MTB-News.de: Glückwunsch an euch beide für eine beeindruckende Leistung! Was ist euch am meisten hängen geblieben nach einer Woche voller Rennaction beim Cape Epic 2024? Wie ist die Rennwoche für euch verlaufen?
Anne Terpstra: Es war natürlich unser Plan gut zu fahren und vorne mitmischen, aber wir mussten auf keinen Fall das Rennen um jeden Preis gewinnen. Beim Prolog sind wir deshalb weniger mit einer konkreten Zielsetzung zur Startrampe gerollt, als dass uns vielmehr bewusst wurde, dass das jetzt ein Moment ist, von dem wir schon immer geträumt haben: Beim großen Cape Epic einmal dabei zu sein! Im Grunde genommen war unsere Devise: Wenn man wenig erwartet, kann man ja eigentlich nur gewinnen!

Im Prolog haben wir einfach unser Ding gemacht, sind dann ins Ziel gekommen und hatten ohne großes Nachdenken mit einer Minute Vorsprung gewonnen. Als der Moderator vor Ort uns damit dann konfrontiert hat, dass wir ja nun den Prolog gewonnen hatten, war uns das erst gar nicht bewusst. Wir dachten noch, da sind noch Fahrerinnen auf der Strecke, die schneller sein würden und erst noch ins Ziel kommen würden. Aber das war nicht der Fall und so waren wir dann in der Situation, dass wir plötzlich nach 1:20 Stunden Rennzeit dieses Leadertrikot überstreifen durften.
Und von da an hat sich logischerweise auch direkt unser Mindset geändert: Wir hatten nun das Leadertrikot und natürlich wollten wir das so gut es geht verteidigen. Einen richtigen Plan, wie das aber funktionieren könnte, hatten wir aber natürlich nicht – es war ja schließlich unser erstes langes Etappenrennen zusammen.
Diese Einstellung hat aber dann den Rest der Rennwoche vollständig geprägt: Wir mussten jetzt nicht attackieren, sondern eigentlich nur reagieren – zumindest theoretisch – und genau das haben wir jeden Tag gemacht. Mit dem kleinen, aber feinen Zusatz, dass wir natürlich an jenen Stellen, an denen wir Vorteile unsererseits sahen, diese auch nutzen wollten.

Das heißt, die Taktik auf den Etappen war genau dieses Vorgehen, also mitzufahren und im entscheidenden Moment zu reagieren?
Nicole Koller: Ja, auf jeden Fall! Das große Ziel war es Kontrolle zu wahren, sodass wir vorne mitfahren konnten und an einzelnen Etappen, von denen wir wussten, hier würde uns etwas in die Karten spielen, dies auszunutzen. Das heißt, wenn wir wussten, wir könnten unsere fahrtechnische Stärke ausspielen oder mit einer geschickten Attacke die Konkurrentinnen distanzieren, dann haben wir das auch probiert. Und meistens sind diese Pläne auch aufgegangen.
Anne Terpstra: Jedes Mal!
Nicole Koller: Ja! Eigentlich immer sind diese Pläne aufgegangen und wir konnten Sekunde um Sekunde gegenüber der Konkurrenz gutmachen.

Ab wann war euch zum ersten Mal bewusst, dass ihr kurz davor steht, das Cape Epic wirklich zu gewinnen?
Anne Terpstra: Sicher ist man sich immer erst im Ziel – das gilt generell bei jedem Rennen, aber beim Cape Epic im besonderen Maße. Mit dieser Grundeinstellung muss man dieses Rennen fahren, weil dafür kann einfach viel zu viel passieren. Es ist einfach sehr, sehr lang und unberechenbar: Wenn man einmal nicht aufpasst, dann hast du einen Plattfuß oder einen Sturz oder irgendwas und man darf nicht vergessen, wir hatten jetzt keinen unglaublich großen Vorsprung auf Mona Mitterwallner und Candice Lill. Bis zum letzten Tag waren es noch nicht mal drei Minuten und da weißt du, wenn irgendwas schiefgeht, dann können die anderen auch gleich wieder davon fahren.
Natürlich war für mich schon nach dem Prolog klar: Okay, anscheinend sind wir genauso kompetitiv wie die anderen, aber das heißt dann natürlich nicht, dass man direkt das Cape Epic auch gewinnen wird. Man benötigt am Ende auch ein bisschen Glück, alles muss perfekt passen. Und das war bei uns glücklicherweise der Fall!

