Ich gebe zu: ich bin bezüglich Last Bikes etwas vorgeschädigt. Ich kenne die Firma schon lange, bin Dirtbikes von Last gefahren, war stolzer Besitzer eines Last Herb 160 und eines FastForward – und dennoch hatte ich vor unserem Gespräch im Rahmen der Craft Bike Days kaum eine wirkliche Ahnung, wie das mit Last eigentlich genau angefangen hat. Was die Vor- und Nachteile dabei sind, eine Radfirma mitten im Ruhrpott aufzubauen, warum die Bikes in Deutschland nochmal in die Fräse gestellt werden und was eine Professur an der Hochschule Osnabrück mit Last zu tun hat, erfahrt ihr im Interview mit Last Bikes-Inhaber Jochen Forstmann und Testride-Leiter Christoph.
MTB-News.de: Hallo ihr beiden – stellt euch mal ganz kurz vor und was ihr bei Last macht.
Jochen Forstmann: Ich bin Jochen und hab Last vor langer Zeit gegründet. Ich bin Mitinhaber mit Jörg Heydt zusammen, Geschäftsführer, kümmere mich um Entwicklung, Vertrieb und im Prinzip alle Themen, die an der Geschäftsführung hängenbleiben. Mit mir zusammen ist heute Christoph da.
Christoph Daubner: Ich bin erst seit ganz kurzer Zeit bei Last und habe ursprünglich angefangen, für die Testrides zu arbeiten. Daneben unterstütze ich im Onlinemarketing und was sonst so anfällt, bin also mehr oder weniger Allrounder.
Jochen, allererste Frage: Alu oder Stahl? Wenn du dich entscheiden müsstest, nur noch Rahmen aus einem der beiden Materialien zu verkaufen: was wäre es?
Jochen: (grinst) Wir machen beides. Und wir machen beides gerne, das ist schwierig zu beantworten. Also: Wir haben natürlich schon so eine gewisse Racing-DNA aus unserer Historie – daher müsste ich jetzt eigentlich sagen Aluminium, weil man mit vertretbarem Aufwand die leichteren, schnelleren, besseren, steiferen Fahrräder bauen kann. Sehr schön sind aber natürlich auch Stahlräder. Wenn mein Arm noch ganz wäre, würde ich wahrscheinlich sagen Stahlräder, weil ich mich auch für das eine Dirtjump-Rad entscheiden würde. Aus heutiger Sicht mit dem kaputten Arm würde ich sagen: Eher das Enduro-Rad und daher würde es sehr wahrscheinlich am Alu hängenbleiben.
Was hat euch dazu gebracht, in Dortmund mitten im Ruhrpott so eine Firma auf die Beine zu stellen? Was brachte euch dazu, Last zu machen?
Ich hab das während meines Studiums im Prinzip gegründet, als ich noch ganz am Anfang vom Studium war – und hatte da quasi meine aktive Rennfahrkarriere beendet, bin eigentlich mit dem BMXern Dirt gefahren und ein bisschen Skatepark und Street. Und mir hat das nicht so gefallen, was es damals an Geometrien auf dem Markt gab. Da kommt schon das Thema flacher Lenkwinkel: wir haben einen flacheren Lenkwinkel und kürzere Kettenstreben gebaut – das war eigentlich so die Triebfeder. Und dann sollte es auch noch schön aussehen und dann waren wir eigentlich bei so einem minimalistischen Stahlrahmen angelangt. Den habe ich mir erstmal selber gebaut. Dann kamen mehr und mehr Nachfragen und dann lässt man sich darauf ein, ein paar zu bauen und dann wurde das immer mehr … Und heutzutage ist es halt eine richtige Firma.
Und trotzdem machst du ja nicht nur Last …
Genau! Jörg und ich, denen die Firma gehört, haben beide noch volle Jobs – Jörg in der Fahrradbranche bei Hase Spezialräder, ich habe eine Professur für Maschinenbau an der Hochschule Osnabrück.
Das heißt, auch da bist du noch ziemlich im Thema drin?
An der Hochschule ist es halt Konstruktion: Finite Elemente-Berechnung und CAD, was auch so Haupttätigkeitspunkte sind, wenn man Fahrräder entwickelt, abgesehen mal von der Kinematik. Aber es deckt sich schon ganz gut – das Handwerkszeug ist das Gleiche.
