Sightseeing on Bike – Gelungene Streckenführung durch Touristen-Hotspots
Die Veranstalter des Epic Israels müssen Jahr für Jahr in der Streckenplanung eine große Herausforderung meistern. Da das Event nicht wie viele andere Veranstaltungen derselben Art über mehrere Tage hinweg die Etappenorte wechselt, fällt die Wahl der Strecke erheblich schwerer. In diesem Jahr wählten die Veranstalter den nördlichsten Teil des Landes als Eventregion und dazu die Stadt Regba wenige Kilometer nördlich von Akko als Basis des viertägigen Rennens. Die große Herausforderung besteht schließlich vor allem darin, für die vier verschiedenen Renntage eine abwechslungsreiche Strecke zu planen, sodass nur wenige Strecken zweimal oder gar mehrfach befahren werden müssen.

Dies meisterten die Organisatoren größtenteils mit Bravour und bescherten uns Teilnehmern zusätzlich ein gewisses Touristenprogramm auf dem Bike dazu. Der Prolog führte uns mitten durch die Altstadt von Akko, die zum einen wirklich schön anzuschauen und zum anderen auch historisch geprägt ist. Und auch am vierten und letzten Tag blieb der Sightseeing-Effekt nicht aus: Dort führte der Kurs zur unmittelbaren Grenze zum Libanon. Der Touristen-Hotspot Rosh HaNikra ist einerseits ein echter Anziehungspunkt für Höhlenfans, auf der anderen Seite hat dieser Ort mit einem in den Felsen gesprengten Tunnel im zweiten Weltkrieg und im israelischen Unabhängigkeitskrieg eine entscheidende Rolle gespielt.
Ganz von den touristischen Highlights abgesehen, gefiel uns die Vielseitigkeit des Geländes. Auf der einen Seite erlebten wir echtes Strand- beziehungsweise Meeresfeeling und nur wenige Kilometer weiter befanden wir uns im bergigen Hinterland. Einziges Manko hierbei: Insbesondere zu Beginn der Etappen mussten die Veranstalter massive Flachpassagen von bis zu 20 Kilometern einplanen, bis letztlich echtes MTB-Terrain erreicht wurde. So spielten sich letztlich bei den beiden längsten Etappen mit rund 90 Kilometern Strecke lediglich zwei Drittel der Etappen auf MTB-affinem Terrain ab.


Sehr ruppiges Terrain & viele angelegte MTB-Strecken
Nichtsdestotrotz überraschte uns die ausgeprägte Trailkultur in der dortigen Region. Speziell angelegte MTB-Strecken über kilometerlange Trails, die sowohl bergab als auch bergauf führten, sorgten für großen Spaß auf der Rennstrecke. Nicht komplett ohne Herausforderung, aber in weiten Teilen für jeden Teilnehmer von Profifahrer bis hin zum Hobby-Biker machbar, sind die Strecken dort so konzipiert, dass sie so ziemlich alle Teilnehmer begeisterten. Interessant auch für MTB-Touristen außerhalb des Rennevents: Die Strecken sind mit gut erkennbaren Markierungen auf Steinen aufgezeichnet und dementsprechend leicht nachzufahren.
Grundsätzlich ist das Terrain dort ähnlich wie in mediterranen Gebieten in Europa. Da es im Nordern von Israel gerade zur jetzigen Spätsommerzeit nur sehr selten regnet, ist der Untergrund sehr trocken und staubig. Als Folge dessen entstanden immer wieder zu Beginn der Etappen Staubwolken in nicht unerheblichem Ausmaß. Das Gelände vor Ort ist meist mit vielen kleinen bis mittelgroßen Steinen übersät, was die Wahl eines vollgefederten Rades fast unerlässlich erscheinen lässt. Vor allem berghoch schickten uns die Veranstalter teilweise auf wahre Holperpisten, die den Körper wie mit einem Presslufthammer behandelten. Die angelegten MTB-Trails sind meist nicht ganz so verblockt, auf der letzten Etappe fuhren wir sogar auf einem echten Flowtrail, wie sie in unseren Regionen nur so aus dem Boden sprießen.

Spitzensport und Hobby-Event an einem Ort
Mit dem großen Cape Epic als Vorbild pirscht sich das Epic Israel immer mehr an den Stellenwert des großen Events in Südafrika hinsichtlich der Profikonkurrenz heran. Der hohe Stellenwert im UCI-Ranking sei Dank, dass gerade in der Olympiasaison viele Top-Fahrer den Start im Heiligen Land wagen. Trotzdem liegt der Fokus der Veranstaltung hauptsächlich auf der breiten Masse an Hobby-Fahrern. Für israelische Mountainbiker ist das Epic Israel das Highlight schlechthin, keine andere Veranstaltung ist dort annähernd so groß und durchorganisiert wie das Viertagesrennen.


