Mit dem Scar Cycles SP135 hat sich IBC-User Fotofranke seinen Traum vom Eigenbau-Trailbike mit Piniongetriebe und Geometrie nach Maß erfüllt. Der selbstgebaute Stahlrahmen mit Eingelenk-Hinterbau ist extrem schick. Dazu kommen hochwertige Komponenten, die fast ausschließlich aus Deutschland und der Schweiz stammen. Einfach ein grandioses Projekt! Viel Spaß mit diesem Bike der Woche.
Bike der Woche
Scar Cycles SP135, Fotofranke
MTB-News.de: Hallo Fotofranke, dein selbstgebautes Trailbike mit Pinion-Getriebe ist einfach ein absoluter Traum. Wie ist es zu deinem Bike gekommen, das wir heute als Bike der Woche vorstellen?
Hallo zusammen, zuerst einmal vielen herzlichen Dank, dass ich mein Bike hier als „Bike der Woche“ vorstellen darf. Der Anfang der Geschichte liegt im Sommer 2017. Damals war ich auf der Suche nach einem 29er Trailbike mit Pinion-Getriebe. Jedoch bin ich leider, oder eigentlich Gott sei Dank, nicht fündig geworden. Denn die Suche hat mich zu maßgebauten Fahrradrahmen und dann zum eigentlichen Rahmenbau geführt.
Ich habe damals viel über den Rahmenbau recherchiert und mich entschieden, selbst den Versuch zu starten. An ein Fully war damals nicht zu denken, also sollte es ein Hardtail aus Stahl werden. Wichtig war mir, ein Pinion-Getriebe zu verwenden. Im November 2017 habe ich ohne Vorerkenntnisse angefangen zu löten. Im September 2018 war mein erstes Hardtail fertig. Damals war schon klar, dass irgendwann ein Fully gebaut wird.
Kurz nach der Fertigstellung des Hardtails habe ich angefangen, mich mit dem Thema Kinematik auseinanderzusetzen. Im Netz ist schon einiges zu finden, aber am Anfang habe ich wirklich nur „Bahnhof“ verstanden. Ich habe mir die Software Linkage besorgt und mich intensiv mit dem Programm auseinandergesetzt. Das MTB-News-Forum war mir eine sehr große Hilfe. Ich habe im Rahmenbauerforum ein Thema für meine Kinematik erstellt und viele Rückmeldungen erhalten. Die Linkage-Software ist programmiert, um Fullys mit Kettenschaltung zu entwickeln. Da mein Bike aber ein Pinion-Getriebe haben sollte und die Schaltung auf der Tretlagerachse liegt, mussten einige Berechnungen anders oder manuell gemacht werden. Dies und noch vieles mehr wüsste ich ohne die Hilfe aus dem Forum nicht.
Drei Dinge waren von Anfang an klar: 29 Zoll, Pinion-Getriebe und dass ich einen Eingelenker baue, damit der Hinterbau aus einem Stück ist. Man braucht weniger Lager und somit auch weniger aufwändige Lagersitze. Im Nachhinein ist man meistens schlauer. Es ist nun ein Eingelenker mit Dämpferverlängerung geworden, daher auch der Name des Bikes. SP steht für Single Pivot und die 135 für den Federweg. Als Dämpferverlängerung kommt ein Yoke von BikeYoke zum Einsatz, für den mir Stefan von BikeYoke die Freigabe gegeben hat.
Ich habe immer wieder zwischen CAD und Linkage hin und her gewechselt, damit der Hauptdrehpunkt mit der Pinion-Brücke zusammen passt. Auch musste ich lernen, dass das Zeichnen von einem Bauteil im CAD ja eine ganz tolle und schöne Sache ist, es aber nicht heißt, dass das Teil dann auch so gefertigt werden kann oder auch nur annähernd bezahlbar ist. Vor allem die Teile, welche die Dämpferverlängerung aufnehmen, waren in dieser Hinsicht sehr aufwändig und lehrreich.
Gleichzeitig habe ich mich auf die Suche nach einem Dämpfer gemacht, der zu meiner Kinematik passt. Dort ist es wirklich sehr schwierig an Daten heranzukommen. In meinem Bike wird nun aufgrund der verschiedenen Kennlinien ein DT-Swiss R535 One Dämpfer mit high/medium tune verbaut.
