IBC-User DrChaos hat sich mit dem Giant ATX One DH einen Jugendtraum erfüllt. Doch der Klassiker ist nicht nur zum Anschauen da, das alte Schätzchen wird durchaus noch im Gelände bewegt. Die Ausstattung fällt zu Gunsten der Fahrbarkeit und des Geldbeutels nicht komplett original aus, kann sich aber definitiv sehen lassen. Viel Spaß mit diesem Bike der Woche.
Bike der Woche
Giant ATX One DH 1999, DrChaos
MTB-News.de: Hallo DrChaos, dein Bike hat sich vor lauter Likes kaum retten können und es direkt unter die beliebtesten Fotos der Woche im Fotoalbum geschafft. Wie ist es zu deinem Bike gekommen, das wir heute als Bike der Woche vorstellen?
Das ATX One DH ist ein – ist mein – Jugendtraum. Gegen Ende der 90er Jahre des vergangenen Jahrhunderts begann die Zeit, in der Downhillräder zunehmend angemessene Federwege bekamen. Original hatte das ATX One unglaubliche 150 mm Federweg an Front und Heck, möglich unter anderem durch die erste Boxxer Gabel, die 151. In dieser Ausstattung hier sind es 180 mm an Front und Heck. Das war zu seiner Zeit eine echte Ansage. Im Jahr 2000 fuhr Myles Rockwell auf dem ATX One zum Weltmeistertitel. Das Rad war mein Traum, mit einem Preis von ca. 12.000 DM (für die, die sich nicht mehr an diese archaische Währung erinnern, cirka 6000 €) aber absolut unerreichbar. Zu der Zeit bleib für mich nur das ATX One Erlebnis auf der ersten Playstation: „No Fear Downhill Mountain Biking“ mit dem ATX One auf dem Cover. Mit der Zeit verlor ich es dann aus dem Auge und verlor mich die folgenden Jahre im Studium, auf dem Triathlonrad und dann in der Arbeit.
Kurz vor Weihnachten 2012 haben wir dann aber doch endlich zueinander gefunden. Eine Anzeige in einem Kleinanzeigenportal zeigte einen sehr zuwendungsbedürftigen ATX One Rahmen – in original Teamfarben, nicht verbastelt und mit vielen Originalteilen! Ich habe nach einigem hin-und-her mit dem Verkäufer dann natürlich zugeschlagen. Und dann lag es – gewissermaßen auf dem Gabentisch – Weihnachten 2012 vor mir. Es ging an den Aufbau, wobei ich möglichst originalgetreu bleiben wollte. Eine vollständiger Originalaufbau ist es dann nicht geworden. Zum einen wegen der exorbitanten Preise der Originalteile, aber auch aus Gründen der Fahrbarkeit. Die Teile, die ersetzt oder durch nicht-originale ausgetauscht wurden, sollten natürlich dem Anspruch eines Downhill/Freeride-gerechten Aufbaus entsprechen. Ich denke, das ist es auch geworden. Mir macht jede Sekunde Airtime mit dem Bike auf jeden Fall einen Heidenspaß.
Worauf hast du beim Aufbau deines Bikes besonders geachtet?
In erster Linie ging es um einen halbwegs zeitgerechten originalen Aufbau, zum anderen aber, wie gesagt, unbedingt auch um die Fahrbarkeit. Mit einem 580 mm Lenker die Berge hinunter, wer würde das heute noch? Alle Teile wurden in Bezug auf ihre Eignung für die forcierte Gangart bergab ausgewählt. Um bei diesem Beispiel zu bleiben, der (fast) massive Lenker von FUNN ist praktisch unzerstörbar, hat aber wie die klassischen Downhilllenker einen deutlichen Rise und (aus heutiger Sicht) „nur“ 640 mm Breite. Der Sattel, ein Selle Italia Karve, wie er auch Original verbaut wurde, war besonders schwer zu bekommen. Aus heutiger Sicht scheint er massiv, zur Jahrhundertwende, in der Downhiller oft mit regelrechten Sitzbänken ausgestattet waren, wirkte er aber geradezu zierlich. Optisch sollte das Bike klar erkennbar das werden oder bleiben, was es ist: Ein Klassiker des Downhillsports. Und ich finde, genau so ist es geworden – eine fahrbare Hommage an einen einmaligen Klassiker, eine Legende im Bikesport, an einen Jugendtraum.