Die Hauptzielgruppe und die Wahl eines festen Start- und Zielortes sind vermutlich der ausschlaggebende Grund, das Rennen auf vier Tage zu beschränken. Insbesondere die heißen Temperaturen und die schwierigen Streckenbedingungen zehren an den Kräften aller Teilnehmer. Zudem beschäftigten uns die frühen Startzeiten um sieben Uhr (die MESZ ist sogar noch eine Stunde früher, sodass aus unserer Sicht der Start um sechs Uhr erfolgte), was jedoch angesichts der glühenden Mittagshitze die einzig sinnvolle Uhrzeit für einen Start ist.
Für uns lief der vierte Einsatz als Brüderpaar in einem Etappenrennen nicht ganz so erfolgreich wie erhofft. Für Tobi wurden die vier Renntage zur echten Qual: Magenprobleme bereits auf der ersten Etappe zogen ihm alle Körner aus dem Körper, die er auf den beiden verbliebenen Etappen auch nicht mehr wiederfand. Eine mögliche Aufgabe stand jedoch nie wirklich im Raum: Gemeinsam schafften wir – auch wenn nicht so erfolgreich wie erhofft – eine weitere Finisher-Medaille eines der größten MTB-Etappenrennen des Planeten zu erobern.



Organisation von A bis Z mit Optimierungsbedarf
Im Hinblick auf die Organisation gilt das Epic Israel seit Jahren als sehr vorbildlich. Dies können wir in weiten Teilen bestätigen, auch wenn wir in manchen Bereichen noch Verbesserungspotenzial erkennen. Von der täglichen Verpflegung über eine komplett überwachten Bike-Bereich bis hin zu veranstaltungsnahen Unterkünften mangelt es den Teilnehmern an nichts. Doch an einigen kleinen Stellen liefen die Dinge nicht ganz so, wie wir es erwartet hatten. Die Mahlzeiten nach den Etappenrennen, also Mittagessen und Abendessen, ähnelten sich trotz eines mehr als üppigen Buffets über die vier Tage hinweg sehr stark. Auch bei der Verpflegung auf der Rennstrecke und im Ziel gibt es noch etwas Verbesserungspotenzial.


Ein mögliches größeres Problem der Veranstaltung sind zudem die Hygienezustände: Auch wenn wir diesbezüglich in Deutschland etwas verwöhnt sind, scheinen die dortigen Zustände teilweise bedenkenswert. Das Wasser an den Verpflegungsstellen wird über einen klassischen Gartenschlauch in große Wassereimer gefüllt und dann dort mit Kannen geschöpft. Dabei befindet sich das Wasser teilweise über längere Zeit in der Hitze und zudem landen teilweise verschmutzte Kannen wieder im Eimer. Auch bei der Zielverpflegung besteht aus unserer Sicht Verbesserungspotenzial: Das dortige Buffet schöpft jeder Teilnehmer selbstständig mit den eigenen Händen, die nach mehreren Dutzend Kilometern im Staub und Dreck verständlicherweise dreckig sind. Und so greifen hunderte Leute mit derselben dreckigen Kelle das Essen. Es ist natürlich möglich, dass wir Mitteleuropäer mit diesen für uns ungewohnten Bedigungen deutlich größere Probleme bekommen als einheimische Fahrer. Leitungswasser ist beispielsweise grundsätzlich ohne Probleme trinkbar. Mitteleuropäern wird trotzdem empfohlen, dies nicht zu verzehren, da es im Vorfeld stark behandelt wird und unser Organismus auf dieses Wasser nicht eingestellt ist. Als Teilnehmer des Rennens bleibt während der Etappe alledings gar keine andere Wahl als das Wasser zu sich zu führen. Diesbezüglich wäre eine kleine Optimierung in Bezug auf die Verpflegung wünschenswert.
Schlussendlich: wir wissen nicht genau woher die Probleme bei Tobi stammten, doch diese Themen könnten durchaus ein beteiligter Faktor gewesen sein und wurden beispielsweise beim Cape Pioneer in Südafrika deutlich besser gelöst. Letztlich sind es diesbezüglich nur Kleinigkeiten, doch im Großen und Ganzen vermissten wir einen gewissen Bezug der Veranstalter zu den Sportlern. Es fehlte etwas das Gefühl, dass Teilnehmer und Organisatoren zusammen einem gemeinsamen Projekt nachgehen. Das großartige Gemeinschaftsgefühl zwischen allen Beteiligten bei solchen Mehrtagesveranstaltungen blieb im Vergleich zu anderen Events etwas auf der Strecke.

