Bike-Bergsteiger sind unter Mountainbikern nicht unumstritten und ähnlich verhält es sich mit ihren Bikes: Die Arbeitsgeräte der Kollegen gehen teils ihre eigenen Wege, um an den Einsatzbereich angepasst steilste Abfahrten zu ermöglichen und auf dem Rücken nicht zu schwer ins Gewicht zu fallen. Ein Rad dieser Gattung ist das heutige Bike der Woche, das Liteville 301 von Tobi Leonhard aka KäptnFR. Sein eigenwilliges 601 hatten wir bereits als Arbeitsgerät vorgestellt, doch dieses neue Rad ist konsequent und doch äußerst kontrovers aufgebaut, weshalb wir mit diesem Bike der Woche auch um die allfällige Diskussion um die Laufradgröße nicht drumherum kommen werden… Tobi verbaut ein 29“ Vorderrad und ein 27,5“ Hinterrad… Aber übergeben wir das Wort an KäptnFR, damit er sein Rad vorstellen kann.


# Unser Bike der Woche: Das Liteville 301 MK11 KäptnFR – Alle Bilder in diesem Artikel von thory-foto.com

Servus IBC,

gleich vorneweg: mein 301 ist wie auch mein 601 ausschliesslich zum Bikebergsteigen aufgebaut. Es sollte sich aber konzeptionell schon deutlich davon absetzen, damit beide Bikes nebeneinander ihre “Daseinsberechtigung” haben. Wo das 601 auf maximale Abfahrtsperformance zielt, steht beim 301 ein möglichst geringes Gewicht unter Verwendung des „scaled sizing“ Gedankens von Liteville im Lastenheft.
Ich bin bislang immer 26“ gefahren, doch ein erster Test vor etlichen Wochen mit einem 29“ Vorderrad gestaltete sich ziemlich eindrucksvoll und generierte die Idee, auf die neuen Laufradgrößen zu gehen. Beim 301 MK11 passt mir der Rahmen in Größe XL bestens, was mir unter anderem die Verwendung von 27,5“ hinten und 29“ vorne ermöglicht.

Die Logik des scaled sizing, sprich vorne ein großes Laufrad, hinten ein kleines, ist für mich durchaus schlüssig. Auch der Gedanke, nicht alle Fahrer (unabhängig von Ihrer Größe) auf 29" Laufräder zu setzen leuchtet mir persönlich ein, aber dazu später mehr.

Das Bike der Woche im Video

Old Kid on the Blocks von KäptnFR – mehr Mountainbike-Videos

Rahmen

Liteville 301 MK11 (XL) mit 160mm Federweg, eloxiert in Hot-Rod-Red.Steuersatz ist der Originale mit 0°, optional gäbe es den VarioSpin mit +/- 1,5°. Durch das 29“ VR ergibt sich ohnehin ein brauchbar flacher Lenkwinkel, weshalb vorerst kein VarioSpin für meinen Anwendungszweck von Nöten ist.


# Der Liteville 301 MK11 Rahmen in der jüngsten Überarbeitung – Tobi fährt Rahmengröße XL

Gabel

Die im vorherigen 301 verwendete Revelation WorldCup 150mm Gabel habe ich durch Austausch des Castings in eine 29“ Gabel umgebaut. Das Gewicht liegt jetzt bei 1.710g, für eine 29" Gabel mit 150mm Federweg ein recht ordentlicher Wert und ein Grundstein für ein leichtes Bike. Für längeres Bergauffahren spanne ich die Gabel mit einen Mini-Spanngurt um gute 10cm runter.


# Die 150mm Rock Shox Revelation World Cup ist eine Eigenkreation mit 29″-Casting und kaum mehr als 1700g auf der Waage

Laufräder

Nach dem ersten Tests mit 29“ vorne war klar: das muss her! Das viel zitierte bessere Überrollverhalten ist tatsächlich beeindruckend und auch das Plus an Grip erzeugt viel Fahrspaß. Ich habe mich für die 29“ W35 in 28 Loch mit der QR15 Nabe entschieden. Zum einen wollte ich eine möglichst hohe Stabilität gegen wegknickende Reifen bei niederen Luftdrücken,
zum anderen sollte das Ganze eben noch möglichst leicht sein.

Am Hinterrad ist beim Bikebergsteigen ein eventuelles Wegknicken des Reifens nicht ganz so fatal, deshalb hatte hier Gewicht sparen Priorität und es wurde eine 27,5“ W30 in 32 Loch. Die Felgen fahre ich schlauchlos mit rimstrip und Milch, funktioniert bestens.