Wir hatten es im Test vom Last Glen, das ihr auch hier bei den Craft Bike Days mitgebracht habt, schon positiv vermerkt: Geometrie ist ja eine Geschichte, die aktuell wieder mal sehr an Relevanz gewinnt. Ihr habt beim Last Glen eine größenspezifische Geometrie, das heißt ihr verändert auch die Kettenstreben, was viele Hersteller nicht machen. Erklär unseren Lesern doch mal, was es für Vorteile bringt, dass nicht für alle Größen die gleichen Kettenstrebenlängen verwendet werden.
Die Absicht, die dahintersteckt, ist grundsätzlich, für jeden ein passendes Rad zu bauen. Und da gibts natürlich verschiedene Faktoren, die jeder verändert. Die Oberrohrlänge zum Beispiel, um den Fahrer einfach unterzubringen, dass der Abstand von Sattel zum Lenker passend wird … wenn man dann in der Anpassung noch einen Schritt weitergehen will, muss man irgendwie versuchen, gerade bei den besonders großen Fahrern die Lastverteilung auf Vorderrad und Hinterrad einigermaßen so zu halten wie bei den durchschnittlich großen Fahrern. Dann kann man das natürlich vorne kürzer machen, dann habe ich mehr Last auf dem Vorderrad – das ist statisch betrachtet natürlich richtig, aber fahrdynamisch keine gute Lösung. Das heißt: Den Hinterbau länger zu machen macht dadurch Sinn.
Der Fahrer hat auch einen größeren Hebel von seinen Körperproportionen, sodass er das Rad trotzdem leicht aufs Hinterrad kriegt, was uns auch ein wichtiger Faktor ist. Das heißt, ich halte das Rad für den großen Fahrer immer noch so manövrierbar, aber ich verbessere die Radaufstandskraftverteilung und das ist eigentlich ein sinnvoller Punkt. Da muss man natürlich die verschiedenen Sachen wie Auszugslänge der Sattelstütze in Betracht ziehen – wir haben ja alle mittlerweile virtuelle Sitzwinkel. Hier sollte man zusehen, dass das auch für die tatsächliche angedachte Fahrergröße einen realistischen effektiven Sitzwinkel gibt.
Zum Thema Stack: Die Schwierigkeit, wenn du zu kurze Steuerrohre hast und noch viele Spacer draufpackst, ist: Du verlierst ja wieder Reach. Das kann man natürlich vermeiden, wenn man höherbauende Lenker nimmt. Aber es ist im Mountainbike-Bereich immer noch so, dass wir mit zunehmenden Größen relativ gesehen kleinere Stack-Werte bekommen. Stack-to-Reach ist nicht so, wie bei manchen Rennradfirmen, die das propagieren – dass es ein konstantes Verhältnis ist. Sondern es ist immer noch so, dass die ganz großen Räder ein zu kurzes Steuerrohr haben – wenn man behaupten würde, ein konstantes Verhältnis wäre das Ideal. Wir sehen, dass bei Mountainbikes Stack-to-Reach noch fallend ist, aber wenn man sich Rennräder anguckt, ist Stack-to-Reach eigentlich durch die Bank steigend.
Was ist deine persönliche Einschätzung dazu? Was ist das Optimum?
Ich glaube, wir machen die Steuerrohre so lang, wie es optisch noch ok aussieht (grinst). Wenn wir die so lang machen würden, wie man es vielleicht könnte, wäre es, denke ich, ästhetisch nicht mehr vertretbar. Und es ist auch so, dass ein kleinerer Fahrer, der vielleicht ein langes Rad will, die Spacer halt weglassen kann – und wenn er dann einen riesenhohen Stack-Wert hätte, funktioniert das nicht. Von daher ist nach oben spacern schon die bessere Option, aber moderat lang sollte das Steuerrohr schon sein.
Ihr habt mittlerweile eine relativ lange Historie an vollgefederten Rädern. Ihr wart lange auf 26″ unterwegs, dann auf 27.5″ – mit dem Glen habt ihr das erste 29″-Fully rausgebracht. Worin liegt für euch der Reiz in den großen Laufrädern?
