sache passt.
Also los auf die erste Ausfahrt, es gilt einen 500hm Anstieg über steile Spitzkehren zu bewältigen. Die Route ist mir unbekannt, aber der Kollege Rockie meint, als wir die erste richtig steile Rampe erreichen nur: „Na, wann steigste ab?“ So herausgefordert will ich natürlich nicht absteigen, und als er später selbst absteigt und hinzufügt „Hier steigen alle ab. Bis auf ein, zwei Tiere…“ gebe ich alles drum, auch zu einem Tier zu werden. Doch das ist eigentlich gar nicht nötig: Die tiefbauende Front und der eher steile Sitzwinkel lassen die Front auch ohne absenkbare Gabel nicht abheben, ich bemerke, dass der in meinen Augen eigentlich überflüssige 1. Gang doch seinen Verwendungszweck hat und schaffe es – wenn auch mit einigem Zähne zusammen beißen – bis oben – ohne abzusteigen. Das niedrige Gesamtgewicht und die entspannte, zentrale Haltung haben es sicher vereinfacht. Der Hinterbau bleibt beim Pedalieren im Sitzen nahezu völlig ruhig, im Wiegetritt lässt sich aber auch VPP zum Schaukeln anregen. Für alle die das stört, hat der Dämpfer seine ProPedal-Plattform parat, damit lässt sich jedes antriebsbedingte Wippen eliminieren. Aprospos Schaukeln: Wer auch bergauf nicht auf Forstpisten ausweichen will, sondern auf Trails unterwegs ist: Hier werden viel Federweg und Sag von Zeit zu Zeit zur Schwierigkeit: Bergauf über Wurzeln tretend kam der Hinterbau von Zeit zu Zeit ins Schaukeln, dann noch bei niedriger Geschwindigkeit das Gleichgewicht zu halten ist schwierig, ProPedal erleichtert die Sache.

Insgesamt verdient die Federung das Prädikat „Antriebsneutral“, was sich insbesondere auf flachen Trails auszahlt. Auf der klassischen Isarrunde beschleunigt das Bike leichtfüßig, schluckt Wurzeln souverän und komfortabel und macht auch im Sitzen viel Spaß. Einziges Manko des sehr soften Hinterbaus: Um kleine Bodenwellen und Hügel am Wegesrand für Sprungeinlagen zu nutzen, braucht es überdurchschnittlich viel Einsatz für den gewohnten Effekt. Die Federung saugt einfach viel lieber, als dass sie Bodenkontakt verliert. Bei diesem Thema sei erwähnt: Bodenkontakt der Pedale ist äußerst selten, dafür liegt das Innenlager mit 355mm (+10) eindeutig zu hoch. In der Ebene macht dieses Rad also eine gute Figur, auch wenn das Fahrwerk für solche Einsätze natürlich überpotent ist.

Begeben wir uns deshalb in die Disziplin, die das Nomad mir Bravour beherrschen sollte: Die Abfahrt. Die Gabel bleibt hierfür unverändert, der Dämpfer wird entfesselt und die Sattelstütze versenkt – so der Plan, schließlich ist das Sitzrohr durchgängig gerade. Doch der Rahmen besteht eben nicht aus Rohren, und deshalb ist das Sitzrohr, korrigiere, dass das Sitzrohr repräsentierende Carbonteil, kein perfektes Rohr und es Bedarf unangenehm viel Kraft, die Sattelstütze an der Stelle vorbeizuschieben, wo sich der Zuganschlag für den Umwerfer befindet. Konzentrieren wir uns aber auf das Fahrerlebnis: Der Trail wird langsam steiler und wir gewinnen an Geschwindigkeit, es folgen weite Kurven, Wurzeln, noch mehr offene Kurven – hier ist das Rad in seinem Element: Mir fällt kein Rad dieser Klasse ein, was trotz schmaler Reifen (Maxxis 2.35″ ist einfach nicht viel) so satt liegt und sich leichtfüßig von Kurve zu Kurve schmeißen lässt, Mann macht das Teil Laune! Dabei überraschte mich auch die Laufruhe des Bikes, denn mit 112cm ist der Radstand nicht sonderlich lang, und der Lenkwinkel von 67.5° gilt inzwischen schon fast als steil. Warum das Rad trotzdem einfach gut läuft: Die Kettenstreben sind ordentlich lang, und ganz ehrlich: Die Federung harmoniert klasse.