In der Planung gab es noch einige andere Hürden zu meistern, zum Beispiel den Kettenspanner. Wie oben schon erwähnt, verändert ein Pinion-Getriebe bei einem Fully einige Variablen bei der Entwicklung der Kinematik. In meinem Entwicklungsprozess musste ich, wie bei jedem anderen Fully, einige Kompromisse eingehen. Daher hat das Getriebe eine außergewöhnlich flache Lage im Rahmen. Daraus resultieren einige spezielle Anpassungen an der rechten Kettenstrebe und für den Kettenspanner. Das Bike wird mit je einem 34er Narrow Wide Kettenblatt vorne und hinten gefahren. Da der originale Kettenspanner von Pinion nur eine Kapazität von maximal 31 Zähnen hat und Kettenspanner für Singlespeed, welche am Schaltauge montiert werden, maximal 19 Zähne spannen können, wurde ein weiteres Schaltauge in den Hinterbau eingebaut, um die Montage eines Kettenspanners zu ermöglichen. Der Rahmen ist darauf ausgelegt zu einem späteren Zeitpunkt auf den Betrieb mit Zahnriemen umgerüstet zu werden. Dafür wurde ein Rahmenschloss in die rechte Sitzstrebe einbracht. Ausserdem sollte im Hauptrahmen eine Trinkflasche Platz haben.
Die ganze Planung für das Bike hat über ein Jahr in Anspruch genommen, bis ich Anfang Oktober 2019 mit dem eigentlichen Bau begonnen habe. Da ich in der Zwischenzeit noch einige Hardtails gebaut habe, waren die Rohre für den Hauptrahmen schnell angepasst. Den Hauptdrehpunkt auf die Pinion-Brücke zu setzen, stellte mich aber schon vor die eine oder andere Herausforderung. Als Hauptlager dient ein BSA-Tretlager. Ich habe eine Tretlagerbuchse zersägt, abgedreht, wieder zusammen gelötet und dann auf die Pinionbrücke gesetzt. Auch die Zugführung war aufwändig zu fertigen, da diese im Rahmen mit dünnen Edelstahlröhrchen realisiert wurde. Vier Stück an der Zahl und alle mussten ins Unterrohr.
Für den Hinterbau habe ich mir aus Item-Profilen eine Lehre gebaut und angefangen, das Herzstück von meinem Bike zu löten. Am 8. November wurde das Rad das erste Mal grob aufgebaut und ich konnte probesitzen. Nach dem ersten Freudentaumel(-bier) erfolgte die Ernüchterung. Der Hinterbau war noch viel zu weich. Das Hinterrad hat beim Treten mal links, mal rechts am Rahmen schöne, schwarze Schleifspuren hinterlassen. Also wieder alles auseinanderbauen und auf Anfang.
Hier im Forum wurden verschiedene Ansätze diskutiert. Schlussendlich entschied ich mich für eine X-förmige Verstrebung aus Blech. In der Zwischenzeit ist mein Kettenspanner eingetroffen und ich habe die Aufnahme dafür in die Kettenstrebe eingelötet. Wieder alles zusammengebaut und zur nächsten Probefahrt. Diese war leider wieder nicht zufriedenstellend verlaufen. Der Hinterbau musste noch besser, stärker und grossflächiger versteift werden.
Ende Januar 2020 kam es dann zur ersten erfolgreichen Testfahrt. Nach einigen weiteren Testfahrten im rohen Zustand wurde der Rahmen brüniert, um die Rohre innen vor Rost zu schützen und anschließend lackiert. Ende März endlich der Endspurt. Decals wurden geplottet, Logo und Rahmennummer frei geschliffen und dann war es soweit. Fertig!!! Wahnsinn! Knapp drei Jahre von der ersten Idee bis zum fertigen Scar Cycles SP135 Trailbike.
Worauf hast du beim Aufbau deines Bikes besonders geachtet?
Bei der Schaltung war das Pinion C1.12 Getriebe gesetzt. Nach dem Kontakt mit DT-Swiss für die Federelemente und PiRope für den Laufradsatz reifte dann die Idee, das Bike möglichst nur mit Komponenten auszustatten, die in der Schweiz und in Deutschland entwickelt und wenn möglich hergestellt wurden. Einzig die Absolut-Kettenblätter und die Pedale (ich fahre schon immer Shimano) bilden hier eine Ausnahme. Somit wurde das Bike mit sehr hochwertigen Komponenten bestückt, wie zum Beispiel die Lager von Reset Racing oder Lenker und Vorbau von Newmen.