Grundsätzlich ist das Überrollverhalten ein attraktiver Faktor. Mit Jens Staudt habe ich schon vor Jahren diskutiert und immer propagiert: „Eigentlich würde ich gerne jetzt schon einen 29er bauen.“ Aber die Komponenten waren ja lange Zeit nicht verfügbar in dem Bereich beziehungsweise in der Dimension, die wir uns zum Enduro fahren gewünscht hätten. Der Markt war auch definitiv noch nicht so richtig bereit. Specialized war da ja einer der Vorreiter – die haben aber auch darunter gelitten, dass sie nicht so eine gute Gabel spezifizieren konnten, weil es keine gab. Von daher finde ich 29″ schon einen logischen Schritt, wenn man ausreichend groß ist und nicht zu viel Federweg will. Ein kleiner Fahrer plus viel Federweg plus 29″ ist eher eine schwierige Kombination.
Generell auf die Rahmen bezogen: Ihr lasst die Rahmen in Taiwan fertigen, aber in Deutschland werden letzte Schritte realisiert. Warum macht ihr das so und was genau finalisiert ihr noch in Deutschland?
Fangen wir mal mit Taiwan an und warum wir gewisse Sachen in Taiwan machen. Die Taiwanesen sind Experten im Rahmenbau, unbestrittenerweise. Wenn man besonders billige Rahmen haben möchte, geht man nicht nach Taiwan, sondern woandershin. Die Taiwanesen machen heutzutage hauptsächlich das High End-Zeug. Die haben eine sehr gute Zulieferer-Infrastruktur, die Materialien sind verfügbar, die Betriebe sind hochqualifiziert und da können wir im Prinzip schöne Rahmen bauen. Taiwan ist ein gutes Umfeld dafür, es ist ein demokratisches Land, ich reise da relativ gerne hin, von daher passt es für uns als Umfeld. Der letzte Schritt, in dem wir die Lagersitze, Anlageflächen und Gewinde bearbeiten – das ist ein qualitätsbestimmender Schritt. Und wir haben in Deutschland eine relativ gute Zerspanungsindustrie, zufällig dann auch noch in unserem Freundeskreis. Und die Präzision, mit der das bearbeitet wird, ist halt einfach sehr, sehr hoch.
Man könnte so eine ähnliche Maschine natürlich auch in Taiwan aufstellen. Da sind aber dann die Kommunikationswege länger und wir haben nicht so einen guten Zugriff darauf. Als wir das entwickelt haben, haben wir da Nächte verbracht und zusammen alles fertiggestellt, von der Programmierung und der Logik, die dahintersteckt, von den Spannmethoden … das sieht im Video jetzt ganz einfach aus, aber da sind schon ein paar Klimmzüge gemacht worden, damit das funktioniert.
Und das können wir natürlich besser realisieren, wenn es nah ist und wir somit auch besser die Qualität der Bearbeitung sicherstellen können. Es ist für Lohnbearbeiter immer relativ unattraktiv, an einem hochwertigen Rahmen für ein paar Euro eine hochwertige Bearbeitung in Taiwan zu machen – und er hat immer das Risiko, dass er den ganzen Rahmen dabei zerstört, wenn er eine Passung schlecht macht. Von daher haben wir jetzt einen CNC-Fertiger, der eigentlich Werkzeugbauer ist, der es gewohnt ist, mit hochwertigen Produkten umzugehen, und der keine Angst davor hat, sodass da wenig Schäden passieren.
Sonst kann man sich das so vorstellen: Wenn ich als CNC-Fräser unachtsam bin und mal 5 Lagersitze zu groß fräse, steht der Schaden, den ich produziert habe, im Vergleich zum Auftragswert in keinem Verhältnis mehr. Da reißt sich keiner um den Job und wir sind daher froh, dass wir einen haben, der das so gut und auch qualitativ gut macht – so können wir im Endergebnis einen Rahmen produzieren, bei dem wir sagen: Da stehen wir voll und ganz hinter der Qualität und der funktioniert so – und der funktioniert auch lange so. Die Wälzlager haben einen guten Sitz, die sind gut ausgerichtet zueinander. Wir versprechen ja, dass man mit dem Fahrrad Spaß hat – und man relativ wenig dran schrauben muss. Das können wir dann durch diese verteilte Produktion sehr gut sicherstellen, ohne dass es ein halbes Einfamilienhaus kostet.
