Dieses Rad scheint Tuner geradezu anzuziehen: IBC-User „paradox“ aka Christian zeigt mit dem heutigen Bike der Woche einen aufwändigen Umbau des Kokua Jumper Laufrades inklusive Scheibenbremse am Hinterrad und vielen kleinen Detaillösungen, die das Rad leicht, schön und exklusiv machen. Wie es im Verlauf der letzten 1,5 Jahre zu diesem Bike gekommen ist, berichtet er in diesem Artikel. Viel Spaß mit diesem Bike der Woche und Gratulation zu einem einmaligen Laufrad!
Bike der Woche
Kokua Jumper Custom-Edition Modelljahr 2014, User paradox
MTB-News.de: Hey Christian, Gratulation zu deinem Kokua Jumper Kinderlaufrad. Wir hatten schon mal ein ebenfalls komplett gepimptes Kokua – die kleinen Teile scheinen den Heimwerker im Mann zu wecken. Wie ist es zu diesem Bike gekommen, das wir heute als Bike der Woche vorstellen wollen?
Das Projekt ist gar nicht so gestartet – ich hatte nie das Ziel, das Bike als Bike der Woche zu präsentieren. Doch wo es fertig war und so vor mir lag, war es meiner Meinung nach unmöglich, es der Forengemeinde vorzuenthalten.
Das Rad kam pünktlich mit der Geburt meines Sohnes im Oktober 2013 per Post zu mir. Dem ersten Kommentar meiner Frau “ob es nicht etwas zu früh sei”, bin ich damals direkt mit einem Lächeln begegnet… :D Angefixt von den sensationellen Umbauten, die bis dahin so im Kinderrad-Forum vorgezeigt worden waren und den ersten Bildern von User Surtre [das oben genannte andere Kokua Jumper als Bike der Woche, Anm. d. Red] habe ich die Idee dann langsam reifen lassen. Ich wollte nie nachbauen – es sollte was eigenes werden, was ja auch mehr als gelungen ist.
Wenn man Vater wird und seit gut 20 Jahren Biker ist und 13 Jahre Berufserfahrung in der Bike-Branche hat, sieht man einiges kommen und gehen. Ich habe viele Dinge gesehen und durfte auch einige Bikes in den Händen halten. Vieles ist in Erinnerung geblieben und hat dem Kokua die Impulse gegeben, das Projekt geformt und zu dem gemacht, was ihr hier seht.
Der Wunsch nach einer Bremse an einem Laufrad war mir das Wichtigste und stand ganz oben auf der Wunschliste. Die Gewichtsreduktion kam gleich an zweiter Stelle und so entstand im Kopf das Rad mit all den großen und kleinen Veränderungen. Die Umsetzung des Projektes habe ich einem ganz besonderen Menschen zu verdanken, meinem besten Kumpel aus Stuttgart: IBC-User „Major_one“. Er hat alle technischen Arbeiten und Veränderungen am Kokua vorgenommen. Mir fehlen hier in Hamburg die Geräte und das Können. Sein Wissen und seine Erfahrung als Formenbauer waren für das Projekt jedoch unerlässlich. Er steckte mehr als 60 h Arbeit an den Maschinen rein; mehr als 30 h gingen in die Konzeption und die Umsetzung der Bremsaufnahme.
Als das Kokua kam, wog es out of the box 3.344 g. Das war definitiv zu viel und so zerlegte ich alles und begann jedes Teil abzuwiegen. Die Naben waren besonders schwer und mussten dringend an Gewicht abnehmen. Also ab ins Netz geschaut und nach langem Suchen leichte Naben gefunden. Bestellt, geliefert und siehe da, sie sind nur 74 mm breit. In der Euphorie hatte ich vergessen die Einbaubreite zu messen und meine waren natürlich 84 mm breit. Ältere Kokuas sind mit 74 mm breiten Naben ausgestattet. Das sind die kleinen Feinheiten eines solchen Projekts abseits der Standards und mit denen hat jeder zu kämpfen, der so etwas angehen will. Nur falls das jemand nachmachen will…
Also die neuen Naben zerlegt, kurz überlegt und ab in die Kiste damit. Die machen wir passend. Weitere Teile wie der Steuersatz, damals noch in Rot, grünes Lenkerband, rote Aluschrauben und die KCNC Teile waren in der Zwischenzeit dann auch eingetroffen. Das Farbkonzept Ende 2013 / Anfang 2014 war grün rot. Mann bin ich froh, dass es das nicht geworden ist. Es hätte vermutlich ausgesehen wie ein Weihnachtsbaum.
