Nach dem gestrigen „Dirt Love“ von YT Industries folgt nun der Fahrbericht eines ganz anderen Rades, sowohl preislich als auch generell vom Fahrverhalten her – was die Unterschiede sind und welches wem besser gefallen hat, erfahrt ihr im folgenden Fahrbericht.
Rose „The Bruce 6“
Mit einem quergestellten Lenker traf das „The Bruce“ komplett vormontiert in einem Riesenkarton bei crossie ein – das Rad war so nach dem Auspacken und Festziehen des geradegestellten Lenkers direkt fahrbereit.
Ausstattung
Erster Blick auf das 999 EUR teure The Bruce 6: Das Rose ist ziemlich bunt. Lila, perlweiss und Goldtöne vermischen sich mit schwarzen und weissen Anbauteilen, doch die Griffe setzen dem Bike die Krone auf: Etwas gewöhnungsbedürftig und so noch nie gesehen funkeln zwei Dutzend Strass-Steine an den goldenen Lock-On-Klemmringen. Die dafür passende Zielgruppe versuchen wir uns vorzustellen, es gelingt nicht so recht. Nichtsdestotrotz – die Griffe hielten bombenfest und der Blingbling-Faktor sorgte an ausnahmslos jedem Spot für Heiterkeit.
Das „The Bruce“ ist wie das gestrige Testrad mit der Dirtjumper 1 von Marzocchi ausgestattet: Jedoch nicht getravelt, sondern mit den ursprünglichen 100 mm Federweg. Der Reifensatz Schwalbe Table Top ist auf Spank Subrosa-Felgen aufgezogen und die Naben kommen von Sun Ringlé, welche für ein Bike dieser Preisklasse nicht unbedingt zu erwarten gewesen wären. Lenker, Vorbau und „Tweet Tweet“-Sattel kommen ebenfalls von Spank.
Als Bremse kommt, wie beim YT, wieder eine Avid zum Einsatz: Die „Elixir 5“ funktioniert vorzüglich, wenngleich die Bremsleitung – Barspins hin oder her – etwas lang geraten ist.
Beim Kurbelsatz wurde klassisch auf Aluminium gesetzt: Die Hussefelt von Truvativ ist günstig, aber für den Preisbereich in Ordnung und zum dicken Alu-Rahmen passender als eine filigrane Stahkurbel. Montiert sind außerdem leichte, schön gefräste Pedale der Rose-Hausmarke „xtreme“. Kopfschütteln bei uns, als wir für mehr Bewegungsfreiheit den Sattel nach unten drücken wollen: Die Stütze ist ungekürzt und zu lang, um den Sattel komplett zu versenken.
Größter Unterschied zum YT ist die Übersetzung, die ungewöhnlich leicht ist. Das Gewicht ist mit 12,3kg vollkommen in Ordnung: Dafür sorgen, entgegen der robusten Optik, die vielen Alu-Anbauteile.
Fahrbericht von Hannes:
Skateparks. Die Bremse ist schneller als gedacht eingebremst (und vor allem konnte sie, im Gegensatz zu anderen Testbremsen, während des Trips eingebremst werden…), das erste richtige Einsatzgebiet ist für mich der große, leere Auricher Skatepark. Größentechnisch ist das Bike trotz der mittleren Rahmengröße M schon eher nach meinem Geschmack: Lenker und Gabel haben, entgegen den Flach-Trends der anderen Bikes, eine für mich gewohnte Höhe.
In Verbindung mit den dicken Reifen kommt fast ein bisschen ´2003er Streetpanzer-Feeling auf, dazu passen auch das große Kettenblatt und das große Ritzel, was für eine sehr kleine Übersetzung sorgt – das passt im Skatepark gut, zum Fortbewegen und Anlauf nehmen ist es auf Dauer etwas anstrengend.. Das Rad liegt satt in der Luft, ist aber kürzer und dadurch eine Spur wendiger als das YT – ich merke, dass mir das Bike sofort passt. Tabletops gehen gut und nach Monaten der Wallride-Verweigerung, die von einer Verletzung vom September 2010 herrührt, schmeiße ich mich langsam aber sicher auch wieder an die Wände.
Manuals funktionieren zwar, aber nicht so sanft und entspannt wie beim YT – dafür ist das „The Bruce“ ein Stück zu stelzig. Dafür hat es in allem, was mit Bunnyhops und Airs zu tun hat, bei meinen Fahrten die Nase vorn: Die Gabel schlägt im Gegensatz zum „Dirt Love“ von YT kein einziges Mal durch, obwohl es das identische Modell mit identischem Luftdruck ist – ob es daran liegt, dass die Gabel hier noch im Ursprungszustand verbaut wurde?
Berlin, Pumptrack. Carlo Dieckmann passt das Rose nicht – zu groß, zu hoch, zu stelzig. Profi wie er ist, manövriert er das Bike dennoch weitaus flüssiger durch den Track als wir es vermögen, aber „sein“ Rad ist das trotzdem nicht. Ich freue mich weiterhin drüber und werde mit jedem Lauf schneller, das Rad passt mir.
