Les Gets, Frankreich, Alpen. Croissants und fahrradverrückte Menschen. Old-school Wiesenkurven und Huck-to-flat Sprünge. Ein harter Crash in der Quali und ein knappes Podium im Finale. Das fasst mein Rennwochenende beim 5. Downhill World Cup ganz gut zusammen. Aber lest doch alle Details gern selbst! ?
Wir fahren am Sonntag von Andorra in Richtung Frankreich, zunächst wieder an die südfranzösische Küste, wo wir eine Nacht verbringen. Abendessen am Strand, dazu ein Badegang im Pool um Mitternacht bei 30°C, ein Runde schnorcheln im Meer am nächsten Morgen und Croissants zum Frühstück machen den Aufenthalt perfekt. Aber jetzt lieber weiter in die etwas kühleren Alpen.
Die Fahrt zieht sich noch ganz schön und wir sind erst um 5 Uhr in Les Gets. Wir hüpfen sofort auf die Bikes und pedalieren noch einmal den Hügel hoch. Dann nach Morzine. Dort wohnen Amie und Jason Marsh, besser bekannt als „Marshy“ und Mechaniker von Greg Minnaar. Er hat uns angeboten, in seiner Gartenhütte zu übernachten und ich glaube damit haben wir einen der kuschligsten Plätze in Morzine erwischt! Abgelegen von der ganzen Action kann ich hier etwas runterkommen. Am Dienstag wird gut trainiert. Krafttraining und am Nachmittag eine 2 Stunden Enduro-Tour mit Local Jamie Nicoll. Es tut gut, den Körper abseits der Rennen mal wieder etwas zu fordern ?.
Trackwalk
Am Mittwoch heißt es wieder Trackwalk! Aber vorher habe ich noch ein Termin mit Red Bull – Interview für die Live-Übertragung! Mega! Ich muss mir dann auf jeden Fall das kompletten Replay anschauen, um zu sehen, was ich da gequatscht habe, haha. Erik schraubt in der Zeit mein Bike. Das hat nach Andorra etwas Liebe verdient und das ein oder andere Teil muss auch getauscht werden.
Dann geht’s auf die Strecke. Ich bin sehr gespannt, weil ich nach dem letztjährigen Crankworx durchgehend positive Reaktionen gehört habe. Schon die ersten Blicke vom Lift aus lassen mich allerdings etwas ernüchternd dreinschauen – offene Kurven, Geraden, mehr offene Kurven … Mhh. Ich glaube, das wird schnell.
Und dieser erste Eindruck bestätigt sich bei genauer Inspektion. Im mittleren Bereich gibt es auch ein paar technische Abschnitte mit etwas weniger Geschwindigkeit, aber besonders in der Start-Sektion und am Ende heißt es Ballern! Und ganz zum Schluss kommt noch die Cremè de la Cremè: Huck-to-flat, wie ich es noch nie zuvor gesehen habe. Meine Fußgelenke schmerzen mir schon beim Anblick dieses Sprungs und ich frage mich, warum man so etwas baut. Aber gut, springen wir ihn erst einmal, vielleicht ist er ja gar nicht so schlimm.
Training: Motiviert ins Gemüse
Der erste Trainingstag wirft seine Schatten voraus und ich bin motiviert wie immer! Etwas zeitiger als sonst geht’s hoch zum Training, da die beiden Lifte bis zum Start knapp eine halbe Stunde brauchen – ohne Anstehen. Irgendwann bin ich dann also auf der Strecke für die erste Abfahrt und rolle smooth alles ab. Der Grip ist nicht allzu groß und ich biege direkt mal ins Gemüse ab, weil ich eine Kurve nach einem kleinen Sprung nicht bekomme.
Alright, die Strecke ist durch die hohen Geschwindigkeiten und den losen Boden echt anspruchsvoller als gedacht. Ich habe etwas Probleme den Flow zu finden und stürze noch zweimal unnötig. In der dritten Abfahrt gehe ich den Huck-to-flat-Zielsprung an – das Fahrwerk geht komplett auf Block und dann mein Körper hinterher, Rückenschmerzen! Der erste Versuch war echt sketchy, aber drüber. Jetzt noch 2 Timed Training-Läufe, so langsam gewöhne ich mich an den Speed, der Zielsprung sitzt jetzt auch besser (tut aber trotzdem weh) und bin mit meinem ersten Trainingstag dann doch recht zufrieden.
