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Test Enduro-Federgabeln #7
Formula ThirtyFive – eigenwillige Italienerin

In keinem anderen europäischen Land ist der Mountainbike Enduro-Rennsport so populär wie in Italien. Da wundert es kaum, dass ein italienischer Kulthersteller wie Formula aus Prato nicht lange auf sich warten lässt und diesen „heimischen“ Markt bedienen möchte. Mit der ThirtyFive bringen die traditionsreichen Italiener ihre erste Enduro-Federgabel auf den Markt.

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Mit einer einstellbaren Low-Speed-Druckstufe, einem LockOut sowie einer über das Luftkammervolumen einstellbaren Federkennlinie soll die Gabel ideal auf die individuellen Wünsche des Fahrers einzustellen sein – beste Voraussetzungen für den Renneinsatz. Wir haben die schlanke Italienerin auf die Probe gestellt. 


# Formula ThirtyFive: mit schlanken 1.812 Gramm möchte die Italienerin besonders interessant für Racer sein. 

Zum Produkt: Formula ThirtyFive

Mit einem sensationell leichtem Gewicht von nur 1.812 Gramm ist die Formula ThirtyFive hinter der einfach aufgebauten X-Fusion Sweep die zweitleichteste Gabel im Test. Erstaunlich ist, dass die Formula trotz ihres geringen Gewichts zahlreiche Einstellmöglichkeiten bietet: Über den Ölstand (mitgeliefertes Ballistol) in der Luftkammer lässt sich die Progression der Federkennlinie anpassen. Die Dämpfungskartusche bietet externe Einstellmöglichkeiten der Low-Speed-Druckstufe, der Zugstufe sowie einen LockOut. Alles in allem beste Voraussetzungen für eine fähige Enduro-Gabel. Besonders interessant dürfte auch sein, dass Formula mit dem Neukauf einer Formula ThirtyFive zweimal kostenfreien Gabelservice anbietet.

Überblick


# Feine Rasterungen an allen Einstellknöpfen.

# Die Verarbeitung der Formula ThirtyFive lässt keine Fragen offen. 

Handhabung

Die Formula macht einen sehr wertigen Eindruck, dennoch gestaltet sich die Bedienung etwas gewöhnungsbedürftig. Beispielsweise die Achse: Ihr Hebel lässt sich um 180° umklappen – was aber genau gar nichts bewirkt. Auch wenn es den Anschein macht, so dient der Hebel nicht zum Vorspannen der Achse, stattdessen hat er lediglich die Funktion, den Hebel beim Drehen am Gabelcasting vorbei bewegen zu können. Durch Herausziehen lässt sich der Hebel in 60°-Schritten in seiner Position verändern, um ihn nicht gegen die Fahrtrichtung zeigen zu lassen. All das, um am Ende lediglich ein Gewinde ein – und auszuschrauben.

Bei unserer Testgabel versagten dann zu allem Überfluss auch noch beide Mechanismen: Der Hebel ließ sich weder zurückklappen noch entfernen – das Vorderrad ließ sich nicht mehr ausbauen. Erst mit Gewalt und Werkzeug gelang es, den Hebel umzulegen. Grund: Die Kugel, die den Hebel arretieren soll, hatte sich ins weiche Alu gefressen und einen Grat gebildet. An einer 999-Euro-Gabel leider ziemlich enttäuschend.

Die Einstellknöpfe sind klein, aber akzeptabel bedienbar. Der Einstellbereich der Zugstufe ist so breit aufgestellt, dass man die Gabel nahezu komplett am Ausfedern hindern kann. Dennoch dauert die Einstellung und scheint immer ein Kompromiss zu bleiben. Anhaltspunkte zur Einstellung des richtigen Luftdrucks sind auf dem Cabelcasting aufgeklebt. Wie wir im Testverlauf jedoch feststellen mussten, sollte man sich jedoch nicht auf die Luftdruck-Empfehlungen des Herstellers verlassen – wir empfanden die Luftdruck-Empfehlungen generell als zu hoch.

Die Einstellung der Endprogression gelingt durch eine kleine Spritze mit Öl. Leider lässt sich kaum herausfinden, wie viel Öl gerade in der Gabel ist – da heißt es akribisch Buch führen und exakt arbeiten, da es um nur wenige Milliliter geht.


# Wie der Name schon sagt, bietet Formulas ThirtyFive 35 mm starke Standrohre.

Fahreindruck der Formula ThirtyFive

Mario

Um es gleich zu Anfang auf den Punkt zu bringen: die ThirtyFive ist aus meiner Sicht eine der besten Gabeln im Test. Mit keiner anderen Gabel (außer der Manitou Mattoc) konnte ich so gelassen die Linie halten, selbst bei Bedingungen, bei denen andere Fahrer schon nach einem DH-Bike verlangen. Auch wenn einige meiner Kollegen mit der Zugstufe haderten, so konnte ich keine Schwächen feststellen. Zwar fühlt sich die Gabel wirklich etwas anders an als die anderen Modelle im Test, doch genau das macht wohl den entscheidenden Unterschied aus. Soweit ich es erfühlen konnte, bietet die Formula eine ausgesprochen gute Federwegsrückgewinnung im Beginning- und Mid-Stroke-Bereich.

Ein Nachteil ist die etwas schwache High-Speed-Druckstufe, da das Fahrverhalten bei hohen Geschwindigkeiten und groben Schlägen doch noch ein wenig undefiniert war. Die werksseitig auf 78 kg Fahrergewicht ausgelegte Progression der Federkennlinie war nach meinem Empfinden für die Trails in Finale ausreichend, kann aber je nach Belieben über den Ölstand in der Luftkammer angepasst werden.


# Nutzte ihren Federweg perfekt aus: die Formula stellte den versprochenen Federweg auch zur Verfügung.

Stefanus

Gleich zwei Dingen erstaunen mich nach dem ersten Blindtest mit der Formula auf den flowigen Wurzel-Wald-Trails auf heimischen Boden (bis dahin noch unwissend über Hersteller und Modell): „Die Gabel arbeitet wirklich überraschend gut – das hätte ich von so einem Billigmodell nicht erwartet. Aber leider stimmt etwas mit der Zugstufe nicht,“ berichte ich Maxi, als ich nach einer Stunde von der Testfahrt zurückkomme. Nach dem Test wird Maxi mich aufklären, dass es gar nicht die vermutete „Billiggabel“ von X-Fusion war, sondern die ThirtyFive von Formula, die ich da eingebaut hatte.

Meine Eindrücke bleiben natürlich dieselben: Egal wie ich die Zugstufe eingestellt habe, sie war entweder zu langsam nach tiefen Kompressionen oder zu schnell bei mittleren Schlägen. Darunter leidet die Traktion und der Komfort, zumindest bei meinem Fahrstil. Dadurch empfand ich die Gabel als etwas knöchern und holprig, eben nicht so agil und satt wie andere Gabeln im Test. Die Druckstufe funktionierte unauffällig, aber leider bei kleinen Schlägen nicht sanft genug, um das Rad am Boden kleben zu lassen. Das geringe Gewicht, der Lock-Out und der intern bis 100 mm reduzierbare Federweg lassen die Formula für den All-Mountain-Einsatz prädestiniert erscheinen.


# Nutzt den Federweg ohne durchzuschlagen: dank des mitgelieferten Öls lässt sich die Progression der Gabel über das Luftkammervolumen einstellen.

Markus

Die neue Formula überrascht gleich im ersten Jahr mit einer sehr guten Leistung. Die schöne und sehr leichte Gabel begeistert mit einem sehr feinen Ansprechverhalten und ist auch im Allgemeinen sehr schluckfreudig. Sie ist zwar nicht die straffeste Gabel im Test, zeigt sich aber sehr komfortabel. Überraschenderweise zeigte die Zugstufe bei langsamer Fahrweise eine schlechtere Performance als bei hohen Geschwindigkeiten.

Der Performance-Unterschied von Trail zu Trail – abhängig vom Grundspeed und der Bodenbeschaffenheit – war bei keiner Gabel so groß wie bei der Formula ThirtyFive. Während man ruppige Steinfelder rasant hinter sich lassen konnte, verlangte die Gabel bei langsameren, technischen Trail-Passagen nach einem sehr sauberen Fahrstil. Wirklich störend empfand ich jedoch nur die lauten Dämpfungsgeräusche beim Ausfedern, die trotz FullFace-Helm deutlich zu hören waren.


# Erstaunlich war die laute Geräuschkulisse der Formula Dämpfungskartusche – selbst unter dem FullFace war zu hören wir die Gabel arbeitet.

