Nachdem IBC-User friederjohannes in die Großstadt umgezogen war, hatte er endlich einen Grund, sich seinen Traum vom Velo Orange Neutrino zu erfüllen. Das Rad wird hauptsächlich zum Pendeln ins Büro genutzt – und findet ihr problemlos auch im Zug Platz. Nach zwei Monaten Wartezeit – danke Covid-19 – wurde das schicke 20″ Rad dann als Singlespeeder aufgebaut. Dabei finden sich viele schicke Details am Rad, wie zum Beispiel die am Hinterrad montierte Klingel! Viel Spaß mit diesem Bike der Woche. Und wir nehmen etwaige Kommentare vorweg: Ja, es wird auch wieder ganz reguläre Mountainbikes als Bike der Woche geben – auch Neutrino-Besitzer Johannes hat allerdings schon Stollenreifen-Abenteuer mit dem Bike geplant, wie ihr unten lest …
Bike der Woche
Velo Orange Neutrino, friederjohannes
MTB-News.de: Hallo friederjohannes, dein einzigartiges Rad ist im Fotoalbum sofort positiv aufgefallen! Wie ist es zu deinem Bike gekommen, das wir heute als Bike der Woche vorstellen?
Ich verfolge den Velo Orange-Blog schon länger – ich finde die bauen einfach schöne Räder dort. Als das Neutrino Anfang 2019 vorgestellt wurde, dachte ich mir gleich dass ich so eins haben will, allein der Use Case fehlte mir völlig.
Ein Jahr später wohnte ich statt in einem Nest im Südschwarzwald plötzlich wieder in der Großstadt und fing einen neuen Job an – einen Job, zu dem ich mit dem Zug würde pendeln müssen. Meine Chance auf ein Neutrino! Trotzdem rang ich noch etwas mit mir, fuhr auch ein paar Klappräder Probe, aber zu hundert Prozent konnte mich keins überzeugen. Bei einem der Läden, die ich für Probefahrten genervt hatte, fragte ich dann an, ob sie auch einen Rahmen von Velo Orange besorgen könnten. Konnten sie.
Als nächstes lernte ich etwas über internationale Speditionswege für Kleinmengen. Der Rahmen war in den USA verfügbar und wurde auf die Reise nach Europa geschickt. Solche kleineren Frachtmengen werden oft mit Passagierfliegern geschickt, die noch Platz in ihrem Gepäckraum haben. Nun fiel meine Bestellung mit dem Beginn der Covid-19-Pandemie zusammen und der internationale Passagierflugverkehr kam beinahe vollständig zum Erliegen. Das hatte zur Folge, dass Pakete wie das mit meinem Rahmen drin sich an Flughäfen überall in der Welt stapelten. Und warteten. Karton ist geduldig.
Am Ende dauerte es zwei Monate, aber der Rahmen kam unversehrt an. Ich hatte also mehr als genug Zeit, mich um die Teile zu kümmern. Das Forum hat mir dabei sehr geholfen, insgesamt habe ich von sieben verschiedenen Usern Teile gekauft oder geschenkt bekommen. Auch wenn der Rahmen ungewöhnlich aussieht – mit 68 mm BSA Lager, 1 1/8″ Steuerrohr, 31.6 mm Sattelstütze, Einbaumaß 9×100/10×135, vorn IS, hinten Postmount, Zugführung geschlossen außen – ist er eigentlich überaus konservativ. Der Aufbau war dementsprechend unkompliziert.
Worauf hast du beim Aufbau deines Bikes besonders geachtet?
Ich habe im Vorfeld viele Fotos von Neutrino-Aufbauten angesehen, die meisten davon setzen auf viel Silber und Flatbar. Ich hingegen wollte lieber schwarz, plus etwas Farbe (#teampurple!) an dem grauen Rahmen. Wie nicht schwer zu erkennen ist, hat das geklappt, mit Ausnahme der silbernen Slider in den hinteren Ausfallenden, aber dazu später mehr. Zuerst hatte ich das Rad als Singlespeed mit Flatbar und Option auf späteren Umbau auf 1×10 oder ähnlich aufgebaut. Die Option besteht auch noch, aber jetzt ist das Neutrino fixed mit einem Velosolo Discog und Dropbar aufgebaut. Das taugt mir unheimlich und so wird es erstmal bleiben.