Ich habe noch eine Frage zum Rad an sich: Ich hatte 2012 selber ein Last Herb 160 und schon da hattet ihr dieses charakteristische Hinterbaudesign, was ihr in der Grundform bis heute im Groben fortgeführt habt. Kannst du das Konzept kurz erklären – was sind die Vorteile, die ihr euch davon versprecht?
Das Konzept geht eigentlich auf einen Prototyp aus dem Jahr 2003/2004 zurück, als wir mal zwei Freeride-Prototypen gebaut haben. Damals mit Coil Shock und 160er Fox 36, also eigentlich quasi, wo wir jetzt heute wieder sind, vor dem Rad, vor dem wir stehen. Im Prinzip hatten wir gewisse Zahlen im Kopf, weil wir so eine Ahnung hatten, welche Zahlen sich wie fahren. Wenn man ein Rad konstruiert, habe ich am Rechner eigentlich nur Zahlen vor mir – also natürlich auch Geometrie, aber man berechnet ja da auch Kennwerte – und wenn ich weiß, wie sich diese Kennwerte auf dem Trail anfühlen, dann kann ich ein Fahrrad gestalten. Und das Ziel war, diese Kennwerte zu erreichen. Das Ziel war nicht, dass der Hinterbau so oder so aussehen muss, es gab auch keine Vorgaben wo die Hebel sein müssen, es gab auch noch nicht so diese Aufmerksamkeit „da muss ne Trinkflasche reinpassen“, es gab keine Checkliste „es muss ein Viergelenker sein“, sondern es gab einfach die Idee, wie die Federkennlinie sein muss. Und die wollten wir realisieren. Die Idee ist im Prinzip von unserem Downhill-Rad übertragen, vom Herb DH.
Das sah komplett anders aus, ist sich kinematisch aber sehr ähnlich. Und das kinematische Ziel ist halt, dass wir ein gutes Ansprechverhalten haben, man relativ linear durch weite Bereiche des Federwegs durchgeht und erst am Ende eine starke Progression hat. Das heißt, die Widerstandskraft gegen das Einfedern soll am Ende überproportional zunehmen. Wir haben schon damals realisiert, dass das unserer Meinung nach das beste Konzept ist und haben dies dann sehr ausgeprägt umgesetzt, also mit sehr hohen Progressions-Prozentzahlen. Das hat sich im Prinzip bei den Rädern bis heute erhalten: ein bisschen gestuft, je nach Federweg ist da eine andere Progression vielleicht das Optimum, aber das ist eigentlich das kinematische Konzept: Dass wir relativ linear erstmal sein wollen und am Ende erst progressiv. Und das ist dann auch der Grund, warum es so gut mit Coil-Shock und mit Luftfederelementen funktioniert.
Es ist etwas optisch etwas schlanker geworden heute, aber im Grunde ist es gleich geblieben?
Ja. Das Rad was du hattest und auch der Vorgänger von diesem hier lagen immer so bei 3,6 kg reinem Rahmengewicht. Dann haben wir mit dem Last Coal im Wesentlichen eine maßgebliche Überarbeitung gemacht in Richtung leichtere Rahmengewichte, wir haben die Postmount-Aufnahme integriert – da war vorher der Internationale Standard, das heißt, es fiel ein Adapterbauteil weg – und wir haben es dann auf 2,9 kg runtergebracht. Das heißt, wenn man den Postmount mit reinrechnet, haben wir so zirka 800 Gramm rausgeholt und trotzdem Festigkeit und die Dauerhaltbarkeit beibehalten – auch wenn wir uns da zugegebenerweise ein klein bisschen Sorgen gemacht haben. Aber es hat sich wirklich sehr gut dargestellt und ich glaube, wir stehen da jetzt wirklich bei einem sehr attraktiven Gewicht.
Wo habt ihr noch Gewicht gespart? Es gibt hier auch ein paar andere Designs und Ausfräsungen … habt ihr was an den Rohrsätzen verändert, gab es andere Konifizierungen?
Wir haben über die Jahre die Konifizierung verändert. Das ist vor allem am Hauptrahmen so. Wir haben zum Beispiel am Sattelrohr ganz neu so eine Außenkonifizierung gemacht, die man kaum sieht. Wir haben ein exzentrisch bearbeitetes Steuerrohr, wir haben kürzere Sattelrohre, wir haben die Profile am Hinterbau neu gemacht und alle Frästeile aufwändiger gestaltet. Da ist einfach mehr Bearbeitungsleistung als früher, die da reingeht.
Wir haben vorhin schonmal über Werkstoffe geredet. Ihr habt schon beschrieben, warum Stahl und Aluminium eure Werkstoffe der Wahl sind – seht ihr auch Vorteile im Carbon-Bereich? Wie steht ihr dazu?
Wir arbeiten natürlich mit Carbon an unseren Kompletträdern. Wir spezifizieren Carbon-Kurbeln, wir spezifizieren Carbon-Laufräder an einigen Modellen, wir haben jetzt neu von Reverse einen Carbon-Lenker dran und wenn man sich allein den Lenker anguckt, dann stehen da 200 Gramm versus 300 Gramm-Alulenker. Das heißt, von der Performance ist das schon sehr attraktiv. Aber man muss sich den Einsatzfall angucken: Ein Lenker ist ein Bauteil, an dem ich über die Hände mäßig hohe Kräfte über einen relativ großen Kontaktbereich einleite. Ich habe nur einen Bereich an der Lenkerklemmung, wo ich sehr hohe Kräfte lokal einleite, der Werkstoff ist da ein bisschen empfindlich.
Aber es ist schon beim Lenker sehr gut möglich, den Werkstoff sachgerecht einzusetzen und dann macht es meiner Meinung nach auch Sinn. Und so ist es halt für verschiedene Komponenten: Die eine Komponente ist besser geeignet für Carbon, die andere ist schlechter geeignet und ich denke, es ist beim Rahmendesign ganz ähnlich. Wenn ich es schaffe, spezifische Vorteile aus Carbon rauszuholen, wenn ich da entsprechend fähig bin, das auszulegen, wenn ich in der Lage bin das produktionstechnisch umzusetzen, dann denke ich schon, dass man mit dem passenden Rahmendesign auch ein attraktives Fahrrad bauen kann. Aber meiner Meinung nach wird der Preispunkt höher sein – es sei denn, ich möchte in ein Land gehen, wo die Produktionskosten sehr gering sind. Aus Maschinenbausicht von der Dauerfestigkeit sagt man dem Carbon auch sehr lange Haltbarkeit nach. Da haben wir natürlich noch diese Missbrauchsfälle wie Stürze oder Anlehnen am Laternenpfahl, es kann aber auch mit einem Alu-Rahmen schiefgehen.
Wir bieten auch ein Crash Replacement an und hatten dieses Jahr auch einen Teamfahrer, der einen massiven Steinschlag hatte – und dann ist ein Leichtbau-Aluminiumrahmen halt auch beschädigt. Von daher sehe ich da keinen so spezifischen Nachteil von einem der Werkstoffe. Wir sehen das relativ undogmatisch, glaube ich. Wir haben halt Lust zu konstruieren. Wir möchten, dass der Fahrer das Rad gut nutzen kann, dass er damit keinen Stress hat, dazu fühlen wir uns total verpflichtet. Wir fühlen uns aber auch dem Performance-Gedanken verpflichtet, weil es ja auch eine gewisse Leistung bringen soll – das Fahrrad ist eine effiziente Maschine, hat es gestern schonmal geheißen. Es ist glaube ich tatsächlich die effizienteste Maschine, die wir so kennen und ich würde mir da ungerne aus irgendwelchen dogmatischen Gründen Steine in den Weg legen. Aber wie gesagt: Alles unter den richtigen Bedingungen! Wir wollen auch keinen Aluminium-Rahmen in einer Diktatur bauen, das muss nicht sein. Das muss mit einem anderen Werkstoff genauso wenig sein.
Also – warum wechseln, wenn man den Performance-orientierten Rahmen bauen kann, den man auch will?
Wir streben alle nach mehr Performance, ne? (grinst) Ich würde sagen – es gibt jetzt relativ wenige Magazine, die das Rahmengewicht exakt ermitteln. Das BIKE-Magazin im Printbereich ist denke ich noch mit das letzte, das das tatsächlich macht, was auch für uns immer interessant ist. Weil wir natürlich nicht alle Fahrräder kaufen und wiegen. Und dann sind wir glaube ich sehr, sehr nah dran an den Fahrrädern. Vom Fahrverhalten sind wir denke ich gleichauf, gewichtsmäßig sind wir wirklich sehr nah dran und teilweise sogar davor.