Äußerst wendig, Gabel und Bremsen funktionieren perfekt – die Höhe stört angesichts meiner Körpergröße nicht, im Gegenteil. Bisher mein Favorit.
Fahrbericht von crossie
Oh, ein MTB! Rose liefert das „The Bruce 6“ eigentlich fast komplett fahrfertig aufgebaut. Lenker/Vorbau-Einheit geradeziehen, Pedale dran, alle Schrauben festziehen, Abfahrt! Entgegen der momentanen Tendenz ist das Rose viel mehr Mountainbike als alle anderen auf dem Markt erhältlichen „größeren BMX-Räder“. Aluminium-Rahmen, MTB-Kurbel und Kettenblatt, Singlespeed-Adapter auf der Nabe, klassische Sattel-Stützen-Kombi….all das versetzte mich so ein bisschen wehleidig in meine Anfangszeit zurück. Hatte meine Generation nicht auch mit genau dieser Art Räder angefangen?
Meine anfängliche Skepsis, zusammen mit der Farb- und Namensgebung, wurde noch unterstützt durch goldene Lock-On-Griffe, besetzt mit Strass-Steinchen. Die Optik mal außen vor gelassen, war das Fahrverhalten sehr ordentlich. Geometrietechnisch hat Rose in meinen Augen fast alles richtig gemacht: Das Rad liess sich wunderbar in den Manual ziehen, gut für Rotations-Tricks drehen, hatte einen ausgewogenen Schwerpunkt und war relativ leicht. Vom fahrerischen Standpunkt her ein Volltreffer.
Die Wermutstropfen beschränken sich bei diesem Rad auf den für meinen Geschmack etwas zu hohen Lenker und die viel zu leichte Übersetzung – gut in engen, verwinkelten Skateparks um mal schnell vom Fleck zu kommen, weniger gut zum Dirten und für das allgemeine Fahrgefühl, sowie auf ein paar Kleinigkeiten bei der Optik. Dazu gehören unter anderem die klobige Sattelklemme und die Setback-Stütze, die massiv gehaltenen Ausfallenden und die etwas seltsam anmutende Farbgebung. Bei der uns gelieferten Version bestand die Möglichkeit, durch die Schaltungsnabe, das Schaltauge und die natürlich vorhandene Bremsaufnahme an der Gabel, das Rad mit relativ geringem Aufwand Bikepark- bzw. 4X-tauglich zu machen. Das Rad ist seinen Preis wert, wobei die Optik etwas eigenwillig ist.
Auch Gastfahrer Jonas Berndt hat das „The Bruce“ gut gefallen:
Gesamtfazit:
Von Köln bis Augsburg hat uns das Rose begleitet und meistens saß ich (Hannes) drauf – über fast die ganze Zeit kam für mich kein anderes Rad vom Fahrgefühl an „The Bruce“ dran. Das absolute Gegenteil zum YT: Knallbunt, teilweise seltsam anmutende Parts (klobiger goldener Schnellspanner, ungekürzte Stütze, Glitzergriffe) und generell optisch wie technisch nicht so sauber durchgestylt wie die anderen Testräder.
Mich als großen Fahrer hat jedoch die Wendigkeit und gleichzeitige Ruhe im Rad, besonders in der Luft, begeistert. Was die Gabel angeht, die beim YT-Test gestern nicht ganz bestanden hatte: Weder bei mir noch bei Jonas und Hendrik in Witten schlug die Dirtjumper 1 durch, was – im Vergleich mit YT – positiv überraschte. Das „The Bruce 6“ ist aufgrund der oben aufgeführten, teilweise kuriosen Parts weder optisch noch fahrerisch für jeden Fahrertypen uneingeschränkt empfehlenswert, aber auch angesichts des Preises von 999 € und beachtenswerten Parts wie den Sun Ringlé-Naben absolut solide und insbesondere größeren Fahrern zu empfehlen.
Mit einem Manko: In Größe M ist bei X-Ups und Barspins der Platz zwischen Vorderrad und Pedal äußerst knapp – bitte beachten! Hier wäre ein etwas längeres Oberrohr definitiv sinnvoll. Eine gekürzte Sattelstütze wäre für die nächste Auflage des Bikes ebenfalls praktisch: So wäre der Sattel komplett versenkbar, zudem spart man einiges an Gewicht. Ein Pluspunkt ist der unkomplizierte Aufbau, da das Rad zu 99% vormontiert geliefert wird.
Kurzum: Ein gutes Rad des Bocholter Versenders, das trotz recht kleiner Übersetzung durch unkompliziertes Fahrverhalten und solide Parts bei akzeptablem Gewicht als Allrounder überzeugen kann. Mankos sind die kleine Übersetzung und für kleinere Fahrer die etwas hohe Front – die bunte Optik ist Geschmackssache.
Alle Informationen zum Rose „The Bruce 6“: www.rose.de
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