Jeff Jones Plus Titanium: eines der exotischsten und wohl auch exklusivsten Räder der diesjährigen Eurobike lief uns abseits der Messestände über den Weg und hört auf den einfachen Modellnamen „Plus“. Alles andere als einfach ist hingegen der Rest des Bikes: Rahmen, Gabel, Lenker und Sattelstütze aus Titan, dazu die Eagle Schaltgruppe von SRAM und außerdem eine sehr eigenständige Geometrie.
Das Jones Plus ist eines der Räder, bei denen die Augen vermutlich gar nicht wissen, worüber sie sich zuerst wundern sollen: Die Länge des Oberrohrs (25“ oder 63,5cm), die Länge der Kettenstreben (19“ bzw. 48,26cm), die Trussfork mit ihren dünnen, aber dafür doppelten Gabelholmen oder der seltsam geformte, lediglich 66cm breite Lenker mit seinen 45° Backsweep, das schier unendlich lange Steuerrohr? Fest steht: Das Jones Plus zieht Blicke auf sich, einmal mehr in der Version aus Titan.
Fest steht aber auch: Das Jones Plus ist mehr als nur ein Rad, es ist ein Gesamtkonzept, bei dem die Einzelteile exakt aufeinander abgestimmt sind. So verfügt die Gabel über ein Offset von 76 mm. Würde man diese in ein anderes Bike stecken, das Fahrverhalten dürfte unheimlich nervös werden. Im Jones Plus hingegen sorgt sie dafür, dass das Bike trotz der langen Kettenstreben handlich bleibt. Auch die Konstruktion der Gabel dient keineswegs nur dazu, um sich optisch von anderen Gabeln abzuheben. Vielmehr ist das Trussfork-Design notwendig, um das hohe Offset mit der für den Geländeeinsatz erforderlichen Steifigkeit kombinieren zu können.
Der Sitzwinkel von 71° dient dem Zweck, Gewicht von den Händen zu nehmen und somit eine leichte Front zu schaffen, während der – für ein reines Starrbike – sehr flache Lenkwinkel von 67,5° zusammen mit dem langen Steuerrohr dafür sorgt, dass das Cockpit trotz des langen Oberrohrs zum Fahrer hinwandert und sich das Rad daher wesentlich kürzer oder kompakter anfühlt, als es die Daten auf dem Papier vermuten lassen.
Diese Erfahrung machte auch MTB-News-Kolumnist Muschi während seiner kurzen Proberunde durch eine leere Messehalle – das Jones Plus passte ihm wesentlich besser, als er es angesichts der schieren Länge des Bikes (Der Radstand beträgt 1205 mm!) für möglich gehalten hatte.
Der Rahmen verfügt über den Boost-Standard, während in der Gabel eine 150mm breite Steckachsnabe verbaut ist. Diese aus dem Fatbikebereich übernommene Einbaubreite erlaubt es, auch ein Fat Front Setup mit einem 26×4.8“ Reifen zu fahren. Dank Exzenter-Tretlager kann der Rahmen ohne die Verwendung eines Kettenspanners mit Nabenschaltung oder als Singlespeeder aufgebaut werden.
Die Ausstattung des Jones Plus Titanium passt zum edlen Auftritt des Bikes: SRAM Eagle Antrieb, ein Laufradsatz bestehend aus orangefarbenen Hope Pro 3 Naben samt mit dem WTB Ranger 29*3.0“ bereiften WTB Scraper i45 Felgen, dazu farblich passende Hope Tech Bremsen sowie ein Cane Creek 110 Steuersatz.
Derlei Exklusivität hat jedoch ihren Preis: Alleine für das Rahmenset werden etwa 4.800 € fällig, jedoch gibt es das Jones Plus auch als Stahlversion, der Rahmenpreis beträgt in diesem Fall etwa 1.800 €. Beide Rahmen sind entweder mit 24“ oder 25“ Oberrohrlänge erhältlich.
Aller edlen Teile und der Zeitlosigkeit von Titan zum Trotz: Das Jones Plus ist ohne Frage ein Bike, das polarisiert – sowohl aufgrund seiner Optik als auch wegen des durchaus als radikal zu bezeichnenden Konzepts dahinter. Es ist aber auch ein Bike, welches genau wegen seines Konzepts zum Nachdenken bringt und vielleicht sogar dazu einlädt, selbst einmal ein wenig zu experimentieren und darauf zu achten, welchen Einfluss bestimmte Parameter auf das Fahrgefühl sowie den Fahrkomfort haben.
Website: http://www.jonesbikes.com
Fahreindruck
Um es gleich vorneweg zu sagen: Weder die Demo-Area der Eurobike noch das angrenzende Wäldchen bieten Bedingungen, unter denen man dem Jones Plus wirklich auf den Zahn fühlen könnte. Dennoch reichen sie aus, um sich einen ersten Eindruck von den Fahreigenschaften des Bikes zu verschaffen.
Diese sind untrennbar mit der sehr zentralen Position verbunden, die man auf dem Bike einnimmt und lassen sich am besten mit dem Überbegriff „stabil“ beschreiben. Stabil ist in diesem Zusammenhang jedoch eher im Sinne von „konstant“ zu verstehen, denn das Jones fährt sich stets ausgesprochen ausgeglichen und berechenbar. Die steile Holzrampe bei der Einfahrt in die Mountainbike-Teststrecke? Einfach aufstehen und hochtreten – selbst bei langsamen Tempo verliert das Bike weder Druck auf dem Vorderrad, noch Grip am Hinterrad. Die Anliegerkurven des Pumptracks? Leicht aus dem Sattel gehen, sich in die Kurve legen und bei Bedarf zwischen den Kurven die Position von kurveninnerem und kurvenäußerem Pedal wechseln – das Rad bleibt auch hier neutral und lässt sich problemlos selbst durch enge Kehren jagen.
Diese Handlichkeit ist angesichts der zuvor erwähnten schieren Länge des Bikes durchaus überraschend, aber zugleich Beweis dafür, dass die ungewöhnlichen Geometrie funktioniert. So ist auch der trotz des Nichtvorhandenseins einer Federung der kleine Rockgarden des Testparcours kein Problem für das Jones Plus. Die Länge sorgt für eine immense Laufruhe und hält das Bike auf Kurs, die Schläge und Erschütterungen landen quasi ausschließlich in den Beinen statt in den Armen und Handgelenken – wieder ein Verdienst der sehr zentralen Position auf, ja fast schon im Rad.
Bemerkenswert ist auch die Steifigkeit der filigran anmutenden Trussfork, Flex ist selbst bei harten Bremsungen nicht spürbar und Lenkbewegungen werden unmittelbar umgesetzt. Zudem lässt sich das Jones auf (Forst-)Straßen sehr angenehm pedalieren, wofür die komfortable Sitzposition und die vielen verschiedenen Griffoptionen des Lenkers sorgen.
Fazit – Jeff Jones Plus Titanium
Wie bereits gesagt, sind die Fahreindrücke keineswegs belastbar im Sinne der Ergebnisse, die ein ausführlicher Test liefern würde. Jedoch ist auch in der Kürze der Zeit deutlich geworden, dass das Konzept des Jones Plus aufgeht und es auf den ersten Blick keinen Bereich gibt, den das Jones Plus wesentlich besser oder schlechter beherrscht als einen anderen.
Eurobike 2016
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