In den französischen Vogesen hat Canyon nun nach 3 Jahren Entwicklungszeit mit dem Canyon Strive CF die Katze aus dem Sack gelassen: Unter dem Projektnamen „Shape Your Ride“ wurde das Projekt, das die Mountainbike-Welt ein bisschen revolutionieren soll, seit einigen Wochen über die bekannten Social-Media Kanäle beworben. Die Idee ist simpel, aber vermutlich weitreichend.
Canyon Strive CF – in aller Kürze
Das Strive CF ist mit dem sogenannten „Shapeshifter“ ausgestattet: Dieser Begriff beschreibt eine kleine Gasdruckfeder am Umlenkhebel, welche per Lenkerfernbedienung gleich drei Eigenschaften des Strive CF auf einmal verändert: Federweg, Geometrie und Kinematik. Diese Funktionalität soll das Spektrum zwischen Uphill und Downhill verbreitern, wo – so Canyon – andere Bikes ohne eine solche Anpassung nur einen Kompromiss bieten könnten. In Summe soll das bedeuteten: einfacher und schneller klettern, sicherer und schneller abfahren.
# Das neue Canyon Strive CF
Diese Fotos im Fotoalbum anschauen
Entwicklungsgeschichte
Michael Kaiser, der Leiter der Entwicklungsabteilung und der Qualitätssicherung, beginnt die Präsentation mit der ursprünglichen Entwicklungsidee. Entwickler Vincenz Thoma kam im Sommer 2011 bei einer Tour im Allgäu auf die Idee ein Bike zu bauen, das in Geometrie, Kinematik und Federweg „on the fly“ verstellbar ist.
Ein halbes Jahr später wurde bereits der erste Prototyp in einer 26″ Ausführung am Gardasee getestet. Im Herbst 2012 gab es ein erstes „Usertesten“ in Finale Ligure mit 27.5″ Laufrädern. Kurz darauf kam Fabien Barel an Bord und wurde direkt mit in den Entwicklungsprozess eingebunden.
Die 2013er Saison wurde dann eifrig für die Weiterentwicklung und Finalisierung des Bikes genutzt, in Punta Ala gewann Fabien Barel mit dem Prototypen das EWS-Rennen – in Summe belegte er mit dem Bike zudem Platz 3 der EWS-Gesamtwertung. Zeitgleich begann man, die Carbonversion des Rahmens zu entwickeln.
Ende 2013/ Anfang 2014 wurde schließlich die Abstimmung des Shapeshifters weiter in Richtung Serienreife bewegt. Bei der EWS in Chile ging das serienmäßige Strive CF in Chile an den Start, vergangenen Monat begann die Serienproduktion des Bikes.
Fabien Barel erkärt die Idee des Strive CF
„Jeder kennt das, wenn man auf dem Weg nach oben ist: Man möchte bergauf lieber das straffe Crosscountrybike fahren, aber sobald man in die Abfahrt abbiegt, sollte es ein schluckfreudiges Downhillsetup mit etwas mehr Federweg sein. Die Bikes, wie wir sie kennen, sind da immer irgendwo dazwischen angesiedelt. Das eine klettert etwas besser und macht dafür Abstriche in der Abfahrt, das andere umgekehrt. Mit dem Strive CF macht man diesen Kompromiss nicht mehr. Alleine bei der Laufradgröße muss man sich festlegen, da fiel die Wahl auf die Mitte: 27.5″.“
Entwickler Vincenz zum System
„Eigentlich braucht es mit dem Shapeshifter keine Plattform mehr am Dämpfer. Die Änderung der Kinematik und der Geometrie macht es einem in Summe schon sehr viel leichter bergauf zu fahren. Natürlich bieten die meisten Topmodelle der momentanen Dämpfer dennoch eine solche Option – und wer einen langen Asphaltanstieg hinauffährt und absolute Ruhe im Fahrwerk möchte, der kann diese Option dennoch gerne nutzen.“
# Canyon Strive CF Rendering ohne Umlenkhebel
Die Technik dahinter
Gasdruckfeder, Remotehebel, Kabel… das alles bringt Gewicht. In Summe erkauft man sich das komplette System für die Verstellbarkeit dennoch für relativ schlanke 200g Mehrgewicht. Hierbei halfen unter anderem die igus-Gleitlager im Kniegelenk des Systems. Erfreulich an dem System ist, dass man nicht wie beispielsweise dem Cannondale Jekyll oder Trigger (die ebenfalls durch eine Geometrie-Verstellung besser klettern und abfahren können sollen, vgl. auch Scott Genius) an einen speziell gefertigten Dämpfer gebunden ist. Beim Pressecamp wurde das Bike bereits mit drei verschiedenen Dämpfern angeboten (Rock Shox Monarch Plus DebonAir, Fox Float X und Cane Creek Inline CS). Eine interne verlegte Zugführung (einfacher Seilzug) der Fernbedienung sorgt für eine aufgeräumte Optik und eine einfache Handhabung auch in der eigenen Kellerwerkstatt.
Geometrieänderung via Shapeshifter und Race-Option
Über die Positionsanpassung des Links lässt sich entweder der DH-Modus oder der XC-Modus einstellen. Beim Wechsel von DH auf XC ändert sich die Geometrie folgendermaßen:
- + 1.5 Grad Sitzwinkel (von 73.5° zu 75°)
- + 1.5 Grad Lenkwinkel (von 66° zu 67.5°)
- + 20mm Tretlagerhöhe
# Canyon Shapeshifter
Möchte man von der flachen Position (DH) in die steile (XC) wechseln, betätigt man den Remotehebel am Lenker und entlastet bewusst das Hinterrad. Die Gasfüllung des Aktuators drückt so das Kniegelenk nach vorne. Der Dämpfer wird quasi verlängert und das Tretlager hebt sich. Möchte man zurück in die Abfahrtseinstellung, belastet man das Hinterrad und die kleine Gasdruckfeder klappt zurück.
