Am Wochenende geht es rund in Val di Sole: Auf der wohl härtesten Strecke des Jahres wird die Downhill-Weltmeisterschaft 2021 ausgetragen. Wer sind die Favoriten und Favoritinnen im Kampf um Gold, Silber und Bronze? Wir wagen einen Blick in die regenbogenfarbene Kristallkugel!
Zum dritten Mal in der Geschichte findet eine Downhill-WM in Val di Sole statt. Und schon jetzt steht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit fest: Zum dritten Mal wird es eine enorm spektakuläre Weltmeisterschaft. Alles andere wäre eine Überraschung, wenn man die schnellsten Fahrer*innen der Welt auf die wohl härteste und extremste Strecke der Welt loslässt. 2008 konnten sich Gee und Rachel Atherton im Tal der Sonne durchsetzen (was man schnell vergessen hat, denn eigentlich ging es bei der WM 2008 nur um den auch heute noch immer unglaublichen Run von Sam Hill …), 2016 feierte Mondraker einen Dreifach-Erfolg bei den Männern mit Danny Hart ganz oben auf dem Podest. Bei den Frauen konnte sich erneut Rachel Atherton durchsetzen, die dieses Jahr aber aufgrund der Geburt ihrer Tochter Arna definitiv nicht am Start sein wird. Wer sind die Favoriten und Favoritinnen auf Gold, Silber und Bronze? Wir machen den WM-Check!
Frauen: So spannend wie nie?
Legen wir mit der Frauen-Kategorie los, denn so spannend wie hier war es wohl lange nicht. Das verrät schon ein Blick auf die World Cup-Gesamtwertung: Myriam Nicole und Camille Balanche liegen hier mit identischer Punktzahl auf Platz 1, beide konnten jeweils ein Rennen für sich entscheiden. Für Camille Balanche spricht die Konstanz, welche die Schweizerin in dieser Saison an den Tag legt: Kein Rennen beendete sie schlechter als auf Rang 3 – zudem ist sie amtierende Weltmeisterin und liebt technische, anspruchsvolle Strecken. An einem guten Tag ist Myriam Nicole allerdings nur schwer zu schlagen. Die Französin ist zudem eine der erfahrensten Fahrerinnen im Feld und konnte ebenfalls schon eine Weltmeisterschaft für sich entscheiden.
Auch dahinter geht es mehr als eng zur Sache – gleich mehrere Fahrerinnen dürfen sich berechtigte Chancen auf eine Medaille oder gar Gold machen. Vali Höll konnte auch in diesem Jahr immer wieder zeigen, wieso sie schon jetzt als eine der besten Downhillerinnen gilt. Gelingt es ihr, von oben bis unten einen sauberen und schnellen Run ins Ziel zu bringen, könnte sie am Ende ganz oben stehen. Marine Cabirou ist gerade von einer Verletzung zurückgekehrt – sie konnte nicht nur die World Cup-Gesamtwertung 2020 für sich entscheiden, sondern stand auch in Val di Sole bereits ganz oben auf dem Podest.
Dann wäre da noch Tahnée Seagrave. Die schnelle Britin mit den auffälligen Outfits konnte 2018 in Val di Sole den World Cup gewinnen und hat auf einer Vielzahl von Strecken bewiesen, dass sie zu Recht eine der Stars der Szene ist. Auch 2021 stand sie schon ganz oben auf dem Podest. Mit Monika Hrastnik und Eleonora Farina treten dazu noch zwei gar nicht mal so geheime Geheimfavoritinnen an – gerade die Italienerin muss man auf dem Schirm haben, da sie nicht nur die harte Strecke in Val di Sole liebt, sondern kürzlich in Maribor fast den ersten World Cup-Sieg ihrer Karriere geholt hätte.