# Auf die Laufradgröße kommt es an: Tobi fährt 29″ vorne und 27,5″ hinten

Zum Thema Reifengröße: Ein 29“ Hinterrad sehe ich zumindest beim Bike-Bergsteigen als eher hinderlich an, da man in der Bewegungsfreiheit hinter dem Sattel doch deutlich eingeschränkt wird. Außerdem würde sich das Anheben des Vorderrades – gerade in technischem Gelände – aufgrund der dann notwendigen längeren Kettenstreben erschweren. Last but not least: Das Überrollverhalten wird ohnehin maßgeblich vom VR bestimmt, Stichwort Schubkarrentest.

An sich würde hinten auch 26“ funktionieren (hatte ich beim ersten Test so), insgesamt ist für mich mit relativ langen Armen aber 27,5“ der bessere Kompromiss. Die Diskussion zum Thema geringere Laufradsteifigkeit bei 29“ kann ich ehrlich gesagt nicht recht nachvollziehen – wäre mir zumindest beim Fahren bisher nicht aufgefallen. Ich persönlich bin der Meinung, dass ein dicker Reifen bei 1,2bar 10x mehr flext als das Laufrad…

Reifen

Die Reifen sind wohl aktuell noch der limitierende Faktor bei 29“. Aktuell verwende ich vorne und hinten den Schwalbe Hans Dampf in 2,35“ Breite mit der Trailstar Mischung. Der hat zwar im Vergleich zu superweichen DH-Mischungen wie beim Continental Baron 2,5 schon noch reichlich Luft nach oben; das Plus an Grip durch die größeren Raddurchmesser kann hier aber schon die ein oder andere Schwäche wettmachen.

Der Magel an brauchbaren Reifen wird sich meiner Meinung nach bei der Menge an 29“ Enduros die derzeit aus dem Boden sprießen sehr bald legen. Maxxis hat bereits einen Minion in der 3C Maxxgrip DH Mischung im Programm und Schwalbe liefert den Magic Mary ebenfalls in 2,35" Breite. Michelin hat ebenfalls ein sehr interessantes Modell für Anfang 2014 angekündigt – und weitere werden hier ganz sicher folgen.

Antrieb

Analog zum 601 mit 1×10-fach Antrieb mit 22 Zähnen vorne und 11/36er Kassette hinten. Die Kette wird von einem Shimano XT Shadow Plus Schaltwerk mit kurzem Saint Käfig bewegt.

Für die Abfahrt verwende ich auch beim 301 das mit Klettband unter der Kettenstrebe befestigte Röhrchen.
Die Tune smart foot Kurbelgarnitur liegt gewichtsmässig gleichauf mit der XTR.
Ein Vorteil gegenüber dieser ist beispielswese die Austauschmöglichkeit des Spiders. Selbiger fällt ja bei mir stets der Verstümmelung zum Opfer, da nur ein 22er KB benötigt wird. Die 30mm Welle wirkt gewaltig, und trägt wohl ihren Teil zur gefühlt hohen Steifigkeit bei.

Die Pedale sind von time (abweichend von den Bildern) – hier fahre ich die XC6 Titan Carbon.

Cockpit

Die Front kommt durch das 29“ VR natürlich höher, der Syntace Vector Carbon low10 Lenker gleicht dies jedoch wieder etwas aus. Das sieht zwar anfangs gewöhnungsbedürftig aus, inzwischen gefällts mir aber richtig gut. Bisher hatte sich 680mm als die für mich am besten passende Lenkerbreite herauskristallisiert, beim 29“ Vorderrad fühle ich mich aber mit 740mm wohler. Die vergrößerten Kreiselkräfte und Hebel am Vorderrad erfordern einen größeren Hebel, um auch dorthin zu lenken, wo man hin möchte.


# Das 29″ Vorderrad sorgt für eine höhere Front. Diesem Effekt wirkt Tobi mit einem speziellen Syntace Lenker entgegen.

Das passt wiederum irgendwie zum scaled sizing-Gedanken, denn ob eine 1,60m große Frau mit einem 740mm Lenker glücklich wird, bezweifel ich… Radseitig wird der Lenker von einem 30mm Syntace Megaforce2 Vorbau gehalten. Fahrerseitig wird der Lenker über Syntace Moto Griffe (33mm) gehalten.

Gebremst wird (ebenfalls analog zum 601) mit Shimano XTR Trail mit Sinterbelägen auf Hope Mono 6 Scheiben in 225mm vorne und 185mm hinten.

Sattel und Stütze

Auf einer Syntace P6 Hiflex Carbonstütze ist ein Tune „komm vor“ montiert. Beides entlastet die Waage, wobei der Sattel seinem Namen durchaus gerecht wird und auch längere Uphill-Kurbelei nicht mit Sitzbeschwerden bestraft.