In Summe ändert sich hierbei jeweils nicht nur die Geometrie, auch die Kennlinie wird über die veränderte Anlenkposition angepasst. Im XC-Modus verkleinert sich das Übersetzungsverhältnis (Hub zu Federweg), im DH-Modus wird es größer. Gleichzeit wird die Lage des Dämpfers verändert, womit sich eine steilere Kennlinie für XC und eine flachere für DH ergibt. Der Sag im XC Modus verringert sich auf 15%.
Damit man nicht aus Versehen in einer Einstellung zwischen den beiden Modi landet, ist genanntes Kniegelenk integriert: dieses wird bei einer Last von oben immer in eine Endposition gezwungen. Wie viel Kraft notwendig ist, um das Heck vom Downhill-Modus in den CC-Modus zu heben, kann über den Luftdruck im Aktuator eingestellt werden. Je nach Fahrergewicht oder Vorliebe variiert dieser zwischen 12 und 15 Bar und kann über eine normale Dämpferpumpe vorgenommen werden.
Für den Kolben des Aktuators wird ein Service-Kit angeboten werden, worin alle nötigen Verschleißteile enthalten sind. Um das frische Öl einzubringen, kann ein reguläres Entlüftungskit, wie es auch für Avid Bremsen angeboten wird, genutzt werden. Der Shapeshifter ist grundsätzlich nicht komplexer als eine Federgabel aufgebaut und der Service kann von technisch versierten Leuten selbst durchgeführt werden. Wer sich das nicht zutraut, kann dafür einen Canyon-Service in Anspruch nehmen.
Diese Fotos im Fotoalbum anschauen
Geometrie (UPDATE DER KORRIGIERTEN DATEN VON CANYON)
# Geometrie Canyon StriveCF
# Schematische Darstellung Geometrieänderung Canyon StriveCF
Länge läuft: Wer schnell abfahren möchte, greift gerne zu etwas längeren Bikes. Mit den aktuellen Geometrieentwicklungen hat man auch die Möglichkeit, über einen längeren Reach und einen kürzeren Vorbau in Summe die gleiche Griffreichweite zu behalten – bei einer verbesserten Laufruhe. Canyon bietet dem Käufer mit der sogenannten „Race-Option“ die Möglichkeit, bei unveränderter Sitzdomhöhe das Oberrohr bzw. den Reach länger zu gestalten – dies verbessert die Laufruhe bei hohen Geschwindigkeiten, gewährleistet aber weiterhin eine gute Bewegungsfreiheit über dem Bike (siehe Tabelle).
Setup
Canyon gibt für das Setup des Canyon Strive CF folgendes Prozedere vor:
- Shapeshifter in den Downhill-Modus wechseln
- Negativfederweg auf 25% einstellen
- Je nach Fahrergewicht und persönlichem Geschmack den Luftdruck im Aktuator anpassen
Ausstattungsvarianten und Verfügbarkeit
Das Bike kann ab sofort auf der Canyon-Homepage vorbestellt werden. Aufgrund der 2015er Ausstattung wird es allerdings erst gegen Ende August ausgeliefert. In Willingen wird das Bike ausgestellt sein, ab dem Passportes du Soleil Festival wird man das Canyon Strive CF testen können.
# Strive CF 9.0 Team CFET
[DDET Alle Modellvarianten gibt es hier zum Ausklappen]
[/DDET]
# Canyon StriveCF Ausstattungsvarianten
Meinung von MTB-News
Die Idee, die Fahrerposition und das Fahrwerk für verschiedene Geländesituationen anzupassen, ist fast so alt wie das Mountainbiken selbst. Es begann im Grunde damit, dass man für die Abfahrt den Sattel absenkte, was zwischenzeitlich bequem über verschiedenste Systeme vom Lenker aus passieren kann. Gabelabsenkungen wie ETA, U-Turn, 2step, Dualposition oder ein simpler Spanngurt senken unsere Fronten seit Jahren, um uns die Auffahrt zu erleichtern. Dies geschieht allerdings mit dem Nachteil eines niedrigeren Tretlagers, welches bei technischen Aufstiegen nicht unbedingt gewünscht ist. Automatisierte Systeme wie am Kona Coilair oder komplexe, zumindest teilweise auf hauseigene Federelemente festgelegte Systeme wie von Bionicon konnten sich in den letzten Jahren ebenfalls nicht flächendeckend durchsetzen.
Canyon bietet mit dem Shapeshifter ein System, das den Piloten nicht bevormundet, da er immer selbst entscheiden kann in welchem Modus er sich in welcher Geländesituation befindet. Ob sich die Akzeptanz des Systems – ähnlich einer Remote-Sattelstütze – dahingehend entwickelt, dass man es nach einigen Fahrten nicht mehr missen möchte wird sich zeigen. Wie es sich bei den ersten Testfahrten schlug, erfahrt ihr im zweiten Artikel mit Testeindrücken zum Canyon Strive CF.
Um euch die Wartezeit zu versüßen könnt ihr hier die Entwicklungsvideos des Canyon Strive CF sehen:
Canyon Strive – Part I Finale Ligure von rik – mehr Mountainbike-Videos
Canyon Strive – Part II Testing 2013 von rik – mehr Mountainbike-Videos
Canyon Strive – Part III Testing 2014 von rik – mehr Mountainbike-Videos
Canyon Strive – Part IV Final Product 2014 von rik – mehr Mountainbike-Videos
359 Kommentare