Aus deutscher Sicht ganz besonders spannend: Wie wird sich Nina Hoffmann schlagen? Die Santa Cruz-Fahrerin ist nach einem eher durchwachsenen Saison-Auftakt in Les Gets schwer gestürzt und musste deshalb auf einen Start in Maribor verzichten. Die Verletzung an der Schulter war aber glücklicherweise nicht so schwerwiegend, wie zunächst angenommen – sie dürfte in Val di Sole wieder dabei sein. Wenn sie ihr volles Potenzial abrufen kann, dann ist sie definitiv eine Kandidatin für eine starke Platzierung.
Männer: Frankreich vs. Großbritannien vs. G.O.A.T.
Bei den Männern dürfte es auf ein Duell zwischen Frankreich und Großbritannien hinauslaufen – wenn nicht ein gewisser Südafrikaner, der auf die 40 zugeht, etwas dagegen hat. Der Ausgang beim Rennen der Männer ist sehr offen. So konnte kein Fahrer mehr als einen World Cup in diesem Jahr gewinnen.
Blickt man auf die aktuelle World Cup-Gesamtwertung, dann dürfte Thibaut Daprela der Favorit sein. Als einziger Fahrer war der Franzose in jedem Rennen konstant schnell – sein schlechtestes Ergebnis waren bis dato zwei zweite Plätze in Leogang und in Maribor. Auf knallharten und brutal schnellen Strecken kommt er ebenso zurecht wie in technischen Sektionen oder bei Nässe. Gibt es also etwas, was gegen den jungen Commencal-Fahrer spricht? Wenn überhaupt, dann seine fehlende Erfahrung. In Val di Sole ist er bisher nur als Junior Rennen gefahren. Andererseits hat er letztes Jahr bei seiner ersten Elite-WM in Leogang auch lange Zeit auf Medaillen-Kurs …
Eine mehr als beeindruckende Performance hat Loris Vergier in Maribor abgeliefert. Dem Trek-Fahrer liegen schnelle, technische anspruchsvolle Strecken, die einen leichtfüßigen Fahrstil erfordern. Und mit ein bisschen mehr Glück (oder weniger Pech?) hätte er jetzt wohl schon deutlich mehr als 4 World Cup-Siege in seinem Lebenslauf stehen. Gegen den Franzosen sprechen allerdings die bis dato nicht besonders herausragenden Ergebnisse bei Weltmeisterschaften.
Wenn jemand weiß, wie man Weltmeisterschaften gewinnt, dann eindeutig Loïc Bruni. Vier der vergangenen sechs WM-Titel konnte sich der Specialized-Star sichern – eine unfassbare Bilanz! Ein ausgewiesener Experte für die Strecke in Val di Sole ist Superbruni zwar nicht. Andererseits kann er sich wie kein anderer Fahrer auf den Punkt konzentrieren und scheint rechtzeitig vor dem Highlight der Saison seine Geschwindigkeit gefunden zu haben. Mit Fahrern wie Rémi Thirion oder Benoit Coulanges, der in der World Cup-Gesamtwertung immerhin auf Platz 7 liegt, ist Frankreich mal wieder stark bei einer WM vertreten.
Ebenfalls immer sehr stark ist das britische Team, wenngleich die Dominanz in den vergangenen Jahren doch ordentlich gebröckelt ist. Aber: Reece Wilson ist amtierender Weltmeister! Nach seinem sensationellen Sieg in Leogang hat der Schotte gezeigt, dass er definitiv keine Eintagsfliege ist. Bringt er einen guten Lauf ins Ziel (im Sinne von: Reece Wilson lässt alle anderen aussehen wie absolute Anfänger und fährt Linien, die kein Mensch für möglich hält), dann muss man definitiv mit ihm rechnen.
Bei der WM 2016 in Val di Sole konnte sich Danny Hart knapp vor seinem damaligen Teamkollegen Laurie Greenland durchsetzen. Auch 2021 gehören die beiden Briten zum Favoriten-Kreis. Vor allem Laurie Greenland muss man auf dem Schirm haben: 2019 konnte er den bis dato letzten World Cup in Val di Sole gewinnen, indem er einfach schneller, härter und krasser als die Konkurrenz gefahren ist. Keine Strecke liegt dem Mondraker-Fahrer, der in Maribor Dritter wurde, so sehr wie der Giro di Brutalia im Trentino.