Zum Schluss noch ein paar Fakten:

    – Gewicht: 11,95kg
    – Lenkwinkel: 65°
    – Sitzwinkel: 70°
    – Tretlagerhöhe: 363mm (Der Vollständigkeit halber: Tretlagerhöhe muss in Relation zur Nabenhöhe betrachtet werden, der Wert kann nicht 1:1 mit 26" verglichen werden!)


# Tobi Leonhard unterwegs auf seinem Bike der Woche: Der ungewöhnliche Aufbau ist konsequent auf den Einsatzbereich beim Bike-Bergsteigen ausgelegt


# Das 29″ Vorderrad soll ein besseres Überrollverhalten und mehr Grip bieten – Tobi nutzt die Eigenschaften beim Bike-Bergsteigen

Bike der Woche – im Allgemeinen

Ihr habt auch ein Bike, dass sich bestens in die ehrenhafte Riege der “Bikes der Woche” einfügen kann? Dann lest euch die Regeln für folgendes Album durch und ladet ein Bild in selbiges hoch. Viel Erfolg! Hier zu den Regeln, das Album findet ihr hier. Neu: Der BdW-Sticker, den ihr nicht nur auf dem Foto seht, sondern demnächst auch an jeden BdW-Besitzer (auch nachträglich) exklusiv verschickt wird!

  1. benutzerbild

    GrazerTourer

    dabei seit 10/2003

    Bitte immer differenzieren.
    Weil ich das Heck festzurre (oder zB keine SCS verwende, die Gabel runterspanne oder was auch immer) heisst das nicht zwingend im Umkehrschluss dass ich das tue weil etwas "schlecht" funktioniert.
    Mein Anwendungszweck ist halt sehr speziell, meine persönliche Vorliebe bzgl. mancher Details ebenso. Das lässt dann eben keinen allgemeinen Rückschluss zu über "gut" oder "schlecht".

    Klar! smilie Ich fahre ja auch ein 301 als Zweitbike und setze es sehr sehr breit ein (von so Sachen die du machst, bis zum 7000hm Marathon hat es alles mit mir mitmachen müssen - und das gut gemacht!).

    Es ist lässig, wie speziell du dein Bike aufbaust und wie sehr du dich mit Details beschäftigst! smilie

    Ich bin mir nicht sicher, ob mir dein Setup im steilen Gelände so viel Mehrwert geben würde, dass ich damit bergauf oder im flowigen Gelände bergab solche Nachteile in Kauf nehmen würde. Außerdem gewöhne ich mich an Änderungen so schnell, dass ich mir schwer tue das wirklich beste Setup für mich überhaupt auszuwählen. Insofern: Respekt, dass du das so gut kannst! smilie

    Allgemein zur 301 Diskussion: Ich würde für so einen Aufbau (27,5" und 29") halt derzeit definitiv nicht zum 301 greifen, wenn ich freie Wahl habe. Da gibt's beispielsweise ein Kona Process 153 oder ein Banshee Spitfire welche mit den großen Laufrädern bestimmt besser zurecht kommen und man das sehr hohe Tretlager dafür nicht in Kauf nehmen muss (ich verstehe deine Argumentation mit der Nabenhöhe, aber das könnte man doch nutzen, um den Fahrer noch mehr "ins" Bike zu integrieren, statt das Gesamtpaket einfach auf zu bocken...).
    @Tyrolens
    Er hat ihn ja nur nach oben gedreht (nach vor gekippt) und nicht umgedreht. Aber interessant wäre das wirklich. Vielleicht fahr ich dann spaßhalber einmal mit einem falsch montierten Rizer. smilie
  2. benutzerbild

    q_FTS_p

    dabei seit 02/2011

    Glaub das mit dem umgedrehten Lenker geht vor allem wegen der Lenkergeometrie(Stichwort Kröpfung nach oben, die bei umgedrehtem Lenker nach unten zeigen würde) nicht vernünftig.

  3. benutzerbild

    Deleted 8566

    dabei seit 12/2015

    dazu könnte man ihn ja wieder entsprechend drehen.

  4. benutzerbild

    dogdaysunrise

    dabei seit 03/2009

    Darf man den Lenker überhaupt umdrehen, so von wegen belastungsgerechte Konstruktion? Sonst könnte man ja auch irgendeinen low riser einfach umdrehen.

    http://singletrackworld.com/2013/10/interbike-2013-syntace-gets-l-o-w/

    When we asked Syntace general manager Tom Mayerhofer last year what special engineering was needed to develop the Low series of bars, he responded ‘we put the decals on upside-down.’

    smiliesmiliesmilie

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