Es ist ein ewig währendes Duell der Systeme, eine Glaubensfrage, eine Freundschaftsprobe: Fährt man Downhill mit Click- oder Flatpedalen? Diese Frage ist natürlich nicht allgemeingültig zu beantworten, dass muss jeder für sich selbst entscheiden, Ende der Diskussion?!
Nicht so schnell. Oft genug lassen sich im Mountainbike-Sport folgende zwei Muster beobachten:
1.) Technische Neuerungen setzen Trends.
Klarer Fall: Bewährt sich ein Produkt – im Falle des Downhill-Sports darf man denke ich sagen: Spart ein Produkt Zeit – so werden es mehr und mehr Fahrer verwenden, schneller ist schließlich besser. Beim Flatpedal lässt sich dieses Muster klar erkennen: Waren Flatpedals früher zwar martialisch aussehend und für Schienbeine höllisch gefährlich, ließ der Grip – insbesondere bei Matsch – oft zu wünschen übrig. Dazu kamen ein höheres Gewicht und vor allem: Diese Schuhe! Die Gleichung: „Weichere Sohle = Mehr Grip“ brachte viele Biker auf Skaterschuhe, die wunderbar am Pedal klebten, nach wenigen Monaten durch waren und vor allem mehr Gefühl als nötig boten – und somit keine Zeit gut machen konnten.
Und dann kam FiveTen.
Die genaue Geschichte ist mir leider nicht bekannt, aber das Unternehmen sitzt in Kalifornien und auch dort sitzen Leute, die eins und eins zusammen zählen können, oder konkreter: Wer mit Five Tens Stealth-Rubber klettern geht und sich anschließend beim Biken über das Gummi seiner Schuhe ärgert, der kennt auch schon die Lösung des Problems. Zusammen mit Vorzeige-Flatpedal-Pilot Sam Hill entstand ein „Impact“ getaufter Schuh, der einen ziemlichen Impact auf die Pedalfrage hatte. Mit ihm kamen die Siege, er bewies, dass sich Flatpedals im Downhill bewähren und Zeit sparen.
Seit Markteinführung dieses Schuhs ist die Flatpedalquote in den Top20 des Weltcups auf zwischenzeitlich über 50 % gestiegen. Natürlich immer auch abhängig von den Bedingungen, doch vermutlich ohne diesen technischen Neuerungen nicht möglich. Angeregt durch die größere Nachfrage nach Flatpedals zu den Schuhen wurden auch die Pedale besser, heißt: leichter, flacher und stärker konkav ausgeformt.
2.) Die Masse tut, was die Profis vormachen.
Der Name Sam Hill ist bereits gefallen, grundsätzlich funktioniert der Modus aber so: Im Grunde haben alle Biker ein Streben danach, ihr Fahren mit dem bestmöglichen Material zu unterstützen. Um herauszufinden, was das beste (und zwar überhaupt!) ist, lohnt der Blick zu den besten Bikern überhaupt – den Weltcup-Profis. Dass das Beste für sie und den Durchschnitts-Biker durchaus zwei Paar Schuh sein können, wird hierbei gerne außer Acht gelassen, aber darum soll es jetzt nicht gehen. Fakt ist: Was sich am Rad des Profis findet, landet wenig später auch beim Endkunden.
Früher war klar: Downhill fährt man mit Klick-Pedalen. Nicolas Vouilloz hat keinen seiner Siege mit Flatpedals eingefahren, Steve Peat sein zwischenzeitliches Wechseln auf Flatpedals sogar schon als Grund für nicht gewonnen Rennen angeführt. Zu Zeiten der Altmeister war auch die Klick-Pedal-Quote unter Hobby-Downhillern ziemlich hoch, da wurde nicht diskutiert, das war so. Böse Zungen behaupten, dass man ohne auch schlichtweg vom bockigen Hinterbau vom Rad geworfen worden wäre, doch das halte ich jetzt einfach mal für stark übertrieben, denn auch damals gab es schon Ausnahmen. Mickael Paskal zum Beispiel, traditionell ohne feste Bindung zum Rad, traditionell schnell – aber eben ein Paradiesvogel in einer Welt, in der trotz großer Schwächen in Sachen Schmutzresistenz und Auslöseverhalten daran festgehalten wird.
Doch dann kam der Impact, dann kamen Sam Hill, Sam Blenkinsop, Brendan Fairclough und viele andere. Sie kamen und siegten. Nicht trotz, sondern wegen der fehlenden Bindung. Ihr Fahrstil: Am Limit, aggressiv, auf technischen Strecken unschlagbar, plötzlich schienen die Jungs mit den Clickies nur noch auf Tretstrecken eine Chance zu haben, auf schwierigen Strecken waren die weniger gebundenen Jungs im Vorteil, weil sie weiter pushen konnten, kleine Fehler ohne Zeitverlust abfangen konnten, in dem sie einfach den Fuß rausstellen… Plötzlich schien festzustehen: Die neue Generation Downhiller fährt Flatpedals.
Die Jungs zeigten den alten Hasen, wo der Hammer hängt, und mit den uncoolen, rennradmäßigen Pedalen und Schuhen der Oldies wollten sie nichts mehr zu tun haben.
