Kann sich ein Bike, welches ursprünglich für den Slopestyle-Einsatz konstruiert wurde, durch eine leicht veränderte Geometrie, mit aktuellen All Mountain-Bikes messen? Wir haben dem stählernen Gefährt auf den Zahn gefühlt und können euch verraten, wie viel „Bike für den gesamten Berg“ im Bolt steckt.
Im Stand
Das DMR Bolt [long] gibt es, wie das normale Bolt auch, nur als Rahmen-Kit zu kaufen. Die Ur-Version des Bolt ist im Slopestyle zu Hause und in der langen Version unterscheidet sich der Stahlrahmen lediglich durch ein verlängertes Sitzrohr sowie einen verlängerten Reach, um dem Rad mehr Laufruhe zu bringen. Zudem wurde es Teleskopstützen-tauglich gemacht. Mit dem Background im Dirt- und Slopestyle-Bereich überrascht es nicht, dass am Bolt auf eine gleichbleibend lange Kettenstrebe gesetzt wird und so befindet sich der Drehpunkt des Eingelenkers um das Tretlagergehäuse, was mit entsprechenden Ausfallenden einen Singlespeed-Aufbau ohne Kettenspanner ermöglicht. An der Dämpferanlenkung sind zwei Umlenkhebel angebracht, die für eineren steiferen Hinterbau sorgen sollen.
Ausgestattet war unser Testrad mit einem Cane Creek Double Barrel Air CS, einer Marzocchi 55CR mit 150 mm Federweg und einer X-Fusion HILO Sattelstütze mit 100 mm Verstellweg. Als Antrieb musste eine 1×10 Schaltung mit 32 Zähnen am Kettenblatt und einer Kassette mit 11-36 Zähnen herhalten. Die Laufräder stammen genau wie der 800 mm breite Lenker aus dem Hause DMR. Gebremst wird der gelbe Flitzer aus England mit einer Formula „The One“ und groben Onza Ibex Reifen. Lediglich die verbauten BMX Griffe wurden nach einer Fahrt im Nassen gegen Lock-on Griffe getauscht.
Erster Eindruck
Nach wenigen Metern auf dem Trail fiel uns der stark degressive Hinterbau auf. Um ein ausgewogeneres Fahrverhalten zu erreichen, bestückten wir den Double Barrel Air mit einer recht beachtlichen Menge an Volumen-Spacern, was etwas Besserung herbeiführte.
Die Kombination aus dem hauseigenen DEFY Vorbau und dem WINGBAR 35 mit 20 mm Rise ergab eine angenehme Höhe der Front. Im Gegensatz zu den Griffen taten es uns die DMR Vault [Mg] Pedale durchaus an. Sie vereinen geringes Gewicht mit hohem Grip. Weniger erfreut waren wir über die Geräuschkulisse beim Einfedern, doch der Verursacher war schnell ausfindig gemacht. Durch das Absenken der Sattelstütze bildete sich an dessen Remote-Zug ein Bogen, der am Hinterrad streifte. Das Problem wurde schnell mit einem lockeren Kabelbinder unterhalb der Sattelklemme gelöst, durch den das „überschüssige“ Kabel beim Absenken durchrutschen konnte. Eine schönere Lösung wäre hier die Möglichkeit einer Stealth-Version mit Leitungsführung innerhalb des Rahmens.
In der Praxis
Uphill
Der Sattelrohrdurchmesser ist mit 27,2 mm für ein All Mountain-Rad schlichtweg zu schmal bemessen, wodurch die Auswahl an Variostützen drastisch eingeschränkt wird. Somit mussten wir uns mit 100 mm Verstellweg zufrieden geben. Dieser reichte für gemütliches Tourenfahren, ging es jedoch „steil hoch und steil runter“, war dieser reichlich knapp dimensioniert. So musste vor fast jeder Abfahrt eine Pause eingelegt werden, um die Sattelstütze mit Hilfe eines Inbusschlüssels zu versenken.
Mit dem 1X10 Antrieb stießen wir in steileren Passagen relativ schnell an unsere Grenzen. Bei steilen wie auch bei langen Anstiegen hätten wir uns durchaus eine leichtere Übersetzung gewünscht. Die Plattform des Dämpfers verrichtete eine hervorragende Arbeit: Dank des Climb Switch neigte der Hinterbau nur zu geringfügigem Wippen. Auch blieb das Vorderrad im Uphill konstant am Boden. Wer auf dem Weg zur Abfahrt ein paar steilere Anstiege vor sich hat, wird auf Grund des Übersetzungsverhältnisses allerdings kräftige Beine haben müssen.
