Wie viel Trail-Vergnügen geht mit einem Fully für 1.499 €? Das frage ich mich, als wir mit dem Rockrider AM 50 S eines der aktuellsten Bikes des französischen Multisport-Giganten beim Pressecamp am Walchensee entgegennehmen. Klar ist: Mit dem AM 50 wird versucht, maximal viel Produkt zum minimal möglichen Preis zu liefern. Wir konnten es einen Nachmittag fahren – hier ist ein allererster Eindruck.
Rockrider AM 50 S: Infos und Preise
Eine Fox 38 Factory, eine SRAM Eagle XX1 AXS-Schaltgruppe, ein Newmen Advanced SL X.A.30 Laufradsatz … diese Produkte sind zwar nicht am Bike verbaut, kosten aber einzeln alle ungefähr so viel wie das Rockrider-Komplettbike. Umso erstaunlicher, dass die Franzosen das AM 50 S gefühlt ziemlich unter dem Radar laufen lassen. Zu Recht, oder nicht? Das konnten wir für einen kurzen Zeitraum zumindest kurz antesten und schon einmal vorfühlen, was und ob das Rockrider AM 50 S taugt.
- Rahmenmaterial Aluminium
- Federweg 150 mm (vorne) / 140 mm (hinten)
- Hinterbau abgestützter Eingelenker
- Laufradgröße 27,5″ (S, M), 29″ (L, XL)
- Gewicht 2,7 kg (Rahmen, Größe S, Herstellerangabe)
- Rahmengrößen S / M / L / XL
- Verfügbar ab sofort
- www.decathlon.de
Preis: 1.499 € (UVP)
Im Netz ist zum Rad kaum mehr zu finden als der kurze Pressetext, der ähnlich spartanisch daherkommt wie der Preis: „Dieses vollgefederte Mountainbike wurde speziell für All Mountain-Touren entwickelt. Es eignet sich insbesondere, um Fortschritte zu erzielen und seine Steuerfähigkeiten weiter zu verbessern. Ideal, um in geshaptem Gelände und auf anspruchsvollen Singletrails seinen Flow zu finden. Mit diesem vielseitigsten MTB unseres AM-Sortiments profitierst du von guter Leistung bergauf und einem sicheren Gefühl bergab“, heißt es auf der offiziellen Seite. Dass Mountainbikes von Decathlon auch auf Trails überzeugen können, bewies schon das Decathlon Rockrider AM 100 HT im Test vor zwei Jahren, als es um Hardtails ging. Wie schlägt sich das nur minimal teurere Fully?
Vielseitigkeit passt auf den ersten Blick: Das Rockrider AM 50 S verfügt über eine Variostütze, die in den beiden größten Größen L und XL immerhin 150 mm Hub bietet, dazu kommt eine aktuelle 12fach-Schaltung von SRAM. Die SX-Variante wird wahrlich nicht nur von Decathlon verbaut, sondern findet nicht selten auch ihren Platz an Bikes jenseits der 2.000 € – geht in Ordnung. Der Hinterbau des Trail-Bikes ist als abgestützter Eingelenker konstruiert, der Manitou-Dämpfer federt horizontal über einen Link parallel zum Oberrohr ein. Eine kleine Besonderheit befindet sich am Dämpfer – trotz des relativ günstigen Modells verfügt er laut Sticker über „Rockrider SPECS“. In der Rockrider-Modellriege ist das AM 50 S das günstigere von zwei Allmountain-Modellen. Der große Bruder AM 100 S kostet 1.799 € und ist mit etwas höherwertigeren Komponenten ausgestattet.
Geometrie
Mit „konservativ“ ist die Geometrie beim AM 50 S gut beschrieben. So merkt man direkt, dass die Konstruktion nicht gerade aggressiv nach Abfahrt ruft, sondern vielmehr diejenigen glücklich machen möchte, die eher entspanntere Trail-Touren fahren möchten. Mit einem Stack von 636,4 mm in Größe L baut das Bike an der Front eher hoch, dafür ist der steile Lenkwinkel mit 66,5° für ein Trail-Bike nicht außerordentlich progressiv. Gleiches gilt für den Sitzwinkel: Mit 74,5° schreit das Bike nicht zwingend nach einer extrem steilen Sitzposition; insgesamt sitzt man, auch durch den knappen Reach von 447,5 mm, sehr entspannt statt gestreckt auf dem Rad. Das Sitzrohr liegt mit 480 mm auf der langen Seite, die Kettenstreben hingegen weisen mit 445 mm einen Durchschnittswert auf.
Bikes mit einem relativ ähnlichen Einsatzgebiet wie etwa ein Focus Jam bieten in Größe L ganz andere Werte, ein Reach-Wert von 30 mm mehr ist hier Standard. Relativ nah dran ist die Rockrider-Geometrie beispielsweise am Canyon Neuron – hier sind Sitz- und Lenkwinkel praktisch identisch, das Trail-Bike aus Koblenz ist lediglich minimal länger und im Stack niedriger – größere Fahrer*innen erfreuen sich am höheren Rockrider-Stack, der rund 10 mm mehr bietet als die Konkurrenz.
Rahmengröße | S | M | L | XL |
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Laufradgröße | 27,5″ / 650B | 27,5″ / 650B | 29″ | 29″ |
Reach | 421,4 mm | 430,6 mm | 447,5 mm | 463,6 mm |
Stack | 622,7 mm | 622,8 mm | 636,4 mm | 650,1 mm |
STR | 1,48 | 1,45 | 1,42 | 1,40 |
Lenkwinkel | 66,5° | 66,5° | 66,5° | 66,5° |
Sitzwinkel, effektiv | 74,5° | 74,5° | 74,5° | 74,5° |
Oberrohr | 600 mm | 610 mm | 630 mm | 650 mm |
Steuerrohr | 105 mm | 105 mm | 120 mm | 135 mm |
Sitzrohr | 420 mm | 430 mm | 480 mm | 530 mm |
Kettenstreben | 445 mm | 445 mm | 445 mm | 445 mm |
Radstand | 1.176,4 mm | 1.186,3 mm | 1.208,5 mm | 1.230,7 mm |
Tretlagerhöhe | 318,1 mm | 318,1 mm | 332,1 mm | 332 mm |
Gabel-Offset | 44 mm | 44 mm | 44 mm | 44 mm |
Federweg (hinten) | 140 mm | 140 mm | 140 mm | 140 mm |
Federweg (vorn) | 140 mm | 140 mm | 140 mm | 140 mm |
Ausstattung
Wir werfen kurz den Taschenrechner an: Gehen wir von konservativen UVP-Schätzungen aus, landen wir ohne die Firmen-eigenen Anbauteile und ohne den Rahmen bei rund 1.200 €. Und die Teileliste liest sich auf den ersten Blick alles andere als unattraktiv, denn das Rockrider bietet zwar günstige, aber durchaus solide Markenprodukte auf: Vorne federt eine RockShox Recon Silver Solo Air mit Motion Control-Dämpfung und Zugstufen-Einsteller, das Heck wird von einem Manitou Radium-Dämpfer mit Rockrider-Tune verwaltet. Gestoppt wird mit SRAM Level-Bremsen, an rollender Masse werden SunRinglé Düroc 30 Laufräder aufgeboten, deren teures Geschwister-Modell wir auch schon einmal getestet hatten (Sun Ringlé Düroc SD37 Pro Test). Aufgezogen sind schmale Hutchinson Toro-Reifen.
Wie von vielen anderen Herstellern bekannt, sind Cockpit und Variostütze mit hauseigenem Label versehen. So kommen Sattel, Pedale, Griffe und Cockpit wie auch die 150 mm Hub bietende Variostütze (Größe L) direkt von Rockrider. Das Gewicht geht mit 15,0 kg für diese Preisklasse absolut in Ordnung.
Rahmen | Aluminium 6061 und 6013 |
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Federgabel | RockShox Recon Solo Air, 140 mm |
Dämpfer | Manitou Radium |
Laufräder | Sun Ringlé Düroc 30, 29", tubeless ready |
Bremsen | SRAM Level, G2 Scheiben (180/160 mm) |
Schaltung | SRAM SX Eagle |
Lenker | Rockrider Comp Flat, 740 mm |
Vorbau | Rockrider, 60 mm |
Griffe | Rockrider 900 Lock On |
Sattel | Rockrider Ergofit |
Variostütze | Rockrider, 150 mm (L/XL), 120 mm (S/M) |
Reifen | Hutchinson Toro, 29" × 2,10" |
Pedale | Rockrider 520 Acryl |
Gewicht | 15,0 kg (L) |
Auf dem Trail
Ein kurzes Vorwort: Wir reden von einem vollgefederten Allmountain-Rad zu einem Preis von knapp 1.500 € – aus Testersicht sind wir damit preislich am ganz, ganz untersten Ende dessen, was bislang vollgefedert je von uns getestet wurde. Das bislang günstigste Fully, das überhaupt bei MTB-News getestet wurde, ein YT Jeffsy Base 29 für 2.300 €, kostet satte 800 € mehr. Noch dazu ist das Bike, das wir testen konnten, in Größe L für mich einen Hauch zu klein, was im Testeindruck berücksichtigt wird. Entsprechend ist daher der Testeindruck einzusortieren. Trotzdem fuhren und bewerten wir das Bike natürlich so, wie wir nun mal ein Bike aus Testersicht bewerten. Also, hoch geht’s!
Entspannt tritt sich das Rockrider-Fully Forstwege hinauf und provoziert dabei nicht allzu viel Wippen im Hinterbau, notfalls lässt sich dieser mit einem kleinen, vergleichsweise undefinierten Hebel am Radium-Dämpfer ruhig stellen. Stattdessen kurbelt es angenehm den Berg rauf. Die Hutchinson Toro-Reifen rollen leicht ab. Die SRAM SX-Schaltung bietet kaum Anlass zum Meckern; dass der günstigste SRAM-Hebel im Vergleich zur etwas teureren Trigger-Konkurrenz nicht so knackig zu drücken ist, kennen wir schon. Die Schaltqualität hingegen geht bei unserer kurzen Fahrt in Ordnung.