Inzwischen sind wir nur einige Jahre weiter, und doch ist wieder ein Muster zu beobachten: Plötzlich gewinnen wieder Jungs mit Klick-Pedalen Downhill-Rennen, und zwar auf Strecken, die eigentlich eine Flatpedal-Domäne waren. Wieder sind es junge Fahrer, es sind fast noch Teenager, Typen wie Troy Brosnan, Danny Hart und Loic Bruni. Wollen sie sich erneut einfach nur von den wenig älteren Flatpedal-Künstlern abheben? Geht es letzten Endes nur um das alte Lied, dass jedes Kind gegen seine Eltern, jeder Schüler gegen seinen Lehrer aufbegehrt, die Revolution will und um jeden Preis anders sein muss?
Hier lohnt ein genauerer Blick darauf, wie die jungen Wilden heute fahren. Ihr Erfolgsrezept: Sie fahren eingeklickt so aggressiv und nah am Limit, wie es die Jungs kurz zuvor nur mit Flatpedals konnten. Gleichzeitig haben sie aber in Tretpassagen und heftigen Rütteleien die bekannten Vorteile des Klickpedals, kein Wunder, dass sie unschlagbar werden.
Und die Sache mit den Generationen? So wie ich das sehe, sind Bruni und Kollegen so jung, dass sie sich nicht mehr durch Pedale von den alten Hasen abheben müssen. Dadurch konnten sie einfach danach entscheiden, was besser, was schneller ist – und sind auf Clickies unterwegs.
Und nun?
Manchmal frage ich mich grundsätzlicher, welche der beiden Varianten die sinnvollere ist. Ein Beispiel: Würde mir jemand einen Klick-Griff für den Lenker anbieten, zusammen mit den passenden Handschuhen würde man viel Kraft sparen und nie wieder abrutschen – durch einen Federmechanismus oder eine spezielle Drehung des Handgelenks könnte man im Falle eines Sturzes trotzdem auslösen – Laut rufen: „Ja, darauf hat die Welt gewartet!“? Ich bezweifle es, einfach, weil ich gerne selbst entscheide ob ich loslasse oder die Kiste festhalten will.
Hände mit Füßen zu vergleichen ist noch schlimmer als Äpfel mit Birnen.
Aber, der geneigte Leser protestiert bereits, Hände mit Füßen zu vergleichen ist noch schlimmer als Äpfel mit Birnen. Denn anders als bei unserem Freund, dem Affen, sind Hände und Füße bei uns zwei paar Schuh. Mit den Füßen können wir uns nirgends festhalten – wollen sie deshalb festgehalten werden? Ich vermute etwas in der Art.
Es ist schon witzig, welche Lösungen man sich für die Verbindung zwischen Fahrer und Fahrrad hat einfallen lassen: Im Grunde sind Pedale ja nichts weiter als ein Stück mitbewegter Boden, das am Fahrrad montiert ist, damit man auch auf dem Fahrrad stehen kann. Weil die Fläche begrenzt ist, hat man den Bodenersatz besonders griffig gestaltet, schließlich will man seinen Standpunkt nicht verlieren. Dieses Modell vom griffigen, mitbewegten Boden ist mittlerweile ein Klassiker, es folgte direkt auf die Erfindung der Tretkurbel, als man feststellte, dass eine Relativbewegung zwischen Welle und Fußsohle unangenehm ist und dem Bestreben der festen Position und Verbindung im Weg steht. Klassiker wird aber gleichzeitg auch nur, was etwas taugt. Und natürlich: Mit den Füßen auf Pedalen stehen, das funktioniert prima, offensichtlich sogar „wie dafür gemacht.“ – Allerdings nur so lange, wie das Fahrrad-fahren dem Rumstehen ähnelt.
Und da liegt der Kern des Problems. Mountainbiken hat in den seltensten Fällen viel mit Rumstehen gemeinsam, von den unvermeidlichen, nicht fahrenden Abhängern an fast jedem Spot mal abgesehen.
Und zum Betreiben des Geländeradsports ist eine unidirektionale Verbindung nur Aufgrund der Schwerkraft, sagen wir es mal deutlich, Unsinn. Denn unser Sport macht nur Spaß, weil wir mit der Schwerkraft spielen – sie kurz aufheben, uns von ihr treiben lassen, ihre Beschleunigung spüren. Wenn jetzt aber jedes Mal, sobald die Schwerkraft wegfällt, etwa weil ein Hindernis eine größere Beschleunigung erzeugt oder wir uns im freien Fall befinden, auch die Bindung zwischen Ross und Reiter wegfällt, dann stimmt doch etwas nicht. Mir ist bewusst, dass man sich mit den Füßen doch verkeilen kann – was in vielen Fällen vorzüglich funktioniert – aber betreiben wir nicht einen hochtechnisierten Sport im 21. Jahrhundert? Würde man auf die Idee kommen, sich mit seinen Skiern nur durch die Schwerkraft verbinden zu lassen?
Nach diesem Plädoyer für das Klick-Pedal kann ich nur sagen: Jeder sollte es ausprobieren. Das gilt auch für mich. Meine Vorbehalte sind riesig, angefangen bei der Tatsache, zum Radfahren spezielle Schuhe anziehen zu müssen, dem Sturzrisiko und bis hin zu der Freiheit, einfach mal den Fuß rauszustellen. Nach 10 Jahren MTB denke ich jedoch: Das Leben ist vielleicht doch lang genug für eine feste Bindung…
Stefanus
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