Jumptrail
Wir waren gespannt, wie sich das Rad auf unserem lokalen Jumptrail fahren würde – schließlich liegen die Wurzeln des Rades im Slopestyle. Der Trail besteht aus Anliegern und Sprüngen, die meist aus Holz gebaut sind. Also Sattel runter und los ging es. Ich entschied mich damit gleich alle großen Sprünge zu nehmen und wurde vom DMR Bolt nicht enttäuscht. Das Rad ließ sich leicht aus den Sprüngen ziehen und lag angenehm ruhig und ausbalanciert in der Luft. Durch den längeren Hauptrahmen war das Rad nicht ganz so verspielt wie sein kurzer Bruder, aber trotzdem noch für so manche Spielereien zu haben.
Für mittelgroße Sprünge hatte das Rad genau das richtige Kaliber; es bot deutlich mehr Sicherheit als ein Dirtbike, war aber immer noch weitaus verspielter als ein Downhiller. Überraschenderweise gaben dann bei einem Sprung ins letzte Stück einer Landung die Laufräder nach, was nicht so ganz ins Gesamtkonzept eines Slopestyle-Bikes passen möchte. Mehr Speichenspannung und eine stabilere Felge wären hier wünschenswert gewesen.
DMR – dieser Markenname ist eng mit Dirtjump verbunden, also ging es ab auf einen reinen Dirtspot. Die grobstolligen Reifen und der Federweg waren nicht die idealen Voraussetzungen für mühelose Flugstunden, denn sie saugten den notwendigen Schwung schon nach dem ersten Sprung komplett auf. Eine Anpassung war notwendig: Reifen aufpumpen auf 4 Bar, alle Druckstufen am Fahrwerk komplett schließen und Maximaldruck in die Federelemente geben. Zwar verwandelte sich das Bolt nicht in ein agiles Dirtbike, dennoch konnten mit etwas mehr körperlichem Einsatz die Jumpline komplett springen – auch Tricks war das DMR nicht abgeneigt.
Bergab
Das DMR ließ sich sehr gut antreten; der Hinterbau sackte selbst bei starkem Antritt mit niedriger Trittfrequenz kaum weg. Auf flowigen Singletrails erhielt man ein gutes Feedback vom Untergrund. Das Rad ließ sich leicht aufs Hinterrad ziehen und lud zum Spielen ein.
Der Spaß wurde jedoch gedämpft, sobald es etwas rauer zuging: Das Fahrwerk konnte uns hierbei nicht begeistern. Der Hinterbau war wenig sensibel; es war schwierig, Grip zu generieren. Um zu sehen, ob die Reifen für den fehlenden Grip mit verantwortlich waren, wurden andere aufgezogen, was jedoch keinen merklichen Unterschied machte. Die Marzocchi 55 war etwas sensibler als der Hinterbau, wurde jedoch ihrem ehemaligen Ruf nach butterweichem Ansprechverhalten nicht gerecht und ließ gegenüber anderen aktuellen Gabeln an Feinfühligkeit vermissen. Auf Singletrails mit Schlägen durch Wurzeln und ruppiges Terrain war es auf Grund des fehlenden Grips und der damit entstehenden Unruhe schwer, die anvisierten Linien zu treffen. Man wurde auf dem Rad teilweise ordentlich durchgeschüttelt und hatte Mühe, während längeren Abfahrten den Lenker festzuhalten. Die Formula The One Bremsen verzögerten leider nur dann richtig, wenn sie auf Temperatur waren.
DMR Bolt Test-Fazit
Man merkt dem DMR Bolt deutlich an, dass es am liebsten auf Jumptrails gefahren wird: gerne mit großen Sprüngen und ohne Wurzel- oder Stein-Stakkato. Fans von cleaner Stahlrahmen-Optik ohne Augenmerk auf das letzte gesparte Gramm, die ihren Fokus hauptsächlich in Flugzeit auf gepflegteren Trails sehen oder Lust auf ein etwas direkteres Fahrerlebnis haben, werden mit dem Bolt ihre Freude haben.
