Fizik Antares Versus Evo 00 Adaptive: Die italienische Firma Fizik bringt als Erste einen Seriensattel aus dem 3D-Drucker auf den Markt. Unsere Kollegen von Rennrad-News.de konnten das Top-Modell schon Probefahren, welches für 390 € in den Handel kommt. Hier erfahrt ihr, wie sich das Satteldesign der Zukunft anfühlt – und wie sich der Fahreindruck vom Specialized-Sattel mit der gleichen revolutionären Carbon 3D-Technik unterscheidet.
Fizik Antares Versus Evo 00 Adaptive: Infos und Preise
Mit Fizik und Specialized stürzten sich gleich zwei Größen in der Sportsattel-Produktion auf die vielversprechende Technik. Deren Vorteil gegenüber Schaumstoff, der sonst Sättel polstert, ist eine nahezu freie Gestaltung der Nachgiebigkeit, der Rückstellkräfte oder der Durchlässigkeit der Satteldecke aus elastischem Kunststoff. Nun geht Fizik als erster Hersteller mit dem Sattel (genauer: der auf eine bestimmte Sattelform und bestimmte Fahrertypen abgestimmten Satteldecke) aus dem 3D-Drucker auf den Markt. Hier findet ihr eine detaillierte Erklärung des 3D-Druck-Verfahrens.
- Satteldecke aus Carbon 3D-Druck (Digital Light Synthesis)
- mehr und genauere Entlastungszonen als bei Schaumstoff
- Sattelschale und Gestell aus Carbon
- Breiten 139 mm / 146 mm
- Länge 274 mm
- Höhe bei 75 mm Breite 54 mm
- Gewicht 156 g (gewogen, 139 mm)
- www.fizik.com
- Preis 390 € (UVP)
Auspacken
Positiv fällt beim Auspacken auf: Der erste Fizik-Sattel mit Adaptive-Technik kommt vollständig in recyclebarer Kartonage verpackt. Schiebt man die erste Hülle in Sattelfarbe beiseite, weist Fizik sehr deutlich auf die Zukunftstechnik hin. Die darin gefertigte Satteldecke hat in etwa die Farbe, wie die im selben Verfahren hergestellte Sohle der Adidas Futurecraft 3D-Sneaker. Nennen wir es einen blassen Celeste-Ton – ein deutliches Unterscheidungsmerkmal zum schwarzen Specialized-Produkt.
Zukunftstechnik
Tatsächlich verwenden Kalifornier und Italiener verschiedene Basismaterialien. Die Oberfläche des italienischen Modells ist offener und fühlt sich glatter an. Im Inneren spielt sich aber das Gleiche ab: Unterschiedlich ausgeprägte Zellen erzeugen nahtlos ineinander übergehende Zonen verschiedener Nachgiebigkeit. Das Geheimnis, wie gut sich der Sattel später anfühlt, liegt in der Gestaltung dieser Zonen. Anders gesagt: in der Übersetzung von Daten aus Satteldruck-Analysen in Gitterstrukturen.
Die Freiheit bei der Gestaltung ist auch eine Herausforderung für die Entwickler. Alex Locatelli, Produktmanager bei Fizik, verbrachte einen Monat beim Hersteller Carbon 3D in Kalifornien, um die eigenen Befunde aus Satteldruck-Analysen in reale Formen zu übersetzen. In der Auswertung der Sitzpositionen und Druckverteilung auf dem Sattel arbeiteten die Italiener mit dem britischen Bikefitter Phil Burt zusammen, der unter anderem auch das ehemalige Team Sky und British Cycling betreute. Fertige Prototypen wurden gesponserten Pro-Teams (unter anderem Ineos, Movistar und Jumbo-Visma) und Amateuren zum Testen gegeben. Feedback floss wieder in neue Prototypen ein. Insgesamt haben rund 20.000 Testkilometer in dem Sattel gesteckt, bevor der Aufbau der Satteldecke feststand, sagt Locatelli.
Für Locatelli bedeutet der Carbon 3D-Druck eine Revolution in der Sattel-Entwicklung. „Wir haben 120 verschiedene Prototypen auf ihr Auswirkungen auf verschiedene Fahrer testen können, das wären in der herkömmlichen Produktionsmethode etwa 18 Jahre gewesen“, sagt der Produktmanager. Die Idee, man könnte in absehbarer Zeit individuelle Sättel direkt beim Bikefitter bekommen, sieht Locatelli noch nicht in naher Zukunft realisierbar. Das schon allein, weil die Bedienung des 3D-Druckers gewisse Herausforderungen beinhalte.
In der Hand
In der Hand fühlt sich der neue Fizik Antares mit Adaptive-Technik zunächst leicht an: 156 g sind spürbar leichter als der Durchschnitts-Sattel mit seinen 220 bis 300 g. Neugierig macht das Material, erstmal mit dem Daumen etwas darauf herumzudrücken. Und tatsächlich spürt man eigentlich unmittelbar verschiedene Zonen. Ganz am Ende der Sitzfläche ist alles etwas weicher, tastet man sich weiter vor, dahin wo wohl die Sitzhöcker platziert werden, verlangt das löchrige Polster deutlich mehr Druck und wirkt flexender. Wieder ein Stück weiter zur Sattelnase wird es wieder weicher, um sich dann zur Sattelnase hin wieder zu verfestigen. Da wir schon einmal beim Drücken und Tasten sind, biegen wir auch noch kräftig an der Carbonschale herum. Die gibt kaum nach. Und auch die Streben lassen sich mit bloßen Händen nicht zum Flexen bringen. Ihre geschwungene, geschlossene Form (Moebius) soll für eine gute Gewichtsverteilung sorgen.
Montage
Bei der Montage holen die 7 x 9 mm messenden Carbonstreben den Adaptive-Nutzer zurück in den Bereich der begrenzten Möglichkeiten. Warum, ist in der Bedienungsanleitung klar vermerkt: Die Klemmung der Sattelstütze muss zu der Rundung der Streben passen. Auch muss der Klemmbereich die Streben auf einer gewissen Breite abstützen. Die Carbonstreben des Fizik Antares Adaptive-Sattel besitzen dabei keine Markierung für den Verstellbereich. Damit gilt der Hinweis, dass die Klemmung mit einem deutlichen Abstand zur Krümmung der Streben erfolgen muss. Welche Sattelstützen-Typen passen ist hier vermerkt. Ansonsten ist der Sattel wie gewohnt zu montieren. Fizik empfiehlt, mit einer waagerechten Ausrichtung zu beginnen und den Winkel von da an den persönlichen Bedürfnissen anzupassen. Das resultierte für uns in einem leicht nach vorn geneigten Setup.
Fahreindruck
Die Oberfläche des Fizik Adaptive-Materials gibt sehr guten Halt, ohne zu griffig zu wirken – perfekt!
MTB Sattel Test: Das Specialized-Pendant, den S-Works Power Mirror-Sattel, konnten wir als Prototyp bereits testen. Wie fährt sich also der revolutionäre Fizik-Sattel – auch im naheliegenden Vergleich zum Prototyp der Kalifornier? Der bestimmende Eindruck zuerst: sportiver. Drängte sich beim Specialized-Sattel das Gefühl einer neuen Art von Komfort auf, fühlt sich der Fizik-Sattel mit Adaptive-Technologie auf den ersten Metern gewohnter, aber keineswegs unkomfortabel an – beide Sättel wurden mit identischen Bibs genutzt. Das mag einerseits an der dünneren Lage 3D-Druck-Mesh liegen. Andererseits setzt der Fizik Antares Versus Evo auch schon bei der formgebenden Sattelschale aus Carbon anders an: Er übernimmt die bei XC-Mountainbikern beliebte Antares-Form. Und die gibt es in zwei – im Vergleich zum Specialized Sattel – schmaleren Breiten. Die schmale Version, die im Fahrtest war, fällt 4 mm schmaler aus als der gefahrene Specialized-Sattel und liegt damit mehr im Bereich dessen, was unser Tester sonst fährt.