Wie geht es mit deinem Bike weiter?
Es wird weiter gefahren und im Fenster hängend bestaunt! Nach und nach werde ich vielleicht noch das ein oder andere Teil gegen eines der Originalaustattung tauschen, z.B. die Kurbel. Die Fahrbarkeit muss aber erhalten bleiben. Eine 48er Kettenblatt vorne kommt mir nie wieder an’s Rad!
Welchen Einsatzbereich hat das Bike?
Für die meiste Zeit des Jahres hängt das Rad als Schaustück – nun irgendwie – im Wohnzimmer. Um die Familie nicht über Gebühr gegen mich aufzubringen, habe ich es von außen vor mein Wohnzimmerfenster – das Fenster weist zum Carport – auf eine Schiene gestellt. So sieht man es immer, es bleibt aber auch jederzeit griffbereit für eine Ausfahrt. Und Ausfahrten bekommt es! Es wird regelmäßig und altersgerecht bewegt. Meistens allerdings hier bei uns an der Ostseeküste – wo die Berge rar sind – im Freeride die Hügel hinunter. Natürlich nur um sie dann auch wieder mühsam hochzustöhnen. Als einziges Zugeständnis an das Alter des Rades wird dafür aber der Original RockShox Super Deluxe Dämpfer, für den Ersatzteile nicht mehr zu bekommen sind, gegen einen X-Fusion ausgetauscht.
Was wiegt das Bike?
Über ihr Gewicht schweigt eine Dame mittleren Alters.
Was ist dein persönliches Highlight an deinem Bike der Woche?
Die Lackierung in Teamfarben und das Adventure Components (AC) Chain Retention Device. Dieses gab es meines Wissens ab Werk nur für noch ein weiteres Bike, das GT STS Downhill. Die Befestigungspunkte am Rahmen für diese Kettenführung sind fest am Rahmen angeschweißt und folgen keinem Standard – zum einen die massive Halteplatte für die obere Führung am Sitzrohr, zum anderen die unter das Tretlager geschweißten Halteplatten für die untere Führung. Diese ist nicht wie die heutigen fest, sondern federt in beide Richtungen, durch eine Feder unter dem Tretlager. Die Funktion ist auch heute noch hervorragend. Aber nicht leise – alle Teile sind aus Aluminum und direkt mit dem Monocoque Hauptrahmen verschraubt. Durch dessen hervorragenden Resonanzeigenschaften ist das Bike also auch für die Ohren ein echtes Erlebnis.
Wie bist du zum Mountainbiken gekommen?
Ich bin als Jugendlicher (es waren die 80er und 90er Jahre des vorherigen Jahrhunderts) viel durch die Wälder des nördlichen Ruhrgebiets geräubert. Für ein anständiges Mountainbike fehlte mir aber der finanzielle Hintergrund. So habe ich bei Sprüngen und Drops auch das ein oder andere Fahrrad (unter anderem das Rad meiner Oma) vollkommen zerfaltet und mir auch immer wieder fahrbare Untersätze zusammen geschraubt. Während des Studiums kam ich über das Schwimmen zum Triathlon und habe diesen Sport auch exzessiv einige Jahre bestritten. Erst später – während meiner Postdoczeit in Stockholm, habe ich mir mein erstes Mountainbike gekauft, ein einfaches gebrauchtes und ziemlich heruntergekommenes. Ich habe es neu aufgebaut und bin damit durch Wald und Flur zur Arbeit gependelt. Bis jemand anderes es noch lieber mochte als ich und sich seiner in einer feindlichen Übernahme bemächtigte. Aber da war ich bereits vom Virus befallen. Seitdem sind schmale Reifen für mich nur noch eine Erinnerung an die Vergangenheit.
Mountainbiken als Lifestyle / die Industrie – deine Sicht.