Pro:
- Sehr stabiler, steifer Rahmen
- Für Puristen eine echte Alternative zu aktuellen Trends
- Rahmen inklusive X-Fusion Dämpfer mit 1200 € ziemlich günstig
Contra:
- Auf ruppigen Strecken kommt das Fahrwerk nicht mit
- Dünnes 27.2mm-Sattelrohr schränkt Auswahl an Remote-Stützen deutlich ein
Im Detail
Technische Daten
Hersteller: DMR Bikes
Modell: BOLT [long]
Modelljahr: 2014
Kategorie: Rahmen, Fully
Einsatzbereich: All-Mountain, Enduro
Laufradgröße: 26″
Federweg Rahmen: 125 mm
Federweg Gabel: 120 mm – 160 mm (wurde um eine 150mm Gabel entwickelt)
Material: 4130 CrMo Stahl
Steuerrohr: Tapered
Innenlager: 73mm BSA
Kettenführungsaufnahme: ISCG05 (nicht Hammerschmidt kompatibel)
Umwerferaufnahme: nicht möglich
Sitzrohrdurchmesser: 27,2 mm
Sattelklemmendurchmesser: 30,6mm
Bremssattelaufnahme: IS2000
Ausfallenden: 9 x 135mm (vertikal), 10 x 135mm (horizontal),14 x 135 mm (horizontal), 12 x 135 mmm (auch als Maxle Version erhältlich)
Verstellbare Geometrie: Nein
Farben: orange matt, gelb matt, schwarz matt
Gewicht: ca. 4,1 kg inkl. Dämpfer
Preis: ca.1 200€ mit X-Fusion Dämpfer
Ausstattung des Testbikes
Geometrie
Reach: 420 mm
Oberrohrlänge: 595 mm
Radstand: 1147 mm
Kettenstreben: 435 mm
Tretlagerhöhe (mit 140 mm Fox 36 Gabel) : 345 mm
Lenkwinkel: 67°
Sitzwinkel: 73°
Tretlagerbreite: 73 mm Euro
Steuerrohrhöhe: 115 mm
Sitzrohrklemmung: 30mm
Sattelstützmaß: 27,2 mm
Rahmengewicht: 4,1 kg
Gesamtgewicht: 15,5 kg
36 Kommentare
» Alle Kommentare im ForumDeine Beiträge sind sehr informativ, sachlich und lesenswert und ich freue mich über deine detaillierten Erfahrungen.
Unterschiedliche Erfahrungen führen zu unterschiedlichen Meinungen, da ist nichts schlimmes daran, das macht das Forum vielseitig.
Ich will hier auf keinem Fall für schlechte Stimmung sorgen, mir geht es lediglich um den Erfahrungsaustausch, der ruhig auch schon mal kontrovers sein darf.
Auf immer gute Trails und bestes Bike-Wetter in 2015!
die dose ist auf jedenfall ihr geld wert 15 jahre ohne ausfälle.
meine 2te is noch älter gebraucht gekauft ölwechsel eingebaut fertig
ich bin echt gespannt aber wie gesagt ich hab da so meine erfahrung
Was jedoch dadurch unverändert blieb, war die Dämpfung. Zu Beginn des Federwegs wurde der Dämpfer mehr bewegt, als gegen Ende des Federwegs. Sprich die Dämpfung war anfangs relativ stark und tief im Federweg eher schwach... Dies erforderte einen gewissen Kompromiss bei der Abstimmung, der sich vor allem in den Downhillpassagen negativ bemerkbar machte.
Klar das Rad hat nur 125mm Federweg, deshalb konnte man nicht all zu viel erwarten, aber es gibt durchaus Räder in dieser Klasse, die einen besseren Hinterbau haben (beispielsweise das alte Specialized SX).
also hat der dämpfer nicht den ganzen federweg genutzt?
ich muss sagen, dass mir der hinterbau in kombination mit einem sehr progressivem dämpfer eigentlich sehr gut gefällt. so bleibt immer etwas luft bei härteren einschlägen
der XFusion O2 Rl, der serienmäßig verbaut war, hat komischerweise ganz gut den ganzen federweg ausgenutzt.
der beim manitou swinger expert ist es schon sehr schwierig gewesen den hub des dämpfers komplett zu nutzen. dennoch fühlte sich dieser dämpfer wesentlich besser an als der einfache XFusion. der federweg hinten fühlt sich subjektiv nach "mehr" an, trotz weniger genutzem hub.
nur zur information: ich fahre meine federelemente immer mit viel lowspeed-druckstufe und wenig highspeed-druckstufe bei 20-25% Sag (eher 20%) das funktioniert eigentlich immer sehr gut. beim Xfusion konnte man natürlich keine highspeed-druckstufe einstellen
ich schreibe hier auf jeden fall nochmal einen kleinen bericht, wenn ich den marzocchi S3C2R The Edge ausgiebig testen konnte. verbauen werde ich diesen mit huberbushings!
Dies kann bei anderen Dämpfern anders sein, ich bin nur den CCDB Air CS gefahren.
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