Allgemeiner Eindruck

Bei keiner Gabel waren sich die Tester so uneins über die Performance und das daraus resultierende Fazit wie bei Formulas ThirtyFive. Markus, der gerne mit wenig Druckstufendämpfung und einer eher progressiven Federkennlinie unterwegs ist, kam mit der Formula bestens zurecht. Auch Mario war mit der Gabel hochzufrieden, da er besonders die Spurtreue der Gabel lobte, was auf eine sehr gute Traktion dank einer ausgereiften Zugstufendämpfung zurückzuführen ist.

Weniger glücklich waren Jens, Maxi und Stefanus – sie empfanden die Gabel teilweise und vor allem bei langsameren Trail-Passagen als unsensibel. Dennoch mussten auch Jens und Maxi feststellen, dass anspruchsvolle Linien mit der Formula besonders bei hohen Geschwindigkeiten und auch in rauem Terrain sauber und präzise zu treffen waren.

Da die High-Speed-Druckstufe recht schwach ausfällt, empfiehlt es sich, die Formula mit einem kleinen Luftkammervolumen für viel Progression zu fahren. In Kombination mit rund 25% SAG, einer weit geöffneten Zugstufe und einer minimal geöffneten (zwischen 4 und 6 Klicks) Low-Speed-Druckstufe erzielte die Gabel für Maxi und Mario ihre beste Leistung. Mit diesem SetUp war die Gabel für einen breiten Einsatzbereich sehr gut gewappnet. Wie sich herausstellte, bedarf es bei der Formula besonders viel Zeit und Aufwand das passende SetUp zu finden.


# Keine Zeit verlieren: Beim Extrem-Test in Finale Ligure wurden die Gabeln noch an Ort und Stelle der Trail-Ausfahrten aus- und eingebaut.


# Selbstversuch: Kommen im Blindtest andere Ergebnisse ans Licht? Unsere Erkenntnis: Nein – aber viele Tester erwarteten andere Gabeln unter der Abdeckung. 

Wen spricht die Gabel an?

Was die Performance der ThirtyFive anbelangt, ist die Gabel der ideale Begleiter für „Jedermann“. Egal ob man lieber auf flowigen Waldboden-Trails oder durch garstige Steinfelder fährt, die Formula lässt sich mit etwas Zeitaufwand auf beide Bedingungen anpassen. Leider bedarf es viel Zeit und Fachkenntnis, bis man der Formula über das richtige SetUp die beste Performance entlocken kann. Weniger schnelle Fahrer sollten auf jeden Fall mit mindestens ca. 25% SAG fahren, um eine feines Ansprechverhalten zu gewährleisten. Die schwache High-Speed-Druckstufe dürfte sich bei einem weniger aggressiven Fahrstil nicht so bemerkbar machen.

Durch die besonders gute Traktion vermittelt die Formula viel Sicherheit, was jedem Fahrer sehr gelegen kommen dürfte. Durch die große Einstellungsbandbreite (ausgenommen High-Speed-Druckstufe) dürfte die Gabel mit etwas Arbeit auch für schnelle Fahrer sehr interessant sein.


# Sieht zwar schön aus, ist zum Einstellen jedoch nicht das Non-Plus-Ultra: die Einstellknöpfe der Formula könnten besser zu bedienen sein. 

Fazit – Formula ThirtyFive Test

Es scheint, als sei der ThirtyFive in ihrer italienischen Heimat viel Temperament eingehaucht worden – keine Gabel im Test zeigte sich so eigenwillig wie die hübsche Italienerin. Im direkten Vergleich zu anderen Gabeln bedurfte es einem deutlich umfangreicheren Einstellungsaufwand, bis wir das persönlich favorisierte SetUp gefunden hatten. Wer sich diese Zeit nicht nimmt, läuft Gefahr, die ThirtyFive bei „normaler“ Fahrweise schnell als unkomfortabel zu empfinden. Wenn das ideale Setup gefunden ist, funktioniert die Formula sehr gut und das bei einem sensationellen Gewicht. Nur die Bedienung, insbesondere der Steckachse, enttäuschte.

Pro:

Contra:

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Harte Fakten zur Formula ThirtyFive

Ermittelte Werte:

Erhältlich in/mit:

Informationen:

Die übrigen Tests der Endurogabel-Testreihe:

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