Nach dem Training erfahre ich dann von den News: Rachel (Atherton) hat sich höchstwahrscheinlich die Achillessehne gerissen, an genau diesem stumpfen Zielsprung. Das kann doch nicht wahr sein. Ich bin mega sauer und wütend! Warum baut man solche Elemente in eine Rennstrecke? Das hat nichts mehr mit anspruchsvoll oder fordernd oder Weltcup-Niveau, sondern lediglich etwas mit unnötigem Risiko und Verletzungsgefahr zu tun.
Und klar muss man es nicht springen, aber auf einem Rennen möchte man nun mal der oder die Schnellste sein und nimmt so etwas dann in Kauf. Ich spreche mit den anderen Mädels und außer 2, 3 Ausnahmen ist keine der Mädels bisher gesprungen. Und das nicht, weil der Sprung an sich schwierig ist. Er ist nicht klein, ja, aber eigentlich gut machbar sagen alle. Nein, jede der Mädels hat Angst vor der Landung und davor, sich dort möglicherweise zu verletzen.
Ich mache meinem Frust in einem Posting am nächsten Morgen etwas Luft. Ändert aber nichts daran, dass der Sprung nach wie vor Teil der Strecke ist. Ich hoffe einfach, dass sich die Veranstalter und Streckenbauer bis nächstes Jahr etwas einfallen lassen – so wie es momentan ist, ist das jedenfalls keine Lösung aus meiner Sicht!
Qualifying mit Doppelsturz
Freitag. In meinem heutigen Training fühle ich mich gut. Den Zielsprung lasse ich weg, da ich meinem Körper den harten Impact nicht unnötig oft antun möchte – mein Rücken (noch nicht wieder richtig fit nach Andorra) tut eh schon wieder genug weh nach den drei Sprüngen gestern. Halb 2 ist wieder Quali-Zeit. Amie, die Frau von Marshy, bringt uns Mittagessen vorbei. Mega lieb, ich stopfe mich mit Salat und Nudeln voll.
Während der halbstündigen Liftfahrt habe ich dann ein ganz schönes Tief und könnte einschlafen – vielleicht hätten es zwei Gabeln weniger Nudeln auch getan, haha. Ab auf die Rolle und wach werden. Das Warm-up ist dieses Wochenende etwas intensiver, vor allem mein Rücken braucht das nämlich gerade. Dann geht’s auch schon ins Startgate. Ich rolle los und fühle mich gut. Leider passiert mir gleich im oberen Teil ein kleiner Fehler und ich werde mit einem Sturz bestraft.
Allerdings nichts Wildes, es ist nur das Hinterrad, das kurz den Grip verliert und mich für eine Sekunde zu Boden zwängt. Das hat kaum Zeit gekostet, weiter! Der Wald läuft ganz okay und ich komme in Richtung Ziel. Jetzt also nur noch den Zielsprung senden und f***, ich liege im Flatterband, aber Vollgas. „Sinnlos!“, denke ich mir, wäre ich den Sprung nur im Training heut morgen auch gesprungen. Ich rolle ins Ziel und bin ziemlich bedient. Der Ellenbogen schmerzt. Ich glaube, ich habe einen der Streckenpfosten abbekommen. Mein Bike sieht auch etwas mitgenommen aus.
Zurück im Pit hat Erik also wieder alle Hände voll zu tun, mein Fahrrad herzurichten. Ich fahre mich aus und gehe dann zur Physio vom Syndicate-Team. Sie tut was sie kann für meinen Arm und gibt mir den „Game Ready“ mit – ein Gerät, welches Kompression und Kälte erzeugt, mega gut gegen den Erguss im Ellenbogen!
Ich glaube, so kann das morgen doch ganz gut werden! Als wir dann allerdings das Pit verlassen, fängt mein Fußgelenk plötzlich extrem an zu schmerzen und ich kann kaum noch auftreten. Prima! Genau das gleiche Phänomen hatte ich letztes Jahr nach einem Sturz in Val di Sole. Zuerst tat Nullkommanichts weh und nach 2, 3 Stunden konnte ich nicht mehr laufen. Was damals geholfen hat: Ibuprofen und Ruhe! Also heute das gleiche Spiel. Ich bin echt kein Fan von Schmerzmitteln, aber diesmal geht’s nicht anders. Da liege ich nun, Fuß hoch, Arm im „Game Ready“ und Erik darf den Abwasch machen – wenigstens ein Gutes hat die Sache, haha.