Die Reise ins Heilige Land – Unsere Eindrücke
Die Lebenskultur dort ähnelt in weiten Teilen denen hier in Europa. Die Infrastruktur muss sich keineswegs vor den hiesigen Ländern verstecken. Auch in Bezug auf die Sicherheitslage können wir die hiesigen Vorurteile ausräumen. Auf unserer Reise kamen wir in keiner Weise in Kontakt mit jeglicher Art von Sicherheitsbedenken – eher im Gegenteil: Es wird ein enorm hoher Sicherheitsaufwand im Land betrieben. An allen Ecken und Enden finden sich Militärs oder Sicherheitsbeamte. Am Flughafen geht dies soweit, dass die Sicherheitskontrollen das uns bekannte Maß weit übersteigen und somit deutlich mehr Zeit eingeplant werden muss. Manch einer musste schließlich sogar sein Rad in Israel vorerst zurücklassen, weil die Sicherheitsbehörden Bedenken bezüglich der Sicherheit hatten.

Prolog
1. Etappe
2. Etappe
3. Etappe



Unser Fazit des Epic Israel
Das Rennen im Heiligen Land wird seinem Ruf gerecht: Wohl kein Mountainbike-Rennen dieser Welt glänzt mit einer derartigen Kombination aus Tourismus und MTB-Erlebnis. Die Streckenplaner leisten ganze Arbeit und bieten den Teilnehmerinnen und Teilnehmer die bestmöglichen Trails, die das Land zu bieten hat. Und dabei meistern die Organisatoren es gekonnt, den Nachteil eines einzigen Start- und Zielortes auszumerzen. Einzig kleiner Wermutstropfen sind die teilweise langen An- und Rückfahrten in die Gegenden, in denen die äußerst tollen Trails zu finden sind.
Das Event glänzt durch eine tolle Organisation, die in vielen Teilen all das bietet, was man sich von einem Etappenrennen dieser Art wünscht. Es gibt jedoch noch einige Bereiche wie beispielsweise die Hygiene vor Ort, die unserer Meinung nach etwas verbessert werden sollten. Nichtsdestotrotz erlebten wir eine enorme Gastfreundschaft vor Ort und vier unheimlich spannende Tage auf dem Rad, die leider für uns nicht ganz so erfreulich verliefen wie erhofft.
Wir hoffen, dass euch unser Blog gefallen hat und ihr bei unseren nächsten Abenteuer, das sicher folgen wird, wieder dabei seid. Jetzt wünsche wir euch zunächst aber eine schöne Offseason und viel Spaß auf den Herbsttrails!
Viele Grüße,
Tobi und Gabi

Alle Artikel zu unserem Live-Blog beim Epic Israel 2019:
- Tobi und Gabi beim Epic Israel 2019: Auf geht’s ins Heilige Land!
- Tobi und Gabi beim Epic Israel 2019 – Prolog: Fast & Furious auf historischen Pfaden in Akko
- Tobi und Gabi beim Epic Israel 2019 – 1. Etappe: Einmal in den Himmel und wieder zurück
- Tobi und Gabi beim Epic Israel 2019 – 2. Etappe: Aufgeben ist keine Option!
- Tobi und Gabi beim Epic Israel 2019 – 3. Etappe: Ohne Mampf, aber mit viel Kampf
- Tobi und Gabi beim Epic Israel 2019: Die ultimative Challenge im heiligen Land? – Ein Rückblick
Kommentare
» Alle Kommentare im ForumDen vollständigen Artikel ansehen:
Tobi und Gabi beim Epic Israel 2019: Die ultimative Challenge im heiligen Land? – Ein Rückblick
Sehr interessantes und lesenswertes Fazit!

Auch eure Anmerkungen/Kritikpunkte absolut legitim und nachvollziehbar, vermisst man leider bei vielen Berichten.
Ich bleib dabei ... gute Erholung bzw. schöne Herbsttrails euch beiden
Wir laden dich ein, jeden Artikel bei uns im Forum zu kommentieren und diskutieren. Schau dir die bisherige Diskussion an oder kommentiere einfach im folgenden Formular: