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Blog – Gehrig Twins
EWS Aspen – Mit Blutgeschmack zum Happy End

Nachdem Anita in La Thuile das Podium knapp verpasst hat, galt es vergangenes Wochenende in Aspen wieder voll anzugreifen, um ihr großes Ziel endlich zu erreichen. Die Twins berichten von Vollgas-Fahrten auf Bikepark-Trails und brennenden Lungen in über 3.400 m Höhe.

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Nach nur ein paar wenigen Tagen Zuhause befinden wir uns am Freitag nach dem Rennen in La Thuile bereits wieder am Flughafen in Zürich. Es geht auf in das Land der unendlichen Möglichkeiten – Amerika, genauer gesagt nach Aspen im Bundesstaat Colo’RAD’o.

# Akklimatisierung mit dem Ibis Cycles Team in Denver
# Zur Colorado-Einstimmung haben wir am Mittwoch Abend in Aspen ein richtiges Rodeo besucht
# Natürlich sollte man bei solch einer Veranstaltung auch Wert auf den Style legen

Von den Rennen, die wir die Jahre zuvor in Colorado gefahren sind, war uns bewusst, dass die Höhe von Aspen (2400m.ü.M) wieder eine wichtige Rolle spielen würde. So haben wir uns in diesem Jahr noch etwas gezielter auf den Event vorbereitet. Unser Intervall-Training haben wir in den Wochen zuvor nicht im Tal, sondern hoch über Laax auf unserem Hausberg Crap Sogn Gion abgespult. Dieser liegt mit 2252 Metern knapp unter der Höhe, auf der wir in Aspen schlafen.

In Denver angekommen, möchten wir einfach nur so schnell wie möglich ins Bett fallen. Dies gestaltet sich aber vorerst schwierig, denn das gebuchte Air B’n’B hat statt der versprochenen vier Betten nur deren zwei. Der Höhenakklimatisation und Eliminierung des Jetlags wegen verbringen wir die ersten drei Tage in Denver – das riesige Shopping Center hat bei der Entscheidung fast keine Rolle gespielt.

Am Montag nehmen wir die vierstündige Autofahrt von Denver nach Aspen auf uns. Auf dem Weg streifen wir fast alle berühmten amerikanischen Skiresorts wie Breckenridge, Keystone und Vail. Und bevor wir überhaupt in Aspen eintreffen, wissen wir über die Einwohner Bescheid­ – der mit Privatjets vollgeparkte Flughafen gibt über den Wohlstand hier gut Auskunft.

# Noch nie zuvor hatten wir ein richtiges Rodeo live gesehen
# Frei wie ein Vogel in 'Murica
# Anita auf der Jagd nach Pokemon

Das Training

Der erste Trainingstag verteilt sich auf drei Skigebiete und Stages in Snowmass, Buttermilk und Aspen, wobei wir auf die Stage in Aspen am meisten gespannt sind. Die Bergbahn nimmt dort normalerweise nur Fussgänger mit. Wir geniessen ein absolutes Privileg, den neu angelegten Trail, der sich auf über 7.5 Kilometer ins Tal schlängelt, überhaupt fahren zu dürfen. Denn Vorteil durch die Bergbahnen nutzend, fahren wir zwei der drei Stages gleich zweimal.

Die Abfahrtsetappen von Sonntag befinden sich alle am Berg um Snowmass, wo auch die Pits aufgestellt sind. Im Vergleich zu den Rennen in Europa fallen die Pits in den Staaten kleiner aus. Fast niemand fährt den großen Team-Truck ins hochgelegene Aspen.

# Beim Nordamerika das erste Mal diese Saison mit dabei: X-Fusion, die unsere Gabeln und Dämpfer top in Schuss brachten - Foto: Matt Wragg
# Dämpfertuning - Foto: Matt Wragg
# Im Training fahren wir eingentlich immer mit wenig Abstand zu einander hinterher, mal Caro vorne, mal Anita - Foto: Sven Martin

Race o’clock

In der ersten Stage am Samstag bin ich noch nicht richtig im Flow. Die unglaublich hohen Geschwindigkeiten und der lose Untergrund verunsichern mich etwas. Aber schon bei der nächsten Abfahrt ist das unsichere Gefühl verflogen und die anfängliche Zurückhaltung ist weg. Die lange Etappe am Buttermilk-Lift ist physisch sehr anspruchsvoll. Immer wieder folgen flache Tretpassagen auf der sonst coolen Strecke. Ich bringe es fertig, mich schon kurz nach dem Start in den Dreck zu legen. Meine Fahrt setze ich mit der Wut im Bauch und einem schrägstehenden Sattel fort. Auf Stage drei freue ich mich am meisten, denn die Strecke ist die anspruchsvollste des Wochenendes. Caro erwischt einen tollen Lauf und holt die Konkurrentin die vor ihr startet sogar auf. Doch hat sie, wie so viele andere auch, noch einen Sturz zu verbuchen.

Mir gelingt eine nahezu perfekte Fahrt auf dem frisch eingefrästen und sehr losen Trail. Etwas erstaunt bin ich dann trotzdem, als der Speaker mich nach dem ersten Renntag als Dritte verkündet. Auch Caro liegt mit dem fünften Zwischenrang super drin. Wir freuen uns riesig und nehmen uns vor, dieses Mal auch den zweiten Renntag zu rocken.