Als es soweit war, habe ich alle Teile verpackt und auf die Reise geschickt. In Stuttgart angekommen gingen sofort die Telefonate und wilden Zeichnungen los. Meinen Kumpel konnte ich schnell überzeugen mit der Idee, eine Scheibenbremse an das Kokua Jumper zu montieren. Als erstes fingen wir also an, uns Gedanken über die Scheibenaufnahme an der Nabe zu machen.
Zwischenzeitlich hatte User Surtre seinen Disc-Adapter gezeigt und er sah gut aus. Einen zweiten für mich fertigen wollte er aber leider nicht. Ich bin im Nachhinein dankbar dafür, denn so mussten wir hirnen und uns die Lösung selber erarbeiten. Unser Ergebnis: Die Nabe wird auf das Maß von 84 mm verbreitert. Der Scheibenadapter wird an der Stelle verpresst, wo vorher das Lager saß und das Lager selber wanderte in den Adapter. Die interne Achse wurde entsprechend angepasst.
Um dem Adapter in der Nabe die nötige Steifigkeit zu bieten, wurde dieser verpresst, verklebt und mit Stahlgewindestiften gesichert. Das ist jetzt stabil wie eine echte Disc-Nabe. Die Vorderradnaben hat lediglich eine verbreiterte Achse bekommen, damit alles von den Maßen her passt.
Jetzt wo der Adapter fertig war und alles passte, wurde die Disc-Aufnahme für den Rahmen diskutiert. Wie wollen wir sie montieren? Einzugmuttern? Lange Muttern durch den Hinterbau? Alles irgendwie nix. Also blieb nichts anderes übrig, als das Teil anzuschweißen. Wir haben den Rahmen abgeschliffen (das war auch das Ende meines Farbkonzeptes Nr. 1 grün/rot) und alles vorbereitet. Damit der Shimano PM-Adapter auch an das runde Rohr passt und hält wurde der Hinterbau angefräst, der Adapter auch. Damit das Schweißmaterial auch hält, musste der Adapter enteloxiert und komplett abgeschliffen werden. Auf dem Eloxal hält die Schweißnaht nicht. Nach dem Ausrichten und erfolgreichen Anschweißen war die Bremse montagefähig und wir beide echt fertig mit der Welt. Aber auch happy, denn die Lösung mit den Umbauten an Rahmen und Nabe sind definitiv nichts, was man eben mal so macht.
Die Zugverlegung hat dann noch einmal sehr viel Zeit in Anspruch genommen, ich bin da ein kleiner Perfektionist. Jetzt ist sie so perfekt wie möglich verlegt – besser geht es nicht, ohne die Leitung zu knicken. Damit war der erste Punkt erfüllt und ich habe mich weiter auf die Gewichtseinsparung konzentriert. Um weiter Gewicht zu sparen, wurde das Steuerrohr ausgefräst. Ich wollte es ursprünglich ohne den Steg, wurde aber vom Gegenteil überzeugt. Erstens stabiler und letztendlich auch schicker und „maschineller“.
Der Hauptrahmen wurde entlackt und gebürstet, die Gabel und der Hinterbau wurden beim örtlichen Lackierer hier in HH neu lackiert. In endlosen Telefonaten mit Stuttgart wurde dann die Bearbeitung des Bremshebels besprochen, die Idee mit dem Ausfräsen der VR-Nabe und dem Löchern in der Felge.
Jetzt im Februar 2015 ist es dann endlich fertig geworden. Nach fast 1,5 Jahren Bauzeit. Dieses Projekt ging immer nebenher und lag auch mal wochenlang in der Schublade, wenn Hamburg und Stuttgart sich nicht einigen konnten wie was umgesetzt werden sollte.
Die jetzige Farbe wurde auf dem Weg ins Büro geboren. Ich fuhr hinter einem VW Bus her, blau mit orangenem Schriftzug. Dieser Kontrast und dieser Anblick gingen mir nicht mehr aus dem Kopf. So wurde das mittlerweile zweite Farbkonzept aus blau/blau zu blau-orange. Gut so. Und meine Frau versteht jetzt, warum ich das Rad schon zur Geburt unseres Sohnes ordern musste…
Worauf hast du beim Aufbau deiner Bikes besonders geachtet?
Wir haben auf eine möglichst perfekte Umsetzung geachtet. Die PM-Aufnahme wurde beispielsweise nach dem Anschweißen verschliffen – wie alle Schweißnähte an Gabel und Hinterbau. Der Adapter an der Nabe ist stabil und leicht zugleich und integriert das Lager.
Die Ausfräsung am Steuerrohr ist so gewählt, dass diese stabil und edel zugleich wirkt. Die Bremse wurde getunt (welches Kind startet direkt mit einer XTR? ;) ). Der Bremshebel wurde für kleine Kinderhände angepasst. Die erste Bremse, eine Avid, flog schnell wieder in die Schublade – zu schwer und einfach nicht meins.