Wie geht es mit deinem Bike weiter?
Es ist eigentlich fertig, aber schwarze Slider für die Ausfallenden habe ich noch bestellt – ich konnte mich nicht zurückhalten. Wenn ich dann noch eine Salsa lip lock in purple finde, ist es endgültig fertig. Versprochen. Eines Tages, wenn man wieder die Familie im Ausland besuchen kann, wird es aber dann doch noch mal eine Metamorphose durchlaufen: von seinen Schutzblechen befreit, mit Stollenreifen drauf und einer Schaltung werde ich es in die Berge Bulgariens ausführen. Es ärgert mich immer, dass ich dort kein Rad habe und das Neutrino passt in einen Koffer, den man als normales Gepäck im Flieger aufgeben kann!
Welchen Einsatzbereich hat das Bike?
Pendeln mit und ohne Zug.
Was wiegt das Bike?
Das weiß ich wirklich nicht.
Was ist dein persönliches Highlight an deinem Bike der Woche?
Das entsprang der Not: Für das Fixed-Ritzel, das auf der Bremsscheibenaufnahme montiert wird, musste ich die Hinterradnabe umdrehen. Damit hatte mein Rad keine Klingel mehr! Der Freilauf der Hope-Nabe hatte diese Funktion bis dahin übernommen. Zum Glück wurde auf der Nichtantriebsseite durch diese Aktion viel Platz frei – genug, um eine klassische Klingel zu montieren, die über den rechten Bremshebel angesteuert wird. Die Postmount-Bremsaufnahme fungiert nun als Anschlag für die Klingelzughülle. Da das Gewinde von Anfang an komplett durchgehend gebohrt war, kann ich nur davon ausgehen, dass das vom Hersteller so gedacht ist.
Ein zweites Highlight ist für mich der Spacerturm. Ohne ging es nicht, also warum nicht eine Tugend draus machen. Ich habe also zwei Spacer lasern lassen. Auf der einen Seite ist eine Skizze, ein sogenannter Feynman-Graph. Sie stellt einen radioaktiven Zerfallsprozess dar, den Beta-Zerfall. Als man Anfang des 20ten Jahrhunderts den Beta-Zerfall untersuchte, fand man eine merkwürdige Verteilung der Energie auf die Zerfallsprodukte. Das verleitete die Physiker dazu, ein bis dahin unbekanntes Teilchen zu postulieren, das später tatsächlich gefunden wurde und den schönen Namen Neutrino erhielt. Das griechische ν (sprich „nü“) auf der anderen Seite des Spacers wird seitdem in der Teilchenphysik als Symbol für das Neutrino verwendet. Viele Milliarden Neutrinos kommen von der Sonne auf der Erde an. Jede Sekunde. Pro Quadratzentimeter. Allerdings fliegen sie fast alle durch die ganze Erde hindurch, ohne sie auch nur zu bemerken. Verrückt, oder?
Wie fährt sich das Rad?
Es ist toll! Ihr braucht auch alle eins ;) Es fährt erstaunlich normal, die fixe Übersetzung und der Gepäckträger an der Front nehmen dem Ganzen etwas den Wheelie-Faktor, aber gerade die Frontbeladung kommt dem Fahrverhalten sehr entgegen. Es macht einfach einen Heidenspaß, damit schnell um enge Kurven zu fahren. Durch die breiten Reifen sind aber auch Wald- und Schotterwege sehr entspannt. Trails sind dann allerdings nicht unbedingt die Stärke der 20″ Räder… dafür das Treppenhaus! Im täglichen Pendelbetrieb ist das kurze Rad an manchen Stellen vorteilhaft, es in den Keller zu schaffen ist jedesmal angenehm.
Wie bist du zum Mountainbiken gekommen?