Finaltag
Der nächste Morgen ist zäh. Ich schäle mich aus dem Bett, der Fuß ist ganz okay, der Arm tut weh. Frühstücken und eine weitere Pille, dann geht’s. Ich kann zumindest laufen, das Adrenalin wird’s nachher schon richten, sage ich mir. Mein erster Trainingslauf läuft besch*****. Ich habe null Gefühl fürs Fahrrad, bin stocksteif und im Kopf überhaupt nicht wach.
Zack, liege ich im oberen Teil wieder auf der Schnauze. Der Zielsprung unten kann mich mal, ich rolle durch und fahre frustriert zum Pit. So habe ich mir das nicht vorgestellt. Hätte echt nicht gedacht, dass mich dieser Sturz gestern so aus der Bahn wirft. Ein Trainingslauf bleibt mir noch, um Selbstvertrauen zu gewinnen.
Physio Laura taped mir jetzt noch meinen Fuß. „Strong or light?“, fragt sie. Strong natürlich! Als sie fertig ist, kann ich das Fußgelenk kaum mehr bewegen – okaaay… So kann ich den Zielsprung aber auf jeden Fall senden, da knickt nichts mehr um, haha. Greg Minnaar macht sich auch gerade warm für sein Training und gibt mir noch ein paar motivierende Worte mit auf den Weg: Ruhig bleiben, durchatmen, sauber fahren – so seine Devise. Mit den Worten geht’s hoch zur letzten Abfahrt vorm Finale. Und die läuft deutlich besser. Ich fühle mich zumindest einigermaßen wie Fahrrad fahren und springe auch den Zielsprung. Na dann, get ready for finals!
Mein Start ist 12:46 Uhr, um 12 schwinge ich mich auf die Rolle und ziehe mein Warm-up durch. So richtig kann ich aber nicht alle Übungen machen und merke auch, dass ich echt etwas schwach bin. Trotzdem versuche ich mich natürlich zu pushen. Aber ich fühle schon jetzt, dass heute dieses „Race-Feeling“ einfach fehlt – Wille, Aggression, Fokus. Alles ist etwas gedämpfter und kraftloser.
Hoch ins Startgate und trotzdem alles geben, sage ich mir! Ich rolle los, die ersten Kurven, der erste Sprung und ich merke, heute kann ich nicht alles geben. Wenn ich jetzt pushe und alles gebe, liege ich wieder im Dreck. Also nehme ich einen Gang raus und versuche einfach sauber und rund zu fahren – so wie Greg heute Morgen gesagt hat. Und das funktioniert. Über den Zielsprung, nicht schön, aber drüber, und über die Finish Line … Geschafft!
Das ist der einzige Gedanke in diesem Moment. Platz 3 hatte ich mir in den Kopf gesetzt, aber ich weiß, dass das mit dieser Zeit wahrscheinlich nichts wird. Vero ist die Erste, die meine Zeit um 0.044 sek nicht knackt. Puuuh! Sie ist nämlich den Zielsprung nicht gesprungen. Dann kommt aber Eleonora, springt und fährt schneller. Die letzten 3 Mädels auch. Platz 5! Hey cool, Podium! Damit bin ich letztendlich doch ziemlich zufrieden. Viel mehr war heute einfach nicht drin.
Ich genieße die Siegerehrung vor dem verrückten französischen Publikum und wir lassen den Abend bei etwas Alkohol in den Gassen Les Gets ausklingen. Was waren das wieder für 2 Wochen! Ich habe so krass viel erlebt, gelernt und vor allem das jetzige Wochenende war voll von Höhen und Tiefen. Ich bin froh jetzt erstmal ein paar Tage zu Hause zu sein, um neue Energie zu tanken für die kommenden 2 Weltcups Anfang August. Val di Sole ist der Erste – und ich habe die Strecke letztes Jahr trotz Regens schon lieben gelernt ?. Also kurz regenerieren und dann wieder voll angreifen!
Ahoi, eure Nina
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