Und dann wäre da noch der älteste, schönste, eleganteste, erfahrenste, coolste und großartigste Fahrer im Männer-Feld: Greg Minnaar, der G.O.A.T. Niemand kann so gut mit Druck umgehen, niemand ist mit so vielen Wassern gewaschen wie der Star des Santa Cruz Syndicates. In Val di Sole standen zwar in letzter Zeit andere Fahrer oben auf dem Podium. Doch Greg Minnaar abzuschreiben, ist der wohl größte Fehler, seit ein gewisser Samuel H. versucht hat, die berühmte Wiesen-Linkskurve in Val di Sole ohne zu bremsen innen zu fahren …
Junioren: Auf dem Laufrad zu Platz 1?
Der Kanadier Jackson Goldstone hat sein Laufrad mittlerweile gegen ein Trek Session eingetauscht, doch im Junioren-Feld ist die Internet-Sensation noch immer der kleinste und schmächtigste Fahrer. Das hält ihn jedoch nicht davon ab, für ordentlich Wirbel zu sorgen: Schon zwei World Cups konnte Jackson in diesem Jahr gewinnen. Mit seiner Zeit in Maribor wäre er problemlos in den Top 20 gelandet, zudem kann er sehr gut mit Druck umgehen. Das dürfte Jackson Goldstone zum Favoriten in Val di Sole machen.
Insgesamt ist die Junioren-Kategorie in diesem Jahr aber sehr ausgeglichen. Keiner der Nachwuchs-Fahrer ist bisher ein Rennen in Val di Sole gefahren, was die Ergebnisse durcheinanderwirbeln könnte. Zudem gehörten die Top 5 in Maribor allesamt dem jüngeren Jahrgang an – weniger internationale Erfahrung kann man folglich nicht haben. Dennoch ist das Niveau so hoch wie selten zuvor. Jordan Williams war in Maribor in der Quali so schnell unterwegs wie Troy Brosnan, Lachlan Stevens-McNab konnte mehrfach aufs Podium fahren und Pau Busquets hat den Auftakt in Leogang gewonnen.
Juniorinnen: Sehr gute Zukunfts-Aussichten
Wer gedacht hätte, dass die Juniorinnen-Kategorie mit dem Abschied von Vali Höll in die Elite langweilig werden würde, der hat sich getäuscht. Gleich mehrere Nachwuchs-Fahrerinnen kämpfen in Val di Sole um die Medaillen. Sophie Gutöhrle ist die einzige Favoritin, die bereits an einer Weltmeisterschaft teilgenommen hat (und dort Silber geholt hat). Auch den Saison-Aufakt in Leogang konnte die Österreicherin für sich entscheiden. Die letzten beiden Rennen gingen allerdings an die Britin Phoebe Gaele von Canyon FMD, die in Italien wohl die Favoritin ist. Ebenfalls auf dem Zettel sollte man Izabela Yankova haben, die in allen drei World Cups in diesem Jahr in die Top 3 gerast ist.
Wie stehen die Chancen für Deutschland?
Gar nicht so schlecht! Die größte Medaillen-Hoffnung dürfte Nina Hoffmann sein – wenn, ja wenn sie denn rechtzeitig fit wird und wieder auf Geschwindigkeit kommt. Die besten Chancen bei den Männern hat Max Hartenstern, der eine sehr starke Saison fährt und derzeit in den Top 10 in der World Cup-Gesamtwertung liegt. Eine Medaille käme zwar überraschend. Aber eine Strecke wie Val di Sole ist gerade bei einer WM und bei unbeständigem Wetter eben immer für eine Überraschung gut.