Die XTR war schnell als Ersatz da. Locker 10h Stunden gingen für die Hebelsuche drauf: Wir haben alte Shimano-Hebel zum Zerlegen und Experimentieren besorgt. Nach der ersten Montage war klar: Es kann nur der originale Carbon-Hebel meinen Ansprüchen genügen. Also wurde dieser bearbeitet. Das Ergebnis seht ihr :D.
Alle anderen Teile sind klar aus Gewichtsgründen ausgewählt; die KCNC-Parts aufgrund des Preis-Leistungsverhältnisses. Die restlichen Parts der Optik wegen. Um weiter Gewicht zu sparen wurden Schwalbe SV14A Schläuche auf 12″ gekürzt. Mit Erfolg – das Gewicht beider Schläuche sank auf 80 g, vorher waren es 130 g. Und gerade bei einem so leichten Bike mit so wenig Komponenten ist es wichtig, überall Hand anzulegen.
Wie geht es mit deinem Bike weiter?
Der Sattel wird noch neu bezogen und soll orange Nähte bekommen. Die Spacer werden noch auf Reverse Lightblue gewechselt. Und die Scheibe bekommt einen Eingriffschutz, damit der Kleine sich nicht verletzten kann. Ansonsten ist das Rad denke ich fertig.
Partsliste:
Rahmen: Steuerrohr ausgefässt, Löcher für integrierte Leitung, entlackt, abgeschliffen
Hinterbau: PM Discmontage angeschweißt, Löcher für integrierte Leitung, entlackt, neu lackiert
Gabel: Schaft gekürzt, entlackt, neu Lackiert, M8 Gewinde
VR Nabe: American Classic 74mm + je 5mm Distanzhülsen auf 84mm Breite. Distanzhülsen mit Feingewinde auf Achse geschraubt, Nabe ausgefrässt, Achse lackiert
HR Nabe: American Classic 74mm + Customamde 3 Arm Disc Adapter, verpresst, geklebt, verschraubt, Lager in den Adapter gewandert. HR asysmetrisch eingespeicht,
Nippel: Alu Pilar
Speichen: Sapim Custom 76mm / 78mm
Felgen: Kokua, gelöchert
Felgenband: Schwalbe, gekürzt
Schläuche: SV14A gekürzt, nur 40gr das Stück
Reifen: Schwalbe Black Jack
Steuersatz: Reverse
Spacer, FSA, wird noch gegen Revers getauscht
Vorbau: KCNC FlyRide, enteloxiert, Alu Schrauben
Lenker: KCNC, enteloxiert, poliert,
Bremse: XTR XC, Bremshebel Custommade barbeitet für kleine Kinderhände
Bremsscheibe: Ashima 140mm Custom, nur nch drei Aufnahmen
Griffe: Deda Lenkerband
Sattelstütze: Kokua
Sattel: Kokua, wird noch neu bezogen
Klemme: Contec Custom, ausgefässt, Lackiert, AluSchrabe, 9gr leicht
Achsen: Alu Endkappen, Titan Achse, Custommade
Lager: Industrielager
Achse: Titan mit Alu Linsenkopf Schrauben
Schrauben: alle Alu
Achsen: alle Titan
Dämpfer: Kokua
Bremsleitung: Meterware, AluFittings
Startgewicht original: 3344gr
Zielgewicht nach dem Tuning inkl. Klingel: 2950gr
Und nun Feuer frei!
Welchen Einsatzbereich hat das Bike?
Meinem Sohn das Radfahren und die Freude am Biken beibringen. Früh übt sich!
Was wiegt das Bike?
2.950 g – das Startgewicht lag bei 3.344 g
Was ist dein persönliches Highlight an deinem Bike der Woche?
Die Bremsaufnahme am Hinterbau und das sensationelle Steuerohr, die Bremse und die Schläuche, ach, einfach alles an dem Laufrad.
Wie bist du zum Mountainbiken gekommen?
Vor 20 Jahren bin ich über meinen damaligen Nachbarn zum Biken gekommen. Mann, war ich damals neidisch auf sein MuddyFox Starbike und sein GT Zaskar LE. Nach meiner Lehre in der Radbranche blieb ich sehr lange dieser treu, bis ich im Sommer mit meiner Frau von Stuttgart nach Hamburg gezogen bin. Heute fahre ich Enduro / All Mountain, aber eigentlich und vor allem das, was mir Spaß macht. Mich findet man auf den Trails im Osten von Hamburg, mit und bei den Sachsenwaldpionieren.
Mountainbiken als Lifestyle / die Industrie – deine Sicht.
Mountainbiken ist eine Leidenschaft, die Leiden schafft. Nein, im Ernst: MTB ist mein Leben. Ich lebe und liebe es mit allen Trends – naja, fast allen Trends. Die Trends in der Branche drehen sich immer schneller. Heute 29er, morgen 650b und übermorgen? Alles wird immer schneller, das ist einerseits gut und andererseits schlecht.
