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Downhill World Cup 2023 – Andorra
Man muss um jeden Punkt kämpfen – Rennbericht von Andi Kolb

Der Downhill World Cup in Andorra hatte nicht nur viele Wetterumschwünge – auch der Zeitplan und Ablauf des Rennens wurde mehr als einmal auf den Kopf gestellt. Wie der Chaos-World Cup für unseren Blogger Andreas Kolb verlief und warum er immer Vollgas gibt, erfahrt ihr in seinem packenden Rennbericht.

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Trackwalk – Oben meh, unten yeah!

Während der Anreise nach Andorra war ich bereits mehr als motiviert. Der zweite Platz bei der WM hat mich extrem motiviert – vor allem in Fort William, auf einer Strecke, auf der ich es niemals erwartet hätte. Im letzten Jahr hatte ich in mit der Strecke in Andorra ziemliche Probleme, obwohl ich aufs Podium gefahren bin dort. Ich habe ziemlich mit dem oberen Teil gestruggelt und wollte es unbedingt besser machen dieses Jahr. Außerdem ist das Bike jetzt noch besser – wir haben etwas mit dem Flex herumgespielt und nun mehr Grip in schnellen Kurven und eine bessere Dämpfung auf ruppigen Geraden.

# Andorra ist nicht Andis Lieblingsstrecke, aber der Österreicher weiß mittlerweile, dass er überall schnell fahren kann.
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Beim Trackwalk war ich zunächst etwas enttäuscht. Ich bin davon ausgegangen, dass sie einiges am oberen Teil ändern, aber es war dann ziemlich identisch zum Vorjahr: so ein Geradeaus-Gemetzel eben! Dafür war der untere Teil dann überraschend cool und technisch gesteckt. Leider hätte es mehr Linienwahl geben können, aber es war trotzdem genau mein Stil: schön steil, viel auf der Bremse und ein paar kleine technische Gaps und so Sachen waren dabei. Da war mir klar, wenn ich im ersten Abschnitt halbwegs dabei bin, dann kann ich unten gut aufdrehen.

# Im oberen Teil war die Strecke fast dieselbe wie im Vorjahr - schnell mit sehr großen Sprüngen und Anliegern.
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Training – Ordentlich andrücken

Der erste Run in Andorra ist der schlimmste, den es im World Cup aktuell gibt. Man droppt rein, muss direkt reintreten, dass man einen kleinen Double springen kann und dann kommt man in die ersten Anlieger rein, wo es mit Mach 10 dahin geht. Im ersten Run kommen die Augen gar nicht mit – man ist ja ein paar Tage nicht am Downhiller gesessen und es fühlt sich alles viel zu schnell an. Man kann auch nicht langsamer fahren – es sind ja überall Kameras. Da fährt man dann ein bisschen schneller als mal will, da wird der erste Lauf dann recht beängstigend.

# Der erste Trainingslauf in Andorra ist auch für gestandene Profis wie Andi Kolb beängstigend - es geht direkt Vollgas los und man kann nicht wirklich langsamer fahren.

Bis zum dritten, vierten Lauf ist das bei mir immer dasselbe – ich denke immer: „Oh je, das Wochenende könnte schwierig werden!“ Aber im dritten, vierten Lauf bin ich dann mit Charlie, Ronan Dunne und Gee Atherton gefahren – der war das Wochenende auch dabei, das war nach seiner Verletzung super cool zu sehen. Mit den Jungs hatte ich dann einen echt guten Speed. Ich habe dann auch gemerkt, dass ich im oberen Teil gut dabei bin, der letztes Jahr noch meine Schwäche war. Ich konnte zwar sehen, dass Bruni und Co. da richtig ordentlich andrücken, aber ich war mir sicher, da auch in die Nähe zu kommen.

# Große Sprünge gibt's in Andorra zuhauf.

Zudem war es interessant, dass ich ab dem zweiten Lauf mein Race-Setup gefahren bin. Man musste aufgrund der hohen Geschwindigkeit einfach ein extrem hartes Fahrwerk und einen recht hohen Reifendruck fahren, sonst gibt’s viele Platten auf den spitzen Steinen.