Nach viel Verletzungspech in der Off-Season kommt Johannes Fischbach immer besser in Schwung. Nachdem er sich bei der Red Bull Hardline fast ins Jenseits katapultiert hat, war er in Maribor wieder zügig unterwegs und im Finale dabei. Dahinter gibt es einige deutsche Fahrer, die auf ziemlich identischem Niveau fahren. Deutsche Racer wie Simon Maurer, Hannes Lehmann oder Julian Steiner dürften, wenn alles optimal läuft, eine Top 40-Platzierung anpeilen. Ebenfalls für das deutsche Elite-Team nominiert sind Nico Lamm und Timo Pries. Bei den Frauen gehen neben Nina Hoffmann noch Raphaela Richter und Justine Welzel an den Start. Bei den Junioren nehmen gleich fünf deutsche Fahrer teil: Luis Kiefer, Jakob Micha, Jan Rach, Nico Schlebes und Steffen Smets fahren im Finale im weißen BDR-Trikot.
Unsere Favoriten: Das sagen unsere Experten
100 Leute haben wir gefragt, geantwortet haben aber nur 2: Unsere Downhill-Experten Gregor und Moritz verraten euch, wer für sie die ganz persönlichen Favoriten sind. Schwer vorstellbar, dass Gregor mit seiner Prognose richtig liegt. Die Einschätzung von Moritz erscheint uns da deutlich fachkundiger, kompetenter und attraktiver (Wir lassen den Autor gerne in diesem Irrglauben, Anm. d. Red.).
Bei den Männern sticht fahrerisch gerade vor allem einer heraus: Loris Vergier. Der junge Franzose hat vergangene Woche in Maribor bewiesen, dass er mittlerweile auch unter Druck abliefern kann und dürfte nicht nur für mich als haushoher Favorit ins Rennen gehen … auch wenn Konkurrenten wie Thibaut Daprela oder Loïc Bruni ihm auf den Fersen sind.
Im Frauen-Feld geht es gerade echt eng zur Sache – ich würde aber Myriam Nicole die besten Chancen einräumen. Die Französin macht auf dem Bike einen extrem kompetenten Eindruck und scheint auch langsam in einen fokussierten Rennmodus zu verfallen.
Mein Geheimfavorit ist eigentlich gar nicht so geheim – es ist der amtierende Weltmeister Reece Wilson. Maribor lief zwar nicht ganz nach seinen Vorstellungen, Val di Sole dürfte ihm jedoch eher entgegenkommen – vor allem, wenn es regnet, was aktuell nicht ganz unwahrscheinlich erscheint.
Gregor Sinn
Mein Favorit für Val di Sole ist Thibaut Daprela. Die World Cup-Ergebnisse in diesem Jahr sprechen für ihn – kein Rennen schlechter als Platz 2 ist eine Ansage! Die geänderte Streckenführung, die nun noch direkter, aber etwas weniger technisch ist, dürfte dem „Lamborghini Raptor“ entgegenkommen. Am meisten freuen würde ich mich allerdings über einen Sieg von Greg Minnaar – auch wenn ich Angst hätte, dass der Südafrikaner dann seine Karriere beendet. Laurie Greenland sehe ich persönlich in Val di Sole noch einen Tick stärker als die restlichen Franzosen.
Bei den Frauen schließe ich mich meinem Kollegen Gregor an: Myriam Nicole ist für mich die Favoritin. Das restliche Feld ist auch stark, doch fast jede Fahrerin scheint mit kleineren Problemen zu kämpfen. Deshalb sehe ich die Commencal-Fahrerin ganz vorne.
Mein Geheimfavorit ist Brook Macdonald – er war in diesem Jahr phasenweise sensationell unterwegs, die Strecke in Italien dürfte ihm sehr liegen und psychisch ist er gerade nach seinem schlimmen Sturz in Mont-Sainte-Anne extrem stark. Und Benoit Coulanges muss man unbedingt auf der Rechnung haben. Mich würde es nicht wundern, wenn er in Val di Sole aufs Podium ballert.
Moritz Zimmermann
Wer sind eure Favoriten und Favoritinnen für die Downhill-WM 2021?
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