Nichts bleibt mal für 3 Jahre “in” oder aktuell. Klar muss die Branche Anreize schaffen, um sich weiterzuentwickeln – aber die Frage ist, um welchen Preis? Den Trend mit den Fatbikes finde ich konsequent und gut. 29er finde ich klasse, 650b finde ich so lala. Ich meine, 26“ hätte es auch getan. Aber nach dem die Kuh 26er ausgemolken war und der Bulle 29er sich nicht richtig melken ließ, musste eine neue Kuh her. Die Kuh 650b ist fett und der Euter voll. Also melken. Wir brauchen die Milch für die Butter, also melken, melken, melken…
Du und die Internet Bike Community – Wann bist du dazu gekommen und was verbindest du mit dem IBC?
Vor über 10 Jahren, wie lange bin ich jetzt eigentlich dabei? Über das Downhill-Board habe ich was in meiner Region gesucht und ja, dann kam das IBC. Ach ja, das war echt toll, die Anfangszeit. Heute möchte ich nicht mehr ohne. Ich bin täglich mehrmals online, dank den smarten Phones noch einfacher als je zuvor. Verfolgen tue ich heute nur noch Themen die mich interessieren. Dafür ist das Forum mittlerweile auch zu groß. Aber es findet jeder was er will und das ist das, was zählt: Info, Erfahrung und Meinung.
Der Ton war in den letzten Jahren schwierig, hat sich aber wieder deutlich gebessert. Ich denke, das muss man in der Gemeinschaft schaffen und letzten Endes sind wir doch alle wegen der Mountainbikes hier. So denn auf die nächsten Jahre, ich freu mich!
Technische Daten
Rahmen: Kokua Jumper Kinderlaufrad; Hauptrahmen: Steuerrohr ausgefräst, Löcher für integrierte Leitungsführung gebohrt, entlackt, abgeschliffen. Hinterbau: PM Disc-Aufnahme angeschweißt, Löcher für integrierte Leitung, entlackt, neu lackiert
Gabel: Alu starr: Schaft gekürzt, entlackt, neu lackiert, M8 Gewinde für Lenkungsdämpfer eingeschnitten
Dämpfer: Kokua Elastomer Dämpfer, Alu Mutter
Steuersatz: Reverse Twister, Lightblue
Bremse: Shimano XTR XC M987; Bremshebel bearbeitet für kleine Kinderhände
Vorbau: KCNC Fly Ride, enteloxiert + Alu Schrauben
Lenker: KCNC SC Bone Flat, enteloxiert, aufpoliert
Griffe: Deda Lenkerband Orange
Felgen: Kokua 12“ 20-Loch silber, gelocht
Naben: VR-Nabe: American Classic 74 mm + je 5 mm Distanzhülsen auf 84 mm Breite. Distanzhülsen mit Feingewinde auf Achse geschraubt, Nabe ausgefräst, Achse lackiert. HR Nabe: American Classic 74 mm + Custom made 3 Arm Disc Adapter, verpresst, geklebt, verschraubt, Lager in den Adapter gewandert. HR asymmetrisch
Reifen: Schwalbe Black Jack 12” – Schläuche: SV14A gekürzt, nur 40g das Stück ;-)
Kurbel / Innenlager: –
Kettenblatt: –
Kettenführung: –
Schalthebel: –
Schaltwerk: –
Pedale: –
Zughüllen: Meterware, Orange mit Alu Fittings
Kette: –
Sattel: Kokua, noch unbearbeitet (wird noch neu bezogen)
Sattelstütze: Kokua
Sattelklemme: Contec Custom, ausgefräst, lackiert, Aluschraube, 9g leicht
Sonstiges: Das Highlight ist meiner Meinung die Postmount-Aufnahme am Hinterbau. Dies umzusetzen war echt nicht einfach. Es brauchte viel Zeit und viele Proben, bis wir dies wie gewünscht umsetzen konnten. Aber vorher musste erstmal die Scheibenbremsaufnahme an eine vorhandene Nabe gebaut werden. Des Weiteren fällt das ausgefräste Steuerrohr und der innenverlegte Bremszug ganz klar ins Auge. Ach was red ich… das ganze Laufrad ist ein Highlight!
Über das Bike der Woche
Ihr habt auch ein Bike, dass sich bestens in die ehrenhafte Riege der “Bikes der Woche” einfügen kann? Dann lest euch die Regeln für folgendes Album durch und ladet ein Bild in selbiges hoch. Viel Erfolg!
Hier zu den Regeln: mtb-news.de/p/1290006?page=2&in=set / Das Album findet ihr hier: mtb-news.de/s/55943.
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