Für mich ist das Mountainbike heute ein integraler Bestandteil meines Lebens. Ich pendele jeden Tag 30 km zur Arbeit über meinen Haustrail. Ich liebe das Fahren – gerne im Grenzbereich – genauso aber das Schrauben in meiner kleinen Werkstatt. Im Moment habe ich sieben klassische und Youngtimer Mountainbikes – vom Gary Fisher Rigid-Klassiker bis zum ATX One. Diese Liebe hat inzwischen auch meine beiden Söhne angesteckt. Beide haben sich mit mir einen Youngtimerfully aufgebaut, Der Kleine ein Kona, der Große ein Marin. Gestern Abend komme ich nach Hause, da fragt mich mein Jüngster: „Papa, gehen wir noch eine Runde Bunny-Hops üben?“ Ich bin angekommen :)
Auch wenn ich mich im im Youngtimerbereich und der Restauration besonders wohl fühle, bin ich allen aktuellen Entwicklungen offen gegenüber. Das Fahren muss Spaß machen! Rob Warner hat vor einem Jahr mal ein ATX One gegen ein 2015er Giant Glory getestet. Das Glory (mit Setup) lag auf einem 2 Minuten 15 Sekunden Kurs nur 10 Sekunden vor dem weitgehend originalen ATX One (ohne Setup). Nicht viel für so viele Revolutionen im Fahrwerksbereich und der Geometrie, die wir in den letzten fast 20 Jahren gesehen haben sollen.
Du und die Internet Bike Community – Wann und wie bist du zu uns gekommen und was verbindest du mit dem IBC?
Ich habe die IBC auf der Suche nach Teilen gefunden. Das Forum ist ein fantastischer Ort sich mit Gleichgesinnten auszutauschen. Besonders die Atmosphäre und Hilfsbereitschaft im Youngtimerbereich möchte ich dabei hervorheben. Das Lernen neuer und alter Kniffe, die Meinungen und Tipps Anderer zum eigenen Projekt – all das kann nichts anderes bieten. Gerne verliere ich mich in den Fotoalben, sehe mir die Filme der Woche an oder verfolge die Hausbesuche. Das einzige was ich noch anregen würde, wäre eine größere Datenbank/Sammlung von Trails und Revieren – gerne würde ich auch dazu beitragen. (Anmerkung der Redaktion: Hier findet ihr unsere Reise- und Spot-Guides) Erst vor einigen Tagen durfte ich mich einen wunderbaren Trail in Krakau (Polen) hinuntertreiben lassen…
Technische Daten: Giant ATX One DH 1999
Rahmen: ATX One DH, Einheitsgröße
Gabel: RockShox Boxxer 178 von 2000
Dämpfer: Rock Shox Super Deluxe , zur Schonung des Originals zur Zeit ersetzt durch einen X-Fusion
Steuersatz: Chris King
Bremsen: Formula Evoluzione (Original), schwimmende Originalscheiben hinten 160 mm, vorne 185 mm
Vorbau: Funn Rippa, 1 1/8tel, 60 mm Länge, 25,4 mm Klemmung
Lenker: Funn FullOn, 25,4 mm Klemmung, 640 mm Breite, 8° Backsweep, 3 cm Rise
Griffe: Sixpack
Felgen: Mavic D 521, 36-Loch (original)
Naben: Formula disc (original, 4-Loch Bremsscheibenaufnahme)
Reifen: Continental Rubber Queen
Kurbel + Innenlager: Race Face Evolve DH (ISIS), FSA 4fach Platinum Lager
Kettenblatt / Kettenblätter: 40er FSA Blatt
Kettenführung / Umwerfer: Adventure Components Chain Retention Device (original, so nur für diesen Rahmen gebaut)
Schalthebel: SRAM X9
Schaltwerk: SRAM 9.0 SL
Pedale: Crankbrothers Acid
Kette: Shimano CN-HG93
Kassette: Shimano CS-HG64
Sattel: Selle Italia Karve (original)
Sattelstütze: RaceFace Diabolous
Sattelklemme: Giant
Über das Bike der Woche
Ihr habt auch ein Bike, das sich bestens in die ehrenhafte Riege der „Bikes der Woche“ einfügen kann? Dann lest euch die Regeln für folgendes Album durch und ladet ein Bild in selbiges hoch. Viel Erfolg! Die Regeln: So wird dein Bike „Bike der Woche powered by bike-components“
Das Album findet ihr hier: mtb-news.de/s/55943.
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