Dann geht es in die leichte Abfahrt: Die Federelemente funktionieren für den schmalen Preis auf leichten Singletrails zufriedenstellend und harmonieren gut miteinander, können aber erwartungsgemäß, insbesondere was Gegenhalt und generelle Performance angeht, mit hochwertigeren Federgabeln und Dämpfern nicht mithalten. Auch möchte man angesichts des eher kurzen Reach-Wertes und dem steilen Lenkwinkel nicht so motiviert in rumpelige Passagen reinhalten wie mit vergleichbaren Bikes.
Ist der Trail nicht ganz so schnell, lässt sich mit dem Bike spielerisch arbeiten. Bunnyhops funktionieren problemlos, das AM 50 S lässt sich willig in den Manual ziehen und man muss sich immer mal wieder dran erinnern, was das Bike unter einem eigentlich noch mal kostet. Denn Spaß macht das Teil im leichten Terrain durchaus.
Bergab limitieren die Reifen, wenn es ruppig und nass wird: Was die Hutchinson Toro-Pneus im Uphill hielten, können sie auf dem feuchten Untergrund der Abfahrt, der am Testtag leider nicht abtrocknete, nicht bestätigen. Der Grip kann auf nassen Trails nicht wirklich überzeugen. Zudem sind die mit 2,1″ sehr schmalen Toros ganz im Gegensatz zu den solide laufenden SunRinglé-Laufrädern nicht tubeless-kompatibel. Hier sollte man die Reifen, möchte man sich das Bike kaufen, allein aus Tubeless-Gründen direkt tauschen – Alternativen haben wir hier aufgeschrieben: Mountainbike aufrüsten – sinnvoll und günstig.
Und wie sieht’s bei sonstigen Komponenten aus? Die SRAM Level-Stopper beißen grundsätzlich akzeptabel, dennoch ist die Scheibenkombination 180/160 mm für ein Trail-Bike in Größe L einfach nicht ausreichend – mit 200 mm großen Scheiben dürfte insbesondere die Power auf längeren Abfahrten erheblich steigen. Während der hauseigene Sattel in Sachen Sitzkomfort weniger angenehm war, bot die Variostütze keinen Anlass zum Meckern: Die Fernbedienung ist ergonomisch und ohne viel Krafteinsatz bedienbar, die Ausfahrgeschwindigkeit ist zügig– bis auf den Maximalhub von 150 mm kann die Dropper Post absolut überzeugen. Was das jetzt alles bedeutet? Siehe Fazit!
Fazit: Decathlon Rockrider AM 50 S
Mit dem Rockrider hat der französische Sportriese ein interessantes Bike im Programm: 12fach-Schaltung, bissige Markenbremsen und günstige Federelemente von RockShox und Manitou stehen auf der Habenseite. Nicht abzustreiten ist, dass der Fokus auf dem Einsteigerbereich liegt, denn für ein Trail-Bike im Jahr 2022 ist die zwar wendige und dank der für den Gesamtpreis soliden Federelemente recht spielfreudige, aber kompakte Geometrie mit steilem Lenkwinkel nichts für Highspeed-Gerumpel durch grobes Geläuf.
Die leicht abrollenden und schmalen Hutchinson-Reifen sind bergauf super, bergab können sie im nassen Terrain nicht überzeugen. Die flotte Variostütze indes ist sehr gut. Insgesamt erhält man mit dem AM 50 S ein wendiges, vollausgestattetes Bike, das auf leichten bis mittleren Trails Spaß machen kann. Und das bei einem Preis-Leistungs-Verhältnis, das insbesondere für Leute, die erstmals in den vollgefederten Bereich reinschnuppern wollen, interessant ist.
Pro / Contra
Stärken
- 12fach-Schaltung
- Variostütze
- Laufräder tubeless-kompatibel
- Preis
Schwächen
- Schwache Reifen
- Unbequemer Sattel
- Steiler Lenkwinkel, kurzer Reach
Testablauf
Wir konnten das Rockrider AM 50 S im Rahmen eines Decathlon-Pressecamps für einen Nachmittag fahren.
Hier haben wir das Rockrider AM 50 S getestet
- Voralpen: Leichte Trails, nasser Untergrund, teilweise waldig, teilweise steinig. Vergleichsweise kurze Abfahrten. Auf anspruchsvolleren Trails konnten wir das Bike aus Zeit- und Logistikgründen nicht testen.
Körpergröße | 193 cm |
Schrittlänge | 98 cm |
Oberkörperlänge | 61 cm |
Armlänge | 59 cm |
Gewicht | 97 kg |
- Fahrstil
- verspielt und sauber
- Ich fahre hauptsächlich
- Enduro, Trails, Pumptrack/Park/Street
- Vorlieben beim Fahrwerk
- Progressiv, nicht zu soft, schnelle Zugstufe
- Vorlieben bei der Geometrie
- Eher kürzerer Hinterbau, Lenkwinkel nicht extrem flach, die Front darf gern etwas höher
Was sagt ihr zum Rockrider AM 50 S?