Danach wird der Trail ruppiger, die Kurven bleiben aber weit und der Speed erhalten. Hier kann das Fahrwerk wirklich zeigen, was es kann und der großzügig dimensionierte Sag zahlt sich voll aus, wenn es darum geht, auch in tiefere Löcher nicht viel Schwung liegen zu lassen. Dadurch fällt es leichter schnell zu fahren, zumal die Geometrie geradezu dazu animiert, aggressiver unterwegs zu sein. Bei solchen Ritten fiel die Kette zwar nur überraschend Selten von ihrem angestammtem Platz, Zwecks Bodenfreiheit und absoluter Sicherheit wäre es aber doch sinnig, die ICGS-Aufnahme zu verwenden und das große Kettenblatt gegen einen Bashguard zu ersetzen, selbst wenn das Innenlager nicht gefährlich tief liegt.

Noch weiter unten wird der Trail steiler, noch verblockter und langsamer, insgesamt auch steiniger. Immer noch absorbiert das Bike die Stöße sehr komfortabel, ich fühle mich aber nicht mehr so pudelwohl wie noch wenige Minuten zuvor. In sehr steilem Gelände ist der Nomade nicht mehr ganz zuhause, er zieht lieber weiter, anstatt sich mit technischen Steilstufen und hakeligem Geläuf herumzuschlagen. Das liegt an der niedrigen Front (Das Steuerrohr misst gerade einmal 11cm, dazu ein integrierter Steuersatz oben), dem eher steilen Lenkwinkel (wir haben 67.5° gemessen) und dem recht hohen Tretlager. Diese Sitzposition bringt viel Druck aufs Vorderrad, wird es jedoch zu steil, hängt man zu sehr über dem Vorderrad. Um in Spitzkehren das Hinterrad zu versetzen, muss man sich an den vielen Sag gewöhnen, dann geht auch dieses Manöver gut, aber prädestiniert ist das Bike dafür nicht.

Weiter unten wird der Trail wieder verspielter, es finden sich einige Drops und echte Sprünge. Für solche Späße ist das Santa Cruz gut zu haben, das Fahrwerk bietet Reserven en Masse und schlägt nur bei äußerst stumpfen Landungen durch. Wenn es gilt, das Vorderrad aus langsamer Fahrt über Kanten zu schieben, gilt aber das gleiche wie beim spontanen Abdrücken an kleinen Wellen: Die langen Kettenstreben (445mm!) und das weiche Setup lassen das Rad nicht von selbst aufs Hinterrad wandern, nach etwas Eingewöhnung stellt das aber kein Problem dar. Ob wir bei Drops und Sprüngen Sorgen ums Material hatten? Ganz klar: Nein. Das Nomad C fühlt sich einfach nicht so an, als müsste man sich darum sorgen machen. Wer die Dimensionierung des Rahmens gesehen hat, weiß, warum er so steif ist und wird diesem Teil vertrauen.

Ausklang

Zunächst einmal: Respekt an die Kollegen von Santa Cruz. Mit dem Nomad C haben sie ein klasse Enduro einfach unglaublich leicht gemacht, ohne dabei ein Rad zu kreiieren, was sich zerbrechlich anfühlt. Steve Peat, Josh Bryceland, Greg Minaar – sie alle antworten auf die Frage, welches Bike sie behalten würden, wenn es nur eines sein dürfte: „Das Nomad“ – sicher, die Kerle werden auch von Santa Cruz gesponsort, aber dennoch zeigt es: Das Nomad ist ein uphillfähiges Enduro mit starken Downhill-Genen. Der Hinterbau ist richtig schluckfreudig, in kurvigen, nicht zu anspruchsvollen Passagen ist das Bike die Macht. Wird es richtig schnell, dürfte das Tretlager gerne tiefer und der Lenkwinkel flacher sein, was auch in vertridemäßigem Geläuf nicht von Nachteil wäre. Hierfür ist aber eigentlich der Hinterbau zu gut und zu soft. Wenn man das Nomad noch optimieren kann, dann in Richtung Downhill und mit einem minimal kürzeren Hinterbau in Richtung verspielt. Wer jedoch nicht auf den Spuren von Harald Philipp unterwegs sein will, sondern ein leichtes, exklusives Bike für jede Art von Tour – gleich ob bergauf, in der Ebene oder bergab – sucht, der wird das Nomad Carbon lieben. Dieses Bike wird seinen Fahrer zu mehr Geschwindigkeit, mehr Aggressivität und mehr Spaß verleiten.

3 Highlights:
+ Leicht, steif, stabil
+ Potenter Hinterbau, dennoch antriebsneutral
+ Weiter Einsatzbereich

3 Lowlights:
– Preis!
– Sitzrohr nicht ganz rund
– Allround-Eignung hat Grenzen beim Vertriden

Geometrie:

– In Deutschland und Österreich über Shock-Therapy
– Nur via Fachhandel
– Farben: Schwarz-Weiß und Weiß-Schwarz
– Größen: S – XL (Gefahren: M mit 430mm Sitzrohr, 580mm Oberrohr (horizontal))
– Preise: 3129€ / 3419€ (Mit Monarch, mit DHX Air 5.0)

Kurzes Video mit vielen Kurven:

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