Mehr als ein erster Eindruck lässt sich über beide Sättel bis jetzt nicht wiedergeben. Die Fizik-Testrunde auf dem Rennrad führte über 56 km mit einer zirka 10 Minuten langen Tempogeraden im Unterlenker und Anstiegen bis 21 % Steigung. Dabei fiel uns nach dem anfänglich straffen Sitzgefühl auf, dass das übliche Druckgefühl im Laufe der Fahrt weniger zunahm, als von unseren anderen Sätteln gewohnt. Die durchgehende Entlastungszone verhinderte Druckgefühl im Dammbereich sehr wirkungsvoll, die sichtbare Kante ist sitzend nicht bemerkbar. Auch die Sattelspitze ist weit bequemer, als sie aussieht. Sie bot für die genannten 10 Minuten Tempobolzen eine komfortable Position.
Apropos: Die vergleichsweise schmale Sattelnase lässt auch Fahrern mit kräftigen Oberschenkeln genug Raum. Insgesamt sitzt man mehr auf als im Sattel – letzteres war beim Specialized-Modell der prägende Eindruck. Die Oberfläche des Fizik Adaptive-Materials gibt sehr guten Halt, ohne zu griffig zu wirken – perfekt! Laut Fizik wird der Rohling aus dem 3D-Drucker nach der Entnahme noch einmal einer Laserbehandlung unterzogen, um der Oberfläche die gewünschte Beschaffenheit zu geben.
Über das Sitzklima bei Wärme lässt sich bei den hiesigen Testbedingungen um 10° C wenig sagen. Es wird aufgrund der luftigen Unterseite vermutlich besser sein als beim herkömmlichen Polstersattel. Die Art und Weise, in der der Sattel Unebenheiten von der Fahrbahn glättet, ist vergleichbar mit gut dämpfenden normalen Modellen. In der Summe der bisher erfahrenen Eigenschaften ist der Fizik Antares Versus Evo 00 ein sehr vielversprechender Sattel für Vielfahrer – mehr werden wir an dieser Stelle berichten, wenn wir ihn entsprechend viel gefahren sind.
Haltbarkeit
Um die Haltbarkeit des Materials zu testen, soll der Sattel bereits alle Fizik-Tests durchlaufen haben. Dazu zählen Tests auf UV-Beständigkeit, eine Klimakammer, in der Temperaturen von -10 bis +70° C simuliert werden und Abriebfestigkeit – auch im Verhalten gegenüber Bib-Stoffen.
Die offene Struktur legt nahe, dass sich Schmutz in den Zellen dauerhaft festsetzen könnte. Einen ersten Drecktest absolvierte unser Testsattel klaglos. Nach einem ausgiebigen Schlammbad ließen wir ihn einen Tag eintrocknen. Im Anschluss ließ sich der getrocknete Matsch unter dem Wasserhahn, also mit geringem Druck, abwaschen. Ananda Day von Carbon 3D sagte bei der Vorstellung der Technik, sie wasche ihre Futurecraft Sneaker mit einem kühlen Waschgang in der Waschmaschine (30° C). Das sollte im Zweifel auch den Sattel restlos reinigen.
Fazit – Fizik Antares Versus Evo 00 Adaptive
Fizik übernimmt die Pionierrolle, einen Sattel mit der 3D-Druck-Technik der Firma Carbon 3D auf den Markt zu bringen. Der Antares Versus Evo 00 Adaptive nutzt die Chancen der Technik für einen Sitzcharakter, der besonders Vielfahrer und sportliche Fahrer ansprechen wird. Im ersten Test kann vor allem die hervorragende Druckverteilung überzeugen – Langstrecken-Tests stehen allerdings noch aus. Auch das niedrige Gewicht spricht für den Fizik Adaptive-Sattel. Preislich ordnet sich die neue Technologie dort ein, wo sie erwartet wurde. Spannend wird es, wenn sie an Modelle mit weniger aufwendigen und teuren Sattel-Unterkonstruktionen weiter gereicht wird. Wir hoffen, dass der Prozess bei Sätteln wie bei Schaltgruppen läuft: schrittweises Durchreichen in günstigere Regionen.
Pro / Contra
Stärken
- gefühlt hervorragende Druckverteilung
- alle Sattelbereiche profitieren
- flexibel in verschiedenen Positionen nutzbar
- perfekter Halt auf dem Sattel
- leicht
Schwächen
- hoher Preis
- Sattelgestell aus Carbon passt nicht zu jeder Stütze
Was sagt ihr zur neuen Polster-Technologie von Fizik? Könnte das etwas für den eher schlammigen MTB-Sport sein?