Qualifikation – Trotz Fehler gut dabei

Vor der Quali habe ich im Training noch mal einiges an Speed aufgebaut und natürlich ein paar lose Momente gehabt. Das brauche ich vor der Quali irgendwie, um zu wissen, wo das Limit liegt. Gemeinsam mit Alan Milway, unserem Line Coach, habe ich im unteren Teil auch noch die perfekten Linien herausgefunden. Dort dachte ich eigentlich, dass andere Linien schneller wären, aber die Stoppuhr neben der Strecke hat klar etwas anderes gesagt. Daher war ich mehr als bereit für die Quali und auch tatsächlich im oberen Teil des Laufs ziemlich gut dabei.

# Dank Linecoach hatte Andi Kolb rechtzeitig zur Quali die perfekten Linien.

Ich war Zweiter an der ersten Split, Zweiter an der zweiten, nur 0,1 s hinter Bruni, aber dann gab es leider einen kleinen, selbstverschuldeten Defekt, durch den ich fast aus der Strecke raus bin. Danach war auch der Kopf nicht mehr dabei, ich hab’s nicht mehr so laufen lassen können und bin auf Platz 8 gefahren. Damit war ich im Prinzip zufrieden, da ich nicht damit gerechnet habe, mit so einem riesigen Fehler und einem ruhigen zweiten Teil so weit vorn zu sein. So dachte ich, wenn ich am nächsten Tag keine Probleme auf der Strecke habe, dann bin ich richtig gut dabei und war ziemlich begierig aufs Rennen.

# Oben lief die Quali top, dann hatte Andi leider einen Defekt und großen Fahrfehler.

Doch als das schlechte Wetter reinkam, war klar, dass es für den Finaltag nicht gut aussehen würde. Bald kam auch die Nachricht, dass wir um 07:30 Uhr Training und gegen 9 Uhr schon das Rennen haben würden – ohne Semi-Finale.

Finale – Vollgas trotz Regen

Entsprechend früh ging es am nächsten Tag aus dem Bett: 05:40 Uhr Frühstück, kurz nach 06:00 Uhr aus dem Wohnung und ab in die Gondel nach oben im Stockdunklen. Ich fand das sogar richtig cool, weil es mal eine Abwechslung vom gewohnten Plan war. Zudem geben mir so kurzfristige Änderungen oft noch mehr Kraft, weil ich sehe, wie andere sich aufregen und jammern. Da denke ich mir, die sind jetzt angefressen und schlecht drauf – das ist schlecht für sie und gut für mich, wenn ich gute Laune habe und mich auf den Tag freuen kann.

Das Trainig bei Sonnenaufgang auf dem Gipfel war mega cool und ich war mehr als bereit für den Rennlauf. Doch leider wurde wieder umentschieden und wir mussten erneut warten. Als ich vom zweiten Lauf ins Ziel kam, konnte ich den Renn-Organisator sehen und alle haben sich ganz traurig unterhalten. Ich habe versucht zuzuhören und bald das Wort „cancelled“ aufgeschnappt. Ich frage natürlich sofort nach – wie gecancelt? Ja, Race cancelled! In dem Moment dachte ich wirklich, das Wochenende ist durch und war nun selbst extrem angefressen. Ich dachte, ich bekomme die Punkte für den 8. Platz in der Quali und damit wäre ich ziemlich unzufrieden gewesen – ich war ja nicht am Limit unterwegs und wusste, es ist viel mehr drin. Ich möchte nicht für etwas, bei dem ich nicht 100-prozentig Gas gegeben habe, Punkte bekommen. Lieber möchte ich im Finale schlechter abschneiden, als die Punkte für den 8. Platz zu bekommen. Das wäre für die Gesamtwertung alles eher schlecht gewesen.