Das Rad ist einfach das beste Verkehrsmittel für mich, deswegen benutze ich es ständig seit ich ein Kind war. Ich bin eher Alltags-, Umweg- und Überallhinfahrer, eine Zeit lang auch als Kurier. Die meisten Kilometer habe ich auf alten Rennrädern gemacht. Zum Mountainbiken bin ich erst recht spät gekommen, mein erstes eigenes habe ich gekauft, als ich schon mit dem Studium fertig war. Wenn man im Schwarzwald oder einem sonstigen Mittelgebirge wohnt, sollte man einfach eins haben.
Jetzt habe ich aber 30 km Anfahrt für die ersten Berge, und ich starte und ende meine Touren am liebsten vor der Haustür. Insofern steht das MTB jetzt leider meist im Keller, herausgeholt werden eher das Neutrino, das Gravelbike oder mein 91’er Trek 950, das ich als Zugmaschine für den Kinderanhänger benutze. Oder Esmeralda, aber die ist dann noch eine andere Geschichte.
Mountainbiken als Lifestyle / die Industrie – deine Sicht.
Ich bin immer skeptisch, wenn etwas als Lifestyle ausgerufen wird. Da will man mir offensichtlich ein ganzes Paket verkaufen zu dem einen Ding, das ich haben will. Zum Glück muss ich aber ja Troy Lee Designs nicht schön und Superboost nicht sinnvoll finden, nur weil ich gern mit einem Fahrrad im Wald herumfahre.
Du und die Internet Bike Community – wann und wie bist du zu uns gekommen und was verbindest du mit dem IBC?
Aufmerksam auf das IBC-Forum bin ich geworden, als ich mir mein erstes Rad mit Ahead-Steuersatz gekauft habe (2013 – ein echter Early Adopter), aber aktiv bin ich erst seit 2017, vor allem im Cyclocross/Gravelbereich, bei den Singlespeedern und auch im Trekkingbereich. Auch wenn sich Trekking erstmal bieder anhört und andere Unterforen sicher mehr Traffic haben: in dem Bereich verbergen sich einige wirklich tolle Räder und man kann zusammenschrauben was man will, ohne verurteilt zu werden. Das Stahlrudel ist auch ein wundervoller Haufen, da schaue ich immer gern vorbei.
Technische Daten: Velo Orange Neutrino
Rahmen: Velo Orange Neutrino 2019, Größe L
Gabel: Stahl, starr, mit VIELEN Ösen
Dämpfer: Festkörpergelenkhinterbau mit Eigendämpfung
Steuersatz: Acros AH 34
Bremsen: Avid BB7 mit 160er Scheibe
Vorbau: Thomson Elite X4 80 mm 0°
Lenker: Salsa Cowbell 400 mm
Griffe: Supacaz Super Sticky Kush Star Fade
Felgen: Ginkgo Disc 25
Naben: Hope Pro 4 hinten, Shutter Precision PL-8 vorn
Reifen: Shadow Conspiracy Serpent 2.3 vorn und hinten
Kurbel + Innenlager: Sugino Mighty mit Token Innenlager
Kettenblatt / Kettenblätter: Spécialités T.A. Zéphyr 50t
Pedale: Contec QuickAce mit ZLDA Straps
Zughüllen: Odyssey linear slic purple für die Klingel
Kette: KMC Z610HX
Kassette: Velosolo Discog 16t
Sattel: Brooks Cambium C15 allweather carved
Sattelstütze: Thomson Elite setback
Sattelklemme: Chromag NQR
Sonstiges: Klingel: Crane Bell Riten
Über das Bike der Woche
Ihr habt auch ein Bike, das sich bestens in die ehrenhafte Riege der „Bikes der Woche“ einfügen kann? Dann lest euch die Regeln für folgendes Album durch und ladet ein Bild in selbiges hoch. Viel Erfolg! Die Regeln: So wird dein Bike „Bike der Woche powered by bike-components“
Das Album findet ihr hier: mtb-news.de/s/55943.
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