Wie geht es mit deinem Bike weiter?
Teile tauschen würde ich, außer vielleicht einem leicht laufenden Hinterreifen im Sommer, auf keinen Fall. Die funktionieren alle bestens. Wenn ich den Rahmen nochmal bauen würde, gäbe es ein paar kleine Veränderungen.
Welchen Einsatzbereich hat das Bike?
Mit 29 Zoll-Laufrädern, 150 mm-Federgabel und 135 mm Federweg am Heck ist das Bike eigentlich für alles zu haben. Es muss für alpine Ausfahrten genauso herhalten wie für die Feierabendrunde. Einzig für den Bikepark ist es mir wohl zu schade.
Was wiegt das Bike?
Es wiegt komplett mit Pedalen 17.1 kg.
Was ist dein persönliches Highlight an deinem Bike der Woche?
In das ganze Projekt ist so viel Zeit und Herzblut rein geflossen, dass es schwierig ist etwas Einzelnes herauszupicken. Für mich ist es ein großes Ganzes!!! Mein erstes selbst gebautes Fully, ausgestattet mit hochwertigen Komponenten. Auch mit der Optik und meiner Farbwahl bin ich absolut glücklich, die perfekt mit den PiRope-Faserspeichen harmoniert.
Wie fährt sich das Rad?
Das Bike hat einen Lenkwinkel von 64,5°, einen Radstand von 1272 mm und 450 mm lange Kettenstreben. Es ist also sehr lang und flach. Bei hohen Geschwindigkeiten ist es extrem laufruhig. Es ist mein erstes 29er Fully und ich bin begeistert wie gut es rollt und wie gut das Bike die Schläge wegschluckt. Der Hinterbau fühlt sich nach mehr als 135 mm Federweg an.
Der Hinterbau funktioniert genauso wie im Kinematikprogramm berechnet. In den leichten Gängen wippt das Bike bei offenem Dämpfer fast gar nicht, schluckt aber Wurzeln in Anstiegen gut weg. In der Abfahrt in hohen Gängen funktioniert der Hinterbau grandios und bügelt einfach alles glatt. Jedoch neigt der Hinterbau in den hohen Gängen etwas zum Wippen. Wenn ich also so im achten oder neunten Gang in der Ebene trete, stelle ich den Dämpfer auf „Drive“ und dann ist Ruhe.
Wenn es eng und winklig wird, merkt man die Länge und das Gewicht natürlich. Man muss mehr arbeiten um das Bike um die Ecken zu zirkeln. Es ist auch nicht wirklich ein spielerisches Bike, das dazu einlädt, jedes noch kleine Hügelchen als Absprung zu benutzen. Es ist ein Bike, das man sehr schnell fahren kann und dabei aber auch viel Sicherheit vermittelt. Dies ist jedoch bis jetzt nur meine Erfahrung. Ich bin gespannt, wie das andere sehen.
Wie bist du zum Mountainbiken gekommen?
Meine Mutter erzählt heute noch, dass ich als Kind schon die kürzesten Strecken mit dem Fahrrad gefahren bin, statt zu laufen. Als Jugendlicher in den 90er Jahren habe ich mein erstes Mountainbike bekommen und mit meinen Freunden die Trails der Fränkischen Schweiz unsicher gemacht. Damals noch ohne Federgabel und mit Lenkerhörnchen. Nach der Lehre war dann für ein paar Jahre Pause. Seit über sechs Jahren sitze ich nun wieder mit viel Begeisterung im Sattel und die Räder in der Garage werden immer zahlreicher.
Mountainbiken als Lifestyle / die Industrie – deine Sicht.
Das Mountainbike selbst gehört mittlerweile definitiv zu meinem Lebensstil. Sehr viel von meiner Freizeit dreht sich ums Bike. Entweder wird gefahren, gebaut oder an neuen Projekten gefeilt. Seit über zwei Jahren baue ich nun selbst Fahrradrahmen aus Stahl. Damit verbunden setzt man sich mit so einigen Sachen auseinander und vor allem mein Wissensdurst bezüglich Technik hat sich verstärkt. Die neusten Trends sauge ich auf, lese und recherchiere. Früher habe ich mich darüber aufgeregt, wenn innerhalb von kurzen Zeiträumen immer wieder neue Sachen auf den Markt gekommen sind und nichts mehr zusammengepasst hat.