Mittlerweile nähern sich die Carbon-Gewichte ja auch eher den Alu-Gewichten an …
Christoph: Genau. Früher war Carbon sehr leicht im Rahmenbau und dann haben sie gemerkt: Ok, mit der Dauerhaltbarkeit oder gerade im Renneinsatz macht es vielleicht mehr Sinn, mehr Lagen an bestimmten Stellen anzubringen.
Jochen: Das ist ja das, wo wir auch persönlich immer die Problematik haben. Selbst wenn wir ein Rad mit wenig Federweg fahren: wir wollen stabile Reifen, ich persönlich zumindest, und dann hat man einfach ein gewisses Mehrgewicht. Das Rad vor dem wir stehen: da wiegt ein Reifen 1,2 Kilo! Das Rad ist trotzdem noch relativ leicht, obwohl es einen Stahlfeder-Dämpfer hat. Beim Gewicht müsste ich nachschauen, aber es müssten so 14,3 kg ohne Pedale sein. Gewicht ist für den Kunden halt immer ein leicht zu vergleichendes Kriterium.
Ein ganz anderes Thema: Viele Leute, die an Dortmund und Ruhrpott denken, haben Industrie, Kohle und Bergwerke im Kopf und wissen gar nicht, dass es hier unglaublich grün ist und man sehr gut Rad fahren kann. Was macht für euch den Reiz am Biken im Ruhrpott aus? Wo sind die besten Spots zum Radfahren, ohne jetzt spezifische Trails zu nennen?
Das Ruhrgebiet – namensgebend, der Fluss Ruhr – da gab es viel Bergbau, später auch viel Schwerindustrie. Der Kohleabbau hat im Süden begonnen, weil die Kohle besonders hoch lag und je mehr Kohle ausgebeutet wurde, desto mehr hat sich das Ganze in den Norden des Ruhrgebiets verlagert, wo auch länger noch Bergbau betrieben worden ist. Das heißt: In den südlichen Bereichen, wo die Ruhr liegt, sind die Bergbauspuren schon weitgehend verschwunden – oberflächlich ist kaum etwas sichtbar, außer ein paar Stolleneingängen. Im Norden sieht man noch sehr viel davon und im Süden hat die Ruhr halt ein Tal eingeschnitten, das heißt, wir haben in dem Gebiet auch teilweise die Grenze zum Bergischen Land und verfügen so schon über Trails mit 100 Höhenmetern.
Es war dreckig, es war weich und es war ein Blindflug auf einem neu entdeckten "Trail".
Danke lieber Feierabend für diese großartige Überraschung!
Rider: Jörg Heydt und Florian Hetschold
Spot: Ruhrgebiet
http://www.paul-masukowitz.de
https://www.facebook.com/PaulMasukowitzPhotography
Die höchsten Berge gehen glaube ich so auf 330 m in Essen, die Ruhr liegt so ungefähr auf 60 oder 70 Meter. Aber effektive Traillängen liegen bei knapp 100 Höhenmetern – schon eine Länge, wo man Spaß haben kann, wo es sehr abwechslungsreich ist und wo es bergauf und bergab geht. Was halt sehr schön ist: Die umliegenden Städte haben unglaublich viele Bewohner, die führen alle ihre Hunde spazieren und dadurch gibt es wunderbar viele Trampelpfade, die es in manchen weniger dicht besiedelten Gebieten nicht gibt. Und die eignen sich natürlich alle als Singletrails. Und es gibt eine große Community, die in den verschiedenen Gebieten Trails baut, in Dortmund, Witten, Essen …
… wenn ich so an Bengels verrückte Sachen denke …
… genau, der baut halt sehr spezielle Sachen, wo sich kaum jemand drauftraut.
Was damit gemeint ist – einfach mal einen Blick ab Min. 14:00 in diese Video werfen… (Anm. d. Red.)