# Das Training fand schon um 7:30 Uhr statt - doch bereits um 8:30 Uhr zogen dunkle Regenwolken auf.

Zum Glück haben wir um 12 Uhr die Info bekommen, dass es weitergeht und wir ein weiteres Training haben werden – was erst mal verwirrend war. Andererseits war es gut um wieder Speed aufzubauen und sich mental zu erholen. Also den fünften Kaffee in die Birne und noch etwas Red Bull dazu – das war ein ziemlich zuckerlastiger Tag. Wir alle wussten zudem, dass am späten Nachmittag ein Wetterumschwung kommen würde – daher war der Zeitplan von vorne rein etwas fragwürdig.

Leider kam es genau so und beim Warm-up ist das Unwetter über uns hereingebrochen. In den letzten 10 Minuten meines Warm-ups hat der Sturm nochmals aufgedreht und als ich ins Starthaus geschoben habe, hat es angefangen zu regnen. Zu Beginn noch nicht so stark, aber mir war klar, wenn Regen ins Spiel kommt auf dieser Strecke, dann ist es vorbei. Es ist super schnell und teilweise Hardpack, das wird mit Feuchtigkeit dann recht sketchy. Ich habe mich trotzdem selbst extrem aufgehyped, obwohl ich dachte, dass es aufgrund des extrem schlechten Wetters sicher einen Start-Stopp gibt. Es scheint aber, dass die Organisatoren das Rennen einfach nur durchbringen wollten und die Regel, dass der Hubschrauber bei Wind nicht starten kann, gab es auf einmal nicht mehr. Das halte ich alles für etwas fragwürdig, aber so lief es nunmal.

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Ich habe Ronan Dunne noch angefeuert, der aufgrund des Wetters schon recht nervös war. In meinem Rennlauf dachte ich mir, dass ich von der ersten Kurve weg einfach alles gebe und nichts zurückhalte – ich muss noch ein paar Punkte holen. In der dritten Kurve hätte mich das fast einen großen Sturz gekostet. Ich habe einen extremen Drift angerissen – so wie in Les Gets vor einigen Jahren. Ich konnte es zurückfangen und bin es danach etwas gechillter angegangen und habe gut in meinen Flow gefunden. Als es in den unteren Teil ging, habe ich gemerkt, dass der Regen stärker wird, habe das jedoch erstmal ignoriert. Leider bin ich dann zu schnell in eine Kurve – so schnell wie noch nie dort – und mir ist das Vorderrad weggerutscht. Damit war es aus und vorbei. Ich bin hinter die Bande abgetaucht und hab mir ein paar schöne Schürfwunden geholt.

# Pünktlich zu Andis Rennlauf hat es angefangen, extrem stark zu regnen.

Beim Zieleinlauf habe ich schon befürchtet, dass ich mir etwas am Knöchel getan habe – aber Gott sei dank hat sich jetzt herausgestellt, dass alles okay sein sollte. Es ist immer noch etwas geschwollen, aber ich denke und hoffe, dass es in Loudenvielle in den kommenden Tagen wieder in Ordnung ist. Mittlerweile habe ich mich schon daran gewöhnt, dass nach jedem World Cup eine neue Verletzung auftritt – dieses Jahr läuft es in Sachen Gesundheit nach den Rennen nicht so ganz.

# Im Kampf um die Gesamtwertung geht es um jeden einzelnen Punkt - für die Top 10 war Andorra eine Nullnummer.

Leider war es für die letzten 10 Fahrer ein sehr unfaires Rennen und es gab keine Chance mehr für einen Podium-Run. Ich glaube, Loïc Bruni und ich waren die Einzigen, die noch bis Split 3 auf Top-10-Kurs waren – mit mir auf 9 und Bruni auf 10. Sonst waren alle abgeschlagen. Daher hat es sich leider auch nicht wirklich ausgezahlt, so anzudrücken. Aber man muss immer alles geben – es geht um jeden Punkt. Ich hab zwar keinen geholt, aber alles probiert. Von dem her bin ich extrem happy und fahre mit einem sehr guten Gewissen nach Loudenvielle. Und mehr Motivation denn je! Ich freue mich schon extrem auf die neue Strecke – das wird spannend. Bis zum nächsten Mal.

Was sagst du zu Andis Vollgas-Run im Regen und dem Ablauf des Rennens?


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Fotos: Nathan Hughes / Atherton
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