Nun habe ich selbst einige Entwicklungsprozesse durchgemacht, mit allen Höhen und Tiefen. Dies hat meine Sichtweise etwas verändert. Um eine Entwicklung zu machen, egal wer, muss man von seinem Produkt überzeugt sein und auch bereit sein neue, andere Wege zu gehen. So kommen immer wieder innovative Sachen auf den Markt, welche schlussendlich auch uns, den Hobbybikern, etwas bringen. Wer hätte zum Beispiel 1997 gedacht, als wir mit unseren 3×7 Schaltungen kettenkrachend durch den Wald gefahren sind, dass wir heute vorne nur noch ein Kettenblatt und hinten ein 12-Fach Ritzel-Paket mit 50er-Pizzascheibe fahren? Oder gar ein Pinion C1.12 Getriebe auf der Tretachse. Dazwischen liegen viele verschiedene Schaltungs-Standards, über die auch ich mich immer mal wieder geärgert habe. Und trotzdem möchte keiner zurück zu 3×7, da die Vorzüge der Einfach-Schaltung auf der Hand liegen. Somit stehe ich den neuen Sachen heute weniger skeptisch gegenüber und ziehe für mich das raus, was mir sinnvoll erscheint.
Du und die Internet Bike Community – wann und wie bist du zu uns gekommen und was verbindest du mit dem IBC?
Am Anfang habe ich „nur“ MTB-News gelesen. Dann wurde ich auf das Forum aufmerksam und war stiller Mitleser. Im Oktober 2016 habe ich mir einen Account erstellt, wurde aber erst mit dem Rahmenbau aktiv. Seitdem bin ich regelmäßig im Forum unterwegs. Dieses „Bike der Woche“ hat enorm vom Rahmenbauerforum profitiert. Ich finde es großartig, dass so viele Menschen bereit sind ihr Fachwissen im IBC zu teilen um anderen zu helfen. Auf diesem Weg ein riesengroßes Dankeschön an alle, die mich bei meinem Fully-Projekt begleitet und unterstützt haben.
Technische Daten: Scar Cycles SP135 – Eigenbau Trailbike mit Piniongetriebe 2020
Rahmen: SP135, auf Maß gebaut
Gabel: DT Swiss F535 One 150 mm
Dämpfer: DT Swiss R535 One 190×40 mm mit BikeYoke Yoke #6.1 als Dämpferverlängerung
Steuersatz: Reset Racing Flatstack ZS44/28.6 EC44/40
Bremsen: Magura MT Trail, 203 mm vorne, 180 mm hinten
Vorbau: Newmen Evolution SL 318.2
Lenker: Newmen Advanced 750 mm Carbon
Griffe: Ergon GA2 Single Twist
Felgen: PI ROPE RL One A.30 29″ Gen2 Laufradsatz
Naben: PI ROPE RL One A.30 29″ Gen2 Laufradsatz
Reifen: Onza Aquilla 29×2.4 / Onza Ibex 29×2.4
Kurbel + Innenlager: Pinion C1.12
Kettenblatt / Kettenblätter: Absolut Black Narrow Wide 34T
Kettenführung / Umwerfer:
Schalthebel: Pinion DS2 Schaltgriff
Schaltwerk: Single Speed Kettenspanner: SB One Bikeparts G3C
Pedale: Shimano XT SPD
Kassette: Absolut Black Narrow Wide 34T
Sattel: Sattel: Ergon SM
Sattelstütze: BikeYoke Revive 160 mm
Sattelklemme: Bestandteil des Rahmens
Sonstiges: Als Hauptlager für den Hinterbau wurde ein Reset Racing Hollolite BSA verbaut.
Über das Bike der Woche
Ihr habt auch ein Bike, das sich bestens in die ehrenhafte Riege der „Bikes der Woche“ einfügen kann? Dann lest euch die Regeln für folgendes Album durch und ladet ein Bild in selbiges hoch. Viel Erfolg! Die Regeln: So wird dein Bike „Bike der Woche powered by bike-components“
Das Album findet ihr hier: mtb-news.de/s/55943.
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