Action Heroes von peopleGrapher. – Mehr Mountainbike-Videos
Aber es gibt einfach eine sehr, sehr gute Community. Wir sind ja auch so ein bisschen agil: ich komme ursprünglich aus Mülheim, hab in Duisburg und Essen studiert, bin ewig in Bochum Rad gefahren, jetzt ist unsere Firma in Dortmund … man muss daher nicht unbedingt in der Stadt Rad fahren, in der man wohnt. Man kann sich auch 20 Minuten weiter bewegen, weil es einfach ein sehr großer Ballungsraum ist und es viele Fahrer im Enduro-Bereich gibt. Wenn jetzt alle Trails bauen würden, hätten wir mit Sicherheit zu viele Trails. Aber es gibt halt immer Trailbauer, die die Trails instand halten – und eine große Szene.
Christoph: Ich denke, das macht auch so den Reiz aus: Das urbane Leben auf der einen Seite, auf der anderen Seite ist man superschnell im Grünen. Du kannst beides toll kombinieren. Wenn du bei uns im Kreuzviertel von der Firma losfährst, brauchst du 20 Minuten und hast eigentlich schon richtig Trails, wenn du weißt, wo sie sind. Das kann man natürlich auch super mit Kunden machen, die können bei uns vorbeifahren und wir können sofort mit ihnen auf die Trails. Wir fahren hier los, wir kommen hier an und können dann noch einen Kaffee trinken. Das ist für uns schon ein toller Standort und dahingehend bauen wir auch die Fahrräder: Du kannst super berghoch treten und bergrunter einfach eine Menge Spaß haben.
Du hast es gerade schon erwähnt: Erklärt uns doch kurz eure Testrides, die ihr für Kunden anbietet. Was macht ihr genau, was versprecht ihr euch davon, was sind für euch die Vorteile?
Christoph: Wir haben diesen Sommer angefangen, die Testfahrten anzubieten – wir wollen damit natürlich eine Nähe zum Kunden haben und unser Produkt erfahrbar machen. Man kann sich immer alles Mögliche durchlesen. Ich sage immer, komm, lass uns fahren gehen, dann weißt du auch, ob das Fahrrad für dich taugt. Das ist so ein bisschen die Idee dahinter: Ihr könnt das Fahrrad mit uns fahren, mit uns auf unseren Hometrails, ihr könnt das Fahrrad da fahren, wo wir die Räder auch testen, ihr könnt auf dem Trail alle Fragen stellen, die wir dann auch sofort beantworten können. Das ist so ein bisschen das Konzept dahinter. Wir machen natürlich auch viel Custom und das ist das Schöne, wenn ein Kunde in deiner Größe (ich bin 1,93 m groß, Anm. d. Red.) kommt, sagen wir, ok, wir nehmen das Glen in XL mit, ich nehm das Glen in XXL, dann können wir auf dem Trail tauschen und du kannst sofort den Unterschied erfahren. Wir machen das im Winter im Zwei-Wochen-Rhythmus. Wenn jetzt natürlich eine Gruppe auf uns zukommt und sagt, an dem Samstag kommen wir mit fünf Leuten vorbei, sagen wir bestimmt nicht nein.
Jochen: Wir bieten schon länger die Möglichkeit an, die Fahrräder Probe zu fahren. Bisher war es so, dass man die samstags bis dienstags ausleihen konnte, man konnte die quasi mit nach Hause nehmen und seine eigenen Hometrails fahren – da habe ich natürlich den allerbesten Vergleich. Das ist für Leute aus dem näheren Umkreis auch ganz praktisch, aber wir haben gesehen, dass es auch ein Interesse von Leuten gibt, die zwei, drei Stunden entfernt wohnen und die wollen die Anreise nicht mehrfach machen. Deswegen gibt es jetzt den Termin immer samstags, mit dem Christoph fahren zu gehen, denn dann brauche ich viel weniger Reisezeit.
Wie groß ist dann eure Testflotte?
Aktuell 11 + X. Wir haben jedes Rad in jeder Größe und manche Räder dann auch doppelt. Man sollte sich bei uns möglichst vorab melden – nicht, dass wir dreimal XXL-Kunden für die Fahrt haben, dann reservieren wir das Rad entsprechend.
Du hast gerade das Thema XXL angesprochen, das beim Glen erstmals in eurer Flotte in der Größe angeboten wird. Warum habt ihr diese Größe gemacht – gab es so eine große Nachfrage?