Nicole Koller: Stimme ich voll und ganz zu! Die Sicherheit, dass wir wirklich das Ding vollends nach Hause bringen, war eigentlich erst auf den letzten 15 Kilometern, auf einer Schleife rund um das Ziel, da.
Anne Terpstra: Ja, da war es mir schon auch klar, trotzdem war ich immer noch super vorsichtig unterwegs.
Nicole Koller: Am letzten Tag hatten wir noch einen kleinen Zwischenfall mit einer lockeren Kettenführung, die sich einfach gelöst hat, und letztlich keine großen Folgen hatte. Man merkt in so einem Moment aber schon ganz schnell, dass diese vier Minuten, fünf Minuten, die wir zu diesem Zeitpunkt an Vorsprung hatten, dann schnell wieder weg sein können.
Zum Thema Vorbereitung aufs Cape Epic: Wie sah eure Vorbereitung im Hinblick auf die Materialvorbereitung aus? Wie habt ihr eure Räder modifiziert im Vergleich zum Alltag im Training oder auch im Cross-Country-Rennen?
Anne Terpstra: Wir haben verschiedenste Ersatzteile versucht, am Rad unterzubringen: Zum Beispiel haben wir beide zwei CO₂-Kartuschen unter dem Flaschenhalter angebracht oder zwei verschiedene Tire Plug-Kits am Rad verstaut: Eins im Lenker, dann nochmal eins für größere Löcher im Loch der Kurbel. Dann haben wir ein Kettenschluss unter die Griffe geschoben – das fand ich ziemlich geil, wie das Uwe, unser Mechaniker, gemacht hat. Ein weiteres Beispiel für ein etwas anderes Vorgehen beim Cape Epic war die Wahl des Hinterreifens: Wir sind eine andere Karkasse gefahren, anstatt wie sonst üblich mit 170 TPI waren wir nun mit 120 TPI unterwegs, aber trotzdem wie meist auch im Cross-Country den Maxxis Aspen-Reifen in 2,4″.

Habt ihr auch Reparaturen von Defekten im Vorfeld geübt?
Anne Terpstra: Auf jeden Fall! Das heftigste, was wir im Vorfeld trainiert haben, war eine komplette Lenker-Vorbau-Einheit zu wechseln, sogar unter Zeitdruck. Und wir haben selber nicht geglaubt, dass das tatsächlich so schnell hingehauen hat. Aber generell haben wir schon einfach versucht uns auf jeden Fall für alles, was passieren könnte, vorzubereiten. Man hofft aber natürlich, dass man es nicht braucht.
Wie sah eure Ernährungsstrategie im Rennen aus? Das Cape Epic ist mit seinen acht langen Renntagen schon eine besondere Herausforderung in dieser Hinsicht…
Ein großer Bestandteil unserer Strategie in Bezug auf die Ernährung lag darin, dass wir beide uns im Vorfeld mit einem Ernährungsberater zusammengesetzt haben und frühzeitig einen genauen Plan für alle Bestandteile der Ernährung – im Training, im Rennen selbst, vor und während der Etappen, usw. – ausgearbeitet haben. Und unser großer Vorteil war, dass diese beiden Pläne sich sehr stark ähnelten und wir somit weniger Komplexität berücksichtigen mussten.

Schon im Vorfeld des Cape Epic haben wir angefangen, den Körper daran zu gewöhnen, die sonst übliche Kohlenhydrataufnahme von circa 60 Gramm pro Stunde auf 80 Gramm zu erhöhen. Und dann haben wir uns einen konkreten Plan für jede Etappe und die Ernährung davor und danach zurechtgelegt, wann wir wie viel Energie zu uns führen müssen und haben das auch möglichst akkurat umgesetzt. Diese Strategie ist vollkommen aufgegangen und ich glaube, dass das sicher einen Anteil von rund 50 Prozent an unserem Erfolg gehabt hat.
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9 Kommentare
» Alle Kommentare im Forumwas vermutest du, wie lange hat (hätte) der Wechsel gedauert? Zugegeben, man muss es erstmal zurueck in eine der drei Zonen schaffen in der Ersatzteile liegen.
Verbaut ist eine Bike Ahead The Unit.
Wir waren im Dezember 4 Wochen vor Ort und dabei hat sich der 120TPI - also faktisch der Reifen der ganz normal im Handel erhältlich ist - als etwas robuster was Schnitte und (viele, sehr viele) Dornen angeht bewiesen. Deshalb der Mix aus beiden.
Gratulation zum Sieg!
Von mir natürlich auch Glückwunsch zum perfekten Rennen
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