# Im Training ist auch noch Zeit für etwas Steeze - Foto: Matt Wragg

Mit Blutgeschmack zum Happy End

Am Sonntag Morgen schmerzen unsere Glieder wie nach einem ganzen Rennwochenende, doch haben wir noch einen ganzen Tag vor uns. Zudem erholt sich der Körper in dieser Höhe deutlich schlechter, doch wird es den anderen Fahrerinnen nicht anders ergehen. Die Stage vier startet hoch über Snowmass auf über 3’400 m.ü.M. Jeder Antritt in dieser Höhe schmerzt in den Beinen und wir lassen uns mehr als einmal erholungssuchend in den Sattel plumpsen. Mit dem Sauerstoffmangel fühlen wir uns hier oft wie ein Sack Kartoffeln auf Rädern. Das Lungenbrennen erreicht neue Spähren und der Blutgeschmack verbreitet sich im Mund wie beim ersten Rennen im Frühjahr.

Es ist richtig schwierig, sich über die 8.6 Kilometer lange Etappe zu prügeln, denn die Strecke ist recht flach und führt einen großen Teil durch den Bikepark. In den über 18 Minuten gelingt Caro keine perfekte Fahrt: Sie stürzt, findet sich aber trotzdem auf dem vierten Etappenrang wieder. Ich schaffe es, mich auf den zweiten Rang zu plagen.

# How not to! Caro kommt bei diesem Jump etwas arg in Vorlage, fährt es aber souverän aus. Save of the year! - Foto: Matt Wragg

Die kurze fünfte Stage erreichen wir mit einem 30-minütigen Trail-Transfer. Dann starten wir mit einer Schussfahrt auf der Skipiste. Offene Wiesenstücke wechseln sich mit einem Slalom durch die Aspenwälder ab. «Speedtuck» und «Deathgrip» müssen hier oft angewendet werden. Die ganzen Kamikaze-Manöver scheinen sich gelohnt zu haben, denn ich finde mich vor der letzten Stage auf dem zweiten Zwischenrang. Wow – damit hätte ich nicht gerechnet! Ich lasse mich nicht beirren und mache mich nach einem kurzen Wetterunterbruch zur Stage sechs auf.

Diese verlangt noch einmal volle Konzentration. Es ist zwar die kürzeste aller Stages, aber fahrtechnisch die intensivste. Caro startet vor mit in die letzte Abfahrt – die Highspeed-Startgerade hat sie in meinen Augen gewonnen. Meine 30 Sekunden werden heruntergezählt: «Ten Seconds, five… » und dann Stopp – Startunterbruch – ich werde aus meiner Anspannung gerissen. Anscheinend gab es einen Unfall auf der Strecke. Nach einer gefühlten Ewigkeit kommt die Nachricht vom Organisator, dass die Stage sechs für die Frauen gestrichen ist. Zu lange würde es dauern, den gestarteten, aber aufgehaltenen Ladies einen Re-run zu geben. Im selben Moment wird mir bewusst, dass ich nun definitiv Zweite bin. Glauben kann ich es trotzdem noch kaum und muss mich zwicken: Mein erstes Enduro-World-Series-Podium ist Realität geworden, und das im Land der unendlichen Möglichkeiten – Fuck yeah ’Murica!

# How to! - Foto: Matt Wragg
# Die Strecken in Aspen waren vor allem: super schnell und teilweise sehr loose und staubig - Foto: Sven Martin
# Staub, staubiger, Aspen - Foto: Sven Martin
# Der Name Aspen kommt nicht von ungefähr - Aspen Trees so weit das Auge reicht - Foto: Sven Martin
# Eigentlich sind wir schon nach zwei Tagen Training super müde, aber das Rennen steht erst bevor - Foto: Matt Wragg
# Mit einem guten Frühstück kann der Tag beginnen und wir starten in den ersten Renntag
# Wir starten beide super in das Rennen und können vor allem auf den langen, physischen Stages Zeit gut machen - Foto: Sven Martin
# Viele der Trails waren teilweise sehr flach und es galt die Energie gut einzuteilen und überall wo es nur ging Schwung mitzunehmen - Foto: Sven Martin
# Kurz vor der Stage 3 besprechen Anita und ich nochmals die Taktik für diese lange, physische Stage
# Anita kann auf der ersten Stage komplett ans Limit gehen und klassiert sich auf dem dritten Platz in der Stage - Foto: Sven Martin
# Auch Caro ist mit ihrer 5 zufrieden
# Zurück im Event Village kann sie es kaum fassen, das sie sich auf dem dritten Platz befindet - Foto: Sven Martin
# Ellbogen raus, Speed tuck und Pedalieren wo es nur geht - Foto: Sven Martin
# Anita ist so entschlossen wie nie, dass sie die Postion auch am zweiten Renntag verteidigen kann - Foto: Sven Martin
# Das erste Enduro World Series Podium ist bestimmt das schönste! Anita wird von allen gefeiert! - Foto: Sven Martin
# Ein Traum wird wahr... - Foto: Sven Martin
# ... und der zweite Platz wird ordentlich mit einer Champagner-Dusche gefeiert! - Foto: Sven Martin
# Wie man eine Champagner-Flasche auf Ex trinkt, darin hat Anita Erfahrung - Foto: Matt Wragg
# Zur Krönung des Wochenendes klassierten wir uns zudem mit dem Team auf dem zweiten Platz - Foto: Matt Wragg
# Bye bye Aspen, Whistler is calling...
Text: Anita Gehrig | Fotos: Sven Martin, Matt Wragg, Gehrig-Twins
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