Jochen: Unsere Größen sind tendenziell eher relativ klein. Für ein L bei uns ist die ideale Fahrergröße so 1,76 bis 1,80 m. Das heißt, das XL ist bei uns so im mittleren 1,80er-Bereich angesiedelt und wir haben festgestellt, dass wir ziemlich viel XL verkaufen. Wenn man sich so eine Gaußsche Normalverteilung anguckt: Wenn ich so viele bei XL habe, dann werde ich auch noch viele bei XXL haben. Dann kommt dazu noch, dass wir einer der wenigen Anbieter sind, die jetzt in dieser Nische so große Räder anbieten – es gibt mit Sicherheit von Trek oder Specialized auch ein großes Rad, aber das ist für viele ja nicht interessant. Das heißt, da können wir dann auch überproportional ein bisschen was ziehen. Das ist auch etwas, was wir jetzt festgestellt haben: Dass viele Leute wirklich große Schrittlängen haben.
Christoph: Da ist der Markt einfach dünn. Wenn du einen Meter Innenbeinlänge hast und dann ein Rad anbieten kannst in XXL mit einem 522er Reach, ist es für die echt gut.
Jochen: Was jetzt auch sehr schön ist: Durch die langen Sattelstützen und die unterschiedlichen Hübe und Einbaulängen der Stützen kann ich halt auch einem großen 1,85er Fahrer, der einen langen Reach haben möchte, guten Gewissens das XXL geben. Das Sattelrohr ist nicht mehr zu lang, weil es halt relativ kurz entworfen ist. Ich kann im Prinzip auch so ein bisschen eine Größe zu groß fahren, wenn ich unbedingt möchte. Und das ist natürlich ganz attraktiv für manche Leute.
Wenn ihr einen Trail empfehlen würdet, auf dem ihr so unfassbar viel Spaß hattet, dass ihr da direkt nochmal hinwollt – welcher wäre das?
Christoph: Ich war letzten Herbst in Punta Ala in der Toskana und fand die Traildichte da kombiniert mit dem Meer sehr geil. Also wenn ich jetzt die Zeit hätte, würde ich da nochmal hin. Auch um diese Jahreszeit, weil es da super leer war und du kannst richtig gut dort Fahrrad fahren, das Meer ist noch schön warm und du kannst ins Meer springen.
Jochen: Ich würde die Abfahrt von den Dent de Morcles hinunter ins Rohnetal nehmen, im Wallis. Das ist so fast 3000 Meter hoch, man kann bis ins Tal abfahren, ganz oben ist ehemals gletscherüberschobener Fels, nach unten dann teilweise technisches Zeug, ganz unberührte Wege, das ist schon sehr vielfältig. Gute 2.500 Höhenmeter Abfahrt. Das ist ein sehr schönes Gelände.
Letzte Frage – wir sind ja gerade auf einem durchaus besonderen Event. Wie haben dir die Craft Bike Days gefallen – eure Meinung zum Event?
An der Veranstaltung interessant fand ich das Zusammenkommen mit den anderen Herstellern und den Leuten von DT Swiss. Die Motivationen und Ansätze der Macher hinter den Firmen sind sehr vielfältig und man kann seine eigene Perspektive gut in Bezug setzen. Jeder hat spezielle Dinge, die er bei seinen Produkten realisieren möchte. Darin sind alle Hersteller ganz groß – und das trotz, oder gerade wegen der kleinen Absatzzahlen. Ich hatte das Gefühl, dass gerade bei den Firmen ein guter Austausch möglich war, bei denen die Inhaber persönlich vertreten waren.
Vielen Dank für das Interview!
Wie gefällt euch der Ansatz von Last Bikes?
Die MTB-News Craft Bike Days powered by DT Swiss feierten in diesem Jahr im nordrhein-westfälischen Münsterland Premiere. Ziel ist es, kleinen Herstellern ein Forum zu bieten, die dank ihrer Innovationskraft trotz geringer Größe immer wieder auf sich aufmerksam machen und dafür ein hohes Ansehen in der Fahrradbranche genießen. Diskussionen und Workshops zu Themen wie Werkstoffwahl, Vertriebsansätze kleinerer Marken oder Laufradbau stehen während der zweitägigen Veranstaltung im Fokus – und natürlich Bikes, Bikes Bikes! Hier erfahrt ihr mehr über die Craft Bike Days.
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